Rowohlt

Die Frankfurter Buchmesse 2025

Auch in diesem Jahr stand ein Besuch der Frankfurter Buchmesse lange Zeit auf der Kippe, einfach aufgrund der Hotelkapazitäten einerseits, anderseits natürlich wegen der Kosten. Was nah am Messegelände dran ist oder auch nur in der Innenstadt sich befindet, kann man kaum bezahlen. Zu weit außerhalb möchte man aber auch nicht wohnen, zumal in einer Gegend, die man nicht kennt oder die vor allem abends nur schwer zu erreichen ist. Letztlich hatte ich aber eine Unterkunft gefunden und so hieß es auch in diesem Jahr wenigstens drei Tage Buchmesse in Frankfurt. Das Wochenende habe ich mir, alleine aus Kostengründen gespart.

Der Haupteingang der Frankfurter Buchmesse. (Quelle: Privatarchiv)

Mit der Deutschen Bahn ging es am Tag vor Messebeginn los und mit ein wenig Verspätung habe ich dann Frankfurt erreichen und in mein Hotel einchecken können. Das war eine größere Herausforderung, als die Bahnfahrt selbst, wenn man zig Türcodes braucht, um ins Innere der Unterkunft und seines Zimmers zu gelangen und das alles zu Beginn nicht so recht klappen möchte. Aber irgendwie hat es dann doch funktioniert. Nach einem kurzen Einkauf, ging es dann mit Freunden in die Innenstadt, um dort ein klein wenig zu essen und die Filmpremiere von „Stiller“ mitzuerleben, der Verfilmung des Romans von Max Frisch, unter der Regie von Stefan Haupt, der anschließend uns Zuschauenden für Fragen und ein Gespräch zur Verfügung stand. Wer Arthouse-Kino mag, wird dem Film sicher etwas abgewinnen können. Ich musste leider meinen Nacken nach diesem Abend wieder einrenken. in Kinosälen in der ersten Reihe zu sitzen, ist nie gut.

Der nächste Tag war dann auch gleich der erste auf dem Messegelände. Das habe ich ziemlich früh begonnen, um einige Fotos von leeren Gängen und unberührten Messeständen zu schießen. Die Atmosphäre, direkt vor einer solchen Messe, ist einfach schön. Natürlich ebenso, wenn sich die Hallen füllen und Leben dort hineinkommt. Das habe ich im Pavillon des Gastlandes erlebt. In diesem Jahr durften sich dort die Philippinen präsentieren, die mit zahlreichen Werken aufwarten konnten, die jetzt im Rahmen der Buchmesse auch vielfach übersetzt erscheinen. Vom Roman über Sachbuch, bis hin zur Graphic Novel ist da für jeden etwas dabei. Das Gastland hat sich mit viel Freundlichkeit, einigen Leseinseln und zwischendurch auch musikalischen Darbietungen präsentiert. Gelungener, als dies mit Italien im letzten Jahr der Fall gewesen ist.

Hauptsächlich in den Hallen 3.0 und 3.1 präsentierten sich die deutschsprachigen Verlage, die ich gleich zu Beginn abgegangen bin. Die Halle 1.2, in der sich New Adult und Romance präsentiert haben, habe ich aufgrund meines Lesegeschmacks und der zu erwarteten Menschenmengen, die am Wochenende noch einmal mehr sein würden, außer Acht gelassen. Alles für mich relevante spielte sich ohnehin in den beiden erstgenannten Hallen ab. Dort waren die großen Verlagsstände, zumindest meinem Gefühl nach, etwas besser verteilt, so dass sich dort punktuell alles Menschenmögliche konzentriert hat, man aber überall sonst gut durchgehen konnte. Ob das Konzept am Wochenende so auch aufgeht, ist eine andere Frage. Zu hoffen, wäre es. Gut war auch in diesem Jahr, dass es wieder eine extra Halle für das Signieren von Büchern gab. Auch das dürfte vor allem den Besuchenden am Wochenende zuträglich sein.

Nach einem Rundgang und ersten Begegnungen an Verlagsständen, ging es zu Kaleb Erdmann, der am Stand der Frankfurter Allgemeinen Zeitung seinen Roman „Die Ausweichschule“ präsentiert hat, danach konnte ich auf der Leseinsel der Unabhängigen Verlage der Kurt-Wolff-Stiftung die Präsentation des Kinderbuchs „Ich war Eva Diamant“ lauschen, welches von der Illustratorin und der Verlegerin präsentiert wurde. Die Autorin Eva Szepesi konnte leider aus gesundheitlichen Gründen nicht mit dabei sein, aber der Ariella Verlag und die Illustratorin Stephanie Lunkewitz haben dies ganz toll gemacht. im Anschluss wurde bei RandomHouse das Sachbuch „Der Nahost-Komplex„, von Natalie Amiri vorgestellt und bei dtv habe ich per Zufall Ivar Leon Menger getroffen, der mir seinen neuen Thriller „Der Tower“ signiert hat.

Der erste Tag endete dann mit der Vorstellung des Sachbuchs „Der stille Krieg„, von Reinhard Bingener und Markus Wehner, sowie mit einem Bloggertreffen bei Wagenbach, dem Verlag für wildes Lesen, der Ausschnitte aus seinem kommenden Programm vorgestellt hat, sowie die Autorin Annekathrin Kohout ihr Sachbuch „Hyperaktiv“ über die Sozialen Medien und was diese mit uns machen.

Tag 2 gab für mich das Motto der gesamten Messe. Für mich waren es Tage der Begegnungen. Dabei fing dieser eine mit einer ganz normalen Lesung an, von Gabriel Zuchtriegel, der in einem Gespräch sein Sachbuch „Pompejis letzter Sommer“ vorgestellt hat. Anschließend habe ich weitere Lesungen geplant, doch bin dann am Stand vom Mirabilis-Verlag hängengeblieben, wo sich nach und nach eine lockere Runde an Büchermenschen und auch sonst gebildet hatte. Die Autorin Martina Berscheid war dort, ebenfalls Achim Kinter, Florian L. Arnold, der selbst seinen nebenan platzierten Verlagsstand der Edition Hibana betreute, sowie die Künstlerin Martina Altschäfer (und viele andere, die ich hier vergessen habe). Auch eine Redakteurin vom SWR hat sich dazu gesellt, die sich Inspiration für eine Sendung holen wollte. Mit vielen Anregungen und Ideen für neue Projekte war dieser Austausch schon da eines der Highlights der diesjährigen Messe.

Zum ersten Mal habe ich die, wohl obligatorischen, Messecrepes probiert, nachdem ich Ulli Lust über ihre mit dem Deutschen Sachbuchpreis 2025 prämierte Graphic Novel „Die Frau als Mensch“ sprechen gehört habe, sowie Denis Scheck in einer Messeausgabe seiner Literatur-Sendung „Druckfrisch„, in der er einem Überblick über die seines erachtens derzeit lesenswerten Bücher gab. Ob das immer so hinhaut, lassen wir einmal dahingestellt sein. Für mich war ohnehin das nächste Gespräch am FAZ-Stand wichtiger, als der Historiker Götz Aly sein Werk „Wie konnte das geschehen? Deutschland 1933-1945“ vorgestellt hat. Ich konnte dieses mir im Anschluss signieren lassen. Auch habe ich am gleichen Tag die Autorin Isabel Bogdan und Laura De Weck getroffen, die in diesem Jahr die Jury-Vorsitzende für den Deutschen Buchpreis gewesen war.

Bei Tessloff konnte man am irgendwie obligatorischen Messe-Dino vorbeigehen, bevor es dann in direkter Nachbarschaft zu Dorling Kindersley (DK-Verlag) ging, welcher mich bisher eigentlich immer mit seinen großformatigen und toll illustrierten Sachbüchern und Bild-Lexika begeistern konnte. Dort gab es ein Blogger-Treffen und einen festlich geschmückten Weihnachtsbaum, unter den schön arrangiert die tollen Werke des Verlags lagen. Diesmal habe ich kein Buch mitgenommen. Diese Werke haben Gewicht, welches man sonst die gesamte Zeit über mit sich herumschleppen müsste. Am Ende des Abends oder der Nacht sollte ich für diese Entscheidung noch dankbar sein.

Der Tag endete mit einem Treffen unter dem Motto #bookmeetspizza, welches wieder von zahlreichen unabhängigen Indie-Verlagen des Netzwerks –Schöne Bücher– im Haus des Buches organisiert wurde. Ich war bei dieser Art von Begegnung zum zweiten Mal dabei und habe wieder einige Klein-Verlage kennenlernen dürfen, die mir so vorher noch nicht begegnet waren. Der Abend wurde dann auch lang und zog sich bis in die Nacht hinein, so dass einige von uns (auch ich) tüchtig Schwierigkeiten hatten, in ihre Unterkunft zu kommen. Es fuhr dann nämlich nichts mehr oder nur noch sehr wenig. S-Bahnen und U-Bahnen fielen aus, was zur Folge hatte, dass z. B. ich erst etwa halb zwei Uhr morgens in meiner Unterkunft ins Bett fallen konnte.

Mit entsprechend wenig Schlaf und etwas derangiert, was stark untertrieben ist, ging es am nächsten Morgen auf zum letzten Messetag. Am Freitag standen nur wenige Termine an, zum einem stellte Rowohlt sein kommendes Programm vor und Anna Prizkau („Frauen im Sanatorium„), sowie Kelly Mullen („Die Einladung„) ihre neuesten Werke, zum anderen gab es eine Art Werksgespräch über das Davor und Danach von „Für Polina“ mit Takis Würger bei Diogenes, die ebenfalls im Anschluss ihr anstehendes Programm vorstellten. Auch bei C.H. Beck habe ich mich über das kommende Programm ausgetauscht, sowie mich beim Topp Frech Verlag kurz vorstellen dürfen.

Und danach? Danach war für mich die Messezeit zu Ende, die ich mit vielen Eindrücken, tollen Begegnungen und zahlreichen Ideen verlassen konnte. Schwer bepackt ebenso, versteht sich von selbst. Ohne Bücher von solch einer Messe runter, geht ja auch nicht. Die Messe selbst fand ich insgesamt besser organisiert als in den vorherigen Jahren, wobei man die Messe-App einmal knicken kann, die teilweise nicht funktioniert und Dinge falsch und fehlerhaft angezeigt hat. Aber es war, trotz der Öffnung für Besuchende bereits am frühen Freitag, ein Durchkommen möglich (wie gesagt, die Halle New Adult und Romance kann ich nicht beurteilen, da mag es eventuell anders ausgesehen haben). Einzelne Engstellen konnte man durchaus umgehen. Einen Gang weiter sieht die Welt, auch auf der Messe, durchaus anders aus.

Am Samstag ging es dann für mich zurück in die Heimat. Mit der Bahn, die schon vor der Anreise die Zugbindung für die Rückfahrt aufgehoben hatte, aufgrund eines Schienenersatzverkehrs der zuerst zu nutzenden S-Bahn. So konnte ich auch einen ICE früher nehmen und war drei Stunden eher zu Hause als geplant. Einen Großteil des Mich-Sortierens und Auspackens konnte ich daher schon am Samstag übernehmen. Und jetzt? Jetzt folgt wohl der Messe-Blues.

Fotos stammen aus dem Privatarchiv.

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Kate Conger/Ryan Mac: Elon Musk und die Zerstörung von Twitter

Inhalt:
In einer Zeit, in der gute Narrative viral gehen und soziale Medien Wahlen entscheiden können, kauft sich der reichste Mann der Welt Twitter, um selbst darüber zu bestimmen, welche Inhalte die über 200 Millionen täglichen User weltweit zu sehen bekommen.

Die preisgekrönten New-York-Times-Journalisten Kate Conger und Ryan Mac haben auf Basis exklusiver Interviews, unveröffentlichter Dokumente und interner Twitter-Kommunikation ein bahnbrechendes Buch vorgelegt, das Twitter im schwierigen Kampf gegen Desinformation zeigt und in cineastischer Dichte den Ablauf eines unvergleichlichen Deals schildert, der alles änderte und eine neue Epoche einläutete.

Während sich der Online-Diskurs auch auf X, wie Twitter nun heißt, weiter radikalisiert und sich die Gräben zwischen den politischen Lagern vertiefen, ist es wichtiger denn je, darüber nachzudenken, wie die Demokratie gegen Menschen, die sich alles kaufen können, geschützt werden kann. (Klappentext)

Rezension:
Vor wenigen Jahren schlug die Nachricht des Kaufs eines der bedeutenden Plattformen unseres Planeten durch eine einzelne Person ein, wie eine Bombe. Für 44 Milliarden Dollar hatte der Unternehmer Elon Musk den Mikroblogging-Dienst Twitter erworben, den Musk, seinerzeit der reichste Mann der Welt, selbst regelmäßig nutzte, unter den Deckmantel, freie Meinungsäußerung schützen zu wollen.

Vorausgegangen war dem eine längere Schlacht, um den kriselnden Konzern, dessen Kinderkrankheiten sich zu potenzieren begannen, als Musk und seine Vertrauten in die Mechanismen des Unternehmens eingriffen, einen Großteil der Belegschaft entließen und rechte und verschwörungsgläubige Accounts wieder zuließen.

Die New-York-Times-Journalisten Kate Conger und Ryan Mac haben mit ihrem Sachbuch „Elon Musk und die Zerstörung von Twitter“ eine Biografie des Niedergangs vorgelegt und ergründen in ihr auch, was dies über uns aussagt.

Das Silicon Valley und das Universum der Tech-Bosse, zugleich derer der Superreichen ist eine Welt für sich. Unternehmerisches Geschick, Glück und Likes sind ihre Währung. Aufmerksamkeit um jeden Preis, der sich in barer Münze auszahlt. Auch damit ist es Elon Musk gelungen, zeitweise der reichste Mensch des Planeten zu sein. Welche Gefahr dies birgt, hat sich im Jahr 2022 gezeigt, als dieser Twitter übernahm und nicht nur in dessen Firmenzentrale in San Francisco kein Stein auf den anderen beließ.

Doch die Recherchen der beiden Autoren setzen früher an. In den Anfangsjahren der Social Media Plattform sind bereits die Fallschnüre angelegt, über die zunächst ihre Gründer stolpern werden und schließlich die Geschäftsführung, die in Hoffnung auf Modernisierung den Deal einst vorbereitete.

Schon damals gab es unternehmensintern Disskusionen, welche Art von Meinung in wie weit zulässig sein sollte und welches System von Kontrollmechanismen gerecht wäre, um z. Bsp. zwischen Regierungsstellen und Usern zu jonglieren. Kleinteilig entschlüsseln Kate Conger und Ryan Mac auf Basis zahlreicher Interviews und interner Kommunikation die Mechaniken des Tech-Konzerns und geben später so auch einen Einblick in das Weltbild eines Mannes, der als selbstzerstörerischer Egomane wie die Axt im Serverraum agiert.

Nach der Übernahme beinahe wortwörtlich.

Sehr ausführlich wird ein Wirtschafts- und Rechtskrieg beschrieben, sowohl nach außen als auch unternehmensintern ist dies als nichts anderes zu bezeichnen. Dabei verlieren sich die Journalisten in Details, was jedoch so rasant erzählt wird, dass die lektüre keinesfalls trocken daherkommt. Die einzelnen Abschnitte sind dabei kompakt gehalten.

In ihnen kommen die jeweils zu der Zeit eine maßgebliche Rolle um Twitters Übernahme und Wandel spielenden Personen zu Wort. Auch wird gezeigt, was daraus folgte. Eine diversere Aufsplittung der sozialen Medien und ein Sprachrohr für Fanatiker und Radikale.

Ein Bildteil lockert das auf Jahre heraus recherchierte Sachbuch auf, dessen Grundlagen tiefe Kenntnis der Mechanismen des Silicon Valley bilden. Selbst muss man diese nicht haben. Die Autoren wissen verständlich zu veranschaulichen und haben damit eine fesselnde Biografie über Macht und soziale Medien, über den Niedergang eines Unternehmens geschaffen, dessen Gründern es nicht gelungen ist, dieses rechtzeitig vor falschem Zugriff zu bewahren und vor dem Wolf im Schafspelz zu beschützen.

Autoren:
Kate Conger wurde 1989 geboren und ist eine US-amerikanische Journalistin und Autorin. Sie begann ihre Karriere beim Schreiben für die SF Weekly und den San Francisco Examiner und arbeitete von 2016 bis 2017 als Reporterin für TechCrunch, wo sie über Tech-Politik und Cybersicherheit berichtete.

Mit ihren Reportagen über Google erlangte sie größere Bekanntheit, auch nachdem sie 2018 zur New York Times wechselte. Zudem berichtete sie über Neuralink und Uber, sowie Googles geheime Forschung an KI-getriebenen Kriegsdrohnen für das Militär, was den Ausstieg des Unternehmens aus dem Deal nach sich zog.

Ryan Mac ist ein US-amerikanischer Schriftsteller und Journalist. Während seines Studiums begann er Geschichten für die Stanford Daily zu schreiben und arbeitete als Reporterpraktikant für verschiedene Zeitungen und Magazine.

Von 2011 an arbeietete er als Mit-Autor für das Forbes Magaziine und wechselte 2017 zu Buzzfeed News, wo er sich mit seinen Technologie-Reportagen einen Namen machte. Im Jahr 2018 berichtete er über Verunglimpfungen eines britischen Höhlentauchers durch Elon Musk, der bei der Tham Luang Höhlenrettung eine maßgebliche Rolle spielte. Für seine Recherchen zu Facebook erhielt er den Mirror award und den George Polk Award.

