Donald Antrim: An einem Freitag im April

Inhalt:

Ein schonungsloser ehrlicher Bericht über Todesnähe als Lebensbegleiter: Donald Antrim beleuchtet Tragödie und Stigma des Suizids und bietet Trost, der Leben retten kann. (Klappentext)

Rezension:

Hinterher weiß Donald Antrim nicht einmal mehr, was ihn diesmal angetrieben hat, die Feuertreppe seines Hauses hochzusteigen. Prüfend tritt er ans Geländer, um in den Abgrund zu schauen. Er hält sich fest, um loszulassen. zumindest mit einer Hand, die dann doch wieder den sicheren Halt sucht. Wie wird es sein, das Sterben? Wird es schmerzhaft werden? Spürt man nichts? Wird Antrim es bereuen, in den Sekunden zwischen Leben und Tod, diese Entscheidung getroffen zu haben? An diesem Tage wird er es nicht erfahren. Aus irgendeinem Grund entscheidet er sich um, geht zurück in seine Wohnung. Ein langer, steiniger Weg über Klinikaufenthalte und Therapien folgt diesem Ereignis, ebenfalls nur ein trauriger Punkt in seinem Leben, zudem der Suizid schon lange gehört.

Wir sagen auch, dass wir das wollen, aber stimmt das auch?

Donald Antrim: An einem Freitag im April

In einer Mischung aus Essay und bericht beschäftigt sich der amerikanische Autor mit Suizid als Prozess. Als solchem sieht er das, was auch Freitod, Selbstmord oder Selbsttötung genannt wird und oft nur den eigentlichen Schlusspunkt meint. Doch ist es das oder vielmehr eine Krankheit, die die Betroffenen zu einer an sich selbst grausamen oder erlösenden, auch das je nach Blinkwinkel, Handlung bringt. Er stellt dar, wie es ist, mit diesem Gefühl zu leben, sich ein Ende zu wünschen oder darauf meinen hinwirken zu müssen. Doch durchzieht den Bericht auch Hoffnung.

Wenn man beispielsweise sagt, Suizidanten seien von Natur aus impulsive Menschen, unterschlägt man die Stunden, Monate und Jahre der Angst und des körperlichen Niedergangs, der Furcht und scheinbaren Resignation, mit denen wir in den Tod gehen. Oder vielleicht halten wir den Katatoniker für antriebslos und verstehen nicht die Qual, das Gefühl, dass der Körper irgendwie vibriert, die Paralyse. Der Mann auf der Brücke hockt vielleicht stundenlang am Geländer, starrt nach unten und hat zugleich Angst davor, hinzusehenn. Die Frau in den Wellen plantscht nicht ins Meer hinaus, sondern geht eher langsam, bis sie untertaucht.

Donald Antrim: An einem Freitag im April

Klar wägt Antrim ab. Es ist ein ruhiger Text, immer wieder sich selbst prüfend. