Sachbuch

Volker Reinhardt: Die Macht der Seuche

Inhalt:

Die Große Pest der Jahre um 1348 war eines der einschneidendsten Ereignisse der europäischen Geschichte. Der Historiker Volker Reinhardt rekonstruiert den Verlauf der Epidemie von den Anfängen in Asien bis zu ihrem vorläufigen Erlöschen in Europa, beleuchtet die unterschiedlichen Verhältnisse in ausgewählten Städten und fragt, wie die Überlebenden politisch und wirtschaftlich, religiös und künstlerisch das große Sterben bewältigten.

Sein spannend geschriebenes Panorama führt eindringlich vor Augen, was wir dem medizinischen Fortschriftt verdanken – und wie verblüffend ähnlich wir heute trotzdem auf eine Pandemie reagieren. (Klappentext)

Rezension:

Den Umgang mit heute verlaufenden Pandemien betrachtend, lohnt sich mitunter ein Blick zurück in die Geschichte und eine vergleichende Betrachtung von Ereignissen mit ähnlich einschneidender Bedeutung. Für eine Fokussierung etwa, nur auf Corona ist es noch zu früh.

Allenfalls in den nächsten Jahren wird man das gesamte Ausmaß überblicken können, doch wie gingen unsere Vorfahren mit global sich verbreitenden Viren und ihren Folgen um, welche Schlüsse und Maßnahmen zogen sie, den damaligen Wissestand und medizinischen Kenntnisse natürlich berücksichtigt, daraus?

Welche Auswirkungen hatte etwa die um sich greifende Pest im sozialen und gesellschaftlichen, poltischen Gefüge, während diese um sich griff und vor allem, welche Nachwirkungen waren zu verzeichnen. Der Historiker Volker Reinhardt begab sich auf Spurensuche.

Anhand zahlreichen Kartenmaterials, welches der historischen Betrachtung voransteht, erläutert er die einzelnen Phasen der Pest, ihre Verbreitung im damaligen Europa und ihre Auswirkungen auf die einzelnen Regionen. bemüht, um vergleichende und vielschichtige Betrachtung, fokussiert der Autor sich dabei nicht auf einzelne Regionen, wenngleich etwa Italien und Frankreich einen großflächigen Anteil an seiner Betrachtung ausmachen.

Warum dies so ist, erläutert Reinhardt ebenso, wie er auch immer wieder anhand der Quellenlage verdeutlicht, wo beträchtliche Lücken eine ausführliche Auswertung beinahe unmöglich bzw. schwierig machen.

Detailliert geht er zunächst auf die Seuche als solches ein, und erläutert dann, was diese mit den damaligen Menschen machte und welche Auswirkungen in den Jahren danach Folge waren. Einzelne Abschnitte der Betrachtung lohnen einem Vergleich zur heutigen Situation. Schon damals erkannte etwa die obere Führung von Mailand die Bedeutung der Isolation. Auch die Quarantäne, wie wir sie heute kennen, nahm in der damaligen Zeit ihren Anfang. Reinhardt geht jedoch auch auf die Unterschiede ein, erläutert, weshalb die Pest wo welche Auswirkungen hatte, wie viele Menschen nach Quellenlage tatsächlich betroffen waren und dass sich auch damals schon die Hoffnungen nach einer besseren, anderen Gesellschaft nach der Seuche schnell zerschlugen.

Das alles ist in kompakter Form keine ausschweifende, jedoch leider um so mehr trockene Literatur, die zwar versucht anhand von Personengeschichte Interesse zu wecken, dies jedoch nicht vermag. Tatsächlich ist diese Sammlung an Wissen eine schnöde Aneinanderreihung von Fakten, die trocken daherkommt. Es wirkt in etwa so, als würde man heutige Nachrichten mit einem tiefen Seufzer kommentieren. mit zunehmender Seitenzahl muss man sich förmlich zwingen, die Fakten aufzunehmen und zu behalten. Da nützt dann auch eine sehr intensiv bewältigte Quellenlage und gute Recherchearbeit wenig.

Schade, aus diesem Stoff Geschichte hätte man viel mehr herausholen können. Genug Interessenten gäbe es bestimmt.

Autor:

Volker Reinhardt wurde 1954 in Rendsburg geboren und ist ein deutscher Historiker. Seit 1992 lehrt er als Professor für Allgemeine und Schweizer Geschichte der Neuzeit an der Universität Freiburg. Zunächst jedoch studierte er Geschichte und Romanische Philologie in Kiel, Freiburg im Breisgau und in Roman, danach absolvierte er seine Staatsexamen in Geschichte 1975, und Romanistik 1976.

Nach einem Forschungsaufenthalt in Rom promovierte er über die Finanzen des Kardinals Borghese, war 1985-1991 Hochschulassistent in Freiburg im Breisgau, habilitierte dort 1989.

Als Hochschuldozent lehrt er an der Universität Freiburg in der Schweiz, ist zudem Vertrauensdozent der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. Er beschäftigte sich mehrfach mit der Geschichte der italienischen Renaissance, u.a. mit der Familie Medici, Borgia und verfasste eine Biografie Leonardo da Vincis. Reinhardt ist Mitherausgeber der WBG-Reihe “Geschichte kompakt”.

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Alma M. Karlin: Weltreise 2 – Im Banne der Südsee

Im Banne der Südsee Book Cover
Im Banne der Südsee Reihe: Weltreise – 2 Rezensionsexemplar/Reisebericht AvivA Verlag Hardcover Seiten: 346 ISBN: 978-3-932338-78-6

Inhalt:

Am 24.11.1919 bricht Alma M. Karlin zu ihrer Weltreise auf, die sie durch fünf Kontinente führen und schließlich acht Jahre dauern wird. Durch ihre Reisetagebücher, die sie nach ihrer Heimkehr nach Cilli (slowenisch Celje) verfasst, wird sie zu einer der berühmtesten Reiseschriftsteller*innen.

Im zweiten Band ihrer Weltreisetrilogie begleiten wir Alma M. Karlin von China über die Philippinen, Australien und Neuseeland bis nach Papua-Neuguinea. Von ihrer Schreibmaschine “Erika” abgesehen, reist sie alleine und verdient sich ihren Lebensunterhalt komplett selbst – und auch sonst hat Alma M. Karlins Weltumrundung wenig mit anderen touristischen Reisen ihrer Zeit gemein. (Klappentext)

Bücher der Reihe:

Alma M. Karlin: Autobiografie – Ein Mensch wird

Alma M. Karlin: Weltreise 1 – Einsame Weltreise

Alma M. Karlin: Weltreise 2 – Im Banne der Südsee

Alma M. Karlin: Weltreise 3 – Erlebte Welt

[Einklappen]

Rezension:

Das Ende der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts kaum verdaut, entstanden in Europa neue Staaten, verschoben sich weltweit Grenzen, wandelten sich politische Ordnungen. Viele schauten wehmütig zurück, einige wenige nach vorn. Zur letzteren Kategorie gehört die Reiseschriftstellerin Alma M. Karlin.

Unabhängig und allein, versorgt mit Aufträgen zahlreicher zeitungen machte sich die Autorin im Jahr 1919 auf den beschwerlichen Weg einer Reise, die sie rund um den Globus führen sollte. Später geriet sie in Vergessenheit. Nach und nach wird ihr Werk nun neu aufgelegt und wieder entdeckt.

