Jeden Sommer kommen Hunderte Kinder ins Segelcamp nach Lökholmen, der kleinen Insel gegenüber von Sandhamn, und verbringen dort ihre Ferien. Doch nicht alle, die am Camp teilnehmen, können ihre Zeit dort genießen, denn einige Kinder werden gemobbt und leiden unter den Gemeinheiten der anderen. Als eines von inen plötzlich verschwindet, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit… (Klappentext)
Einordnung: Dies ist der achte Band der Thomas-Andreasson-Reihe.
Rezension:
Skandinavische Krimis kennzeichnen sich allzuoft durch Melancholie, die sich wie Mehltau durch die Bücher zieht, schönen Landschaftsbeschreibungen, aber gescheiterten Existenzen, denen man die Ermittlerrolle nur mit großem Wohlwollen abnehmen kann.
Nur hin und wieder sticht ein Fall, eine Geschichte oder gar eine Reihe wohltuend heraus und setzt ein Zeichen gegenüber dem Einerlei dieses sehr eigenen Genres. In diesem Sinne entführt Viveca Sten ihre Leser wieder einmal nach Lökholmen und Sandhamn, jener ländlichen idylle Schwedens, die tief im Inneren ihre Schattenseiten verbirgt. Zumindest, wenn man der feder der Autorin folgt.
Ein Handlungsstrang verfolgt den Weg des kleinen elfjährigen Benjamin, der gegen seinen Willen in ein Segelcamp auf der Schäreninsel verfrachtet wird und dort schnell das Ziel von älteren Jugendlichen wird, die in ihm das ideale Mobbingopfer sehen.
Ein parallel geführter Erzählstrang verfolgt ein, mit diesem Protagonisten lose verbundenen Gerichtsprozess, ein anderer dritter ist der verbindende Klebstoff zwischen den Zeilen.
Dies führt bei manchen Autoren dazu, dass sie sich verlieren und es nicht schaffen, eine vernünftige Lösung zur zusammenführung zu schreiben, doch mit Hilfe eines kontinuierlichen Spannungsaufbaus, der wellenförmig mal die eine Handlung hervorhebt, dann wieder andere Protagonisten fordert, schafft es die Autorin, was nur bei wenig Krimis so überzeugend gelingt.
Dies, in einer vergleichsweise ruhigen und fast unbrutalen schreib- und Erzählweise, die einem dennoch einen kalten Schauer über den Rücken laufen lässt. Nicht umsonst wurde diese Geschichte, wie auch schon mehrere andere der Reihe, bereits für eine Miniserie verfilmt.
Man kann diesen Krimi ohne Kenntnis der Vorgängerbände lesen, sei jedoch gewarnt, wenn man den Trigger Kindesentführung vermeiden möchte. zwar gibt es gewalttätigere Geschichten in diesem Genre, jedoch selten so gut erzählt. Die Perspektivwechsel folgen logisch in kurzweiligen Kapiteln, die jeweils einem Protagonisten folgen, ohne unter den bereits erwähnten Krimi-Mehltau zu ersticken.
Der Handlungsstrang um die Mobber wurde zu Gunsten der Entführung und den entsprechenden Folgen wahrscheinlich vom Lektorat zusammengekürzt, doch liegt es nicht in der Natur der sache, dass man im Alltag einzelne Aspekte verfolgt und andere aus den Augen verliert? In diesem Sinne ist es dennoch ein gut abgerundeter Kriminalroman, der es sich zu lesen lohnt.
Autorin:
Viveca Sten wurde 1959 in Stockhilm, Schweden, geboren und ist eine skandinavische Schriftstellerin und Juristin. Nach der Schule entschied sie sich für ein Jura-Studium und arbeitete als Chefjuristin für die schwedische und dänische Post.
Nachdem sie mehrfach Fachliteratur und entsprechende Aufsätze publiziert hatte, veröffentlichte sie 2008 ihren ersten Kriminalroman, aus dem inzwischen eine mehrbändige Reihe geworden ist. Die Reihe wurde als Miniserie für’s Fernsehen verfilmt. Die Autorin verbringt mit ihrer Familie die Sommer weitestgehend in Sandhamn, Haupthandlungsort ihrer Bücher und lebt mit ihrer Familie bei Stockholm.
Das Interview enthält einen Spoiler, den ich als einen solchen gekennzeichnet habe. Dieser kann jedoch übersprungen werden; man muss ihn aufklappen, um ihn zu lesen. Wer dies nicht tut, bleibt spoilerfrei. Das Interview kann auch ohne diesen gelesen werden.
NH: In Ihrem neuen Thriller
„Abgeschlagen“ geht es um einen Fall innerhalb der Kieler
Rechtsmedizin und den Protagonisten Dr. Herzfeld. Wie viel Herzfeld
steckt in Ihnen persönlich?
MT: Es steckt einiges Persönliches drinnen, dass ich natürlich, wie mein Protagonist das Problem habe, zu viel zu arbeiten, zu wenig zu Hause bin und zu wenig Zeit für die Familie zu haben. Das klingt ja immer wieder durch, sowie dass ich von Berufs wegen neugierig bin und es mir keine Ruhe lässt, wenn sich mir etwas nicht erschließt.
Was nicht auf mich zutrifft ist, dass ich nie diese Risiken eingehen und Alleingänge machen würde, die Herzfeld macht. Das muss man aber, der Dramaturgie geschuldet, machen. Wenn Sie jemanden haben, der 16 Uhr nach Hause kommt und bei jeder Kleinigkeit die Polizei ruft, haben Sie keine Hauptfigur.
NH: Sie können für sich auch das
Dramaturgische und das, was fachlich vielleicht notwendig wäre,
trennen?
MT: Das kann ich. Das ist der Vorteil der Belletristik. Im Sachbuch kann man das nicht, dort muss man bei den Fällen genau dranbleiben. In der Belletristik habe ich die Möglichkeit, einen echten Fall mehr auszuschmücken, mehrere Fälle zusammenfließen zu lassen und den Protagonisten Dinge tun lassen, die man sonst als Rechtsmediziner nicht machen würde. Die Möglichkeiten habe und nutze ich auch.
NH: Ist das Schreiben eines
Thrillers für Sie eine Art „Ausgleich“ zur Wirklichkeit?
MT: Irgendjemand hat mich einmal gefragt, ob es eine Art „Therapie“ wäre. Vielleicht ist es das auch. Einmal macht es natürlich Spaß. Ich habe ansonsten relativ wenige Hobbys, aufgrund der fehlenden Zeit. Ich habe früher auch sehr viel Wissenschaftliches publiziert, in Fachzeitschriften überall auf der Welt, von der Idee bis zur Druckfahne und dem Erscheinen.
Das ist auch das, was bei einem Buch Spaß macht. Es ist sicherlich eine Art „Therapie“ zu wissen, ich schreibe etwas und irgendwann gibt es Leute, die lesen das, die finden es gut und es gibt Feedback. Das ist Erfolg, der einem auch positiv bestätigt.
NH: Wie war das Feedback zum neuen
Thriller von Kollegen der Rechtsmedizin? Gab es da welches?
MT: Nein, bisher nicht. Das ist jedoch auch nichts, was ich jetzt erwarten würde. Ich habe einigen Arbeitskollegen das Buch geschenkt, da diese mich beraten und als Probeleser fungiert haben. Ansonsten gibt es da fachlich kein Feedback. Es macht jeder seines. Es interessiert einen Rechtsmediziner in Hamburg nicht, ob ich Rechtsmediziner in Berlin ein Buch schreibe.
https://www.instagram.com/p/BSETeWdFf_f/
Das war 2017. Michael Tsokos stellte damals einen anderen True-Crim-Thriller vor.
NH: Wie erklären Sie sich bei den
einfachen Publikum und Lesern die Faszination für Thriller und
Krimis?
