Rezension

Empfehlung: Rachel Jedinak – Wir waren nur Kinder

Ein Buch ist zu kurz oder kompakt für eine Rezension, so schön oder so eindrücklich, dass eine Rezension dem nicht gerecht werden könnte, aber trotzdem von vielen gelesen werden sollte? Dafür gibt es die Kategorie „Empfehlungen“, in der Bücher vorgestellt werden, außerhalb von Rezensionen und Sterne-Berwertungen.

Rachel Jedinak, geboren 1934, überlebt die erste Massenverhaftung der Juden in Paris, die als „Razzia vom Velodrome d’Hiver“ in die Geschichte einging. Diese, am 16. und 17. Jungi 1942 stattfindenden, gelten als die symbolträchtigsten Szenen der französischen Kollaboration. Als Gerüchte über die bevorstehende Razzia aufkommen versteckt ihre Mutter Rachel und ihre ältere Schwester bei den Großeltern, doch werden sie von der Concierge denunziert und schließlich zu einer Sammelstelle gebracht. Nur mit Mühe und Glück gelingt es den beiden Mädchen durch einen Notausgang zu entkommen. Darüber schreibt die Autorin in ihrem autobiografischen Bericht, sowie über ihre Arbeit Jahrzehnte später, gegen das Vergessen. (eigene Inhaltsangabe)

Normalerweise versuche ich jedem Buch in einer Rezension gerecht zu werden, nur muss das diesmal in einer abgespeckten Form geschehen, da mehr die Seitenzahlen nicht zulassen, die Eindrücke überwältigend sind und man das, was man da gelesen hat, überhaupt erst unter einen Hut bringen muss, und das mir, der ich durchaus regelmäßig solche Berichte lese. Zeitzeugenberichte. Die, die wichtig sind, die Bücher gegen das Vergessen, die immer wichtiger werden, je weniger Menschen noch von den Ereignissen erzählen können, die immer mehr lieber zu den Akten legen, gar relativieren möchten. Hier und überall in Europa.

Gerade dann ist es wichtig, allen auch Geschehnisse in Erinnerung zu rufen, von denen hierzulande kaum jemand etwas weiß, die Razzia vom Velodrome d’Hiver in Paris ist ein solches, hier in einem kleinen kompakten, aufrüttelnden und schmerzlichen Bericht einer Überlebenden. Rachel Jedinak war damals nur ein kleines Kind, gerade einmal acht Jahre alt, als sich ihre Welt schlagartig änderte, die nur die elterliche Wohnung, die Schule, einige Straßenzüge ihres Viertels umfasste. Doch Krieg, Rassismus, Antisemitismus haben auch dort nicht halt gemacht. Schmerzlich die Erinnerung, von der sicher geglaubten Freundin plötzlich beim Spiel ausgegrenzt zu werden und andere Dinge, die wieder hochkommen, als die Erwachsene Jahrzehnte später vor Schulklassen berichtet.

Im hohen Alter beschäftigt sich die Autorin mit diesem Stück Zeitgeschichte, welche auch ein schmerzlicher Teil ihrer Biografie ist, bringt Gedenktafeln an Schulen und Gebäuden ehemaliger Einrichtungen an, führt Gespräche. Über das, was eigentlich unsagbar ist, unbegreiflich für das damalige Kind, welches kaum in der Lage ist, das, was geschieht, einzuordnen. Wie denn auch? Die Erwachsene versucht es mit wenigen Worten. Ein kompakter Bericht der sich nicht ins Überflüssige verliert und sich dabei an ihre Landsleute richtet. Seht her. Auch Franzosen haben sich beteiligt. Nicht alle, aber eben auch. Auch das darf nicht vergessen werden.

Das Leben hängt manchmal nur an wenigen Worten. Das hat Rachel Jedinak in frühester Kindheit erfahren müssen. Alle anderen dürfen es nicht vergessen.

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Rick Riordan: Percy Jackson 5 – Die letzte Göttin

Einordnung in der Reihe:

Inhalt:

Jetzt ist Percy gefragt: Sein Todfeind Kronos holt zum letzten Schlag aus und marschiert auf den Olymp zu, mitten ins Herz von New York. Dabei sind doch die olympischen Götter alle ausgezogen, um gegen das wiedererstandene Monster Typhon zu kämpfen! Und zu allem Unglück haben Percys Freunde einen Spion in den eigenen Reihen … (Klappentext)

Rezension:

Es ist noch nicht so lange her, da war Band 5 der Reihe um Halbgott Percy Jackson, den Sohn des Poseidon, der Abschluss einer Reihe und ihr Schöpfer Rick Riordan hatte sich längst diversen Spin-Offs gewidmet, inzwischen aber gibt es einen sechsten Band, der bereits ins Deutsche übersetzt wurde und auch ein siebter dürfte folgen, um die Hauptreihe zu ergänzen.

Im Englischen gibt es ihn schon. Aufgrund des zeitlichen Abstands der Erscheinungstermine zum fünften, können alle nachfolgenden Bände jedoch als Ergänzung betrachtet werden. Ein würdiger Abschluss des Hauptstrangs bietet der fünfte Teil der Jugendbuchreihe in jedem Fall.

Und der beginnt, sich mitten hinein ins Chaos stürzend. Eigentlich wollte Percy mit seiner Mutter und deren neuen Freund einige Tage Ferien genießen, doch für seinen Geschmack ist die Ruhe viel zu schnell vorbei. Mehrere Konfrontationen mit Kronos sind nicht einmal wenig, doch nicht nur dadurch beginnt der sonst allmächtige Olymp Verfallserscheinungen zu zeigen.

Percy und seine Freunde steuern auf die größtmögliche Konfrontation zu, derer sie sich bewusst sind, dass sie entweder zu ihrer Rettung oder ihrem entgültigen Untergang führen wird. Dies passiert sehr schnell. Wieder fliegen wir dank Ambrosia und unglaublich hohem Erzähltempo durch die einzelnen Kapitel, in denen sich spannungsgeladene und witzige Szenen einander abwechseln.

Bis zum Schluss hat Rick Riordan eine Figurendynamik gehalten, die vielleicht nicht eine gewisse Vorhersehbarkeit des Endes verhindern kann, aber man da gerne mitgeht. Warum man schon damals nicht an eine Serie gedacht hat, weiß Hermes persönlich. Die Buchreihe bietet sich gerade dafür magisch an.