Hier liegt nun der eigentliche zweite Band, wenn man ihre Autobiografie als gesonderten ansieht, vor, der uns Lesende in die Gefilde der Südsee führt. Abenteuerlich ist der Weg dorthin auch heute noch, noch beschwerlicher damals, als Schiffspassagen das Mittel der Wahl waren, die sich die Journalistin Karlin nicht immer unbedingt leisten konnte.

Einmal angelangt, beobachtet sie mit scharfen Blick das Geschehen und bringt zu Papier die spannende Geschichte eines beeindruckenden Weges. In diesem Band von Asien bis nach Australien und Neuseeland, schließlich die Südsee. Sie beschreibt, was sie sieht, lässt nichts aus und versucht Kontakte zu knüpfen, zu geistlichen Missionaren, zu kolonialen Statthaltern, zur einheimischen Bevölkerung.

Entstanden ist so ein Zeitdokument von der anderen Seite des Erdballs, einer Frau, die nach ihrer Reise nie wieder wirklich irgendwo heimisch werden sollte.

Was zeigen uns die Reiseberichte vergangener Tage? Heute sind die Grenzen und Einschränkungen andere, wie auch die Abenteuer und Regeln, die mit einem solchen Trip einher gehen. Doch, der Text ist gut lesbar, nachzuvollziehen.

Mutig, der Verlag, der auch den Blick der Autorin zulässt, die gemäß ihrer Zeit zwar auf andere Völker und Rassen herabschaute, aber versuchte zu begreifen und zu verstehen. Die Differnez natürlich, offenbart sich erst viel später, als sie sich mit den Auswirkungen des Faschismus’ konfrontiert sah. Bis zu dieser Zeit sollten jedoch ein paar Jahre vergehen.

Die Strapazen einer solchen Reise offenbaren sich indes in jeder Zeile. Die stetig brennende Sonne, ungewohntes Essen und sonderbare Bräuche, Leben, Tropenkrankheiten wie Malaria, die zusätzlich ihren Tribut fordern sollten. Minutiös schrieb Karlin, beinahe besessen von den so förmlich spürbaren Strapazen, jedoch auch Momenten des Glücks.

Die Journalistin war keine endeckerin, keine Forscherin, die etwa auf neue Tier- und Pflanzenarten stieß, doch erlebte sie etwas, was für viele ihrer Zeitgenossen zur damaligen Zeit oft unerreichbar war.

Eine Weltriese, wer macht die schon? Zumal als Frau, alleinstehend, selbstversorgend. Superlative der damaligen Zeit, gepackt in kurzweiligen Texten, die lose gelesen werden können, jedoch zusammenhängend einen spannenden Bericht abgeben.

Emanzipatorisch sind die heute nach und nach wiederentdeckten Reisetagebücher wichtig, wenn auch an Kritik nicht gespart werden darf. Diese ist jedoch aus unserer Sicht zu verstehen, die wir wissen, welche Folgen Alltagsrassismus haben kann. Ein wichtiges, spannendes und gut lesbares Zeitdokument bleibt “Im Banne der Südsee” dennoch.

Ein wenig Robinson Crusoe, gemischt mit Abenteuertum und Durchhaltevermögen. Was will man denn mehr?

Autorin:

Alma Maximiliane Karlin wurde 1889 in Cilli, Österreich-Ungarn, heute Slowenien, geboren und war eine Journalistin, sowie zwischen den Weltkriegen eine der meistgelesenen deutschsprachigen Reiseschriftstellerinnen. Bekannt wurde sie durch ihre mehrjährige Weltreise und ihre darüber veröffentlichen Bücher.

Ihren Lebensunterhalt verdiente sich die Autorin mit ihren Beiträgen für verschiedene Zeitungen, sowie Übersetzungsarbeiten, da Karlin neben ihrer eigenen, noch elf weitere Sprachen beherrschte. 1941 wurden ihre Bücher von den Nationalsozialisten verboten, da sie sich bereits sehr früh gegen den faschismus aussprach. Karlin starb 1950. Erst nach und nach werden irhe Werke wieder entdeckt.

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Yuval Noah Harari: Sapiens – Der Aufstieg

Sapiens - Der Aufstieg Book Cover
Sapiens – Der Aufstieg Yuval Noah Harari Rezensionsexemplar/Graphic Novel C.H. Beck Hardcover Seiten: 246 ISBN: 978-3-406-75893-5
Übersetzer: Andreas Wirthensohn

Inhalt:

Der Weltbestseller “Eine kurze Geschichte der Menschheit” als Graphic Novel.

Schon bevor die Menschen sesshaft wurden, hatten sie der Erde ihren Stempel aufgedrückt. Wie konnte ein eigentlich so schwaches Tier wie der Mensch sich den Planeten untertan machen? In Sapiens, der Graphic Novel, tritt Yuval Noah Harari selbst auf und geht zusammen mit seiner Nichte Zoe diesem Rätsel auf den Grund – mit Hararis unvergleichlichem Witz, viel Charme und einer Menge an schrägen Ideen.

Noch zugänglicher, noch unterhaltsamer, aber genauso intelligent und lehrreich wie sein Kultbuch “Eine kurze Geschichte der Menschheit”.

Rezension:

Der Historiker Yuval Noah Harari ist sicherlich einer der gefragten Vordenker unserer Zeit. Seine Expertisen sind sowohl in der großen Politik gefragt, als auch beim Publikum und so landen seine Überblickswerke regelmäßig auf verschiedenen Bestsellerlisten.

Nur eine Frage der Zeit also, bis sein Werk auch jüngeren Lesern zugänglich gemacht werden sollte und einem breiteren Publikum nun als Graphic Novel vorgelegt wird. Herausgekommen ist dabei das vorliegende Werk “Sapiens – Der Aufsteig”.

Im Großformat ist nun die Adaption seines Weltbestsellers “Eine kurze Geschichte der Menschheit” fällig, welche schon vom Titel her irreführend ist. Es handelt sich keineswegs um eine Überblicksgeschichte, die hier geliefert wird, viel mehr um eine Konzentration auf die Entwicklung der ersten Menschen, worauf ein Bogen in die heutige Zeit gespannt und große Teile der Menschheitsgeschichte ausgelassen werden. Der Mut zur Lücke in allen Ehren, hier wird er zu großzügig ausgelegt.

Farbenfroh und sehr detailliert werden die ersten Schritte des Menschen dargelegt, Einschübe der heutigen Zeit, die sich oft auf Harari selbst beziehen, der im Austausch mit anderen Vordenkern und Wissenschaftlern, aber auch mit der nachfolgenden Generation in Gestalt seiner Nichte, gzeigt wird. Dies lockert die eigentlich dargestellte Thematik auf, zumal auch die beiden Illustratoren es nicht lassen konnten, Hararis erhobenen Zeigefinger bildlich umzusetzen. Das ist sehr detailreich, aber unglaublich anstrengend zu lesen. Eine Graphic Novel sollte dem Leser zugänglicher sein.

Viel Geplänkel um nichts, ein halb verfehlter Titel und eine Art des Erzählens, als würde man seine Leserschaft mit einem Brett auf die Buchseiten drücken, sind nicht gerade dazu angetan, einen neuen Zugang zur Thematik zu schaffen. Die Fingerzeige auf die Graphic Novel selbst sind dabei witzige Einschübe, die sich jedoch nicht wirklich im Gesamtbild einfügen wollen.