MT: Der Tod als zentraler Bestandteil
von Krimis und Thriller übt natürlich eine große Faszination auf
die Menschen aus. Das ist etwas, was ich aus meinem Leben als
normaler Bürger ausklammern möchte. Ich kann mir als Normalbürger
nicht vorstellen, dass ich jeden Tag früh ins Büro gehe, zwölf
Leichen auf den Tisch liegen habe, so wie ich, die aufgeschnitten und
untersucht werden…
NH: Sind das so viele?
MT: Ja, wir machen jeden Tag so viele
Obduktionen. Ich bin auch bei allen Obduktionen in Berlin dabei. Wir
machen ca. 2200 Obduktionen pro Jahr. An regulären Arbeitstagen sind
das schon zwölf.
NH: Auch der Thriller „Abgeschlagen“
hat einen wahren Hintergrund. Wo genau liegt der „wahre Kern“
hinter der Geschichte?
Spoiler
MT: Vor ungefähr 25 Jahren hat mein damaliger Chef in der Hamburger Rechtsmedizin mir erzählt, dass es einmal einen skandinavischen Rechtsmediziner gab, der Prostituierte getötet, zerstückelt und die Leichenteile in den Park versteckt hat. Als sie dann gefunden wurden, hat er die obduziert. Über diese Geschichte findet man so gut wie nichts im Internet, da das in den 70er und 80er Jahren passiert ist, aber sie hat mich fasziniert.
Das ist das zentrale Thema. Was ist, wenn ein Rechtsmediziner tatsächlich selbst der Täter ist? Wenn er sein spezielles Wissen ausnutzt, um der Polizei immer einen Schritt voraus zu sein. Im Buch ist relativ schnell klar, um wen es sich handelt, aber der Weg bis zu seiner Überführung und zum Showdown ist sehr spannend. Das ist entscheidend bei „Abgeschlagen“.
[Einklappen]
NH: Der Weg ist das Ziel. Kann man
ja durchaus auf Ihre Arbeit übertragen. Wie kommt man zu diesen
medizinischen Bereich? Gibt es so etwas wie Freude an dieser Arbeit?
MT: Mein Beruf bereitet mir auch Freude und Spaß. Ich freue mich jeden Tag, wenn ich morgens zur Arbeit fahre, ob dem, was mich erwartet. Es gibt in der Medizin vieles, was ich nicht machen könnte. Wenn ich z.B. auf einer Kinderkrebsstation arbeiten würde und die kleinen Patienten sterben oder ich in einer Dialyse-Station, wo die Menschen zunehmend ins Nierenversagen rutschen, da sie keine Spenderniere bekommen, das wäre eine Sache, die ich nicht machen könnte.
Freude an beiden Berufen. Schriftsteller und Gerichtsmediziner Michael Tsokos.
MT: Ich weiß, dass es für viele unvorstellbar ist, den Job zu machen, den ich habe. Es gibt für mich jedoch genug andere, die ich nicht machen wollen würde. Ich war im Studium von der Rechtsmedizin total fasziniert. Das hat angehalten und deshalb habe ich mich auch dafür entschieden.
NH: Der Protagonist Dr. Herzfeld deckt im Laufe der Ermittlungen die Hintergründe der Tat auf. Wäre dies heute, in Anbetracht der Entwicklung von kriminalistischer Untersuchungsmethoden überhaupt noch so möglich? Ein unaufgeklärter und inszenierter Mord, dieses Schauspiel als Folge?
MT: Absolut. Das ist möglich, da wir
natürlich genau wissen, wie Spuren verändert werden können. Wie
legen wir falsche und verändern eigene Spuren? Das wäre absolut
möglich.
NH: Gibt es den perfekten Mord?
MT: Den gibt es. Ich kann natürlich
keine Beispiele nennen, jedoch gibt es gerade in Berlin den Fall
eines verschwundenen Mädchens, dass sehr wahrscheinlich Opfer eines
Tötungsdeliktes geworden ist. Die Polizei hat nicht den geringsten
Anhaltspunkt, was passiert ist.
NH: Wenn Sie im „Schreibprozess“
sind, wie gehen Sie vor? Steht die Geschichte fest oder beginnen Sie
zu schreiben und schauen, wohin dies führt?
MT: Der Grundblock steht von Anfang bis Ende fest. Man macht sonst den Fehler, sich zu verzetteln und nicht dort anzukommen, wo man hin möchte. Der Weg dahin ist flexibel. Ich habe den Protagonisten und habe die Rollen verteilt; bei dem, was dazwischen passiert, bin ich flexibel.
Zwischendurch kommen ja auch neue Ideen hinzu. Was von vornherein klar ist, ich brauch einen großen Showdown, ein Finale. Es ist jedoch zum Beginn des Schreibprozesses nicht unbedingt klar, wie das aussieht. In „Abgeschlagen“ war es das auch noch nicht, nur, dass es einen großen Abgang haben und quasi filmische Sequenzen haben muss.
NH: Wie gehen Sie mit der Realität
in ihren Büchern um, z.B. im Gegensatz zu Sebastian Fitzek? (Die
Frage habe ich ursprünglich anders gestellt, so dass es weder zum
damaligen Interview mit Fitzek selbst gepasst hätte, noch hier
zielführend gewesen wäre. Michael Tsokos hat jedoch, unbewusst, so
geantwortet, dass ich nachträglich in der Abschrift die Frage
umformulieren konnte. Jetzt passt es.)
MT: Im Gegensatz zu Fitzek muss ich die Realität abmildern, da sonst niemand das Buch lesen würde. Das würde kein Verlag drucken. Bei mir sind die Fälle aus dem wahren Leben.
Michael Tsokos und „Abgeschlagen“.
NH: Ihre Arbeit ist sehr
zeitintensiv, in Berlin und auch im Ausland, wo Sie zu vielen Fällen
hinzugezogen werden? Woher nehmen Sie die Zeit, zusätzlich Thriller
zu schreiben?
MT: Ich habe es sehr komfortabel, da
ich mir keine Fälle ausdenken muss. Die Geschichten kommen zu mir.
Ich bearbeite so viele Fälle mit unfassbaren Details und Wendungen.
Die Story zu bekommen, ist nicht schwierig. Eher noch die Umsetzung,
ein Buch daraus zu formen, neben den sonstigen Pensum. Man muss sehr
diszipliniert sein und seine freie Zeit nutzen, zu schreiben.
NH: Zuletzt wurde die Serie
„Charite“ ausgestrahlt. Es gibt zwei neue Bücher über einen der
prägenden Ärzte, Ferdinand Sauerbuch. Welchen Eindruck haben Sie
davon?
MT: Ich bin selbst immer wieder
erstaunt, wie sich Ärzte im Nationalsozialismus verhalten, zu
Handlangern und willfährigen Henkern dieses Systems gemacht haben.
Für mich erstaunlich, aber es ist natürlich ein Punkt, den ich für
mich selbst kritisch hinterfrage. Wie würde ich mich in solch einer
Situation verhalten? Mich hat die Serie total fasziniert.
NH: Wie wird es denn auch
weitergehen mit Paul Herzfeld?
MT: Es wird eine Trilogie werden. Das
nächste Buch heißt „Abgebrüht, um eben in dieser „Ab-“-Reihe
zu bleiben. Es geht weiter.
NH: In diesem Sinne, vielen Dank für
das Gespräch.
MT: Vielen Dank.
Wir danken Michael Tsokos und DroemerKnaur für die Gelegenheit, das Interview zu führen. Wie immer der Hinweis, dass das Interview Eigentum des Autoren, des Bloggers und des Verlages ist und nicht vervielfältigt, kopiert oder andersweitig verbreitet werden darf. Cover-Fotos werden nach Vorgaben des Verlags verwendet, Fotos des Autoren sind auf der Messe entstanden und gehören den Fotografen. Das Interview erfolgte ohne Gewinnerzielungsabsicht.