Der Autor schafft es hier alle seit dem ersten Band begonnenen Handlungsstränge zusammen zu führen und zu einem sinnvollen Ende ohne Sprünge und erzählerische Lücken zu verknüpfen. Zwar verschwimmen nach dem Ende, welches an diverse Schlussszenen amerikanischer Katastrophenfilme erinnert, nur eben auf das jugendliche Lesepublikum heruntergebrochen, die einzelnen Kapitel zu einem undefinierbaren Ganzen, welches sich nicht wirklich mehr entwirren lässt.

Trotzdem bleibt letztlich eine positive Grundstimmung zurück. Die Figuren sind da bis zuletzt durch die Bank weg nicht perfekt und haben, selbst der Hauptprotagonist, ihre Ecken und Kanten, was nicht nur „Die letzte Göttin“ ungemein sympathisch macht.

Ob die nachgereichten Folgebände diesen Stil halten und nahtlos daran anschließen können, trotz des zeitlichen Abstandes, wird entscheiden, ob sie eine sinnvolle Ergänzung nur sind oder die Hauptreihe komplettieren. Bis dato darf jedoch dieser hier als gelungener Abschluss gelten.

Autor:

Rick Riordan wurde 1964 in San Antonio, Texas, geboren und ist ein US-amerikanischer Schriftsteller. Zunächst studierte er Englisch und Geschichte, später unterrichtete er Anglistik und Sozialwissenschaften an einer High School in San Francisco. In Kalifornien und Texas unterrichtete er griechische Mythologie.

Durch seinem Sohn inspiriert, sowie durch ein Schulprojekt „Kreatives Schreiben“, begann die Geschichte um Percy Jackson Gestalt anzunehmen, welche er 2005 veröffentlichte, dem weitere Werke und Reihen folgten.

Seit 2018 unterstützt er ein Segment des Verlags Disney Hyperion, indem unter dem Imprint Rick Riordan Presents mythologisch inspirierte Jugendbücher von Angehörigen der jeweiligen Kulturen erscheinen. Seine Werke wurden mehrfach verfilmt und ausgezeichnet, u. a. mit dem Mark Twain Award 2008 oder den Children’s Choice Book Award 2011.

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Jean-Jacques Sempe: Benjamin Kiesel

Inhalt:
Benjamin Kiesel wird ständig rot, einfach nur so (nur dann nicht, wenn er etwas angestellt hat), und alle lachen ihn aus. Er träumt von einer Fee, die ihn heilen kann, und findet stattdessen … einen Freund, der ihn nicht auslacht, sondern versteht. Denn auch Rudi Rettich leidet an einer seltsamen Krankheit: Er muss ständig niesen,, selbst wenn er nicht erkältet ist. Eine melancholische wie lustige Geschichte über zwei tapfere Außenseiter, die ihre Freundschaft sogar ins Erwachsenenalter retten können. (Klappentext)

Rezension:

Die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft begeistert seit 1971 die Lesenden und könnte nicht besser in die heutige Zeit passen. Grund genug für eine revidierte Neuausgabe mit entsprechender Übersetzung, in der der deutsche Titel „Carlin Caramel“ an den Titel der Geschichte des französischen Originals angepasst wurde.

Viel gibt es nicht über die kleine Erzählung, die man rein von den Textzeilen her als kurze Kurzgeschichte betrachten kann, zu sagen. Beschrieben wird eine Kinderfreundschaft, zweier, die eines gemeinsam haben, nämlich etwas, was sie nicht kontrollieren können und sie so zu Außenseiter macht. Doch, zusammen ist man weniger allein und vor allem immer stärker und so verbringt man fortan viel gemeinsame Zeit, kann sich auch für die Hobbys und Talente des jeweils anderen begeistern. Und das klappt auch, nachdem man sich eine Zeit lang aus den Augen verloren und sich erst im Erwachsenenalter wiedergefunden hat.

Eine Erzählung über Unterschied und Zusammenhalt, Freundschaft und das Interesse für einander, wie es uns in unserer hektischen Zeit zu Oft verloren geht, ist alleine schon deshalb erwähnenswert, hinzu kommen aber noch die liebevollen Zeichnungen von Jean-Jacques Sempe, der nicht nur dem kleinen Nick seine Abenteuer verschaffen hat, sondern auch hier seine Begabung für Wimmelbilder zeigt, die mit schnellen Strich Wimmelbilder entstehen haben lassen, in die man sich verlieren darf.

Großflächig zeichnend hat Sempe eine Unmenge Details in seinen Zeichnungen versteckt, wenn man das Gewusel einer Großstadt betrachtet oder die Massen am Ferienstrand und dort die beiden lieben Protagonisten sucht.

Über die Charaktere lässt sich nicht viel mehr sagen, was auch nicht notwendig ist, tzrotzdem kann man sich mit den beiden gut identifizieren. Bei uns allen gibt es schließlich irgendetwas, was uns irgendwo zu Außenseitern macht, auch wenn für uns dieses Merkmal etwas ganz Normales darstellt, was eben zu uns gehört. Toleranz und Akzeptanz so komprimiert darzustellen und so ein Plädoyer zu schaffen, dass es okay ist, einfach nur man selbst zu sein, sich nicht verbiegen zu müssen, wird hier komprimiert gekonnt dargestellt.

Für mich ist dies eine Geschichte, die man in vielerlei Hinsicht einfach nur liebhaben kann. Anderes ist nicht notwendig.

Autor:
Jean-Jacques Sempe wurde 1932 geboren und war ein französischer Zeichner und Karikaturist. Gemeinsam mit Goscinny entwarf er die bekannte Kinderbuchreihe „Der kleine Nick“, nebst veröffentlichte er zahlreiche Bildbände. Nach dem Militärdienst veröffentlichte er regelmäßig Zeichnungen in verschiedenen Printmedien Frankreichs und im Ausland. Er arbeitete mit Künstlern und Autoren wie Goscinny und Patrick Süßkind zusammen. Kennzeichen seiner Bilder waren großformatige Tuschezeichnungen mit schnellem Strich. Er starb 2022.

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Mike Le/Stephanie Le: Nudeln, Nudeln, Nudeln

Inhalt:

Du kannst dir ein Leben ohne Nudeln nicht vorstellen? Dann kommen hier 75 internationale Nudel-Lieblinge für alle Lebenslagen. Von einfach bis fancy, cremig bis schlürfig und mild bis scharf ist für jeden Nudel-Fan etwas dabei. Und mit selbst gemachter Pasta, gepimpten Instant-Ramen und dem ultimativen Bowl-Baukasten werden deine Nudel-Skills im Nu auf das nächste Level gehoben. (Klappentext)

Rezension:

Nudeln sind nicht gleich Nudeln und gehen immer. Die Grundausstattung für ein Nudelgericht gibt es praktisch überall zu haben und man kann sie vielseitig zubereiten. Aufwendig, wie in einem Sternerestaurant oder schnell nach Feierabend. Nudeln sind ein Gericht für die Seele und das weltweit. Ob als One Pot oder Ramen, als Bowl oder Lasagne, in Form von Reis-Bandnudeln oder Chow Mein. Die Foodblogger Stephanie & Mike Le haben die ganze Welt nach Nudelgerichten abgesucht und die 75 besten in dem hier vorliegenden Kochbuch zusammengestellt.