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Die Leipziger Buchmesse 2025 – Tag 1

Über die Einlass-Schwierigkeiten wurde hier schon berichtet, sie führten jedoch dazu, dass die Messe den Zugang für die darauf folgenden Tage geändert hatte. Man kam dann insgesamt wohl schneller rein, aber dieser eine Tag hat auch zu einigen Frust bei manchen Aussteller geführt. Wer ein Ausstellerticket hatte, konnte durch einen speziellen Eingang. Autoren und Autorinnen, die nur eine Einladung vom Verlag hatten, nicht. Zudem ist es auch ein Ding der Unmöglichkeit, dass der Organisator des Gastlandes Probleme hat, seine Mitarbeiter auf das Gelände zu bekommen. Zur Erklärung, die gelten als Medienagentur, damit als Presse und dürfen damit zumindest theoretisch weniger als Aussteller.

War man dann einmal drin, waren es jedoch durchaus interessante und abwechslungsreiche Messetage. Wenn man an die Stände herankam, was bei der offiziellen Eröffnung des Gastland-Standes sich für mich als unmöglich erweisen sollte. Den hatte ich am Tag zuvor gesehen, als es eine Pressekonferenz gab, zu der ich eingeladen war.

Nach den üblichen Reden, in denen u. a. thematisiert wurde, dass es einen geringfügigen Ausstellerrückgang geben würde, der sich schlicht durch Marktkonzentration erklären lässt, aber man insgesamt mehr Fläche verkauft hatte, wurden wir zum Norwegen-Stand geführt, wo man sich die Messe über unter den Motto „Worte bewegen Welten“ präsentierten wollte.

Das hat auch geklappt, hatte man einmal an diesen durchaus sehr ansprechend schön gestalteten Stand einen Platz ergattern können. Am ersten offiziellen Messe-Tag hatte ich da keine Chance und bin stattdessen bis zur ersten Blogger-Veranstaltung die Stände der unabhängigen Verlage abgegangen, auch mit Unterstützung des Sammelheftes des Schönen Büchernetzwerkes. Sogar einen Schokopinguin gab es. Beim Verlag Pinguletta.

Die erste Blogger-Veranstaltung, zu der ich angemeldet war, richtete Rowohlt aus, die ihr kommendes Programm aber vor allem zwei Bücher und ihre Autorinnen vorstellten. Sarah Lorenz mit ihrem Roman „Mit dir, da möchte ich im Himmel Kaffee trinken“ und Susanne Kaiser mit „Riot Girl„. Anschließend ging es, praktisch im gleichen Raum direkt weiter mit Diogenes und Christian Schünemanns Werk „Bis die Sonne scheint„. Auch er beantwortete Fragen und hat anschließend sein Buch für alle Anwesenden signiert.

Bevor es zum ersten Pinguin-Treffen (stadtbekannte Eisdiele und Gaststätte) mit guten Freunden gehen sollte, die man eben nur auf den Buchmessen sieht bin ich noch einige Verlagsstände abgewandert. Edition Nautilus ebenso, wie Mirabilis oder WortArtPress, die mich entweder für Bücher vormerken konnten oder mir welche demnächst zuschicken. We would see.

(v. l. n. r.: Barbara Miklaw, Nick Hillmann, Katia Tangian, Wolfgang Allinger)

So endete dann auch der erste Messetag in Leipzig. Die Berichte zu den weiteren Tagen folgen.

Euer findo.

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Die Frankfurter Buchmesse 2024

Meine Premiere im vergangenen Jahr bedurfte einer Wiederholung und so bin ich auch diesmal wieder auf der Frankfurter Buchmesse gewesen, habe mich aber an meinem Vorsatz gehalten, nur die Fachbesuchertage zu nutzen. Im letzten Jahr war es stellenweise viel zu voll, was ich mir nicht mehr antun möchte, zumal, wenn ich schon die Gelegenheit habe, es anders machen zu dürfen. Einen Tag vorher bin ich mit der Bahn problemlos angereist, übrigens heute ebenso problemlos zurück, auch wenn der eigentliche Zug für die Rückfahrt bereits eine Woche zuvor von der Deutschen Bahn gecancelt wurde. Manchmal muss man halt Glück haben.

Auch mit meinem Hotel, welches im berüchtigten Bahnhofsviertel lag, war das so. Von außen sehr zweifelhaft, was noch freundlich ausgedrückt ist, war es zumindest von innen zwar sehr einfach, aber sauber, auf den Gang vielleicht etwas hellhörig, aber Fenster zum Hof ohne Straßenlärm, den ich eh nicht höre, wenn ich denn einmal schlafe.

Und mehr tut man ja eh nicht in einem Hotel, wenn man eine Städtereise macht, wegen was auch immer. Nach Einchecken im Hotel ging es dann auf das Messegelände, da ich in die Pressekonferenz zur Eröffnung hineinkommen wollte. Dafür aber hätte man extra Tickets gebraucht, die ich nicht hatte, auch nicht bekam und so habe ich den ersten „Eklat“ der Buchmesse verpasst, dem einige schon vorausgegangen waren und weitere folgen sollten.

Gastland war in diesem Jahr Italien, was aufgrund seiner Regierung, nicht allen gefällt, bestimmt doch das Gastland z. B. die Auswahl von Autoren und Autorinnen, die im Rahmen der Messe offiziell das Land vertreten „dürfen“. Kritiker der postfaschistischen Regierung kamen daher nicht auf offiziellen Wege auf die Buchmesse, konnten dennoch aber daran teilnehmen, auf Einladung ihrer Verlage hin.

Auf der Eröffnungsveranstaltung gab es jemanden, so zumindest Social Media, der diese demonstrativ verließ, als der italienische Kulturminister gesprochen hatte. Meine Frage ist, warum man sich eine solche Veranstaltung antut, auf der man weiß, wer sprechen wird und vor allem, mit welcher Ausrichtung sich der oder diejenigen wahrscheinlich präsentieren werden? Spart man sich das dann nicht lieber?

Wie dem auch sei, das ist eine kleine Randnotiz, trotzdem habe ich mir auch in diesem Jahr natürlich die Halle des Gastlandes angeschaut. Da konnte man jedoch die Klaviatur moderner Propaganda sehen. Ein Saal mit stilisierten römischen Säulen, die Bücher an den Rand gedrängt. Ein höherer Rückgriff als auf die Symboliken des alten Roms und der Bauten römischer Kaiser hätte nicht sein können, während im letzten Jahr das Gastland Slowenien noch die Bücher und ihre Übersetzungen in den Vordergrund gestellt hatte.

Los ging es aber mit einem anderen Italienbezug. Tobias Roth sprach am Stand von DLF Kultur über sein Werk „Florenz in der Welt der Renaissance“, an einem anderen Tag auf der Messe ebenso über „Rom in der Welt der Renaissance“, eines von denen wurde mir später übergeben zum Rezensieren, dem anschließend in einem Pavillon im Hof der Messe ein Gespräch über „Ein Jahr nach dem 7. Oktober“ folgte, als Versuch einer Bestandsaufnahme der aktuellen Entwicklungen in Israel. Auch das nächste Gespräch über Demokratien vs. Autokratien war nicht minder spannend, wie auch der Besuch des Bloggertreffens des Wagenbach-Verlags.

Am Stand hat sich der Verlag allen Anwesenden einmal vorgestellt, bevor dort für uns eine Lesung mit dem italienischen Autoren Mario Desiati startete. Nur leider kann er nicht ganz so gut Deutsch und hatte auch kein Mikrofon, so dass man ihn an den äußeren Ecken, wo wir teilweise auf Schaumstoffwolken saßen, kaum verstanden hat. Wenn ich also einen Wunsch frei hätte: Gebt den Autoren und Autorinnen bitte ein Mikrofon in die Hand und lasst sie entweder Englisch oder in ihrer Sprache sprechen und stellt jemanden daneben, der übersetzt. Ist für alle angenehmer, wäre es auch in diesem Falle sicherlich für den armen Autoren gewesen.

Besser hat dies am nächsten Tag für Martina Berscheid geklappt. Sie hat ihren Roman „Fremder Champagner“ auf der Leseinsel der unabhängigen Verlage vorstellen und daraus lesen können. Hier gab es Mikrofone. Anschließend habe ich ein paar Worte mit ihr und der Verlegerin des Mirabilis-Verlags (welcher in diesem Jahr mit dem Deutschen Verlagspreis ausgezeichnet wurde) wechseln können.

Es war toll, beide zu treffen, wie auch Dmitry Glukhovsky, der ein wenig später am Stand der RandomHouse-Verlage sein neuestes Werk vorstellen durfte, eine Zusammenstellung vieler Zeitungsartikel und Kolumnen aus seiner Feder, über die Entwicklung Russlands. Gedanklich landete dieses Buch nebst vielen anderen natürlich auf meiner Wunschliste.