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VE: Jein. Ich bin langfristig schon optimistisch, da man ja ansonsten nicht existieren und langfristige Sachen machen würde, aber kurzfristig teilweise pessimistisch. Wenn man nicht immer das Schlimmste erwarten würde, könnte man auch keine Thriller schreiben, da passiert ja immer irgendetwas Negatives.
„Sind Sie ein optimistischer Mensch?“ Veit Etzold: „Jein.“
NH: Was hat Sie zu den Thriller
„Staatsfeind“ inspiriert?
VE: Ich habe 2013 mit einem ehemaligen
KSK-Kämpfer (Kommando Spezialkräfte) gesprochen. Der meinte, man
könnte einen Umsturz in Deutschland mit dreihundert Elitekräften
machen. Die würden ausreichen, um alles umzustürzen. Das erschien
mir plausibel und ich habe mir überlegt, was ist, wenn dies wirklich
der Fall wäre? Welche Kräfte würden sich bündeln? Wer würde so
etwas machen? Wie würde das aussehen?
Ich habe dann immer weiter recherchiert, mit verschiedenen Leuten gesprochen und gerade jetzt gibt es eine große Unzufriedenheit bei den Sicherheitsbehörden, die mit der Regierung nicht einverstanden sind, die sich im Stich gelassen fühlen, wo vielleicht die Möglichkeit besteht, so etwas hinzubekommen, gar nicht mal so unrealistisch ist. Auf alle Fälle realistischer als vielleicht vor zehn oder zwanzig Jahren.
NH: Dieses Ereignis, zuerst eines
Terroranschlags und dann eines Umsturzes, setzen Sie auf ein
historisches Ereignis. Den Mauerfall, der sich 2019 zum dreißigsten
Mal jährt. Warum dieses Datum?
VE: Dies ist ein historisches Datum und
die Separatisten wollen Deutschland spalten, in einem
nationalistischen und einem islamischen Staat und bedienen sich dann
auch Islamisten, die ihnen dabei helfen. In sofern wäre es eine
völlige Ironie, dass am dreißigsten Jahrestag der Wiedervereinigung
dann wieder alles auseinander gerissen wird. Der eine Teil
Deutschland wäre dann nationalistisch, der andere islamisch und
jeder der beiden Staaten ist für den anderen da, um ein
abschreckendes Beispiel zu geben.
NH: Sie hatten diese Idee und daraus
die Geschichte formuliert? Wie haben sie diese entwickelt? Gibt es
einen Schreibplan, der Anfang und das Ende stehen vorher fest oder
schreiben Sie und schauen, wo die Idee hinführt?
VE: Der Anfang steht und das Ende steht auch, genau so wie die ganze Story vorab. Es ändern sich vielleicht nur noch ein paar Sachen, auf einige bin ich erst zum Ende hin gekommen, die sich noch ganz gut einfügen ließen, aber bei Thrillern steht normalerweise die gesamte Geschichte gleich zu Beginn. Ich schreibe ein Expose, gliedere teilweise per Excel einzelne Szenen.
Wenn man einfach los schreibt, können logische Brüche entstehen und man kann vielleicht alles nochmal schreiben. Es ist unheimlich schwer, dies wieder hinzubekommen, während man nach einem Expose genau weiß, hier muss ein Charakter öfter auftauchen, hier ist der Bösewicht zu wenig präsent. Es ist um Einiges klarer und strukturierter. Ein Thriller versucht ja auch, den Leser auf eine falsche Fährte zu führen.
Veit Etzold: „Ein Thriller versucht ja auch, den Leser auf eine falsche Fährte zu führen.“
NH: Neben den Schreiben halten Sie
Vorträge und Seminare, arbeiten im Bereich der Unternehmensberatung.
Hilft dies beim Schreiben?
VE: Vor allem mache ich viel über Kontakte, Storytelling und Unternehmensberatung und da gibt es natürlich immer Leute, die sagen, wenn Sie mal eine spannende Idee brauchen, melden Sie sich bei mir. Menschen, die im Bereich Sicherheitstechnologie, IT, Banken arbeiten, haben immer spannende Geschichten zu erzählen, würden selbst vielleicht gerne schreiben, haben aber vielleicht nicht die Zeit dafür oder schaffen es nicht.
Das ist ein tolles Netzwerk, welches man immer kontaktieren kann. Es gibt natürlich Leute in den Sicherheitsbehörden, in der Armee, bei Elitetruppen, ein Netzwerk, welches Geschichten liefern kann, aber oft sagen sie natürlich auch, sie wollen nicht namentlich erwähnt werden.
NH: Gibt es für die Protagonisten
in Ihrem neuen Buch solche realen Vorbilder oder Menschen mit
entsprechenden Charaktereigenschaften?
VE: Cohagen, zum Beispiel ist ein Mensch von Typ Horst Mahler. Horst Mahler war Gründungsmitglied der RAF, hat RAF-Terroristen als Anwalt verteidigt und ist dann Mitglied der NPD geworden. Vom Links- zum Rechtsradikalen, sehr beweglich.
Da geht es wahrscheinlich nur um Umsturz und neue Gesellschaftsformen, die er möchte, egal was da jetzt drauf steht und so ähnlich ist Cohagen, der einer der Hauptverschwörer ist. Es sind schon einige Personen, die an reale angelehnt sind. Das wäre jetzt mit Horst Mahler eine prominente Figur. Es gibt aber viele andere, die ich kenne, die jedoch nicht erwähnt werden möchten.
NH: Für wie realistisch halten Sie
dieses Szenario?
VE: Ich halte die Grundsaat, die Möglichkeit ist relativ hoch. Heute höher denn je als in der Geschichte der Bundesrepublik. Hoffe, dass es dann nicht dazu kommen wird und am Ende alles gut ausgeht.
Es ist jedoch eine Sache, die sehr nah an der heutigen Situation ist, die entsprechende Auswirkungen hätte, wenn sie passiert und nicht komplett unwahrscheinlich ist. Ich wünsche es mir nicht, aber ich glaube, dass es in unserer Zeit eher wahrscheinlich ist als zuvor.
Veit Etzold: „Die Möglichkeit ist relativ hoch.“
NH: Polarisiert der Thriller?
VE: Ich habe schon Kritiken gehört,
E-Mails bekommen, wo es hieß, dass wäre zu krass und verachtend
gegenüber dem etablierten System. Wobei ich ja nicht sage, dass ich
das System verachte, nur sage, was kann passieren, wenn das
etablierte System nicht aufpasst. Ich möchte, dass Demokratie und
Freiheit weiter bestehen, es ist jedoch nicht Gott gegeben. Wenn man
es nicht immer wieder verteidigt, wird es vielleicht irgendwann
abgelöst. Das müssen wir verhindern.
NH: Trotzdem endet ihr Thriller
jetzt nicht gerade mit einem Happy End.
VE: Teilweise. Es muss ja ein Ende
haben. Hier liegt die Bestie am Boden, ist aber noch nicht tot. Man
weiß nicht, wie es weitergeht. Es könnte auch eine Richtung
eingeschlagen werden, die man gar nicht möchte.
NH: Das heißt, Fortsetzung folgt?
VE: Vielleicht. Könnte man überlegen. Dass es eine Fortsetzung gibt, könnte durchaus sein. Vielleicht aber auch nicht.
Veit Etzold: „Dass es eine Fortsetzung gibt, könnte durchaus sein.“
NH: Wie muss die Umgebung sein, um
solche Bücher zu schreiben?
VE: Ruhig. Lärm nervt mich, wenn ich
konzipiere, plotte und schreibe, ansonsten habe ich da keine großen
Anforderungen. Ein wenig Platz.
NH: Sebastian Fitzek sagte mal, um
so schöner die Umgebung, um so schrecklicher werden die Szenarien.
VE: Es muss eine schöne Umgebung sein.
Schöner Ausblick, zum Beispiel am Meer. Aber bei mir kann das auch
das Hotel sein oder im Flugzeug. Wichtig ist, dass man seinen
Gedanken ungestört Raum geben kann. Ansonsten stimmt das natürlich.