Doch zuvor werden in dem fotografisch sehr Appetit machenden Buch Grundlagen abgehandelt. Welche Nudelsorten gibt es? Welche kann man wie ersetzen, wenn eine Sorte mal nicht verfügbar ist und wie eigentlich, gelingt eine perfekte Soße, bevor es um die Pasta geht.

Übersichtlich gegliedert sind die Gerichte nach den Aufwand, den man betreiben muss, sie zuzubereiten, immer wieder ergänzt durch Tipps für Toppings und Abwandlungen: Wo bekommt man diese spezielle Zutat eigentlich her? Was ersetzt gut was? Und welche Kombinationen eignen sich eigentlich für verschiedene Lasagnevariationen?

In der Küche sind solche Tipps für jemanden wie mich, mit zwei linken Händen, gold wert, zudem ich auch immer ideenlos bin, auf manche Kombinationen so im Leben nicht kommen würde. Und so habe ich mich bereits an mehreren Rezepten ausprobiert.

„Cacio E Pepe“ sind zum Beispiel Pici-Nudeln mit Käse und schwarzem Pfeffer, eine sehr schlichte Kombination, die aber schnell von der Hand geht und sehr wenig Zutaten bedürfen. Diese waren zwar etwas trocken, was aber durchaus auch an mir gelegen haben mag. Ich muss das Rezept unbedingt nochmals ausprobieren. Die Cowabunga-Nudeln, das sind Chow Mein Nudeln mit Frühlingszwiebelöl, habe ich in einer scharfen Variante probiert und in einer etwas milderen. Das Topping, Chili Crisps, ist hier die ausschlaggebende Zutat.

Eines der Gerichte, und ich bin natürlich noch nicht ganz durch, die mich begeistern konnten, waren „Moules Frites ohne Frites“, aber mit Nudeln. Also, Casarecce, die ich durch kurze Röhrennudeln ersetzen musste, mit Miesmuscheln. Zunächst klingt diese Kombinationen, nun ja, einigermaßen wild und ist für meine Begriffe, einigermaßen aufwendig zuzubereiten, wobei meine Kochkünste in der Küche nun weiß Gott kein Maßstab sind, aber das Ergebnis konnte sich durchaus sehen lassen und hat ausgezeichnet geschmeckt.

Dieses Experiment ist also geglückt und damit auch das, des Verlages, der mir wagemutig ein Kochbuch zugesendet hat. Was kommt als nächstes auf den Teller? Eine Bowl? Eine Lasagnevariation? Ich werde mich weiter durch die Rezeptsammlung probieren. Es gibt so viele Möglichkeiten, zumal die AutorInnen dazu ermuntern, zu ergänzen, abzuwandeln. Die Ansicht für den perfekten Bowl-Baukasten erinnert da beinahe an die Homepage-Baukästen aus den 90er Jahren. Mach dies, dann das und tu das dann dazu. Damit kann man doch arbeiten, oder? Mir gefällt nicht nur das, sondern auch die zugänglichen Erläuterungen, gut.

Ein kleiner Kritikpunkt dennoch, der sich wohl bei solchen Rezeptsammlungen jedoch kaum vermeiden lässt: Einige Rezepte sind nicht wirklich für ganz kleine Küchen geeignet, da man sich für die nach meinem Gefühl für die Zubereitung eher ausbreiten können müsste. Organisation ist da alles, trotzdem ist an manchen Stellen die Umsetzung des Schriftlichen nicht wirklich einfach oder, sagen wir mal, gut von der Hand gehend.

Aber man wird sehen. Vielleicht ergänze ich ja den Beitrag noch, nach dem Probieren weiterer Rezepte aus diesem Buch?

Autoren:

Stephanie und Mike Le sind AutorInnen, FotografInnen, entwickeln Rezepte und haben die Welt bereist, um wirklich gute Rezepte zu finden. Ob in den Wüsten New Mexicos oder in den Hügeln von Bologna, kein Weg ist zu weit für ein tolles Gericht. Gemeinsam schreiben sie am preisgekrönten Blog i am a food blog, in dem es um alles geht, was mit gutem Essen zu tun hat. Dies ist ihr zweites Kochbuch.

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Rick Riordan: Percy Jackson 4 – Die Schlacht um das Labyrinth

Inhalt:

Die Armee des Kronos wird immer stärker! Auch Camp Half-Blood ist nun nicht mehr vor ihr sicher, denn Percy entdeckt mitten im Camp einen Ausgang des magischen Labyrinths. Nicht auszudenken, was passiert, wenn Kronos und seine Verbündeten den Weg dorthin finden! Das müssen Percy und seine Freunde verhindern, koste es, was es wolle. (Klappentext)

Einordnung in der Reihe:

Rezension:

Der Olymp ist in Aufruhr. Kronos, der gefangene Herrscher der Titanen, der verräterische Halbgott Luke und eine Armee aus wütenden Halbgöttern und Monstern rüsten sich zum Kampf, so dass es nicht verwunderlich ist, dass auch im Camp Halfblood nichts mehr so ist, wie es mal war, als Percy nach viel zu kurzen Ferien wieder zurückkommt. Hier rüstet man sich zum Kampf und auch sonst hat sich viel verändert.

Annabeth und Clarisse sind plötzlich Freunde und auch der neue Schwertkampftrainer mitsamt Höllenhund als Haustier wird vom Sohn des Poseidon kritisch betrachtet. Als dann Percy und Annabeth einen Eingang zum Labyrinth des sagenumwobenen König Minos mitten im Camp und damit eine Sicherheitslücke im Verteidigungssystem finden, ist klar, dass ihnen nur einer helfen kann. gegen Kronos und seine Getreuen zu bestehen.

Doch um den Erfinder des Labyrinths Dädalus aufzuspüren, müssen sie dort hinabsteigen und gegen die Fallen und Illusionen in den Gängen ankämpfen. Doch auch Kronos ist währenddessen nicht untätig.