Hätte man sich wirklich auf die Frühzeit des Menschen ohne Zeitsprünge ins Heute konzentriert und auf Harari als selbst hin und her springenden Protagonisten verzichtet, wäre die Graphic Novel als Ergänzung zum Sachbuch eine runde Sache gewesen. Momentan ist dies jedoch ein Werk, was so nicht funktioniert und nicht gerade Lust macht, die schriftlichen Werke Hararis näher kennen zu lernen.

Der Zeichenstil schwankt zwischen feingliedrigen Comicstrips und groben Übersichten und setzt die handelnden Protagonisten bewusst divers in Szene, wird doch auf der ganzen Welt zur Thematik geforscht, finden sich auf den Planeten überall Hinweise auf den schon frühzeitigen Einfluss des Menschen auf Flora und Fauna des Planeten. Wenigstens dem hat diese Adaption Rechnung getragen.

Autor:

Yuval Noah Harari wurde 1976 in Kiryat Ata, haifa, geboren und ist ein israelischer Historiker. Seit 2005 lehrt er an der Hebräischen Universität Jerusaelm und forscht zur Militärgeschichte und zu diversen universalhistorischen Themen. 2013 veröffentlichte er “Eine kurze Geschichte der Menschheit”, vier Jahre später den Nachfolgeband “Homo Deus – Eine Geschichte von Morgen”, die beide zu einem internationalen Bestseller avancierten.

Seine Bücher wurden mehrfach übersetzt und ausgezeichnet. 2017 erhielt er den Preis für das Wissensbuch des Jahres. Im Jahr 2019 wurde ein Asteroid nach ihm benannt. Er schreibt regelmäßig Kolumnen für die Tageszeitung Haaretz.

Adaption, Text und Illustration:

Daniel Casanave wurde 1963 geboren und ist ein französischer Karikaturist, Schriftsteller und Bühnenbildner. Er studierte zunächst an der School of Fine Arts in Reims und arbeitete anschließend für verschiedene Theater im Bereich Bühnenbild, Poster und Grafikdesign. Hauptsächlich zeichnet er Pressekarikaturen und Illustrationen für Kinderbücher.

David Vandermeulen wurde 1968 geboren und ist ein belgischer Designer und Drehbuchautor. Zunächst studierte er an der Königlichen Akademie der Künste in Brüssel, anschließend am Königlichen Institut für Geschichte und Archäologie 1997 gründete er seinen eigenen Verlag. Verschiedene Themen verarbeitete er zu Comic-Adaptionen und Graphic Novels.

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Peter Dausend/Horand Knaup: Alleiner kannst du gar nicht sein

Alleiner kannst du gar nicht sein - Unsere Volksvertreter zwischen Macht, Sucht und Angst Book Cover
Alleiner kannst du gar nicht sein – Unsere Volksvertreter zwischen Macht, Sucht und Angst Peter Dausend/Horand Knaup dtv Erschienen am: 18.09.2020 Seiten: 463 ISBN: 978-3-423-28249-9

Inhalt:

Im Wahlkreis sind sie Könige, in Berlin oft nur Hinterbänkler. Und dennoch bilden die Abgeordneten des Deutschen Bundestages das Rückgrat unserer Demokratie. Sie beschließen Gesetze, verteilen die Milliarden des Bundeshaushalts und schicken deutsche Soldaten in gefährliche Auslandseinsätze. Wer sind die Frauen und Männer, die alle vier Jahre neu gewählt werden?

Wie arbeiten sie? Welche Mittel setzen sie ein um aufzusteigen? Wie bewältigen sie den Spagat zwischen den zwei Leben in Wahlkreis und Berlin? Wie gehen sie um mit Konkurrenz, Druck, Einsamkeit – und wie mit den Versuchungen? Wie ertragen sie Hass und Morddrohungen?

Wie ist das mit dem Lobbyismus, und wie frei sind sie wirklich in ihren Entscheidungen? Mehrere Dutzend Abgeordnete aus allen Fraktionen, Ehemalige und Mitarbeiter, Angehörige und Aussteiger haben sich geöffnet und umfassend erzählt. Das erste intime Porträt der Menschen, die unsere Politik bestimmen. (Inhaltsangabe des Verlags)

Rezension:

Kaum eine Berufsgruppe hat in den letzten Jahren einen so herben Vertrauensverlust zu verzeichnen gehabt, wie unsere Politiker, die wir mit unserer Stimme alle vier Jahre in den Deutschen Bundestag entsenden.

In einer Welt, in der es immer weniger einfache Antworten gibt, die Fragestellungen immer komplexer und undurchsichtiger werden, müssen die Abgeordneten des Bundesparlaments Entscheidungen im Sinne des Gemeinwohls treffen, Weichen für die Zukunft stellen und die große Politik aus Berlin hinein in ihren Wahlkreis tragen und dort, so verständlich wie möglich, ihren Wählerinnen und Wählern erklären.

Das wird immer schwieriger.

Nicht nur die erosion der sog. “Volksparteien” zeigt dies deutlich. Doch, wie wird zwischen der Hauptstadt und dem wahlkreis Politik betrieben? Wie verläuft der Alltag der Abgeordneten? Welche Entscheidungen müssen die jenigen treffen, die nicht Minister oder Staatssekretäre sind, sondern sich in der zweiten, dritten und vierten Reihe der Rangordnung im Bundestag befinden? Welchen Zwängen und Grenzen unterliegen sie?

Welche Freiheiten nutzen die Gewählten? Wie entstehen Gesetze? Welche Erfolge und Misserfolge sind es, die unsere Abgeordneten antreiben oder verzweifeln lassen? Wo sind die Grenzen der kleinen großen Politik? Wo Druck und Bedrohungen, seitens anderer Abgeordnete, Konkurrenten, Gegenern und Wählern?

Aufgedrößelt haben dies zwei Journalisten, die in monatelangen Recherchen den Berliner Politikbetrieb quer durch alle Fraktionen beobachtet haben und verschiedene Abgeordnete zur Sprache kommen lassen.

Herausgekommen dabei ist ein nun vorliegendes, kurzweiliges und spannendes Sachbuch, welches vor allem für die jenigen lesenswert ist, welchen bisher unverständlich geblieben ist, wie Entscheidungen zustande kommen, die für uns täglich getroffen werden. Ohne Wertung, jedoch unter Hilfenahme vieler Interna wird dargestellt, wie Politik funktioniert und dass nicht nur die Politik selbst daran schuld hat, den Typ Volksvertreter heranzuzüchten, den die Bevölkerung immer mehr verachtet.

Vom ersten Tag an im Bundestag, nein, bereits vom Wahlkampf an, wird das Leben eines abgeordneten dargestellt, bis hin zur Abwahl und der Zeit danach. Intime Einblicke geben Größen wie Wolfgang Schäuble, aber auch Abgeordnete, von denen außerhalb des eigenen Wahlkreises bisher kaum jemand gehört haben dürfte.

Geschönt wird nichts, vielmehr bekommt man als Lesende/r Respekt vor dem Aufgabengebiet, in das sich die Gewählten einfinden müssen, den Zwängen und der Unberechenbarkeit.

Es geht hierbei nicht nur um die politischen Erfolge, Niederlage und Intrigen, die durchaus auch zur Sprache kommen, vielmehr erläutern die Autoren auch Zusammenhänge im politischen Gefüge und damit auch die Arbeit derer, die ebenso wichtig ist, für das Gelingen unserer Demokratie, wie etwa der Bundestagsverwaltung oder der Stenographen, die jede Rede wortwörtlich, inklusive Zwischenrufe, mitschreiben müssen.