Je schöner die Umgebung, desto schlimmer die Themen. Jedenfalls,
wenn man Thriller schreibt.
NH: Was macht die Faszination für
Thriller aus? Gerne gelesen, im Feuilleton kommt er fast nicht vor.
VE: Sie werden gerne gelesen, da sie Themen behandeln, womit man sich in sicherer Atmosphäre gruseln kann. Der Mensch möchte sich gruseln, jedoch in sicherer Umgebung und nicht wirklich solchen Leuten begegnen, einerseits. Andererseits behandeln Thriller ganz oft den Tod und dieses Thema ist in unserer Gesellschaft völlig ausgelagert worden. Man sieht kaum mehr Tote. Früher hat man die auf den Schlachtfeldern gesehen. Tote werden nicht mehr zu Hause aufgebahrt.
Veit Etzold: „Thriller werden gerne gelesen, da sie Themen behandeln, womit man sich in sicherer Atmosphäre gruseln kann.“
Es gibt eine Lifestyle-Industrie und
wir glauben alle, wir sind für immer jung und unsterblich. Sind wir
nicht, aber glauben wir. Religiös gibt es eigentlich auch keine
Beschäftigung mit einem Leben nach dem Tod. Danach ist es vorbei.
Der Tod ist ausgeklammert worden, aber immer noch präsent. Eine Art
Underdog, der durch die Hintertür wieder hereinkommt, nachdem er
durch die Vordertür hinaus geschmissen wurde.
Der Thriller behandelt den Tod und die
Phänomene, die wir ausklammern, die aber für den Menschen trotzdem
interessant sind. Warum der Feuilleton das nicht möchte, keine
Ahnung. Wahrscheinlich, weil es irgendwie massentauglich oder nicht
intellektuell genug ist. Wir haben in Deutschland als einzigem Land
die Unterscheidung zwischen ernsthafter und Unterhaltungsliteratur.
Ernsthaft kommt ins Feuilleton, aber
nicht auf die SPIEGEL-Bestsellerliste. Bei Unterhaltung ist es
umgekehrt. In anderen Ländern werden auch Thriller in der New York
Times, Washington Post, Financial Times besprochen, hier nicht. Ich
verstehe es auch nicht.
NH: In Ihren Büchern kommen oft
Antihelden vor, bei denen man nicht weiß, wie man sich eigentlich zu
ihnen positionieren soll. Warum?
VE: Ich glaube, diese ganz klaren Helden, die man zuordnen kann, haben ausgedient. Die Leute wollen ambivalente Figuren, was man auch zunehmend an Serien sieht, in denen die Protagonisten nicht klar zuzuordnen sind. Die meisten Menschen sind ähnlich. Ein Mensch, der sagt, er würde nie töten. Wenn es aber darum geht, die eigene Frau, die eigenen Kinder zu retten, würde man vielleicht schon zum Mörder werden. Die Grenzen, was man machen würde und was nicht, sind immer fließend.
Veit Etzold: „Die Grenzen, was man machen würde und was nicht, sind immer fließend.“
Jeder Held, jeder normale Mensch ist
auch teilweise ein Antiheld. Das ist näher an den potenziellen
Lesern dran als ein Held, der völlig glatt gebügelt ist und weiß,
was er will. Wir wissen oft nicht, was wir genau wollen und wie wir
in Extremsituationen reagieren.
Das kommt auf die Situation an und in
solche werden die Helden hinein geschmissen. Das sind Menschen, keine
Superhelden, die eine gewisse Sache vielleicht gut können, ansonsten
genau so verletzlich und überfordert sind, wie vielleicht auch der
normale Leser in einer ähnlichen Situation.
NH: Dieses Szenario haben wir als
Leser und vor allem der Protagonist jetzt überstanden. In welches
werden wir uns als nächstes begeben?
VE: Als nächstes kommt wieder ein
Clara-Vidalis-Thriller, mittlerweile der siebte Band der Reihe, in
der Clara Vidalis einen Serienmörder jagt. Mehr kann ich noch nicht
verraten, es ist aber Bewährtes mit neuem Setting und neuen
Charakteren und einer ziemlichen Überraschung am Ende.
NH: Dann lassen wir uns überraschen.
Vielen Dank für das Gespräch.
VE: Vielen Dank.
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Zara & Zoe – Rache in Marseille
Alexander Oetker
Rezensionsexemplar/Thriller
Droemer
Erschienen am: 01.04.2019
Taschenbuch
Seiten: 328
ISBN: 978-3-425-30715-1
Inhalt:
Ein Zwilling, der keine Regeln brechen darf.
Ein Zwilling, der keine Regeln kennt.
Zusammen kämpfen sie gegen erbarmungslose Terroristen.
Gesetz und Gewalt – vereint in zwei Schwestern. Die eine Cop – die andere Mafiosa.
Um eine Katastrophe zu verfindern, müssen sie die Rollen tauschen.
Ihr Kampf gegen fanatischen Terror wird zum epischen Showdown zwischen Gut und Böse.
(Klappentext)
Rezension:
Thriller, die von der ersten Seite an, ein schnelles Tempo vorlegen, haben es zumeist in sich, so auch das vorliegende Szenario von Alexander Oetker. Der Frankreichkenner, Journalist und Schriftsteller entführt den Leser nach Marseille, in die Tiefen der Banlieues, grauer Vorstädte, die sich längst jeder staatlichen Kontrolle entzogen haben, Korruption, Drogenhandel und Terrorismus ihre Brutstätten haben.
Im vorliegenden Band ermitteln die scharf gezeichneten Protagonisten, die Europol-Beamten Zara von Hardenberg und ihr Kollege Isaakson. Was zunächst wie ein Mord mit Anhängsel aussieht, entwickelt sich jedoch schnell zu einem Fass ohne Boden. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, für den Zara ihre ärgste Feindin einspannen muss. Ihre eigene Schwester.
So viel zur Handlung, von der man mehr nicht verraten sollte, die jedoch durchaus trägt und einen kontinuierlichen Spannungsbogen praktisch garantiert. Rasant geschrieben, hat der Autor hier genau das richtige Maß zwischen den wichtigen Details und unwichtigeren Geplänkel gefunden. Positiv auffallend ist dabei, dass alle Protagonisten verschiedene Fascetten aufweisen. Das reine Gut-Böse-Schema gibt es nur auf den ersten Blick.
Auch Orts- und Milieubeschreibungen gehören zu den Pluspunkten des Autoren. Man nimmt dies dem Autoren ab und verliert sich in die Gluthitze der Stadt am Mittelmeer, die anscheinend mehr Schatten- als Sonnenseiten vorzuweisen hat. Nichts rät eher ab, doerthin zu reisen, als dieser thriller. Kurze und prägnante Kapitel laufen in wechselnder Perspektive einem Showdown entgegen, der einen großen Knall schon früh erahnen lässt.
Dort wird es indes kritisch. Gerade das Endszenario kann ich dem Schriftsteller nicht abnehmen. Zu unglaubwürdig, zu schnell und zu kurz erzählt. Was am Anfang noch funktioniert, reicht mit Fortschreiten der Seitenzahl nicht aus, um gerade ständige Krimileser bei Stange zu halten und zu überzeugen. Die Geschichte wirkt dann wie ein Fernsehfilm, den man mal gesehen, dann jedoch schnell wieder verdrängt hat.
Das ist schade, da viele Themen aufgegriffen werden, die man detailliert hätte verarbeiten können. Die Chancenlosigkeit in den Vorstädten, Radikalisierung, Terrorismus, organisierte Kriminalität, das Drogenmilieu, Mafiabande, um nur einige zu nennen. Das wird alles angeschnitten und im Schnelldurchlauf zusammengefügt, reicht jedoch nicht. Vielleicht hätte man sich hier auf weniger konzentrieren, dies jedoch ausfühlicher verarbeiten können.