Kurz vor dem ersten großen Finale, des inzwischen auf weitere Parallelreihen angewachsenen Welt um Sagen und Mythen und Götterwelten angewachsenen Bücheruniversums von Kinder- und Jugendbuchautor Rick Riordan beginnt „Die Schlacht um das Labyrinth“ mit einem packenden Einstieg auf ein neues Abenteuer von Percy Jackson zuzusteuern. Nahtlos schließt das Jugendbuch an die vorherigen Bände an, wobei Autor und Übersetzerin das Kunststück gelungen ist, Formulierungen zu schaffen, die auch nach längerer Lesepause zwischen den Bänden einen leichten Einstieg ermöglichen. Schnell gewinnt man wieder einen Überblick über die Charaktere, von denen gleich mehrere neue zu Beginn eingeführt werden.

In rasanter Tonalität wird die Geschichte mit dicht getakteten Kapiteln erzählt, deren Sprünge zwischen Sagen- und wirklicher Welt ebenso vielschichtig, wie auch die Handlungsorte beschrieben werden, in denen sich die Protagonisten immer wieder Herausforderungen stellen müssen.

Dabei sind die Szenarien deutlich düsterer als in den vorangegangenen Bänden, auch wenn der Spannungsbogen zumindest für die Lesenden immer im richtigen Moment durch Formulierungen unterbrochen wird, die zum Schmunzeln und Lachen einladen. Dieses Kunststück beherrscht der Autor, zudem hat auch die Hauptfigur noch mehr Schattierungen bekommen.

Mehr noch als zuvor zweifelt Percy, doch für ihn als auch die Lesenden füllen sich mit der Lektüre, zwar noch nicht vollständig, Lücken. Das gilt auch für den Schreibstil, welcher ein Worldbuilding unterstützt, das in sich schlüssig ist. Zudem macht es unglaublich Spaß so mit griechischer Mythologie in Berührung zu kommen. Die „echten“ Gestalten dieser werden in einem Glossar im Anschluss erklärt.

Mit Luke und Percy haben wir wieder zwei gegensätzliche Charaktere, die mit zunehmender Seitenzahl auf eine Konfrontation zusteuern. Der Autor traut seinen jungen Publikum hier durchaus etwas zu, was positiv anzumerken ist. Auch wenn so Grautöne herausgearbeitet werden, sind die Seiten durchaus klar, sowie die Botschaft, ohne Freunde kommt man nicht oder nur schwer zum Ziel. Nur gemeinsam ist man stark und kann bestehen.

Die Erzählung folgt konsequent die Sicht des Hauptprotagonisten, es sei denn eine Randfigur bringt durch einen Monolog oder längeren Wortwechsel einen neuen handlungstreibenden Aspekt mit hinein. Hierbei sind Riordan keine unlogischen Sprünge entstanden, aber tolle Twists und so mancher Cliffhänger zwischen den Kapiteln. Die allein sind vielleicht für Viellesende nicht unbedingt mit Überraschungen verbunden, aber dürften das junge Zielpublikum bei Laune halten und begeistern. Auch die Beschreibungen der einzelnen Handlungsorte ergänzen die Geschichte gut. An mancher Stelle ist das fast cineastisch.

„Die Schlacht um das Labyrinth“ ist ein vielseitiges und fantasievolles Werk innerhalb der Reihe und hebt sich von so manchen Versuch anderer Schreibender ab, die beinahe krampfhaft versuchen, ein Finale herbeizuführen. Dagegen ist dies eine Geschichte, an die man gerne zurückdenkt, wobei es auch innerhalb der davor liegenden Abenteuer Percy Jacksons keinen wirklich nach unten abfallenden Band gibt. Alleine das würde Hades schon zu verhindern wissen.

Rick Riordan zieht mit seinen Schreibtisch einem förmlich in die Geschichte hinein, wobei auch klar ist, dass das Schema von der Kapitelgestaltung an inzwischen eingeübt ist. Ob man sich nach längerer Zeit noch detailliert an den genauen Ablauf der Ereignisse in diesem Band erinnert? Eher nicht. Wenn der Nachfolger aber von gleicher Qualität ist, wird man trotzdem wieder nahtlos in die Erzählung einfinden können.

Die Jugendbuchreihe, die sich ein wenig von der klassischen Internatsliteratur abhebt und doch einige der dort vorkommenden Elemente gekonnt für sich nutzt, ist grandios für die Zielgruppe und auch darüber hinaus gut zu lesen.

Ohne, dass man jetzt großartig Kenntnisse von griechischer Mythologie haben müsste. Rick Riordan hat diese didaktisch wieder schön eingearbeitet. Die Probleme von ganz normalen Jugendlichen, wie Percy auch einer ist, scheinen hier durch, schwächer als dies Joanne K. Rowling einst eingeführt hat, aber bei weitem fließender.

Ein Wachsen mit dem Protagonisten ist hier vielleicht dadurch noch besser möglich. Spannend wäre noch zu wissen, wie dieser Band dann innerhalb der zusätzlichen Welten wirkt, die der Autor inzwischen um seine Hauptreihe drum herum geschrieben hat. Die Lust jedenfalls, das herauszufinden, vergeht auch mit diesem Band nicht.

Autor:

Rick Riordan wurde 1964 in San Antonio, Texas, geboren und ist ein US-amerikanischer Schriftsteller. Zunächst studierte er Englisch und Geschichte, später unterrichtete er Anglistik und Sozialwissenschaften an einer High School in San Francisco. In Kalifornien und Texas unterrichtete er griechische Mythologie.

Durch seinem Sohn inspiriert, sowie durch ein Schulprojekt „Kreatives Schreiben“, begann die Geschichte um Percy Jackson Gestalt anzunehmen, welche er 2005 veröffentlichte, dem weitere Werke und Reihen folgten.

Seit 2018 unterstützt er ein Segment des Verlags Disney Hyperion, indem unter dem Imprint Rick Riordan Presents mythologisch inspirierte Jugendbücher von Angehörigen der jeweiligen Kulturen erscheinen. Seine Werke wurden mehrfach verfilmt und ausgezeichnet, u. a. mit dem Mark Twain Award 2008 oder den Children’s Choice Book Award 2011.

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Limor Regev: Der Junge von Block 66

Inhalt:

1944 wird der 13-jährige Moshe Kessler mit seiner Familie nach Auschwitz deportiert. An der Rampe in Birkenau von seiner Familie getrennt, ist er von nun an auf sich allein gestellt. Er entgeht den Tod in den Gaskammern, überlebt monatelange Zwangsarbeit und die Todesmärsche im eisigen Winter, bevor er im Konzentrationslager Buchenwald ankommt. Doch auch dort kann er nur dank der Kühnheit und Entschlossenheit der Untergrundorganisation, der es es gelang, vor Eintreffen der US-Truppen mit gestohlenen Waffen die Wachmannschaft des Lagers zu überwältigen und gefangenzunehmen, im Kinderblock 66 den sicheren Tod zu entkommen.