Ein vielschichtiges Porträt mit bezeichneten Titel liegt hiermit vor, welches rein als Unterhaltung, aber mit hohem Informationsgewinn gelesen werden kann. Kurzweilig wird der politische Prozess des deutschen Bundestags dargestellt. Viele Entscheidungen, die für uns getroffen werden, erscheinen danach in einem anderen Licht.

Es ist kein Enthüllungsbuch, gibt jedoch einen Einblick hinter die Kulissen, der nachdenklich macht. Politik ist kein Selbstläufer und unsere Entscheidungsträger keine Menschen mit Heiligenschein, mit Schwächen und Stärken und einem unberechenbaren Arbeitsalltag, keineswegs in jedem Fall so bezahlt, wie es angemessen wäre.

Kritisch der Blick auf dem Lobbyismus in Berlin, den Umgang der Führungsebene der Fraktionen mit Abweichlern und der sich für die Abgeordneten immer mehrerende Druck aufgrund der Radikalisierung innerhalb des hohem Hauses und auf Wahlkreisebene.

Ohne diesen kritischen Blick zu verlieren und natürlich dem Führen von Diskussionen, das vielleicht als Quintessenz, sollten wir vielleicht in manchen Punkten etwas wohlwollender auf die Entscheidungen der Abgeordneten schauen. Beim Lesen mag oft genug der Gedanke kommen, an deren Stelle nicht stehen zu wollen. Andererseits, zum Glück gibt es Menschen, die genau das tun.

Autoren:

Peter Dausend arbeitet seit 2008 als Hauptstadtkorrespondent und Kolumnist für die Wochenzeitung Die Zeit. Davor er für die Zeitung Die Welt tätig.

Horand Knaup kam 1995 für die Badische Zeitung nach Bonn, wo er 1998 zum Spiegel wechselte. Viele Jahre begleitete er für das Nachrichtenmagazin das politische Geschehen in Berlin. Zuvor war er Korrespondent in Nairobi. Seit 2017 ist er freier Journalist und Autor.

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Anatol Regnier: Jeder schreibt für sich allein

Jeder schreibt für sich allein Book Cover
Jeder schreibt für sich allein Anatol Regnier C.H. Beck Erschienen am: 17.09.2020 Seiten: 366 ISBN: 978-3-406-75592-7

Inhalt:

Dieses Buch handelt von Schriftstellern im nationalsozialistischen Deutschland, ihrem Spagat zwischen Anpassung und künstlerischer Integrität unter den Bedingungen der Diktatur.

Opportunisten und Konjunkturritter sind dabei, aber auch Autoren, die nur ihrer Arbeit nachgehen wollten und versuchten, moralisch sauber zu bleiben. Mit leichter Hand verknüpft Anatol Regnier die Biografien von Hans Fallada und Erich Kästner, Agnes Miegel und Ina Seidel, Gottfried Benn, Hanns Johst und Will Vesper. Es sind Geschichten von überraschender Widersprüchlichkeit, die das ganze Spektrum menschlichen Verhaltens im Dritten Reich abbilden. (Klappentext)

Rezension:

Als im Jahr 1933 die Nationalsozialisten an die Macht im Deutschen Reich gelangten, begann gerade im kulturellen Bereich ein beispielloser Exodus. Schriftsteller, wie der Nobelpreisträger Thomas Mann oder Literaturkritiker, wie Alfred Kerr, flohen ins Ausland. Nur zu gut waren ihre Positionen zu den neuen Machthabern bekannt, die ihre Ziele kaum verheimlichten. Mit einem Schlag war Deutschland einem Großteil seines kulturellen Lebens beraubt. Doch, viele SchriftstellerInnen und DichterInnen blieben, da sie nicht fliehen wollten oder konnten. Dies ist ihre Geschichte.

Anatol Regnier, Enkel des im Jahr 1918 verstorbenen Dramatikers Frank Wedekind, hat mit “Jeder schreibt für sich allein” ein bemerkenswertes Porträt geschaffen, jener Zeit, in der man sich teilweise bis zur Unkenntlichkeit verbiegen musste, um bestehen zu bleiben und überleben zu können. Doch, wie weit musste man als Schriftsteller gehen, der ständig durch das Damoklesschwert Schreibverbot bedroht wurde, zudem, jede Zeile, sei sie auch noch so wohlwollend, kritisch beäugt sah.

Wie gingen Literaten, wie Erich Kästner, der bereits weltbekannt war, als die Nazis die Macht erlangten damit um, wie ein psychisch angeschlagener Hans Fallada und was erhofften sich Ina Seidel und Will Vesper? Anatol Regniers dokumentarischer Bericht zeigt anhand der Werke einer Auswahl von Autoren, was die Zwänge der Diktatur mit den Menschen machten, wozu diese teilweise durch das Regime getrieben wurden.

Hier wird detailliert auf einzelne Biografien Bezug genommen. Andere fallen dabei unter den Tisch. Teils, weil sie zu umfangreich wären für einen Gesamtüberblick, da dies nur eine Übersicht darstellen soll, aber auch, da die ganze Blut-und-Boden-Literatur nur gestreift wird. Vielmehr geht es Regnier, um die jenigen, die zwischen den Stühlen standen und sich nach dem Krieg vor Größen, wie Thomas Mann, verteidigen mussten. Für jede Zeile, die auch nur ansatzweise anrüchig klang.

Der Autor seziert einzelne Werke gründlich. Als Lesender kann man nur vermuten, welche Rechercheleistung dahinter steckt, aber auch die Liebe zur Literatur, die gerade aus dieser Zeit mehrdeutig betrachtet werden muss. Sachlich nüchtern präsentiert der Autor die schreibenden Kollegen jener Zeit, die sich hinterher rechtfertigen mussten und praktisch mit dem Rücken zur Wand standen.

Er zeigt, welchen Einfluss oder auch nicht, einzelne Kulturschaffende hatten, wie diese sich teilweise bei Behörden und Ministern für ihre Kollegen einsetzen und um jede Zeile kämpfen mussten. Mal mehr, mal weniger. Sehr kompakt geschrieben ist dies, trotzdem spürt man auch beim Lesen des Sachbuchs die ständige Bedrohung, der die Schriftsteller im Nationalsozialismus unterlagen.

Was dabei herauskam, lässt sich heute noch anhand ihrer Werke nachvollziehen, wobei es Autoren wie Erich Kästner auch im Nachkriegsdeutschland gelang, wieder Fuß zu fassen. Anderen, berechtigterweise nicht. Der Zwist der Vielen, die dazwischen standen, ist heute fast vergessen. Um so wichtiger, dieses Buch, welches z.B auch parallel zu Volker Weidermanns “Buch der verbrannten Bücher” gelesen werden kann. Einige Autoren finden sich auch dort wieder.

Autor:

Anatol Regnier wurde 1945 in Sankt Heinrich geboren und ist ein deutscher Schriftsteller, Chansonsänger und Gitarrist. Sein Großvater ist der Dramatiker und Schriftsteller Frank Wedekind, über den er 2008 eine Biografie veröffentlichte.

Regnier selbst, studierte am Royal College of Music in London und dozierte selbst am Konservattorium in München. Mitte der 1980er Jahre lebte er in Australien. Im Jahre 2003 erschien seine Familienbiofie. Zwei Jahre später erhielt er den Ernst-Hoferichter-Preis der Stadt München, sowie den Schwabinger Kunstpreis, 2012. Er ist Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland und lebt heute in München.