Im letzten Viertel fehlt der Biss, jedoch würde ich gerne mehr über die einzelnen Protagonisten erfahren und damit weitere Fälle lesen. Gegen den Auftakt als Reihe, hätte ich nichts. Dann könnte der Autor diese Schwächen mit einer stärkeren Fortsetzung wettmachen.
Autor:
Alexander Oetker wurde 1982 geboren und ist ein deutscher Journalist und Schriftsteller. Er begann Sozial- und Politikwissenschaften zu studieren und beendete dies jedoch nicht, arbeitete v on 1998 bis 2000 freiberuflich für die Berliner Zeitung. Danach arbeitete er für die Mediengruppe RTL und war von 2005-2007 Berlin-Korrespondent.
Von 2008 an, leitete er das Westeuropa-studio und berichtete für RTL/n-tv/Vox aus Paris. Seit 2012 ist er politischer Korrespondent in Berlin. 2017 erschien sein erster Kriminalroman. Oetker schreibt unter eigenen Namen, sowie unter Pseudonym und lebt mit seiner Familie in Berlin.
Dieses Jahr hat es sich ergeben, dass zwar der Freitag von den Veranstaltungen her, die ich besuchen wollte, überschaubar blieb, das Wochenende jedoch nicht. So hatte ich dann auch am Samstag wieder ein volles Programm und machte mich früher als sonst zum Messegelände auf. Die Tram war trotzdem voll. Umfallen konnte man nicht. Luft zum Atmen blieb dennoch. Irgendwie.
Julia Finkernagel (links) über ihr neues Buch „Ostwärts“.
Dort beschreibt sie ihre ersten Erfahrungen als Moderatorin einer Reisereportage für den MDR und dies, wie ich inzwischen bestätigen kann, auf eine sehr humorvolle Art und Weise. Wer des Untertitel Rätsels Lösung erfahren möchte oder auch, wie man in der Steppe auf#s Klo geht ohne gesehen zu werden, der sollte dieses Buch lesen. Auch die anderen, dort beschriebenen, Episoden lohnen übrigens einen Blick hinein.
Danach wurde es mörderisch. Zumindest für mich, denn ich hatte bereits Wochen vor der Buchmesse zwei Interview-Termine vereinbart. Der eine mit Michael Tsokos, deutschlands wohl bekanntesten Rechtsmediziner und der andere mit Veit Etzold. Unternehmensberater, Thriller-Autor. Die Interviews werde ich alle beide noch verschriftlichen, zumal zumindest letzterer fast ins Wasser gefallen wäre und deswegen kurz gehalten musste. Veit Etzold stand nämlich zunächst im Stau. Es wurde dann aber doch noch ein sehr interessantes Gespräch. Dafür danke ich den Droemer Knaur Verlag und den beiden Autoren. Ich war so nervös.
Ob Michael Tsokos erleichtert war, als wir das Interview beendet hatten?Veit Etzold und ich.
Hat dann jedoch alles ganz gut geklappt.
Tschechien war das diesjährige Gastland auf der Buchmesse und so bestimmten auch viele Themen die Lesungen und Gersprächsrunden mit tschechischen Autoren, die unsere Nachbarn bewegen. In einer Gesprächsrunde ging es u.a. um die Aufspaltung der damaligen Tschechoslowakei in die zwei Staaten Tschechische Republik und Slowakei und die politischen entwicklungen seit diesen Zeitpunkt.
Erkenntnis, die Spaltung in zwei Staaten war wohl eher dem Gockelverhalten der Politoberen geschuldet als dem Willen des Volkes, welches anders entschieden hätte, hätte man ihn berücksichtigt. Wusste ich so auch noch nicht und lässt sich doch auf viele andere Situationen in unserer Gesellschaft übertragen, oder? Ich werde dabei die Diskussion um den derzeit im Umlauf befindlichen Artikel 13 nicht als beispiel nennen. Ups. 😉
Danach ging es zum traditionellen Bücherforen-Blogger-Booktuber-Bookstagramer-Treffen, was seit einigen Jahren irgendwie immer parallel und am gleichen ort stattfindet. Bei der Messebuchhandlung in Halle 4, hinter den viel zitierten ominösen schwarzen Vorhang. Wir werden dabei jedes Jahr immer mehr Leute. Es ist einfach schön, mit so vielen Menschen das gleiche Interesse zu teilen, fern aller Ansichten und Denkweisen, die uns voneinander unterscheiden.
Nur einen Nachteil gibt es vielleicht. Es findet eben in der Nähe der Messebuchhandlung statt. Mein armes Portemonaie, was die Tage über schon genug zu leiden hatte. Nun ja, Messe ist ja schließlich nur einmal im Jahr (Ja, ich weiß um die Frankfurter Messe, aber auf der war ich bisher noch nicht zugegen und werde es auch dieses Jahr wieder nicht schaffen, dorthin zu fahren.).
Es folgte eine Lesung in China, genauer gesagt mit Stephan Orth, der sein Buch „Couchsurfing in China“ vorstellte, nachdem er zuvor schon den Iran und Russland nach dieser Methode bereist hatte. Nur so viel sei gesagt, genau ein Hund hat diesen Trip wohl nicht überstanden. Wer mehr wissen möchte, muss den Reisebericht lesen. Wurde bereits kurz vor Messebeginn gekauft. Ich freue mich schon darauf, das zu lesen.
Stephan Orth „Couchsurfing in China – Durch die Wohnzimmer der neuen Supermacht“
Danach war Free Flow und ich habe den Messetag ausklingen lassen. So langsam hatten sich nämlich meine Füße bemerkbar gemacht. So viel laufe ich sonst nie am Stück. Zur Signierstunde von Katja Brandis konnte ich mich noch bewegen, ebenso wie zur Kinderbuchlesung von Salah Naoura, der aus seinem Roman „Matti und Sami“ las, und auch, wenn dies ein Kinderbuch ist und ich längst nicht mehr zur Zielgruppe gehöre, Erwachsene wie Kinder haben gleichermaßen und ausgiebig lachen müssen. Ich auch. Sehr witzig war das und wird in jedem Fall irgendwann einmal gelesen werden. Nur, nicht heute. Vorgemerkt ist es jedoch.
Salah Naoura „Matti und Sami“
Der Rest des Tages war Familienzeit. Ist immer schön. In Leipzig kann ich wunderbar beides miteinander verbinden und so habe ich den Abend noch auf einer Geburtstagsfeier verbracht und war am Ende des Tages voller abwechslungsreicher Eindrücke. So soll es ja auch sein, oder?
Fortsetzung folgt…
Der Bericht enthätl unbezahlte Werbung. Fotos gehören dem Bloginhaber und dürfen weder vervielfältigt noch weiter verbreitet werden. Für Verlagscover gilt das Übliche.
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In einem Kieler Park werden ein toter nackter Mann und eine zerstückelte Frauenleiche entdeckt. Rechtsmediziner Paul Herzfeld ist überrascht, welche mysteriösen Reaktionen dieser Fall auslöst: Professor Schneider, Herzfelds Vorgesetzter, legt sich schon zu Beginn der Obduktion auffällig schnell auf eine Machete als Tatwaffe fest, während der Sektionsassistent vor lauter Nervosität kaum seine Arbeit verrichten kann.
Und dannkommt der Hausmeister des Instituts auch noch einem brisanten Geheimnis auf die Spur. Daraufhin stellt Herzfeld eigene Nachforschungen an und bringt sich und seine Familie in größte Gefahr. (Klappentext)
Bücher der Reihe:
Michael Tsokos/Sebastian Fitzek: Paul Herzfeld – Abgeschnitten (Stand Alone)
Es scheint immer mehr so zu sein, dass Crossover zu verschiedenen alltagstauglichen Berufen Bücher geschrieben werden und diese damit besonders gut funktionieren. Das merkt der Leser z.B. an Sebastian Fitzeks „Amokspiel“, einen Thriller, den man durchaus als Anspielung auf die Radiozeit des Bestseller-Autoren verstehen könnte, aber auch an die True-Crime-Werke von Michael Tsokos, Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner, der bereits mit seiner Figur Fred Abel, einen weiteren erfolgreichen Quasi-Ermittler auf das Parkett der Buchhandlungen gebracht hat.