Dr. Limor Regev hat den anschaulichen Bericht Moshe Kesslers festgehalten und so der Nachwelt ein Zeugnis über den Triumph eines ungebrochenen Lebenswillens vermittelt. (Klappentext)

Rezension:

Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt. Fast 14 Jahre alt ist Moshe Kessler als er in Zeiten der Unmenschlichkeit und des Terrors zusammen mit anderen unter Aufsicht von Antonin Kalina kommt, der zusammen mit anderen KZ-Häftlingen mit den Mut zur Verzweiflung unzähligen Kindern und Jugendlichen das Leben rettete, ausgerechnet im Konzentrationslager Buchenwald, einer der letzten Stationen des Leidenwegs. Zuvor hatte der Junge bereits Todesmarsch und Auschwitz überlebt.

Dies ist die Geschichte eines ungarischen Jungen, dessen Erinnerungen im hohen Alter aufflackern, bei der Bar Mizwa seines jüngsten Enkels, der umgeben ist von seiner ihn lebenden Familie. Moshe Kesslers Bar Mizwa fand dagegen zu einem Zeitpunkt statt, als das Donnergrollen kaum noch zu überhören war und längst einige Familienleben gefordert hatte. Nach Jahrzehnten erinnert und beschreibt Kessler die Geschichte seiner Kindheit und Jugend, die man ihn und unzähligen anderen raubte. Dieses Stück biografischer Erinnerung liegt hier mit „Der Junge von Block 66“ übersetzt vor.

Solche Stücke Erinnerung bilden einen wichtigen Zweig innerhalb der Bücher gegen das Vergessen, als Mahnmal vor allem, wenn sie ohne erhobenen Zeigefinger, sondern nur durch ihre Schilderungen wirken. Diese sind eindrücklich. In klarer, eindeutigiger Sprache schildert die Autorin die Erlebnisse des Kindes, welcher ihr diese Geschichte sehr viel später anvertrauen wird. Dabei wird deutlich, wie sehr Sekunden der Entscheidung über Leben und Tod bestimmen konnten und dass es selbst in unmenschlichen Orten gerade so viel Menschlichkeit gegeben hat, die einigen wenigen geholfen hat, Schreckliches zu überstehen.

In kompakten Kapiteln fügen sich die einzelnen Stationen des Leidensweges zu einem Band zusammen, welches bis ins Mark erschüttert, ergänzt durch ein anschauliches Personenregister, ein Begriffsglossar, welches vor allem dann hilfreich ist, wenn man lesend nicht mit Begrifflich- und Gegebenheiten des jüdischen Glaubens im Einzelnen vertraut ist, sowie einen Fototeil. So eignet sich die Lektüre für Geschichtsinteressierte, aber auch für Jugendliche, zumindest wenn man einige Fußnoten überliest.

Diese wurden zum besseren Verständnis durch die Herausgeberin angefügt, wirken an manchen Stellen wertend und relativierend. Hannah Arendt wird da z. B. als „allgemein etwas überschätzt“ bezeichnet. Solche und andere Meinungen kann man ja durchaus haben, doch gehören sie nicht in den biografischen Bericht eines anderen hinein. Ob der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung über 90-jährige Moshe Kessler um diese Kommentare weiß, sie teilt, die von der Herausgeberin und Übersetzerin stammen, bleibt zwangsweise offen.

Wenn gleich andere Informationen, die in den Fußnoten erscheinen, akribisch recherchiert und behutsam ergänzt worden sind, und es erst einmal überhaupt bemerkenswert ist, einen solchen Bericht für die Nachwelt erhalten zu dürfen, können einen solche Schnitzer eines eigentlich lesenswerten Berichts verhageln. Es bleibt hier also die Empfehlung, den Bericht zu lesen und die Fußnoten einer Überprüfung zu unterziehen. Alles was Augenzeuge und Autorin jedoch zusammengetragen haben, ist es aber wert, gesehen zu werden.

Autorin:

Limor Regev wirkt an der Hebrew University of Jerusalem im Institut für Internationale Beziehungen und hat zuvor über die Auswirkungen des territorialen Rückzugs in Israel geforscht. Ihre weiteren Forschungsarbeiten befassen sich mit territorialen Austritten, Konfliktlösung, internationaler Mediation und israelischer Bedrohungswahrnehmung.

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David Lambert: Memo Wissen – Dinosaurier

Inhalt:

Wozu hatten Dinosaurier Stacheln, Platten und Segel? Wie groß wurden die Giganten unter ihnen?

Gab es auch Dinosaurier mit Federn? Erfahre alles über die spannende Welt der Urzeit.

Reihe:

Die Reihe „Memo Wissen“ umfasst mittlerweile zahlreiche weitere Bände zu vielen Themen, von der Titanic bis hin zum Klimawandel, Katzen oder Fußball und ist ab 8 Jahren empfohlen.

Rezension:

Einer der wenigen Verlage, die es schaffen, etwa im gleichen Stil, doch in jedem Fall von gleichbleibender Qualität Sachbücher für alle Altersgruppen anzubieten ist mit Sicherheit Dorling Kindersley, der mit seiner Reihe Memo Wissen hochwertig grafisch aufbereitete und interaktive Werke anbietet, die dazu einladen, zu blättern, zu schmökern und interessante Fakten wie ein Schwamm in sich aufzunehmen.

Quelle: Dorling Kindersley

Allgemein empfohlen ab acht Jahren, sicherlich bei Interesse noch viel eher, lädt der folgende Band ein, die Welt der „Schreckensechsen“ zu erkunden. Die Reise ins Zeitalter der Dinosaurier folgt den Spuren von Tyrannosaurus Rex und anderen, zeigt, wie sie lebten und wie Paläntologen und Forscher auf der ganzen Welt arbeiten, um sich ein Bild von ihnen zu machen. Wie verläuft eigentlich die Ausgrabung eines Dinosaurier-Skeletts, welches Werkzeug benötigt man dazu und woher wissen wir eigentlich, wie das Leben in Trias, Jura und der Kreidezeit ausgesehen hat?

In häppchengroße Texte unterteilt, ergänzt durch zahlreiche Grafiken und Fotos sind die Informationen so aufbereitet, dass sich dieses Buch leicht selbstständig lesen lässt. Ein Kapitel umfasst dabei nicht mehr als zwei Seiten, so dass auch hier dafür gesorgt wird, nicht mit allzu vielen Fakten von Monolopho- und Brontosaurus überrannt zu werden.