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Ernö Rubik: Cubed

Cubed Book Cover
Cubed Ernö Rubik C.H. Beck Erschienen am: 17.09.2020 Seiten: 215 ISBN: 978-3-406-75572-9 Übersetzer: Andreas Wirthensohn

Inhalt:

Er war das Kultobjekt der 80er Jahre: der Zauberwürfel, auch “Rubiks Cube” genannt. Bis heute ist sein Bann ungebrochen. Jeder siebte Mensch hat mit ihm gespielt, das sind über eine Milliarde.

Unzählige Bücher sind bereits über ihn geschrieben worden. Doch einer hat bislang geschwiegen: der Erfinder, Ernö Rubik. Nun erzählt er vom Zauberwürfel und seiner Welt. Er beschreibt sein Leben mit dem Würfel, erzählt dessen Geschichte und fragt, was wir aus ihr lernen können.

In seinem zutiefst sympathischen Buch verbindet er virtuos eine Vielzahl von Themen: Bildung, Architektur, Fragen, Rätsel, Verspieltheit, Widersprüche, Schönheit: In ihm stecken die Kreativität und Weisheit eines Erfinderlebens – im Spiegel eines Objekts, das jeder kennt. (Inhaltsangabe Verlag)

Rezension:

Kaum eine Erfindung ist so untrennbar mit seinem Schöpfer verbunden, wie diese und doch kennt heute kaum jemand den Menschen hinter dem Objekt. Selbiges vermag zu faszinieren. Doch was macht den Würfel, Cube wie er liebevoll oder ernüchternd genannt wird, so besonders?

Ist es seine Starre und gleichzeitige Beweglichkeit, das Rätsel, welches dahinter steckt, der Spieltrieb, den es weckt oder steckt mehr dahinter? Ein kleines plastisches Gebilde mit großer Wirkung. Dies ist beider Geschichte.

“Cubed” ist kein Lösungsbuch für den Würfel, den wohl fast jeder schon einmal in den Händen gehalten hat. Dies wird mit den ersten Seiten klar, um so faszinierender ist das Sachbuch, welches der Ungar Ernö Rubik zu Papier gebracht hat, obwohl der laut eigener Auskunft das Schreiben eigentlich nicht besonders mag.

Viel lieber beschäftigte er sich Zeit seines Lebens kreativ oder mit Rätselspielen, und so entwickelte der Dozent für Architektur einst rein zum Selbstzweck ein Objekt, um eine fachliche Fragestellung zu verdeutlichen.

Eines Tages – ich weiß nicht mehr genau, wann und warum – ergriff eine Idee Besitz von mir: Ich fand es interessant, acht kleine Würfel so zusammen zu setzen, dass sie miteinander verbunden blieben, gleichzeitig aber einzeln bewegt werden konnten. Ich hatte nicht die geringste Vorstellung, für wen außer mir das von Interesse hätte sein können.

Ernö Rubik: Cubed

Diese Ausgangssituation war der Beginn eines beispiellosen Erfolges, der bis heute anhält und von dem aus betrachtet, sich viele Perspektiven, auch auf andere Themengebiete erschließen lassen.

Immer wieder geht es dabei um die einzelnen Fascetten der Biografie Rubiks, doch sachlich und immer noch eng verbunden mit seiner Erfindung, erfahren wir auch seine Gedanken, etwa zur Bildung und Kreativität selbst. So ist “Cubed” nicht nur das eine, sondern zugleich auch eine philosophische Betrachtung von vielem. Die Erde ist halt ein Würfel. Als Motiv Cube tauchte sie bereits auf einigen Covern verschiedener Zeitschriften auf.

Es gab Zeiten, da glaubten die Leute, ich sei der reichste Mensch in Ungarn. Und es gab Zeiten, da dachten die Menschen, ich hätte überhaupt kein Geld mehr. Ich sei einst wohlhabend gewesen, doch damit sei es aufgrund skrupelloser Menschen in meinem Umfeld vorbei. Die Gerüchte nahmen Fahrt auf. Buchstücke meiner Biografie wurden genommen und ausgestellt, als handle es sich um Tatsachen.

Ernö Rubik: Cubed

In klarer Sprache schildert der Architekt, Dozent und Erfinder seinen Weg, betrachtet die Entwicklung des Cube, die längst zum Selbstläufer geworden ist.

Rubik, für den schon die Schaffung des Objekts an sich ein Erfolg gewesen ist, gibt Informationen und Hinweise zu bisher unbekannten Stationen dieses Objektes, welches aus einem der sprachlich isoliertesten Länder Europas seinen Siegeszug um die Welt antrat. Zugleich zeigt er die Fragestellungen auf, die untrennbar mit den Würfel verbunden sind.

Unterhaltsam ist diese Objekt- und zugleich Personenbiografie geschrieben, die zudem ein philosophisches Werk und ein Stück Kunst-, wie im weitesten Sinne Architekturgeschichte darstellt. Das ist interessant genug. Lösungen gibt es anderswo. Nur, diese Ergänzung hat bisher gefehlt.

Autor:

Ernö Rubik wurde 1944 in Budapest geboren und ist ein ungarischer Bildhauer, Architekt und Designer. Als solches arbeitet er an der Hochschule für Industrielle Kunst in Budapest. Von 1971-1975 arbeitete er als Architekt, bevor er an die Mohol-Nagy-Universität als Dozent lehrte. Rubik leitete in den frühen 1980er Jahren eine Rätselzeitschrift, bevor er den Cube und andere Rätselobjekte erfand.

Er gründete die Internationale Rubiks-Stiftung, um junge Ingenieure und Designer zu fördern. 1990 wurde er Präsident der Ungarischen Ingenieursakademie. Rubik arbeitet immer noch als Architekt, auch als Designer von Videospielen, sowie innerhalb der von ihm gegründeten Stiftung.

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Johann Hinrich Claussen: Die seltsamsten Orte der Religionen

Die seltsamsten Orte der Religionen Book Cover
Die seltsamsten Orte der Religionen Johann Hinrich Claussen C.H. Beck Verlag Erschienen am: 27.08.2020 Seiten: 239 ISBN: 978-3-406-75598-9 Illustrationen: Lukas Wossagk

Inhalt:

Niemand hat die Absicht, einen seltsamen Ort zu schaffen. Es passier einfach. Der älteste Steingarten Japans wird von Moos überwuchert, Bäume erweisen sich plötzlich als heilkräftig, Kirchen müssen vor Verfolgern versteckt werden. Das Buch führt seine Leserinnen und Leser zu 39 christlichen und nichtchristlichen Orten auf der ganzen Welt, die wie von einem anderen Stern sind. (Klappentext)

Rezension:

Die Welt ist voller Religion, ob es einem gefällt oder nicht.

Johann Hinrich Claussen: Die seltsamsten Orte der Religionen

Was und woran glaubst du? An der Frage scheiden sich, sprichwörtlich, die Geister und so kommt es nicht von Ungefähr, dass sich die unterschiedlichen Spielarten in den verschiedensten Plätzen und Orten, Gebäuden, manifestieren. Kirchen, Moscheen und Synagogen, Tempel sind zwar die Norm, doch Religion zeigt sich eben nicht nur in offiziellen Bauten.

Vielerorts gibt es Abweichungen von der Norm, die hervorstechen und dadurch zu etwas Besonderen werden. Der Autor und Theologe Johann Hinrich Claussen nimmt uns Lesende mit auf eine Reise zu den spirituellen Orten der Welt.