Nun jedoch, an das gemeinsame Werk „Abgeschnitten“ anknüpfend, welches der Autor zusammen mit Fitzek geschrieben hatte, ein gelungener wahrscheinlicher Auftakt zu einer neuen Serie.
Handelnder Hauptprotagonist ist Paul Herzfeld, den der Leser über sehr kurze Kapitel, die schnell aufeinander folgen, begleitet. Fachlich versiert und scharfsinnig bearbeitet der Kieler Rechtsmediziner seine Fälle, erstaunt jedoch als sich sein Vorgesetzter allzu leicht auf die Mordwaffe festlegt. Wie kann das sein? Zweiter Handlungsstrang, zumindest zu Beginn und zugleich Aufmacher des Thrillers ist die Geschichte eines freikommenden Mörders, welcher alleine dazu dient, die Handlung ins Rollen zu bringen.
Das funktioniert zunächst gemächlich. Sehr ruhig wird der Leser anfangs durch die Handlung geführt. Schnell ist ausgemacht, wer auf welche Seite steht. Für meinen Geschmack ein wenig zu schnell. Mit zunehmender Seitenzahl gewinnt die Geschichte dann jedoch an Tempo, der Spannungsbogen steigt kontinuierlich an und steuert gezielt auf ein großes Finale im verschneiten Schleswig-Holstein zu.
So viel zum Inhalt. Mehr darf und kann man jedoch auch nicht verraten. faszinierend sind die Details rechtsmedizinischer Arbeit, die Michael Tsokos in seine Werke, hier besonders stark, einfließen lässt. Fasst möchte man mitraten, wie viel von der Handlung wirklich wahr sind und welche fachlichen Anekdoten ihn zu diesem Thriller inspiriert haben.
Diese Gedankenspiele sind es, welches die Leser bei der Stange halten, auch die gute Ausarbeitung der Charaktere und gelungene Beschreibung der Arbeit im Obduktionssaal zeichnen sich verantwortlich für das gewisse Etwas. Wer allerdings Brutalität oder allzu blutige Szenen nicht lesen kann, sollte die Finger vom Buch lassen. Nur so als warnung.
Natürlich hat das Werk auch Schwächen, aber das liegt meines Erachtens daran, dass eben Michael Tsokos‘ Arbeit nicht hauptberuflich das Schreiben ist, sondern das Ergründen von Todesursachen, auch wenn dies nur einen kleinen Teil der Rechtsmedizin darstellt. In sofern sind Wortwiederholungen oder schwächere Formulierungen, die man vielleicht bei „hauptberuflichen“ Thriller-Autoren nicht durchgehen lassen würde, verzeihlich.
Legt euch also auf den Sektionstisch und taucht ein in ein mörderisches Szenario des winterlichen Kiel. Nicht nur für Schleswig-Holstein-Fans eine packende Geschichte. Nur eines gilt laut Danksagung übrigens als sicher. Paul Herzfeld wird uns voraussichtlich noch öfter begegnen.
Autoren:
Michael Tsokos wurde 1967 in Kiel geboren und ist ein deutscher Rechtsmediziner und Professor an der Charite in Berlin. Er leitet seit 2007 das dortige Institut für Rechtsmedzin, gleichzeitig das Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin in Berrlin-Moabit. Zudem ist er Leiter der Gewaltschutzambulanz der Charite.
1998-99 nahm er an der Exhuminierung und Identifizierung von Leichen aus Massengräbern des Bosnienkrieges und im Kosovo teil, 2004-05 war er im Auftrag des Bundeskriminalamtes zur Identifizierung der Tsunami-Opfer in Thailand täig. Er ist Autor mehrerer Fachzeitschriften, populärer Sachbücher und Mitautor mehrerer Thriller. Seit 2014 ist er Botschafter des Deutschen Kindervereins. Tsokos lebt mit seiner Familie in Berlin.
Wolf-Ulrich Schüler arbeitet als Journalist bei BILD, wurde 1980 geboren und lebt mit seiner Familie in Berlin.
Bleiche Knochen
Graham Masterton
Rezensionsexemplar/Thriller
Festa Verlag
Erschienen am: 19.09.2017
Taschenbuch
Seiten: 443
ISBN: 978-3-86552-558-1
Übersetzerin: Doris Hummel
Inhalt:
Die Skelette von elf Frauen werden bei Bauarbeiten auf einer Farm im ländlichen Irland gefunden, grausam verstümmelt und bei lebendigen Leib gehäutet. Die Ermittlerin Katie Maguire erfährt nach den ersten Untersuchungen, dass die Toten schon seit vielen Jahrzehnten unter der Erde liegen.
Ihr Vorgesetzter will den Fall bereits zu den Akten legen, da taucht ein frisches opfer auf. Welche Verbindung besteht zwischen dem Killer der Gegenwart und dem Toten aus der Vergangenheit? Und warum sind merkwürdige Stoffpuppen an die Oberschenkelknochen sämtlicher Leichen gebunden?
Katie Maguire stößt auf ein uraltes Ritual und muss den Mörder stoppen, bevor er erneut zuschlägt. (Klappentext)
Rezension:
Dem Schauerroman liegt eine lange, vor allem englische Tradition zu Grunde, die heutzutage durch gute Horrorliteratur ergänzt wird. Graham Masterton ist ein Meister dieses Genres und so liegt mit „Bleiche Knochen“ eine spannende Geschichte vor, die mit Vorsicht zu genießen ist.
Wenn davon überhaupt die Rede sein kann. Zunächst ist es eine der klassischen Ermittler-Geschichten, wie sie zu Hauf von den britischen Inseln kommen.
Eine Ermittlerin stolpert mit ihrem Team praktisch über Leichen und immer mehr details schälen sich an die Oberfläche. Heraus kommt das grausame Machwerk eines Täters, der die Umgebung im Atem hält.
Als wäre das nicht genug, stößt Katie Maguire auch noch auf eine uralte Legende und einen politischen Hintergrund, der nichts weiter als den freiden in Irland gefährden könnte. Größer geht’s kaum.
Dieses Szenario hätte schief gehen können. Andere Autoren wären mit dieser Geschichte gegen die Wand gefahren. Graham Masterton schafft es dagegen, sie großartig, sehr detailliert in Szene zu setzen. Sehr feinsinnig stellt er die Ermittlungen der irischen Polizistin dar, was ihn aber nicht daran hindert, auch die Mordszenen ebenso zu erzählen.
Tatsächlich sollte sich überlegen, wer gerade gegessen hat, dass Buch zu lesen. Für zart Besaitete nichts, wobei es auch in diesem Genre Steigerungen gibt, besonders wenn sie im Verlag Festa erscheinen.
Beim Leser schleicht sich eine Faszination für’s Morbide, für’s Böse ein. zeile für Zeile wird er in die Geschichte hineingesogen, will manchmal loslassen, kann jedoch sich kaum den beschriebenen Grausamkeiten entziehen und rätselt dann auch mit, wer der Täter ist.
Oder sind es gar mehrere? Und am Ende kommt doch alles ganz anders. Als Einstieg in die Horrorliteratur unbedingt geeignet, in manchen Teilen eines Stephen King würdig, doch Graham Mastertons Schreib- und Erzählstil ist sehr eigen, und macht mit seinen Perspektivwechseln und Wendungen einen Großteil der Faszination aus, die diese Geschichte trägt.
Die Protagonisten sind glaubwürdig, mit Ecken und Kanten versehen, und bekommen im Laufe der Geschichte eine Tiefe, die sicherlich in Folgebänden weiter ausgebaut werden wird. Auch „böse“ Figuren haben ihre sympathischen Seiten, doch wer sich in Gafhar begibt, kommt darin um.