Berücksichtigt werden dabei neueste wissenschaftliche Erkenntnisse, so dass schon die jüngste Leserschaft ernstgenommen wird und wie bereits mit den Büchern zum Alten Ägypten oder den Planeten, sowie anderer Themen, auch in diese Welt versinken kann. In Kooperation mit der Lernplattform kahoot! gibt es sogar ein interaktives Quiz in verschiedenen Schwierigkeitsstufen, erreichbar durch QR-Codes innerhalb des Buches. Dazu wird weder eine Anmeldung benötigt, noch enthält diese Werbung. Das Buch ist zudem bei Antolin verfügbar.

Hier geht es ebenso um Wissensvermittlung, nur auf spielerische Art. Die Lernplattform bildet so eine sinnvolle und kreative Ergänzung zu dieser tollen Reihe. So bekommen auch die Jüngsten interessebezogenes Überblickswissen und ja, auch als Erwachsener blättert man hier gerne durch. Jedoch für die Zielgruppe ist dieses liebe Buch eine klare Empfehlung wert.

Autor:

David Lambert ist Kinderbuchautor.

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Michaela Maria Müller: Zonen der Zeit

Inhalt:

Jan Schneider ist Historiker und Archivar. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und pendelt zwischen einem süddeutschen Dorf und Berlin. Jan hat etwas vor sich, von dem niemand etwas weiß: Er muss die Akten des Auswärtigen Amtes des Jahres 1991 bearbeiten – das Jahr, das sein Leben als Zehnjähriger von Grund auf verändert hat. Er kann plötzlich nicht mehr auf Geschichte blicken, ohne seine eigene darin zu sehen. Dann trifft der zögerliche Jan auf Enni van der Bilt, Notrufdisponentin einer Feuerwehr-Leitstelle. Enni ist das Gegenteil von Jan: Sie packt an, will Dinge verändern. Sein Zögern ist ihr fremd. Doch vom ersten Moment an haben die beiden eine Verbindung, ohne dass sie zunächst sagen können, worin diese besteht … (Klappentext)

Rezension:

Ein Roman über Veränderungen, jedoch vor allem über das Dazwischen ist die Erzählung „Zonen der Zeit“, deren Titel in vielerlei Hinsicht Programm ist. Die aus der Feder von Michaela Maria Müller stammende kompakte Geschichte zweier Menschen, die sich zufällig begegnen, deren Leben sich kreuzen und schließlich so weit verwickeln, so dass sie sich nicht mehr voneinander lösen können, beginnt ruhig und ohne Aufregung, in einer Tonalität, die über den gesamten Erzählstrang anhalten wird. Gespickt mit einzelnen Sätzen, die um so mehr ins Mark treffen.

Erzählt wird die Geschichte zweier Hauptfiguren über einen Zeitraum von wenigen Wochen, in derer sich beide Charaktere einander annähern und ihre Leben beiderseits dabei infrage stellen. Jan lebt in der Routine eines festgefahrenen, aber Sicherheit gebenden Jobs für die Vergangenheit und für die Aufgabe, sie zu exerzieren und Übersichten zu erstellen, sowie in einer festgefahrenen Beziehung, während Enni in ihrem Job durch eine Männerdomäne kämpfen muss, ansonsten für den Moment lebt. Gegensätze ziehen sich an. Hier reichen ein Blick und ein Haselnusseis. So klischeehaft, wie das klingt ist es jedoch nicht.

Sehr schnell bekommen die Figuren ihre Ecken und Kanten, zumal in der Betrachtung des jeweils anderen. Auch die Dynamik der Erzählung ergibt sich durch eben diesen Perspektivwechsel. Immer wieder stechen einzelne Sätze hervor, Kontraste, die es jedoch auf so wenigen Seiten auch braucht. Trotz der ruhigen Tonalität hat man so das Gefühl, förmlich durch die Geschichte zu raßen, zwar nicht auf eine Katastrophe zuzusteuern, auch hat Michaela Maria Müller nichts überdreht, aber der sich aufzeigende Konflikt ist alltagstauglich, könnte so oder in ähnlicher Form durchaus passieren.

Trotzdem Jan und Enni sich schnell sympathisch sind, bilden sie alleine durch ihre Charakterzüge den perfekten Kontrast zueinander. Beide wirken glaubwürdig in ihren Handeln, ihrer Unsicherheiten, ihren Zweifeln. Gegensätze entstehen in diesem Kurzroman auch durch die Wahl der Schauplätze, ein Ort im beschaulichen Speckgürtel von München etwa, die pulsierende und zu weilen chaotische, sich ständig im Umbruch befindende pulsierende Großstadt Berlin, praktisch das Äquivalent zu beiden Protagonisten. Andere Figuren bleiben dabei vergleichsweise blass, kommen kaum über ein Zwischenstadium von Impulsgeber und Sidekick hinaus. Mehr als zwei Protagonisten braucht es hier nicht, um eine kurze und bündige Erzählung zu schaffen.

Müllers Geschichte kommt ohne überraschende Wendungen aus, zudem sich die Autorin auf Wesentliches beschränkt. Kein Wort ist zu viel. Auch Überraschungen sind da nicht wirklich vorhanden. Das kann man bedauern, zumindest ein paar Gedankensprünge und Rückerinnerungen der Protagonisten, die damit dem Titel eine zweite Ebene verschaffen, gibt es. Hier ist es gelungen, wie auf einem Foto erzählerisch Momente einzufangen. Es reicht aus, um sich in die Erzählung hinein zu versetzen, zudem auch die Schauplätze greifbar wirken. Gerade Ortsbeschreibungen sind zuweilen sehr plastisch geraten und gerade wer die Großstadt kennt, dürfte dann auch sofort den Geruch eines Kiosks in der Nase haben.

Wie es jedoch mit Gerüchen so ist, verflüchtigen diese sich meist schnell, so auch der Roman über das Dazwischen für eben genau diesen Zeitraum geeignet ist. Er tut nicht wirklich weh, zumal Konflikte sehr schnell und eher komplikationslos aufgelöst werden. Steig in die nächste U-Bahn ein und der Ort ist verlassen oder zieh gleich um, das Problem liegt hinter dir. Wenn das nur immer so einfach gehen würde. Auf einem Raum von mehr Seiten wäre dies zu wenig. Trotz der Kompaktheit, ist dies ausreichend?