Nicht auf der Wunschliste, wie so viele, landete in meinen Koffer, wie ebenso viele, ein wenig später „Mein Freund YBor“, das Kinderbuch von Rüdiger Kinting, welchen ich danach treffen durfte. Diese Gespräche und Treffen sind es, die für mich diese Messen ausmachen. Wenn jemand ganz begeistert über sein Buch spricht, die Findung der Geschichte, der Gestaltung, ist das doch ansteckend. Ich bin in jedem Fall positiv gespannt auf dieses kleine Werk und freue mich schon, es zu lesen.

Ein anderer Aspekt der Messen, eher für den Blog wichtig oder den Schrittzähler, den ich nicht besitze, sind die Rundgänge zu den Verlagen. Das ist in Frankfurt ungleich schwieriger als in Leipzig, da alle ständig Termine haben und ich jetzt niemand bin, der selbige sprengt. Nach und nach hat es dann aber doch geklappt, auch wenn mir wiederholt Verlage begegnet sind, die keine Visitenkarten annehmen dürfen (Warum?) oder andere, die meinen, Bloggende nicht zu brauchen. Finde ich schwierig, in Zeiten, wo gerade kleine Verlage darum kämpfen müssen, sichtbar für das Publikum zu sein und doch jeder Beitrag doch nur helfen kann.

Man muss aber auch dazu sagen, dass das Ausnahmen waren. Viele freuen sich über das Interesse, erinnern sich an die eine oder andere Rezension und geben auch das Feedback, dass sie es tatsächlich an den Verkaufszahlen merken, wenn Beiträge über die Bücher erscheinen, übrigens auch in Literaturforen.

Den Abschluss des Tages bildete ein Umtrunk am Stand des Karl Rauch Verlags, dessen Bücher so unterschiedlich wie schön gestaltet sind und anschließend eine Veranstaltung des Netzwerks schöner Bücher von zehn unabhängigen Verlagen. Gott sei Dank, nachdem meine Kopfschmerzen wohl zu müde waren, um weiterzumachen. Die hatten mich von früh an leider begleitet. Aber zu den Zeitpunkt war alles wieder soweit in Ordnung, weshalb ich den Abend genießen und bei Pizza und Getränken mit Verlagen und Bloggenden ein paar wunderbare Stunden verbringen und wir Gleichgesinnte uns austauschen durften.

Natürlich ging es dabei auch um Bücher, aber schaut bitte selbst beim Netzwerk schöner Bücher vorbei. Einige davon werde ich im Laufe der Zeit vorstellen, aber hinter jedem stecken Verlegerinnen und Verleger, die tolle kreative Ideen umsetzen und sich nebenbei zum Teil gesellschaftlich engagieren, was viel mehr Aufmerksamkeit bekommen sollte.

Der Abend endete spät, der nächste Tag startete früh und begann wieder mit Verlagsrundgängen und dem Bloggertreffen von Rowohlt. Dort wurde das kommende Verlagsprogramm vorgestellt und zwei Autorinnen durften zudem ihre Romane vorstellen. Jen Besser mit „Dirty Diana“ und Raphaelle Red mit „Adikou“. Von beiden Büchern lagen zu wenige Exemplare aus, als dass alle eines bekommen hätten, selbst, wenn alle sich nur für einem der beiden Romane entschieden hätten.

Ich habe keines genommen, da für mich die Programmvorstellung im Fokus stand und mich andere Sachen interessieren, aber wenn man sieht, dass so wenige Bücher ausliegen, nimmt man sich doch bitte nur eines, damit mehr Menschen die Chance bekommen, eines zu erhalten. So gehe ich zumindest bei solchen Veranstaltungen vor. Es ist ein Privileg, die Bücher kostenfrei zu erhalten, nur sollte man einschätzen können, was man daraus macht.

Ein Beispiel hierzu, ich hatte es wegen des Bloggertreffens nicht zu einer parallel stattgefundenen Signierstunde von Sasha Filipenko geschafft, der dort seinen neuesten Roman signiert hatte. Deswegen hatte ich vorher dem Verlag geschrieben, ob es vielleicht möglich wäre, für mich, eventuell eines signieren und zurücklegen zu lassen.

Nicht selbstverständlich auf einer Messe, wo alle Termine haben, auch noch solche Anfragen irgendwo zu vermerken und das auch nicht zu vergessen, was ich verstanden hätte. Aber das war ein ganz toller Moment, was mich riesig gefreut hat. Fast schon Tradition hat ein Gespräch mit einer mir bekannten Literaturagentin, bei dem wir uns über unsere Messeeindrücke unterhalten. Auch das ein Bälle einander zuspielen, weswegen ich solche Messen mag und das Bloggen liebe. Es hat schon was, zu sehen, dass auch andere diese Arbeit, die man macht, schätzen.

Danach ging es zum Bloggertreffen von Kiepenheuer & Witsch, wo die Übersetzerin und Autorin Isabel Bogdan ihren neuen Roman „Wohnverwandtschaften“ vorstellte und daraus las. Ich mag ihre Bücher sehr und freue mich darauf, auch dieses zu lesen. Meines hatte ich bereits, so dass ich mich anschließend nur mit meinen Büchern von ihr, die noch nicht signiert waren, in die Schlange einreihen konnte. Die Autorin hat sich jedenfalls sowohl beim Lesen als auch im Gespräch bei der Fragerunde sehr sympathisch gezeigt.

Bei Dorling & Kindersley (DK), Verlag toller Bildbände zu den verschiedensten Themen, wie auch Kochbücher oder Bildenzyklopädien, habe ich anschließend zusammen mit anderen den Tag ausklingen lassen, wieder mit tollen Gesprächen und (hier) mit einem Glas Kaffeecocktail. Am Samstag gab es dann nur noch ein Treffen mit meiner Ansprechpartnerin vom Verlag C. H. Beck, sowie ebenso beim Mitteldeutschen Verlag. Danach jedoch musste ich schon den Zug nach Hause nehmen. Oder wollte es, um den Besuchermassen zu entgehen. Hat geklappt, auch im ausgewählten (da nicht mehr an die Reservierung wegen Zugausfall gebundenen) Zug schnell einen Sitzplatz gefunden.

Im Zug erfuhr ich dann beim Verfolgen der Nachrichten und Social Media von der Debatte um Clemens Meyer, die hier zumindest einmal (und danach nicht wieder) erwähnt werden soll, welcher auf der Preisverleihung des Deutschen Buchpreises das Verhalten eines Kindergartenkindes gezeigt hat, was natürlich die mediale Aufmerksamkeit jetzt von der ausgezeichneten Preisträgerin Martina Hefter für ihren Roman „Hey, guten Morgen, wie geht es Dir?“ ablenkt. Kurzfristig mag das Clemens Meyer ein paar Bucheinkäufe mehr einbringen, langfristig wahrscheinlich aber jeder Verlagsmarketingkampagne schaden, zudem wird er vielleicht so schnell nicht mehr für einen Preis überhaupt nominiert werden.

Und so endete eine tolle Messezeit für mich, mit vielen interessanten Begegnungen und Gesprächen und Ideen, die ich jetzt erst einmal sortieren muss.

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Tove Alsterdal: Blinde Tunnel

Inhalt:

Sonja und Daniel wollen ihre Ehe retten und erfüllen sich einen Traum: Das schwedische Paar kauft ein Weingut in Tschechien. Das Anwesen liegt seit dem Zweiten Weltkrieg brach, verströmt jedoch eine betörende Magie. Bei ihren Aufräumarbeiten entdecken sie ein Kellergewölbe mit Flaschen aus den Kriegsjahren. Und die mumifizierte Leiche eines Jungen mit weißer Armbinde. Die Polizei hat kein Interesse, der Sache nachzugehen, aber mithilfe der Anwältin Anna erfährt Sonja mehr über die bewegte Geschichte des Dorfes, die Annexion der Gebiete durch Hitler, das Leid der Bevölkerung. Doch dann wird Anna ermordet und Daniel als Verdächtiger verhaftet. Sonja begreift, dass der Schlüssel in der Vergangenheit liegen muss. Und dass manche Dinge für immer verborgen bleiben sollten. (Klappentext)

Rezension:

Alleine das Szenario reicht bereits aus, um eine Erzählung vollkommen zu überfrachten. Die Frage jedenfalls, stellt sich relativ schnell. Kann das funktionieren? Ein schwedischer Krimi, der in Tschechien spielt und die konfliktbeladene Geschichte zwischen Tschechen und Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg thematisiert. Zwischen die damaligen Fronten zu geraten und verschüttete Emotionen aufzurütteln, ist jedenfalls das Letzte, was die beiden Hauptprotagonisten wollen, als sie in die tschechische Provinz ziehen.