Zum Glück blättert man als Leser nur Seiten um, doch hat man das Gefühl, mitten im Geschehen zu stehen. Die Einbindung einer uralten Legende passt zur Handlungsumgebung, sowie auch die Verarbeitung der Landesgeschichte hier einen wichtigen Stellenwert für den Verlauf einnimmt.
Für nicht so ganz zarte Gemüter eine unbedingte Empfehlung, wer qualitativ gute Krimi-Horrorliteratur lesen möchte, und nicht weiß, wo er ansetzen muss. Graham Mastertons „Bleiche Knochen“ ist da ein guter Einstieg, den man sich hingeben kann. Beschreibung expliziter Szenen inklusive. Diese Warnung muss jedoch sein.
Autor:
Graham Masterton wurde 1946 in Edinburgh geboren und ist ein britischer Autor von Horrorliteratur. Nach seiner Ausbildung zum Zeitungsreporter arbeitete er als Redakteur beim Magazin Penthouse.
In dieser Zeit schrieb er eine Reihe von Erotikratgebern, betätigte sich jedoch auch als Schreiber verschiedener anderer Magazine. 1976 veröffentlichte Masterton seine erste Horrorgeschichte, und schrieb seitdem über hundert Romane, Horrorliteratur, Thriller und Katastrophen-Romane. Er wurde mehrfach ausgezeichnet.
Der Preis des Todes
Horst Eckert
Rezensionsexemplar/Krimi
Rowohlt/Wunderlich
Erschienen am: 22.01.2019
Hardcover
Seiten: 415
ISBN: 978-3-8052-0012-7
Inhalt:
Sarah Wolf ist jung, ehrgeizig und am Ziel ihrer Träume: Die Düsseldorfer Journalistin hat ihre eigene politische Talkshow im Abendprogramm der ARD. Seit ein paar Wochen ist sie mit dem Bundestagsabgeordneten Christian Wagner liiert. Als dieser von den Medien als Lobbyist für einen international agierenden Krankenhausbetreiber dargestellt wird, hält sie zu ihm.
Doch kurz darauf wird Christian tot in seiner Wohnung aufgefunden – angeblich Selbstmord. Sarah kann das nicht glauben und beginnt, auf eigene Faust nachzuforschen. Auf Christians Computer findet sie eine geheimnisvolle Liste mit Namen. Die Spur führt nach Kenia und zu Menschen, die bereit sind, viel Geld zu bezahlen – für etwas, das so wertvoll ist, dass es sich dafür zu töten lohnt… (Klappentext)
Rezension:
In Zeiten, in denen die öffentlich-rechtlichen Medien immer mehr hinterfragt werden, ist es nur folgerichtig, dass auch die Kriminalromane in dieser Sphäre spielen, die ohnehin durchsetzt ist mit den drölfzigsten Tatort oder der gefühlt zwanzigsten politischen Talkshow. So eine moderiert Sarah Wolf, deren Sendung jedoch ums Überleben kämpft und von den oberen Zehntausend zunehmend infrage gestellt wird. Ob dies nun politische Entscheidungsträger oder Fernsehintendanten sind.
Doch, die Vollblutjournalistin ist ohnehin im Zwiespalt, da mit einem Bundestagsabgeordneten liiert, der vielleicht in einem riesigen Strudel aus Lobbyismus und anderen dunklen Machenschaften steckt. Doch, Sarah glaubt an die Unschukl von Christian, der jedoch bald tot aufgefunden wird. Sarah beginnt zu recherchieren und weiß bald mehr, als gut für sie ist.
Es sind die unspektakulär erscheinenden Werke, die oft die größten Überraschungen verbergen. Ein solches Werk liegt mit Horst Eckerts „Der Preis des Todes“ vor, der zunächst ziemlich harmlos beginnt. Zumindest, wenn man die heutigen Standards in diesem Genre ansetzt und sich voll und ganz fallen lässt.
Dann jedoch landet der Leser ziemlich unsanft in einer Mischung aus politischen Machtspielen a la Berlin, den Medienwahnsinn unserer Gesellschaft und auf das systematische Ausbeuten der ärmsten Menschen weltweit durch europäische, hier ein Krankenhausbetreiber, Konzerne. Ein Buch, welches harmlos beginnt, jedoch sich vor spannenden Stellen nur so überschlägt.
Die Figuren sind sympathisch gezeichnet, haben alle ihre Ecken und Kanten und machen, ist die Geschichte einmal in Schwung gekommen, eine sich überschlagende, jedoch glaubhafte Entwicklung durch. Erst gegen Ende schält sich heraus, welche Protagonisten „gut“ und welche es überhaupt nicht sind, ansonsten gibt es sehr viele Grautöne.
Die Auswahl an Schattierungen in der Charaktergestaltung macht diesen Kriminalroman ebenso lesbar, wie die wichtige hintergrundthematik, der Sarah Wolf nach und nach auf die Spur kommt. Gegen Ende zeichnet sich für den geübten Leser zwar die Auflösung schnell ab, jedoch schadet es der Geschichte nicht, die mit ihrem halb-offenen Ende (viel ist aufgelöst, den kleinen rest kann man sich denken) in sich stimmig ist.
Der Schreibstil ist sehr kurzweilig. Cliffhanger gibt es, nicht zu viele. Es ist ein gelungenes Schriftstück in die Abgründe unserer Gesellschaft. Wie viel würdest du zahlen, ist die Frage, für dein eigenes Leben und wärst du dazu bereit, jemand anderes über die klinge des OP-Tisches springen zu lassen?
Beantwortest du die Frage mit ja, bezahlst du ihn, den Preis des Todes.
Autor:
Horst Eckert wurde 1959 in Weiden in der Oberpfalz geboren und ist ein deutscher Autor von Kriminalromanen. Er studierte nach der Schule Politische Wissenschaften in Erlangen und Berlin und war für verschiedene Fernsehsender journalistisch tätig, bevor 1995 sein erster Kriminalroman erschien.
1998 erhielt er den Marlowe-Oreis, 2001 den Friedrich-Glauser-Preis. Einige seiner Romane wurden mehrfach übersetzt. Eckert ist Mitglied im Köln-Düsseldorfer Kriminalkomitee und im PEN-Zentrum Deutschland.
Ein grauenvoller Fund: In einem alten Londoner Bunker, tief unter der Erde, werden die Leichen von zwei Jungen entdeckt. Und schon bald verschwinden weitere Kinder. Ein Fall, der Detective Marnie Rome mit den Schatten der eigenen Vergangenheit konfrontiert. Die Ermittlerin ahnt: Jetzt zählt jede Sekunde. (Klappentext)
Rezension:
In der Heimat des Meisterdetektivs Sherlock Holmes ermitteln heute Polizisten mit der modernen Technik, neuesten forensischen und psychologischen Methoden, die den Ermittlern unserer Zeit zur Verfügung stehen.
Doch, genau so wie damals ist der eigene Spürsinn, Intuition und manchmal auch eine gewaltige Portion Glück von Nöten, um komplizierte Verwicklungen und Fälle zu lösen. Spannend verpackt, ergibt sich eine interessante und abwechslungsreiche Geschichte. Solch eine, wie sie Sarah Hilary zu Papier gebracht hat.
Der neue Stern am englischen Krimiautoren-Himmel ist Sarah Hilary nicht zu Unrecht und so begibt sich der Leser im zweiten Band der Marnie Rome Reihe auf Spurensuche durch die dunkelsten Abgründe Londons. Im wahrsten Sinne.
In einem der alten Bunker der britischen Millionenmetropole, genauer in einer der vorstadtsiedlungen, werden zwei Kinderleichen entdeckt. Einmal ins Rollen gebracht, überschlagen sich die Ermittlungen von Rome und ihrem Team, welches Stück für Stück mit den ihnen eigenen psychologischen Schwierigkeiten und, bei Rome zusätzlich, mit der eigenen Vergangenheit konfrontiert werden. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, als noch weitere Kinder verschwinden.