Autorin:

Michaela Maria Müller wurde 1974 in Dachau geboren und ist eine deutsche Autorin und Journalistin. Nach einer Ausbildung zur Verlagskauffrau arbeitete sie in München und New York, bevor sie Geschichte und Politikwissenschaften an der Humboldt-Universität Berlin zu studieren begann. Nach Abschluss des Studiums war sie als freie Journalistin für verschiedene Zeitungen tätig, u. a. Neue Zürcher Zeitung, Süddeutsche Zeitung und Zeit Online. 2015 erschien ihre erste Erzählung, der weitere folgten. Zudem erschienen von ihr einige Essays. Seit 2017 ist die in Berlin lebende Autorin Mitglied des PEN Zentrum Deutschland, auch war sie Gründlungsmitglied 2022, des PEN Berlin.

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Peter Arndt: Die Wetterseite der Bäume

Inhalt:

Kolja ist elf Jahre alt und wächst in der Vielvölkerwelt eines abgelegenen Landstrichs in der Ukraine auf. Als der Krieg ausbricht, geht es für ihn und seine Familie in einen überfüllten Umsiedler-Waggon in ein neues Leben, im Reichsgau Wartheland/Polen, was die Versprechungen der NS-Propaganda einzulösen scheint.

Wie ein Schlafwandler taumelt Kolja durch Jugendorganisation des NS-Regimes bis er sich als Kindersoldat in Berlin wiederfindet, währenddessen seine Familie im eisigen Winter 1945 versucht, vor der anrückenden Sowjetarmee zu fliehen. Gewissheiten brechen. Für alle zählt nur: am Leben bleiben. (gekürzter Klappentext)

Rezension:

Nicht zuletzt aufgrund der derzeitigen Geschehnisse in Europa erfährt der biografische Roman „Die Wetterseite der Bäume“ von Peter Arndt eine besondere Brisanz. Der Autor, der seiner Familiengeschichte, vor allem die seines Vaters, gekonnt erzählerisch nachspürt, hat damit ein eindrückliches Stück Erinnerungsliteratur innerhalb der Bücher gegen das Vergessen geschaffen, welche heute wichtiger denn je ist, zudem in einer sich immer mehr polarisierenden Welt.

Worum geht es? Wir folgen den Spuren Koljas und seiner Familie, die in einem kleinen Ort Wolhyniens zu Hause ist und dort innerhalb einer Vielvölker- und Sprachgemeinschaft eine kleine Mühle betreibt. Man hat nicht viel, aber mehr als man zum Leben braucht, kommt mit den Nachbarn gut aus, auch wenn sich im Miteinander die Zeichen des Krieges 1940 mehr und mehr bemerkbar machen. Da kommen die Umsiedlungspläne der Nationalsozialisten, die Polen zusammen mit der Sowjetunion besetzt und unter sich aufgeteilt haben, gerade recht. Eine Chance, die Koljas Vater nutzt. Nicht ahnend, welche Odyssee ihnen alle noch bevorstehen wird.

Auf Grundlage von Interviews, welches der Autor mit seinem Vater noch bis vor dessem Tod führen konnte, einigen Reisen und Archivmaterial entstand der beeindruckende Roman, der sehr kompakt gehalten mit hohem Erzähltempo die Wege verfolgt, die die Familie auf sich nehmen musste, zunächst um ein neues Leben zu beginnen, anschließend selbiges zu retten.

Dabei verfolgen wir zwei perspektivisch unterschiedliche Erzählstränge. Den Weg von Koljas Familie, zuletzt inmitten der großen Flüchtlingstrecks gen Westen, unter anderen Vorzeichen, denen heutiger Flüchtlinge psychologisch gar nicht mal so unähnlich, zum anderen Kolja, der vom nationalsozialistischen System nach und nach vereinnahmt wird und schließlich als Kindersoldat ums Überleben kämpfen muss.

Einige Jahre, zusammen mit Rückblenden, umfasst die Erzählspanne und wechselt, ohne dass man dabei den Überblick verlieren würde. Dies verleiht der Geschichte eine eindrückliche Dynamik, derer man sich nicht entziehen kann, zudem hilft auch eine stilisierte Landkarte am Anfang des Romans, die Übersicht zu behalten. Kurzweilig ohne Längen und, was noch viel wichtiger ist, ohne Verklärungen, weiß Peter Arndt von Hoffnung und Enttäuschung, Bangen und Grauen, aber auch den Momenten zu erzählen, die vielleicht mehr als einem Schutzengel zuzuschreiben sind.

In klarer Sprache wird eine Zeit wieder lebendig, die in abgewandelter Form auch heute noch für zu viele Menschen bittere Realität ist, zudem wieder Landstriche der Ukraine, zudem auch dieser heute gehört, umkämpft sind.

Hauptfigur dieses biografischen Romans ist Kolja, zu Beginn der Erzählung elf Jahre alt, weshalb „Die Wetterseite der Bäume“ sowohl als Jugendbuch funktionieren kann als auch, mit der Geschichte an sich als biografischer Roman, den man unabhängig davon lesen kann.

Der Protagonist ist dabei nicht unfehlbar, zeigt sich doch an ihm, wie leicht und systemisch die Vereinnahmung Jugendlicher damals vonstatten ging, auch dies hat sich unter umgekehrten Vorzeichen bis heute nicht geändert. Mit ihm und seiner Familie fühlt man jedoch gerne mit, kommt nicht umher die beschriebenen Personen um ihren Mut und Überlebenswillen zu bewundern.

Peter Arndts erzählerische Stärke liegt dabei nicht nur darin, den Figuren ihre Ecken und Kanten anzugedeihen. Auch Orts- und Situationsbeschreibungen verfehlen ihre Wirkung nicht. Fast ist es so, als stünde man neben den Jungen, der bald seinen geliebten Hund zurücklassen muss oder im Flüchtlingstreck mit knurrendem Magen, in klirrender Kälte. Immer wieder werden Atempausen zwischen den Extremen beschrieben, nur um dann im nächsten Moment ad absurdum geführt zu werden. Nichts ist normal in dieser Zeit.

Ohne die Aufnahmen zu kennen, Grundlage der Erzählungen sind Interviews, die der Autor mit seinem Vater geführt hat, könnte der Roman so in dieser Form auch als Hörbuch funktionieren. Die Tonalität ist vorhanden. Auch die Art des Erzählens macht es leicht, sich in die Protagonisten hinein zu versetzen. Auch dies macht „Die Wetterseite der Bäume“ zu einem wichtigen Buch im Rahmen derer gegen das Vergessenn. Was anders in Gefahr laufen würde, nur trocken daher zu kommen, wird hier in Romanform lebendig greifbar.

Von der Ausgestaltung der Protagonisten, sowie dem engen Entlanghangeln anhand der Familienbiografie ohne ins zu Trockene zu geraten, ist dieser biografische Roman sehr empfehlenswert.