Das verlassene Haus mit ehemaligen Weingut sah ja auf den Bildern vor dem Kauf so malerisch aus. In Zentraleuropa angekommen wird Sonja und Daniel jedoch schnell klar, dass mit dem Grundstück auch ein Teil der Vergangenheit dieses Landstrichs erworben wurde, der noch immer nicht zu viele Fragen erwünscht. Als dann auch noch die Leiche eines Jungen im ehemals zugemauerten Weinkeller gefunden wird, ist schnell nichts mehr, wie es war. Sonja beginnt die Geschichte des Ortes zu hinterfragen, doch wem kann sie noch trauen?

Somit ist der Handlungsrahmen umschrieben, in dem sich die beiden Hauptprotagonisten befinden. Beide geraten schnell in einem Strudel hinein, dessen Wirkung sie schnell nicht mehr kontrollieren können. Jeder im Dorf und alle, auf die vor allem Sonja stößt, um mehr zu erfahren, scheinen eigene Interessen zu verfolgen. Nichts scheint Schwarz oder Weiß, viele Grautöne vermischen sich. Auch die beiden Protagonisten haben ihre Ecken und Kanten. Emotionale Kälte ist zwischen den Zeilen zu lesen, genau so wie der Staub vom lange nicht mehr genutzten Boden aufgewirbelt wird.

Dabei umfasst das Szenario im Hier und Jetzt nur wenige Tage. Rückblicke in die Vergangenheit, die sich Sonja nach und nach öffnen, geben der Geschichte eine Dynamik, die vor allem dann interessant wird, wenn das Erfahrene unmittelbare Auswirkungen bekommt. Zudem gibt es zu wenig Literatur, die diesen Teil der Geschichte so einarbeitet. In sofern funktioniert die Mischung, der dennoch an einigen Stellen etwas mehr Tempo gut getan hätte.

Dieses ist nämlich ansonsten durchaus ordentlich. Erzählerische Längen existieren kaum. Auch Sprünge oder Wendungen sind so eingearbeitet, dass sie nicht fehl am Platze wirken. Vielleicht hätten sogar ein zwei derer Sachen mehr der Geschichte gut getan, doch kann man auch damit zufrieden sein, dass nicht skandinavische Melancholie den O-Ton bestimmt. Der Sprung außerhalb der nordischen Länder funktioniert hier hervorragend. Nur eine Frage bleibt offen, wie würde ein solcher Krimi erzählt werden, wenn dieser aus der Feder tschechischer Schreibender stammte? Vielleicht ist jedoch diese Perspektive dem Ganzen zuträglich.

Die beiden Hauptfiguren sind glaubwürdig ausgearbeitet, wobei der männliche Part durch die weibliche Protagonisten Konturen bekommt. Auch die Geschichte wird ja aus Perspektive Sonjas erzählt, bis auf die Rückblicke, die sich ihr nach und nach erschließen. Facettenreich sind sie und alle Nebenfiguren vor allem dadurch, dass lange nicht klar ist, wer der Gegenpart ist und auch das Ende einem mit gemischten Gefühlen zurücklassen wird, was jedoch hervorragend zur Geschichte passt und kaum anders vorstellbar wäre. Eine Erzählung in der nicht alle Konflikte zur Gänze aufgelöst sind, ist eben eines nicht. Langweilig.

So facettenreich die Geschichte, so spannend erzählt Tove Alsterdal diese, dass man gerne mehr erfahren möchte, immer einen kalten Schauer im Nacken spürend. Effekthaschend blutige Szenarien sucht man hier vergebens. Angenehm hat sich die Autorin hier zurückgehalten, trotzdem kommt keine Langeweile auf. Im Gegensatz zu vielen anderen Krimis wird hier mit etwas längeren Kapiteln gearbeitet, deren Übergänge im Verhältnis fließend sind. Trotz der insgesamt sehr kompakten Erzählung hat man das Gefühl, dass die Autorin sich Zeit für die Ausarbeitung der Szenarien genommen und ebenso ausreichend für deren Grundlagen recherchiert hat.

Das trägt dazu bei, dass man sich die einzelnen Schauplätze und Figuren gut vor dem inneren Auge vorstellen kann, ohne sich darin allzu lang aufhalten zu müssen. Dieser Krimi ist damit nicht nur für alle Fans des Genre, sowie so an skandinavischer Literatur Interessierte gerichtet, eben auch für jene, die einmal ausweichend von Sachbüchern mit zweifelhafter Tendenz sich einer Thematik nähern möchten, die sonst nur wenig besprochen wird.

Am Ende fehlt noch der eine oder andere I-Tüpferl, insgesamt ist es jedoch eine sich lohnende Lektüre. Zumal jeder irgendeine Leiche im Keller hat.

Autorin:

Tove Alsterdal wurde 1960 in Malmö geboren und ist eine schwedische Schriftstellerin, Journalistin und Dramatikerin. Zunächst arbeitete sie als Krankenschwester, bevor sie 1985 eine Ausbildung zur Journalistin begann. Danach arbeitete sie lange Zeit für Radio und Fernsehen, begann 1990 zudem für eine unabhängige Theatergruppe zu schreiben. Ihr Krimidebüt gab sie 2009, dem weitere Romane folgten. 2014 erhielt sie den Preis für den besten Kriminalroman des Jahres der Svenska Deckarakademin. 2020 begann sie an einer Krimiserie zu arbeiten, die 2023 abgeschlossen wurde.

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Peter Urban: On Air – Erinnerungen an mein Leben mit der Musik

Inhalt:

Beatles, Bowie, Onkel Pö: Peter Urban erzählt von seinem bewegten Leben mit der Musik.

Seit Jahrzehnten prägt Peter Urban die deutsche Radiolandschaft – als legendärer trockener Kommentator des Eurovision Song Contests, als Moderator verschiedener Musiksendungen, inzwischen auch als Podcaster. Offen und unprätentiös beobachtet er seit fast 50 Jahren als pop-experte die nationale und internationale Musikszene und hat in seiner langen Laufbahn unzählige Pop-Größen getroffen, interviewt und porträtiert – von Keith Richards über Yoko Ono zu David Bowie, Elton John, bruce Springsteen, Joni Mitchell, Paul Simon, Harry Belafonte und Eric Clapton. Mit diesem Buch legt er nun seine Memoiren vor, den Soundtrack eines Lebens, das beruflich wie privat immer von der Musik geprägt war. (Klappentext)

Rezension:

Nahezu alle kennen seine Stimme, ob aus dem Radioprogramm oder aus dem Off, als Kommentar des Eurovision Song Contest, den er seit 1997 bis zu seinem Abschied im Jahr 2003 mit einer Ausnahme begleitete. Doch Urbans Leben mit Musik nahm schon vorher seinen Lauf. Seit seiner Kindheit spielt der 1948 in Bramsche geborene Peter Urban selbst und kam Jahre später eher per Zufall zum Rundfunk und bildete seit dem die Grundlage für so manche Plattensammlung. Nun legt der Moderator und Journalist, ja, auch Musiker, seine Autobiografie vor, in der er nicht nur seine eigene Geschichte festhält.

In einem Interview der NDR-Talkshow hat es Peter Urban einmal in etwa so formuliert, sein ganzes Leben mache oder drehe sich um Musik, aber für den Eurovision Song Contest sei man bekannt. Doch ist das Kommentieren des Musikwettbewerbs nur ein weiterer meilenstein gewesen im bewegten leben, welches er noch einmal Revue passieren lässt. Angefangen hat das alles mit dem heimischen Musizieren im Wohnzimmer der Eltern und dem Beobachten der Techniker, die eine Aufführung aus der Ortskirche seiner Kindheit übertragen sollten. Und so beginnt das Vorspiel, welches ihn von der Heimatregion nach Hamburg, mehrfach nach London und dann rund um die Welt führen sollte. Eindrücklich schildert der Journalist die Suche nach besonderen Platten und Begegnungen mit Künstlerinnen und Künstlern. Mit vielen wird er in Berührung kommen.

Im Laufe der Jahre verändert sich das gesellschaftliche Gefüge in Deutschland und der weklt, mit ihm die Musik. Peter Urban versucht Zeit seines Lebens den Blick über den Tellerrand zu bewahren. In den einzelnen, quasi Musiktiteln nachempfunden überschriebenen Kapiteln schält er besondere ereignisse und Wegmarken heraus, was besonders zu Anfang wirkt wie die Abhandlung eines Lexikon der Musikgeschichte.

Nach und nach, als hätte Urban, der sonst nur das Schreiben von Songtexten, Noten oder Moderationstexte gewöhnt ist, erst einmal in das erzählende Texten hineinfinden müssen, wirkt die Biografie zugänglicher und einfacher zu lesen. Natürlich sei gesagt, dass man quasi nebenher unzählige Titel sich heraussuchen und abspielen kann, hat man doch ebenso mit „On Air“ einen Fundus an hörbarer Zeitgeschichte vorliegen. Sicher ist es auch so, dass je nachdem ab wann die gemeinsamen Berührungspunkte größer werden, die Biografie interessanter wird. Das beginnt bei mir, der mit Peter Urban als ESC-Kommentator aufgewachsen ist, eben erst damit.