Der sonderbare Trip erfordert einen besonderen Reiseführer, der nun in der Art eines kurzweiligen Sachbuches bei C.H. Beck vorliegt. In handlichen Kapiteln und kurzweiligen Abschnitten werden hier Pilgerziele für Millionen ebenso vorgestellt, wie Orte religiöser Prägung, die nur einer kleinen ausgewählten Gruppe von Menschen vorbehalten sind.

Spannend die Geschichten dahinter, weshalb in Frankreich etwa ein Postbote sein Mausoleum errichtet hat oder der Gottesdienst seinen Weg ins Internet gefunden hat. Hat wer vielleicht Angst vor dem Tod, gibt es inzwischen die Möglichkeit sich einfrieren zu lassen. Nachhaltigkeit gibt es jedoch auch ganz und gar, zum Beispiel in Spanien. Dort wird eine Kathedrale aus Müll errichtet.

Aus der Ferne sieht es aus wie ein überdimensionierter Schrotthaufen – ein wildes Gewirr von Metallstäben, die spitz in die Höhe ragen. Dabei ist es das Nationalheiligtum Litauens.

Johann Hinrich Claussen: Die seltsamsten Orte der Religionen

Vornehmlich christliche Orte werden hier aufgelistet, was dann auch einer der wenigen Kritikpunkte ist, immer mit Ortsangabe und kurzem, überhaupt nicht trögen geschichtlichen Abriss. Manifestifikationen anderer Religionen sind Einsprengsel und werden in wenigen Beiträgen erörtert. Schade, dabei gibt es gerade auf diesem Gebiet sicher so viel zu entdecken, wenn es auch nicht für jeden ein Besuch im indischen Rattentempel sein muss.

Sachlich und wohlwollend sind die Schilderungen. Kritik schimmert kaum durch, doch zeigt Claussen durchaus Wege auf, die Menschen konsequent gegangen sind, wenn diese sich verstoßen oder ausgegrenzt, wahlweise auch erleuchtet gefühlt haben, um ihrem Glaube Ausdruck zu verleihen.

Das funktioniert im Großen und Ganzen, wenn auch einige Längen beim Lesen entstehen, die jedoch den Blick über den Tellerrand schärfen. Und, wer weiß? Vielleicht begibt sich ja der eine oder andere Leser selbst einmal auf Entdeckungsreise. Der Autor zeigt zumindest, dass sich ein Trip da und dorthin durchaus lohnen kann.

Autor:

Johann Hinrich Claussen wurde 1964 in Hamburg geboren und ist ein deutscher evangelisch-lutherischer Theologe und Autor. Er studierte evangelische Theologie in Tübingen, Hamburg und London, promvierte dort im Jahr 1996.

Im selben Jahr wurde er zum Pastort ordiniert, habilitierte sich 2005 an der Universität Hamburg und lehrte dort als Privatdozent. Claussen ist Beauftragter im Rat der EKD für Kultur und leiter des dort dafür zuständigen Büros. Für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften schreibt er regelmäßig Beiträge. Eines seiner ersten Werke erschien im Jahr 2004.

Illustrator:

Lukas Wossagk ist seit 2012 als freiberuflicher Illustrator und Grafiker tätig, unter anderem für Projekte der Stadt München. Zudem wirkte er bereits mehrfach für im C.H. Beck Verlag erschienene Werke.

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Bücher gegen das Vergessen #05

Bücher gegen das Vergessen sollen uns geschichtliche Ereignisse vor Augen führen, für die wir nicht unbedingt die Verantwortung tragen, aber dennoch verantwortlich sind, sie nicht zu vergessen. Abseits von Rezensionen soll hier eine Auswahl vorgestellt werden.

Der Untergang der Titanic 1912 – Eine Auswahl an Literatur.

Der Glaube an die Unbesiegbarkeit der Technik war Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts ungebrochen, doch erlitt er schon am Beginn des zweiten Jahrzehnts desselben einen herben Dämpfer. Der Untergang der Titanic 1912, das damals größte und luxuriöseste Passagierschiff der Welt, forderte über 1500 Menschenleben und erschütterte die Gemüter zu beiden Seiten des Ozeans.

Wer versucht, den Bann des Ereignisses der Nacht des 14. Aprils zu begreifen, die damalige Faszination für dieses Flaggschiff der Reederei White Star Line zu erfassen, landet heute bei einigen Filmen und einer ganzen Reihe literarischer Werke, die sich damit beschäftigen. Zeit, sich einiges näher davon anzusehen.

Grundlage dessen, was wir über die Geschehnisse an Bord des Schiffes wissen, bildet eine Sammlung von Augenzeugenberichten, die erstmalig 1955 erschien. Der Sachbuchautor Walter Lord konnte noch über sechzig Zeugen der Katastrophe, Überlebende, befragen und kurz vor seinem Tode James Camerons Team für die Dreharbeiten zu ihrem Film beraten.

Walter Lord “Die letzte Nacht der Titanic – Augenzeugen erzählen”
Seiten: 272, erschienen bei S.Fischer, ISBN: 978-3-596-19269-4
Übersetzer: Erwin Duncker

Zwar reichten seine Kenntnisse als das Buch erschien, nicht an dem heran, was wir heute über den Untergang wissen, doch alleine die Versammlung der Berichte überlebender Passagiere ist historisch wertvoll und nicht zu unterschlagen.

Natürlich hatte kein Passagier mit einer solchen Katastrophe gerechnet. Wer tut das schon, wenn man solch eine Überfahrt bucht? Vielleicht ohne Wiederkehr als Einwanderer mit dem Ziel, in der Neuen Welt ein neues Leben zu beginnen oder, als Passagier der ersten Klasse, einfach die Annehmlichkeiten, den Luxus der Art einer solchen Reise zu genießen? Getrost der Kategorien heutiger Kreuzfahrtschiffe, kann man ja auch die Titanic als eine Art „schwimmende Stadt“ bezeichnen.

Begeben wir uns also in die Rolle eines Reisenden an Bord der Titanic. Der ehemalige Marineoffizier und Nautiker John Blake hat eine fiktive Handreichung für Passagiere verfasst.

Wir begrüßen Sie auf der Titanic zur Jungfernfahrt nach New York.

Damit Sie sich zurechtfinden, hier ist Ihr Bordbuch. Dort finden Sie alles, was Sie über unser Schiff wissen, Informationen zum Aufenthalt und zur Orientierung in allen Klassen, die Anordnung der Decks und Unterkünfte, und, und, und,… Wir hoffen, Sie haben einen angenehmen Aufenthalt.

John Blake “Das Titanic-Bordbuch – Eine Handreichung für Passagiere”
Seiten: 128, erschienen bei Delius Klasing, ISBN: 978-3-667-11079-4
Übersetzer: Klaus Neumann

Reich bebildert und sehr detailliert bekommen wir so als Passagiere ein erstes Bild von dem, was uns erwartet.

Wie angenehm ist es doch, auf diese Art zu reisen. Wo war jetzt gleich nochmal meine Kabine? Wie gelangt man zu den Rettungsbooten? Wobei, das passiert sowie so nicht.

Natürlich gibt es auch viel romanhaftes über die Schiffskatastrophe zu lesen und auch darüber lohnt es sich, einen Blick zu werfen. Gleichsam eine Vorwegnahme, wenn nicht gar Vorahnung der Ereignisse ist der bereits 1898 erschiene Roman von Morgan Robertson „Titan. Eine Liebesgeschichte auf hoher See.“, in der ein Unglück beschrieben wird, in welchem das Schiff „Titan“ erstaunlichen Parallelen zur später erbauten Titanic aufweist.