Autor:

Peter Arndt wurde 1957 in Wiesentheid geboren und ist ein deutscher Soziologe, Organisationsprogrammierer und IT-Berater. Der Erlebnisfundus seiner väterlichen Vorfahren ist sein Lebensthema. 2024 veröffentlichte er seinen Roman „Die Wetterseite der Bäume“, die fiktionalisiert angelehnt die Geschichte seines Vaters verfolgt.

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Elsa Morante: La Storia

Inhalt:

La Storia ist die große Geschichte von Diktaturen, Weltkriegen und Menschheitsverbrechen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, aber vor allem die Geschichte der verwitweten Lehrerin Ida und ihren zwei sehr unterschiedlichen Söhnen, vom Leben im faschistischen Rom, Trotz, Not und Hunger, rivalisierenden Partisanen. Manchmal in Gesellschaft, manchmal allein. (eigene Inhaltsangabe)

Rezension:
Die ewige Stadt im Ständigen Wandel, heruntergebrochen auf nur ein paar Geschichten, zu einer großen Erzählung miteinander verwoben, dies ist Elsa Morantes „La Storia“, welches bereits 1974 erschien und mit dieser Ausgabe in einer beeindruckenden Neuübersetzung vorliegt.

In dieser bewegen wir uns durch die Armenviertel Roms, aus derer die behutsam ausgestaltete Protagonistin Ida nie ausbrechen wird können, und den Weg ihrer beider Söhne, die kaum unterschiedlicher sein könnten. Trotzdem oder gerade deswegen gelingt der Kampf eine lange Zeit, auch wenn alle Figuren immer wieder an gewisse Glasdecken gesellschaftlicher Schichten stoßen und nicht zu durchdringen vermögen. Ein Aufstieg ist kaum gegeben. Ida, Nino und Useppe und all die anderen, denen wir im Laufe der Erzählung begegnen, schlagen sich durch das Leben, welches sie immer wieder umstoßen wird, kaum dass sie Kräfte fassen, in einer Zeit, welche es wahrlich nicht gut mit den Menschen meint.

Dabei werden sehr umfangreich unterschiedlichste Themen aufgemacht, die in verschiedensten Handlungssträngen nicht immer mit aller Konsequenz bis zum Ende hin verfolgt werden. So ist La Storia zugleich ein Roman über eine Familie, Gesellschafts- und Systemkritik, eine Bestandsaufnahme, in der jede der Figuren, von denen einige wunderschön ausgestaltet sind, eine eigene Erzählung vedient hätte. Mit der gewählten Form hier jedoch hat sich die Autorin nur bedingt einen Gefallen getan.

Einzelne Ausarbeitungen von Figuren dürfen als gelungen bezeichnet werden, allen voran die der Hauptfigüre, die man ins Herz schließen mag. Bei Vernachlässigung anderer Handlungsstränge gäbe es hier alleine genug zu erzählen, ob nun der Konflikt zwischen den Generationen beleuchtet oder vererbte unverarbeitete Traumata, deren Auswirkungen sich erst sehr viel später zeigen werden. Aber La Storia ist eben auch Partisanengeschichte oder eben die Verhandlung einer gesellschaftlichen Systemfrage. Schwer zu bündeln und damit über manche Strecken ganz und gar nicht einfach zu lesen.

Erzählt wird dieses italienische Epos per Perspektivwechsel, dem man durchaus folgen kann. Selbst der tierische Begleiter Useppes, einer Figur, die man einfach nur liebhaben muss, bekommt da eine Stimme und der kleine Junge damit eine Form, was aber nicht darüber hinweg hilft, dass alleine durch die Länge es beim Lesen dazu kommt, dass man einzelnen Figuren gerne nachspürt, sich bei anderen Passagen über kurz oder lang erwischen tut, sie nicht mit der gleichen Aufmerksamkeit verfolgen zu wollen. Da kommen sich Handlungsstränge in die Quere. Auch muss man sich des im Vergleich zu heutigen Zeit etwas gemächlicheren Erzähltempos bewusst sein, was dann ebenfalls zu ein paar Längen beiträgt.

Elsa Morante widmet sich kleinteilig der Kriegs- und Nachkriegszeit in den staubigen Gassen Roms und zeigt dabei Licht- und Schattenseiten. Jede Figur hat ihre Ecken und Kanten, auch deren Standpunkte werden immer wieder neu verhandelt, trotzdem schleicht sich immer wieder das Gefühl ein, hier von hätten es gerne ein paar Seiten weniger, hier unbedingt mehr sein können, da es Morante ja durchaus gelungen ist, für Detailschärfe zu sorgen.

Vielleicht ist das aber auch nur ein Empfinden in heutiger Zeit. Zum Erscheinen war La Storia in Italien ein großer Publikumserfolg, der vielerseits diskutiert wurde. Eines ist jedoch gelungen, eine Art Lebensgefühl zu transportieren, auch nicht immer nur auf eine Seite hin fokussiert.

An manchen Stellen übertrieben wirkende Reduzierungen, an anderen eine ewisse Üppigkeit, und ja, auch hin und wieder ruppiger Sprache, hinterlassen einen wechselhaften Eindruck, was streckenweise enervierend sein kann, vor allem auf einem bestimmten Monolog gegen Ende bezogen, ansonsten folgen hier Aktion und Reaktion der Figuren einer gewissen Logik. Die Beschreibungen der Schauplätze ist der Autorin gelungen. Man kann sich die Gassen des Armenviertels, das Flussufer, die Enge von Räumen gut vorstellen.

Der Konzentration fordernde Roman lässt sich in keinem Fall nebenher lesen und ist zumindest im Haupthandlungsstrang durchaus lesenswert. Wer dann noch die anderen mit etwa dem gleichen Interesse begegnet, entdeckt eine Geschichte über viele Geschichten.

Auch das ist ja irgendwie Rom.

Autorin:

Elsa Morante wurde 1912 in Rom geboren und war eine italienische Schriftstellerin. Nach der Schule begann sie ein Literaturstudium, welches sie aus Geldmangel vorzeitig beenden musste. Dennoch veröffentlichte sie Gedichte und Erzählungen, zunächst in Zeitschriften, gab nebenher Unterricht in Italienisch und Latein.

In ihrem Roman La Storia verarbeitete sie Erlebnisse aus ihrer eigenen Biografie, musste vorher zu Zeiten des Krieges aus Italien 1943 fliehen, kehrte aber 1944 bereits wieder nach Rom zurück. 1948 wurde ihr erster Roman veröffentlicht, dem weitere folgten. La Storia, 1974, welches in den 1980er Jahren verfimt wurde. 2023 entstand eine TV-Serie. Morante erhielt u. a. den Prix Medicis, 1984. Ein Jahr später starb die Autorin.

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