Faszinierend sind die Hintergründe, die er erläutert. Wie liefen Vorbereitungen für eine Radio-Sendung ab, in der bedingt noch viel improvisiert werden musste, wie entwickelte sich die Technik weiter, zum Segen oder Fluch des Moderierenden. Wie betrachtet Urban die Entwicklung des weltweit größten Musikwettbewerbs ebenso wie die Musikszene selbst, wie betrachtet sie auch ihn und warum noch einmal wirkt manches Kommentar am ESC-Finalabend für manch Zuschauenden so betulich? Wo hätte er selbst einmal kritischer sein können oder gar müssen? Peter Urban gibt sich kritisch, sinniert, jedoch ohne über andere, denen er begegnet, herzuziehen. Eine Biografie mit Respekt und ganz viel Nostalgie ist das, so vielschichtig.

Immer noch beeindruckt, schildert er sehr ausführlich die Begegnungen mit Legenden wie Yoko Ono oder Mick Jagger, Keith Richards, einzelnen Mitgliedern der Beatles oder Udo Lindenberg, ohne die Probleme oder schwierigkeiten des Musik-Business‘ außen vor zu lassen. Er kennt sie ja selbst, aus eigener Erfahrung heraus. Peter Urban spielte selbst in einigen Bands, was er bei seinem Interviews zu nutzen wusste. Wer ihn traf, der spürte wohl, hier ist jemand, der sich auskennt, der weiß, wovon er spricht.

Diese Liebe zur Musik kommt in jeder einzelnen Zeile durch und ist daher nur als lesenswert zu empfehlen, auch als einen Aspekt der langjähriger bundesrepublikanischer Geschichte und auch sonst. An manchen Stellen wirkt das zwar sehr theoretisch, fast exerzierend, doch zeigt Urban eben auch, was Musik in der Lage ist in Menschen zu bewirken. Damit ist dann nicht nur gemeint, dass auch unzählige Hörer und Hörerinnen seine Rundfunksendungen als Fenster zum Westen nutzten, teilweise penibel Listen führten, wann welche Titel gespielt wurden und sich so ein Stück Ausbruch aus dem Alltag schufen, noch bevor die Mauer fiel.

Der Autor stellt jedoch auch ein bedeutendes Stück journalistischer Entwicklungsgeschichte dar, eben so interessant, wie auch wie er sich zukünftig die Rolle der Öffentlich-Rechtlichen, des Rundfunks und überhaupt des Eurovison Song Contests vorstellt, dem er, wie er selbst feststellt, eigentlich ein eigenes Buch widmen könnte. Dieser sehr ausführliche Streifzug, nicht nur durch die Musik, macht viel Freude, diese zu verfolgen, zudem Peter Urban es vermeidet, gezielt offene Wunden zu suchen und die noch einmal zu erweitern. Auch das ein Kennzeichen des Werks, allen Personen, die in seiner Beschreibung vorkommen, zollt er respekt.

So sind es eben nicht nur „Erinnerungen an mein Leben mit der Musik“, sondern viel mehr als das.

Autor:

Peter Urban wurde 1948 in Bramsche geboren und ist ein deutscher Journalist, Musiker und Radiomoderator. Nach der Schule studierte er zunächst in Hamburg Anglistik, Soziologie und Geschichte, bevor er 1977 über Texte anglo-amerikanischer Populärmusik promovierte. Seit 1973 arbeitet er für den Norddeutschen Rundfunk zunächst frei, später fest angestellt. Zudem verwirklichte er diverse Musikprojekte als Musiker und Komponist. 1988 übernahm er eine Stelle als Redakteur der Musikredaktion des NDR.

Von 1995 bis 1988 war er als Station-Voice von NDR 2 tätig, ab 2003 Redakteur für mehrere Sendungen von NDR Info. Ab 1997 kommentierte er den Eurovision Song Vonetst, war verschiedener Weise auch Juror, z. B. 2012 beim Jewrovision in München. 2013 ging er als Redakteur in Rente, arbeitet jedoch als freier Mitarbeiter weiterhin für den NDR. 2023 kommentierte er zum letzten Mal den Eurovision Song Contest.

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Alexander Bätz: Nero – Wahnsinn und Wirklichkeit

Inhalt:

Seit eh und je fasziniert der römische Kaiser Nero (37-68 n. Chr.) die Nachwelt: als Muttermörder und Brandstifter, als Christenverfolger und tyrannisch-exzentrischer Anti-Kaiser, der sich zum Künstler stilisiert. Doch was gibt die antike Überlieferung eigentlich an verbürgtem Wissen über Nero her?

Alexander Bätz entdeckt Nero neu, indem er sein Leben und seine politische Karriere in die täglichen Rituale der römischen Kaiserzeit einfügt. Durch eine Neulektüre der antiken Quellen treten Nebenfiguren aus dem römischen Alltag in ihren Berührungspunkten mit Nero hervor: Senatoren, die abhängig waren von ihrer Nähe zum Kaiser, einfache Bürger, die ihr tägliches Auskommen im Moloch Rom suchten, jungfräuliche Priesterinnen, prominente Intellektuelle, Soldaten, Sklaven und ehemalige Sklaven, die – etwa als Ammen oder Vorkoster – dem Kaiser so nah kamen wie kaum jemand sonst. (Klappentext)

Rezension:

Der Herrscher schaut von einer Anhöhe auf einen orangeroten Gluthaufen. Feuer frisst sich durch die Straßen und fordert unzählige Opfer. Nero selbst tut nichts, erfreut sich an den Anblick der brennenden Stadt. Das Zentrum des antiken Weltreichs liegt in Trümmern. Es ist vor allem dieses Bild, welches uns aus den Überlieferungen von der Herrschaft Neros geblieben ist, doch muss sie differenzierter betrachtet werden.

Nero, der als Person zum Inbegriff für Inkompetenz, Unberechenbarkeit und Willkür werden sollte, bis heute, war genau das, gleichzeitig eben nicht nur. Größere Krisen erschütterten seine Zeit erst gen Ende seines Lebens, vor allem in seiner Person begründet. Ansonsten erlebte das Weltreich eine Stabilisierungsphase und wirtschaftliche Blüte. Der Historiker und Wissenschaftsjournalist Alexander Bätz hat sich nun die antiken Quellen vorgenommen. Müssen wir unser Bild von Nero neu justieren?

Wer sich mit den Geschehnissen der Antike beschäftigt, kann sich mitunter nur auf wenige ausführliche Quellen berufen, die gegen zu prüfen schwerfällt. Vergleichendes Material ist über die Jahrtausende, wenn überhaupt, nur bruchstückhaft vorhanden und so beginnt diese Biografie mit der Aufstellung und Bewertung dessen, worauf sich die darauf folgenden Ausführungen und Analysen stützen werden. Bei Nero sind es vor allem drei Quellen antiker Geschichtsschreiber, die Nero selbst altersmäßig kaum gekannt haben dürften und sich ihrerseits vor allem auf Nachbetrachtungen beschränken mussten. Was ist von dem Bild Neros, welches wir heute haben, was unweigerlich auf diese Texte zurückgehen muss, also zu halten?

Der Autor greift weit zurück. Stützt sich zunächst auf Rom und seine Gesellschaft, um dann in die Analyse von Familienstrukturen zu gehen, die der antike Herrscher später nachhaltig durcheinander wirbeln sollte, aber auch für sich zu nutzen wusste. Wie ist die Kaiserwerdung zu betrachten, welche Feinheiten müssen bei Neros Handeln betrachtet werden, wenn der Ausgangspunkt die vorherige Regentschaften Claudius‘ und Caligulas gewesen sind?

Sehr nüchtern folgt die Analyse diesem Zeitstrahl, der schon bald erste Ausschläge zeigen sollte, aber auch, dass unser heutiges Bild höchst einseitig ist. Nero war durchaus erfolgreich, zeigt Alexander Bätz, verschreckte jedoch die römischen Eliten zu oft mit seinem Verhalten und seinen Reaktionen, als dass man dies unberücksichtigt lassen kann.

Die sehr detaillierte und ausführliche Biografie erfordert Konzentration ob der Vielzahl antiker Namen, doch werden Hintergründe sehr genau erläutert, so sie zum Verständnis auch Lesender beitragen, denen man nicht unbedingt geschichtliches Grundwissen attestieren kann. Dazu tragen die einzelnen Abschnitte bei, die in sich relativ kompakt formuliert sind und sich praktisch häppchenweise lesen lassen. Damit wird der Fließtext etwas aufgelockert, genau so wie durch zwei sich gut ergänzend einfügende Bildteile. Die Abschnitte fügen sich zusammen zu den Kapiteln, die ihrerseits sehr ausführlich einen kleineren Zeitabschnitt in Neros Leben und Herrschaft darstellen.