Im Fokus steht die Liebesgeschichte der darin vorkommenden Protagonisten, eine Vorhersehung der Ereignisse hat der Autor natürlich später mehrfach in Befragungen verneint, manchmal jedoch sind Zufälle recht sonderbar.

Jüngeren Lesern einen Zugang zu der Katastrophe zu geben, gelingt dem Kinderbuchautoren Stephen Davies, der in seinem Roman „Titanic – 24 Stunden bis zum Untergang“ eine Jungen-Freundschaft in den Fokus stellt. Zunächst erleben Jimmy und Omar bei der Erkundung des Schiffes Abenteuer auf ihrer „Entdeckungsreise“, als es zum Untergang kommt, überschlagen sich jedoch die Ereignisse. Werden sie es schaffen, auf einem der Rettungsboote unterzukommen, auf denen es insgesamt nicht einmal annähernd genug Plätze für alle Personen an Bord gibt?

Stephen Davies “Titanic – 24 Stunden bis zum Untergang”
Seiten: 127, erschienen bei Aladin, ISBN: 978-3-8489-2103-4
Übersetzerin: Ann Lecker

Das wunderbar illustrierte Werk mit einem angeschlossenen historischem Glossar erzählt es. Eine Rezension davon, gibt es hier zu lesen. Vorweggenommen, der Autor orientiert sich am überlieferten Geschehen, wie zum Beispiel diese, dass bis fast zuletzt eine Gruppe von Musikern zur Beruhigung der Passagiere Instrumente spielte.

Erik Fosnes Hansen “Choral am Ende der Reise”
Seiten: 512, erschienen bei Kiepenheuer & Witsch, ISBN: 978-3-462-05388-3
Übersetzer: Jörg Scherzer

Der norwegische Schriftsteller Erik Fosnes Hansen setzte diesem mit seinem Roman „Choral am Ende der Reise“ ein Denkmal. Die nachgezeichneten Biografien der Musiker sind fiktiv, doch im Bereich der Prosa wird man nicht umhinkommen, sich auch damit zu beschäftigen.

Geschichte zum Anfassen jedoch, gelingt am Leichtesten mit Fundstücken oder, wo nicht verfügbar, Nachbildungen, so genannten Memorabilien. Auch rund um die Titanic gibt es solche, wie z.B. von Memorabilia Pack Company, die damit verschiedene historische Ereignisse lebendig werden lassen. Enthalten sind mehrere Fotopostkarten mit Motiven der Titanic, eine Ticketnachbildung, ein Telegramm, ein Booklet für Passagiere, Plakate, eine Dinner-Karte und vieles mehr, was in die Zeit eintauchen lässt. Für Liebhaber allem Historischem sehr zu empfehlen.

Memorabilia Pack Company “Titanic Replica Pack”
Enthalten sind folgende Nachbildungen, u.a. Ticket, Brief, Telegram, Booklet für Passsagiere, Dinner Karte, Poster, Flyer, Fotos, Postkarten, Zeitungsnachbildung, Poster etc.
Leo stellt den Inhalt einmal vor. Achtung, Englisch. 🙂

Anhand von Biografien lässt sich die Katastrophe nachvollziehen, egal ob das die Geschichte eines einfachen Passagiers ist oder die des Zeitungsjungen Ned Parfett, der am Tag nach der Katastrophe Magazine vor dem Büro der Reederei verkaufte. Augenzeugenberichte, daraus entstandene Romane und Filme sind es, die die Faszination weiterleben und das Ereignis nicht vergessen lassen.

In Anbetracht unserer vollen Weltmeere mit immer mehr und größeren Kreuzfahrtschiffen, die die Titanic um Welten übertreffen, wenn auch die Sicherheitsstandards gestiegen sind, ist das nicht falsch. Heute genügt der Name „Titanic“, um die Illusion absoluter Sicherheit und Unfehlbarkeit zu zerstören.

Cover gehören, wie immer den Verlagen, das erste Video auch. Das zweite einem sehr engagierten kleinen Youtuber, der das Memorablia Pack vorstellt.

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Adele Brand: Füchse – Unsere wilden Nachbarn

Füchse - Unsere wilden Nachbarn Book Cover
Füchse – Unsere wilden Nachbarn Adele Brand C.H. Beck Erschienen am: 16.03.2020 Seiten: 208 ISBN: 978-3-406-75113-4 Übersetzerin: Beate Schäfer

Inhalt:

Seit Urzeiten begleitet der Fuchs den Menschen und schon immer war er für seine Intelligenz und Schlauheit berühmt. Heute ist er das am weitesten verbreitete Raubtier und sein leuchtendes Fell selbst in den Städten ein häufiger Anblick.

Doch wer ist dieser wilde Nachbar des Menschen in Wirklichkeit? Adele Brand erschließt uns in ihrem klugen und warmherzigen Buch den mysteriösen Kosmus der Füchse mit ihren erstaunlichen Überlebenskünsten. (Klappentext)

Rezension:

Die Liste von Naturräumen, die der Mensch inzwischen nachhaltig zerstört hat, ist lang. Die Liste von Tierarten und Pflanzen, die von ihm ausgerottet oder an den Rand des Aussterbens gebracht wurden, noch vielschichtiger. Nur wenige Lebewesen konnten sich dagegen behaupten, in dem sie sich an die verändernden Bedingungen anpassten. Der erfolgreichste Kulturfolger unter ihnen ist der Rotfuchs.

Zwischen Bahndämmen und Mülltonnen, Häuserschluchten und Brachflächen hat der listige Jäger nicht nur unsere Vorgärten erobert, sondern tummelt sich inzwischen auch in den Zentren unserer Metropolen. Die britische Ökologin ist seit zwanzig Jahren auf Spurensuche und zeigt in ihrem neuen Buch auf, was sich hinter dem Erfolg von Vulpes vulpes verbirgt und What Does The Fox Say?

Ganz nahe am Nature writing ist dieses vorliegende Werk, doch liegt mit diesem Titel kein verklärendes Stück Literatur vor, sondern ein unterhaltsames und vielschichtiges Sachbuch. In diesem werden Fakten amüsant aufbereitet und einem kritischen Blick unterworfen. Adele Brand versteht es dabei, den Fuchs als Tier unter verschiedenen Winkeln zu beleuchten. In handlichen und kurzweiligen Kapiteln gibt sie zunächst einen Überblick über dessen Entwicklungsgeschichte, welche den Grundstein für den Erfolg und das heutige Überleben bildete.

Danach wendet sie sich der Biologie der Tiere zu, zeigt das komplexe Sozialleben der Füchse auf und zeigt schließlich, wie ein Zusammenleben mit diesen imponierenden Tieren gelingen kann, wie man selbst zum Beobachter eines Wesens werden kann, welches schon längst in Teilen begonnen hat, uns zu studieren.

Interessant hierbei ist vor allem der Einblick in der Arbeit der Autorin, die Feldstudien mit diesem undurchschaubaren Raubtier in unserer Mitte durchgeführt und viel zum Verständnis für den Rotfuchs beigetragen hat. Sie zeigt, was ihn im Gegensatz zu seinen Verwandten, etwa dem Polarfuchs, so erfolgreich machte und was diesem Tier im Gegensatz zu Wolf oder Luchs bisweilen besser gelungen ist.