Der problematische zweite Band ist hier alles, nur kein Problem. Auch wenn man den Auftakt nicht kennt, so wirkt die Geschichte doch in sich geschlossen. Der Spannungsbogen setzt hoch an, und wird abwechslunsgreich über die kurzweiligen Kapitel hinweg weitergeführt.
Perspektivwechsel zwischen den Ermittlern und ihren Gegenparts, auch unterschiedliche Zeitebenen veranlassen, mitzurätseln. Klassische Ermittlungsarbeit und düstere Szenarien inklusive. CSI auf Britisch. Charakterentwicklung wird es wahrscheinlich über die Reihe als gesamtes Paket geben, findet im Band als solchen jedoch nur marginal statt.
Ist auch nicht notwendig. Der Fokus liegt ganz klar auf den zu lösenden Fall, in dem mehrere Handlungsstränge behutsam, aber doch temporeich zusammengeführt werden.
Die Figuren sind abwechselnd sympathisch, jedoch weicht die Autorin vom klassichen Gut-Böse-Schema ab. Es gibt hier keine absolute Größe, nur viele Grautöne, wie Hilary mit ihren Protagonisten zeigt. Es ist keine große literatur, doch besser als das Tatort-Gedöns im Fernsehen allemal.
Die Ermittlerarbeit, erfolgreiche und scheinbar aussichtslose Situationen sind zum Greifen nah. Der Krimi kommt überdies ohne viel Blut und Gewalt aus, auch schon eine Besonderheit in den Bücherregalen heute, wenn man von der Ausgangssituation ausgeht.
Gewalt, auch psychologische Gewalt, spielt sich vor allem im Kopf des Lesers ab, alleine die Rückblenden, wenn man es bei Büchern so formulieren möchte, haben es an manchen Stellen in sich. Wer mit Kindern als Opfern ein Problem hat, sollte hier sowie so vorsichtrig sein.
Wer das aber lesen kann, den erwartet ein tolles Ermittlerteam und ein spannender Fall in und unter London.
Autorin:
Sarah Hilary ist eine britische Schriftstellerin. Geboren in Cheshire, war sie nach der Schule als Buchhändlerin, bei einem Reiseführerverlag und bei der Royal Navy tätig, bevor sie zu schreiben began.
Für mehrere Kurzgeschichten wurde sie für verschiedene Preise nominiert und ausgezeichnet, bevor 2014 ihr erster Romn erschien. Ihr Krimidebüt wurde in England als bester Krimi des Jahres ausgezeichnet. Im Jahr 2015 erschien dieses erstmals in deutscher Sprache.
Mats Strandberg
Die Überfahrt
Horror
Fischer Tor
Erschienen am: 24.05.2017
Taschenbuch
Seiten: 507
ISBN: 978-3-596-29599-9
Übersetzerin: Antje Rieck-Blankenburg
Inhalt:
Die Passagiere an Bord der schwedischen Ostseefähre Baltic Charisma wollen vor allem eins: sich amüsieren, und zwar um jeden Preis. Ob sie nach der Liebe ihres Liebens suchen oder vor den Dämonen ihres Alltags fliehen – die Nacht ist lang, und der Alkohol fließt reichlich.
In dem ganzen Trubel bleiben die beiden dunklen Gestalten unbemerkt, die sich übers Autodeck an Bord schleichen: eine Mutter und ihr Kind. Mit ihnen betritt ein uraltes Grauen das Schiff, und es wird zur tödlichen Falle… (Klappentext)
Rezension:
Mitte der 1990er Jahre sank die Fähre Estonia vor der schwedischen Küste und brachte zahlreichen Menschen den Tod in in der eisigen Kälte der Ostsee. Auch heute noch das nationale Trauma eines landes, welches der gemeine Leser mit Bullerbü-Romantik und Ikea-Regalen assoziiert.
Zu Unrecht, denn das flächenmäßig größte aller skandinavischen Länder hat so viel mehr zu bieten. Unter anderem, wenn nordische Krimikunst auf klassischen Horror trifft, einen der grausamsten und erschreckensten Romane, welcher das Grauen in unsere Welt einbringt.
Zum Anfang ist noch alles normal, verhältnismäßig.. Die Unruhe vor der Fahrt, dass Gewusel an Kai und Anlegestelle, dem Boots-Terminal und die Gäste, die ihren Gedanken nachhängen. Vertieft in ihre ganz eigenen Probleme.
Die ewig alleinstehende und einsame Rentnerin, der Junge, der sich wünscht, dass seine Eltern, die sich auseinander gelebt haben, scheiden lassen, der Teenie, die eigentlich nicht mitfahren möchte aber dazu „gezwungen wird“ oder die Freundinnen, die einfach Spaß um jeden Preis haben wollen.
Doch, mit ihnen schleicht sich jahrhundertealtes Grauen an Bord, welches die Überfahrt zu einem Kampf auf Leben und Tod machen und sie mit dem schrecklichsten aller Schicksale konfrontieren wird.
Schwedens Zeitung „Dagens Nyheter“ bewarb den Krimi mit der Ettiketierung, Mats Strandberg wäre: „Dder schwedische Stephen King.“, doch ist diese Auszeichnung kaum zu halten.
Zwar ist die Geschichte in jeder ihrer einzelnen Seiten empfehlenswert, der Spannungsbogen wird kontinuierlich aufgebaut, doch gelingt der Spagat zwischen dem Großmeister der Horrorliteratur und schwedischen Krimi nur mäßig.
Das ist vollkommen in Ordnung, braucht sich Strandberg dennoch nicht dahinter zu verstecken. Tatsächlich wirkt die Art des Erzählens, die den Leser in größtmöglicher Sicherheit wiegt, um ihn dann ins kalte salzige Ostseewasser zu werfen, auch so.
Die Chraktere allesamt nachvollziehbar machen eine glaubwürdige Entwicklung zum Guten wie zum Bösen, je nach Aufteilung der Handlungsstränge, durch. Die handlungen widerum verdichten sich gegen Ende so, dass durchaus Raum für eine noch nicht geschriebene Fortsetzung besteht. So bleibt es spannend bis zur letzten Zeile.
Der Schreibstil ist nicht hochtrabend und fordernd, reicht aber für vollkommene gute Unterhaltung aus, doch muss man die Erzählstruktur aus abwechselnder Sicht der einzelnen Protagonisten mögen, sowie Blut abkönnen und akzeptieren, dass die wirklichen Vertreter ihres Genres eben nicht mit angezündeten Teelichtern leben, sondern im Blutrausch ihre Opfer in den Abgrund reißen.
Wer allzu zart besaitet ist, für den ist Mats Strandbergs Lektüre nichts, alle anderen erleben ein interessantes Stück modernen Horrors, der die moderne schwedische Literatur noch ein Stück gefahrintensiver werden lässt.
Der schwankende Fährboden ist bedingt durch den Wellengang und das Wetter, kann aber manchmal ganz andere Ursachen haben. Betet, dass ihr dann nicht an Bord seid und dem Grauen dort ausweichen müsst, wo ihr nicht ausweichen könnt. Gute Fahrt.
Autor:
Mats Strandberg wurde 1976 geboren und ist ein schwedischer Schriftsteller und Journalist. Er schreibt regelmäßig für die schwedische Zeitung Aftonbladet und veröffentlichte erstmals 2006 einen Roman.
Seine Engelsfors-Trilogie erschien ab 2011, erst sein Horrorroman „Die Überdfahrt“ machte ihn jedoch auf einen Schlag bekannt. Er wurde im Bereich Jugendliteratur für den August Prize nominiert. 2004 wurde er vom schwedischen Zeitungsverband zum Kolumnisten des Jahres gewählt. Er lebt mit seinem Partner in Stockholm.