Dabei gelingt es Bätz das Bild Neros in seine Einzelteile zu zerlegen und, wo notwendig, zu korrigieren. Nero als Person und seine Zeit müssen differenziert betrachtet werden. Mord, Totschlag, Willkür und Unfähigkeit gehören dazu, aber eben nicht nur. In diesem Sinne ist das vorliegende Werk ein sehr wichtiger Bestandteil der modernen Betrachtung der antiken Welt und einer Person, die trotz dessen, dass sie von jedem nachfolgenden Herrscher verdammt wurde, in den Köpfen überdauerte. Wie auch Rom eben nicht vollständig niederbrannte.

Autor:

Alexander Bätz hat Alte Geschichte, Germanistik, Bibliotheks- und Informationswissenschaften in Würzburg, Padua und Berlin studiert. Nach seiner Promotion arbeitete er bei der Zeitung Die Zeit und ist seit 2016 als wissenschaftlicher Bibliothekar für Altertumswissenschaften an der Universität Konstanz tätig. Als freier Autor und Wissenschaftsjournalist schreibt er für verschiedene Zeitungen und Magazine.

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Donald Antrim: An einem Freitag im April

Inhalt:

Ein schonungsloser ehrlicher Bericht über Todesnähe als Lebensbegleiter: Donald Antrim beleuchtet Tragödie und Stigma des Suizids und bietet Trost, der Leben retten kann. (Klappentext)

Rezension:

Hinterher weiß Donald Antrim nicht einmal mehr, was ihn diesmal angetrieben hat, die Feuertreppe seines Hauses hochzusteigen. Prüfend tritt er ans Geländer, um in den Abgrund zu schauen. Er hält sich fest, um loszulassen. zumindest mit einer Hand, die dann doch wieder den sicheren Halt sucht. Wie wird es sein, das Sterben? Wird es schmerzhaft werden? Spürt man nichts? Wird Antrim es bereuen, in den Sekunden zwischen Leben und Tod, diese Entscheidung getroffen zu haben? An diesem Tage wird er es nicht erfahren. Aus irgendeinem Grund entscheidet er sich um, geht zurück in seine Wohnung. Ein langer, steiniger Weg über Klinikaufenthalte und Therapien folgt diesem Ereignis, ebenfalls nur ein trauriger Punkt in seinem Leben, zudem der Suizid schon lange gehört.

Wir sagen auch, dass wir das wollen, aber stimmt das auch?

Donald Antrim: An einem Freitag im April

In einer Mischung aus Essay und bericht beschäftigt sich der amerikanische Autor mit Suizid als Prozess. Als solchem sieht er das, was auch Freitod, Selbstmord oder Selbsttötung genannt wird und oft nur den eigentlichen Schlusspunkt meint. Doch ist es das oder vielmehr eine Krankheit, die die Betroffenen zu einer an sich selbst grausamen oder erlösenden, auch das je nach Blinkwinkel, Handlung bringt. Er stellt dar, wie es ist, mit diesem Gefühl zu leben, sich ein Ende zu wünschen oder darauf meinen hinwirken zu müssen. Doch durchzieht den Bericht auch Hoffnung.

Wenn man beispielsweise sagt, Suizidanten seien von Natur aus impulsive Menschen, unterschlägt man die Stunden, Monate und Jahre der Angst und des körperlichen Niedergangs, der Furcht und scheinbaren Resignation, mit denen wir in den Tod gehen. Oder vielleicht halten wir den Katatoniker für antriebslos und verstehen nicht die Qual, das Gefühl, dass der Körper irgendwie vibriert, die Paralyse. Der Mann auf der Brücke hockt vielleicht stundenlang am Geländer, starrt nach unten und hat zugleich Angst davor, hinzusehenn. Die Frau in den Wellen plantscht nicht ins Meer hinaus, sondern geht eher langsam, bis sie untertaucht.

Donald Antrim: An einem Freitag im April

Klar wägt Antrim ab. Es ist ein ruhiger Text, immer wieder sich selbst prüfend. Wenn ein steiniger Weg ins Unausweichliche führt, kann man auch abbiegen und den Teufelskreis durchbrechen? Der Autor hat das versucht, wollte sich helfen lassen. Dieser Weg ist noch mehr von klippen und spalten durchzogen, Umwegen und Rückschlägen. Er berichtet von seinem Weg, ohne außer Acht zu lassen, dass dieser ihm geholfen hat und für andere etwas anderes gelten mag.

Die Paralyse des Suizids ist keine Apathie oder Stille. Wir fühlen uns eingekapselt, irgendwie eingeengt. Unsere Körper könnten zerbrechen, oder etwas außerhalb von uns wird zerbrechen. Was wird zerbrechen?

Donald Antrim: An einem Freitag im April

Donald Antrim bricht das Schweigen über ein Tabuthema, welches viel öfter zur Sprache kommen sollte, um Zugang zu den Betroffenen zu finden, vielleicht einen Weg, sie aus diesem Teufelskreis herauszunehmen und in Sicherheit zu halten. In einer Mischung aus biografischen Rückblicken, Verarbeitung und nüchternen Bericht ist der Text keine leichte Kost.

Förmlich spürt man die bleierne Last, die dem Autoren die Luft zum Atmen genommen hat. Man muss dann beim Lesen innehalten, blättert zurück, liest einzelne Abschnitte nochmals und fragt sich unweigerlich, wie man selbst in dieser Situation gehandelt hätte. Wäre man stark genug für eine Therapie? Was passiert bei einem Rückschlag? Würde man sich helfen lassen (wollen)? Wann wäre der Punkt überschritten, an dem es kein Zurück mehr gäbe? Glücklich, wer sich damit noch nie beschäftigen musste. Für die an Suizid leidenden (bleiben wir bei der Betrachtung als Krankheit statt Schlusspunkt) ein tägliches Abwägen. Wann gewinnt was die Oberhand?

Ich bin der Überzeugung, dass Suizid eine Entwicklungsgeschichte ist, ein Krankheitsprozess, keine Handlung oder Entscheidung, kein Entschluss oder Wunsch. Ich verstehe Suizif nicht als Reaktion auf Schmerz oder als Botschaft an die Lebenden – zumindest nicht nur.

Donald Antrim: An einem Freitag im April

Als Teil der Verarbeitung und Enttabuisierung ein notwendiges und wichtiges Schriftstück, wirbt Antrim für diesen Blickwinkel. Vielleicht sollte man aber wirklich gefestigt sein, um diesen Text lesen zu können. Schließlich ist der so stark wie die Thematik selbst.

Autor:

Donald antrim wurde 1958 geboren und ist ein US-amerikanischer Autor. Nach einem Studium an der Brown University veröffentlichte er 1993 seinen ersten Roman, dem weitere folgten. Er wurde mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Heyden Fellow for Fiction an der American Academy in Berlin. 2013 erhielt er den MacArthur Fellowship. Er lehrt Literatur an der Columbia University.

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Harald Meller/Kai Michel: Das Rätsel der Schamanin

Inhalt:

Eine Frau, ein Kind, Todesumstände ungeklärt. Von den Nazis entdeckt und für ihre zwecke missbraucht, versank das 9000 Jahre alte Grab in Vergessenheit. Nun wird der Cold Case mithilfe modernster Wissenschaft aufgeklärt. Die Ergebnisse machen die Schamanin von Bad Dürrenberg zu einem der aufregendsten archäologischen Funde Europas.

Die Bestsellerautoren Harald Meller und Kai Michel brechen auf zu einer Reise in eine fantastische Welt, in der sich das Schicksal der Menschheit entschied.

Sie präsentieren einen archäologischen Krimi erster Güte, der tiefe Einsichten in unsere Ursprünge bietet. Selten war Menschheitsgeschichte so aktuell und bedeutsam wie im Fall dieser geheimnisvollen Frau. Schon zu Lebzeiten war sie eine Legende – und ihre Macht wirkte weit über den Tod hinaus. (Klappentext)

Rezension:

Funde aus längst vergangenen Zeiten vermögen uns heute noch in Erstaunen zu versetzen, nicht zuletzt, wenn sie in unmittelbarer Umgebung passieren. So geschehen in Sachsen-Anhalt, in der Umgebung von Bad Dürrenberg, wo man in den 1930er Jahren das Grab einer Doppelbestattung aus dem Mesolithikum, der Mittelsteinzeit, fand. Das besondere hier, die Grabbeigaben, woraus die Entdecker ihre eigenen Schlüsse zogen, damals ihrer eigenen Ideologie untergeordnet.

Doch was erzählt uns das Grab der Schamanin wirklich? Wer waren Frau und Kind, die dort gefunden wurden? Wie lebten sie? Warum die zahlreichen Beigaben? Was kann uns dieser Fund über das Gestern und Heute erzählen? Der Retter der Himmelsscheibe von Nebra, Harald Meller und der Autor Kai Michel haben sich auf Spurensuche begeben. Eine spannende Reise, nicht nur zu unseren Anfängen.