Aufgelockert wird das ganze durch Geschichten persönlicher Beobachtungen, anhand derer sie etwa Fuchskrankheiten erklärt, um so den Lebenszyklus dieser Tiere zu komplettieren. Auffällig, es ist keine ausufernde oder fordernde Lektüre, auch kein reines Pamphlet pro und contra der umstrittenen Fuchsjagd, welches aus Groß-Britannien zu erwarten wäre. Adele Brands Position dazu ergibt sich praktisch schon mit den ersten Zeilen.

Eine Spur sachlicher als Sy Montgomery (Rendezvous mit einem Oktopus) in ihrem ebenfalls hervorragenden Werken, ist Adele Brand ein hervorragendes Plädoyer für das letzte Stück Wildnis gelungen, welches Bestandteil auch vieler unserer Leben geworden ist. Wer nach der Lektüre einen Rotfuchs beobachtet, wird diesen mit einem noch wertschätzenderen Blick begegnen, als zuvor so schon.

Und, wie macht nun eigentlich der Fuchs? LeserInnen werden das herausfinden.

Weiterführende Informationen:

Blog und Facebook der Autorin

Youtube-Channel der Autorin: hier klicken

Autorin:

Adele Brand ist Ökologin und hat schon als Kind in ihren Tagebüchern über Füchse geschrieben, die die Passion ihres Lebens wurden. Sie hat Füchse auf vier Kontinenten studiert, Forschungsprojekte in fünf verschiedenen Ländern geleitet, verwaiste Fuchswelpen aufgezogen und verletzte Füchse gepflegt. Bei all dem setzt sie sich leidenschaftlich dafür ein, die Verbindung der Menschen mit der Tierwelt zu stärken. (Autorenangabe Verlag)

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Sebastian 23: Cogito, ergo dumm

Cogito, ergo dumm -  Book Cover
Cogito, ergo dumm – Eine Geschichte der Dummheit Rezensionsexemplar/Humor Benevento Taschenbuch Seiten: 336 ISBN: 978-3-7109-0103-4

Inhalt:

Machen wir uns nichts vor, der Mensch neigt zu Dummheiten. Aber waren wir immer gleich dumm, oder gibt es Anhaltspunkte für eine fortschreitende Verdummung? Und was ist dran am Gerücht, dass Dumme glücklicher sind? Bestseller-Autor SEBASTIAN 23 nimmt uns mit auf einen Parforceritt durch die Dummheiten der Menschheitsgeschichte. (Klappentext)

Rezension:

Ein Mediziner, der mit seiner Behandlungsmethode erfolgreich zwei Stardirigenten ihrer Zeit erblinden ließ, ein antiker Feldherr, der das Meer auspeitschte, nachdem ihm die Überquerung nicht gelang und ein Präsident, der Ketchup als Gemüse an amerikanischen Schulen durchsetzen wollte.

Die Geschichte der Menschen ist seit jeher durchzogen von klugen Einfällen und so vielen Dummheiten, dass man sich fragen darf, wie wir es eigentlich bisher geschafft haben, zu überleben? Zum Schreien komisch ist die vorliegende Sammlung des Satirikers und Poetry-Slamers Sebastian 23, die im Benevento-Verlag erschienen ist, welche ein ernstzunehmendes Sachbuch mit einer gewaltigen Portion Humor darstellt.

Ein schwedischer König, der im Wettrüsten um die größte Kanone, ein Schiff so stark bestückte, dass es gleich im Hafen unterging, ist da noch als amüsante Begebenheit zu nennen, nicht so der Pilot, der den falschen Knopf drückte und damit eine Atombombe fallen ließ. Zum Glück ist die nicht explodiert. Und so konnte sich Sebastian 23 durch kuriose und skurile Situationen wühlen, sie in seinem neuen Buch zusammenstellen.

Er stellt dar, was eigentlich Intelligenz ist und welche Arten von Dummheit es gibt, konzentrierte sich dabei im Laufe des Schreibens vor allem auf die situative, die uns heute herzhaft lachen lässt. Gehört sie nicht zum Leben dazu oder anders gesagt, macht uns gerade Dummheit menschlich?

Einem belgischen Fernfahrer wurde von seinem Arzt gesagt, er ernähre sich unausgewogen und bräuchte mehr Eisen. Dass der Mann umgehend in einem Haushaltswarenladen ging und sich eine Packung Nägel kaufte und schluckte, kann man ihm da kaum vorwerfen, oder? Mit seinen inneren Verletzungen kam er sofort ins Krankenhaus.

Sebastian 23 in “Cogito, ergo dumm – Eine Geschichte der Dummheit”.

Ein U-Boot-Kommandant, der entdeckt wurde, da er die Toilettenspülung nicht richtig bedienen konnte oder Hähne als Kopfbedeckung gegen die Pest sind da noch das wenigste. Wie wäre es mit einem Banküberfall und zur Verschleierung der Identität natürlich die obligatorische Maske. Dumm nur, wenn sie mit Farbe aufgetragen wurde.

Zu nennen wäre da auch der Kriminelle, der zur Polizei ging, um ein schöneres Fahndungsfoto zu bekommen oder der Verbrecher, der ausbrach um praktisch ins Gefängnis einzubrechen.

Sebastian 23 nimmt sich selbst nicht so ernst und diese, sowie andere Dummheiten der Menschheitsgeschichte auf die Schippe. Thematisch gegliedert geht es zunchst darum, was Intelligenz und Dummheit eigentlich sind, welche Unterscheidungen da getroffen werden und wie sich diese darstellen. Lässt sich Dummheit gleichsam wie Intelligenz messen?

Wenn ja, stimmt die Behauptung, dass die Menschen immer dümmer werden? Oder wird unsere Welt nur vielschichtiger und wir unserer eigenen Unzulänglichkeit mehr bewusst? Ein Blick auf die Politiker vergangener und unserer Zeiten, auf Wissenschaft und Technik und in die Gesellschaft hilft dabei. Mit viel Augenzwinkern, wohl gemerkt.

Die intensive Recherche zu diesem Buch, welches eine abwechslungsreiche bunte Lektüre darstellt, die kurzweilig von der Antike bis zu Instagram-Verbrechen unserer Zeit führt, muss dem Autor unheimlich viel Spaß gemacht haben.

Anders kann ich mir das Feuerwerk an Anekdoten nicht erklären, die Sebastian 23 hier zusammengestellt hat und zum Besten gibt. Diese sind urkomisch, tragisch und regen zum Nachdenken an, zumal, wenn Dummheiten nicht mehr nur auf die humoristische Schippe genommen werden, sondern auch ernste Folgen für uns alle haben.

Bei allem Humor stellt er auch situative Situationen zur Debatte, die einem wirklich an den Verstand der Menschen zweifeln lassen. Doch, ein wenig Dummheit gehört zu unsere Existenz dazu und wer aus der Lektüre mit einem Lächeln herausgeht, war schon mal intelligent genug. Humor bereichert und verlängert schließlich unser Leben, wie auch Penicillin, welches erst durch einen Fehler, eine wissenschaftliche Dummheit, im Experiment, entdeckt wurde.

Die Geschichte der Dummheit oder die Unzulänglichkeit der menschlichen Intelligenz. Lesen wäre klug.

Autor:

Sebastian 23 wurde 1979 geboren und ist ein deutscher Slampoet, Satiriker und Autor. Nach der Schule studierte er Philosophie und trat bei zahlreichen Poetry-Slam-Meisterschaften an. Er lebt in Bochum und geht mit seinem Programm regelmäßig auf Tour, veröffentlichte mehrere Bücher und wurde bereits mehrfach ausgezeichnet.

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