Dies ist der Ansatz dieses durchaus thematisch interessanten Sachbuchs, in welchem man der Begeisterung seiner Autoren in jeder einzelnen Zeile nachvollziehen kann. Beschrieben wird zunächst einmal, wie Wissenschaft funktioniert, welche Techniken heute im Gegensatz zu noch vor ein paar Jahren uns heute zur Verfügung stehen, um Fragen zu klären und Erkenntnisse gewinnen, aber auch wie systematische Arbeit eine von Ideologien durchzogene ersetzt hat, um die Vergangenheit wieder aufleben zu lassen.

Mit der notwendigen Expertise gehen die beiden Autoren nicht nur einem Stück Geschichte der Archäologie auf den Grund, sondern dröseln anhand ihrer Erkenntnisse auch das Leben auf, wie es die Begrabenen geführt haben könnten. Erstaunt registriert man da, was heute mit modernster Wissenschaft und Analyse möglich ist, sich zu erschließen.

Natürlich ist aber Archäologie vor allem zunächst einmal das Aufstellen von Theorien und Modellen. Auch dies wird sehr ausführlich dargestellt. Das wirkt sich negativ auf die Lesbarkeit des Textes aus, der vollkommene Konzentration erfordert. Ausschweifend geht es dabei vor allem zu Beginn um die Begrifflichkeit, was ist überhaupt eine Schamanin? Gibt es eine Definition? Darf man diese überhaupt noch so verwenden, wie sie ursprünglich verwendet wurde? Welche Vorstellungen lassen sich damit verbinden? Woher stammen diese? An manchen Stellen führt dies zu einer Überladung, die kurzzeitig zwingt, innezuhalten und sich zu sortieren.

Da hilft es auch nicht, dass eine Auflockerung anhand mehrerer Zeittafeln und ausgewählten Bildmaterials versucht wird. Diese Veröffentlichung bewegt sich an der Grenze zwischen populärwissenschaftlicher und vollkommen fachlich geneigter Literatur, rein von der Lesbarkeit des Textes, was man wissen sollte, bevor man sich darauf einlässt. Der Informationswert ist jedoch unbestritten vorhanden.

Die Autoren schaffen es, Schauplätze, die Mittelsteinzeit an sich und Archäologiegeschichte wieder aufleben zu lassen, zeigen nebenbei wie Wissenschaft und Diskurs in diesem Kontext funktionieren. Das ist vielleicht das größte Verdienst des Werks. Wer beim Lesen sich nicht an manchen Längen stört, wird eine Lektüre mit Gewinn vorfinden. Und neuen Perspektiven, wie sie einst die Schamanin von Bad Dürrenberg ihren Mitmenschen gegeben hat.

Autoren:

Harald Meller wurde 1960 geboren und ist ein deutscher Archäologe und Historiker. 1981 begann er ein Studium der Vor- und Frühgeschichte, provinzialrömischer Archäologie und Ethnologie in München und Berlin, welches er 1987 abschloss. 1993 promovierte er und war seit 1991 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Vor- und Frühgeschichte in Köln.

1995-2001 war er Gebietsreferent im Landesamt für Archäologie Sachsen, anschließend Landesarchäologe von Sachsen-Anhalt, sowie Direktor im Museum für Vorgeschichte in Halle. Seit 2004 ist er Direktor des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, anschließend Honorarprofessor für die Archäologie Europas in Halle. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er im Zusammenhang mit dem Fund der HImmelsscheibe von Nebra bekannt.

Kai Michel wurde 1967 geboren und ist ein deutscher Historiker und Literaturwissenschaftler, der bereits mehrere Werke zu geschichtlichen und archäologischen Themen veröffentlicht hat. Sein Werk „Die Himmelsscheibe von Nebra“ ist eines der erfolgreichsten Archäologie-Bücher der letzten Jahre.

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G.D. Abson: Natalja Iwanowa 2 – Blutrot ist das Schweigen

Einordnung in der Reihe:

G. D. Abson: Natalja Iwanowa 1 – Tod in Weißen Nächten

G. D. Abson: Natalja Iwanowa 2 – Blutrot ist das Schweigen

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Inhalt:

In einer eisigen Januarnacht wird Natalja Iwanowa an eine Landstraße nahe Sankt Petersburg gerufen. Dort liegt die Leiche einer jungen Frau. Was nach einem Erfrierungstod aussieht, stellt sich als Mord heraus. Bevor die Kommissarin mit ihren Ermittlungen beginnen kann, wird ihr der Fall vom russischen Inlandsgeheimdienst entzogen. Denn die Ermordete war Mitglied einer politischen Protestgruppe. Weitere Aktivisten sollen kaltgestellt werden, befürchtet Natalja. Sie muss den Täter finden. Im Namen der Toten und der Gerechtigkeit. (Klappentext)

Rezension:

Mit einer sehr interessanten, da geladenen Mischung, hat der Schriftsteller G. D. Abson seine Krimi-Reihe um die russische Kommissarin Natalja Iwanowa nun fortgesetzt, nicht zuletzt vor den aktuellen politischen Ereignissen, die noch einmal sehr tief in das dortige System der einzelnen Verschachtelungen staatlicher Organe blicken lassen.

Während jedoch andere Fortsetzungen des Öfteren an Spannungsmomenten hat der Autor es hier geschafft, das Niveau seines Debüts zu halten. So begleiten wir erneut die ermittelnde Hauptprotagonistin durch das winterliche Sankt Petersburg und geraten sehr schnell in ein Strudel aus Korruption, Absprachen und den Fallstricken eines politischen Systems, welches auch Natalja Iwanowa an ihre Grenzen bringen wird.

Sie öffnete die Arbeitszimmertür. Die Schubladen mit ihren Unterlagen waren leer, und auch der Computer stand nicht mehr auf dem Schreibtisch. An seiner Stelle lag dort eine Beschlagnahmungsquittung unter einem Briefbeschwerer. „Sieht doch gar nicht so schlimm aus“, sagte Sergej. „Das täuscht, es ist schlimmer – hätte mir das Sledkom Angst einjagen wollen, hätten sie die Bude auseinandergenommen. Aber das hier war eine gezielte Durchsuchungsaktion.“ „Hast du denn etwas zu verbergen?“

G. D. Abson: Natalja Iwanowa 2 – Blutrot ist das Schweigen

So ist der vorliegende Band nicht nur ein klassischer Krimi, in dem es um die Ermittlung selbst gehen, sondern auch mit Politthrill-Elementen gespickt, die es in sich haben. Natürlich ist der Erzählstil leichtgängig. Selbst wenn man den Auftaktband sich noch nicht zu Gemüte geführt hat, findet man schnell Zugang zur Geschichte und zu den einzelnen Figuren.

Spannende Wendungen ergeben sich hier jedoch nicht so sehr sich aus den Ermittlungen der Protagonistin, eher aus den Tücken des Systems, innerhalb dessen Iwanowa agieren muss. Die Kapitel sind im typisch modernen Stil sehr kompakt, genügend Cliffhanger sorgen für ein schnelles Vorankommen. Neben der bereits erwähnten Ebene des mit in die Handlung eingewobenen politischen Systems, kommt auch das Privatleben der Akteurin ins Trudeln. Jedoch, um das nachvollziehen zu können, muss man nicht, es ist jedoch hilfreich, den ersten Teil der Reihe gelesen haben. Der Zeitraum des Handlungsrahmens ist indes überschaubar.

Abson konzentriert sich wieder auf relativ wenige Hauptfiguren, die dafür umso stärker ausgearbeitet wurden. Alle anderen sind nur dazu da, um die Handlung voranzutreiben. Die Perspektive bleibt immer die der Hauptprotagonistin. Nichts wirkt hier überfrachtet, dazu der eingearbeitete Flair des Handlungsortes, der sich einmal mehr von seiner düsteren Seite zeigen darf.

Kleinere Logikfehler sind zu verschmerzen, durch den Bezug auf real geschehene Ereignisse und existierender staatliche Strukturen, die die Erzählung sehr authentisch erscheinen lassen, wenn auch das Ende an kleinen Stellen zu wünschen übrig lässt. Das ist jedoch vielleicht auch der Fluch des zweiten Bandes, der zumindest Lust auf die Fortsetzung macht.

Wer gerne rasante, leichtgängige Thriller liest, ohne allzu abstruse Wendungen serviert zu bekommen, sich auch mal an andere Schauplätze als die typischen angelsächsischen Gefilde heranwagt, ist auch mit dem zweiten Band um Kommissarin Natalja Iwanowa gut bedient.

Autor:

G. D. Abson wuchs auf Militärbasen in Deutschland und Singapur auf, bevor er nach Großbritannien zurückkehrte und unter anderem Politikwissenschaften mit dem Schwerpunkt Russland studierte. Heute lebt und arbeitet er als selbstständiger Business-Analyst im Süden Englands.

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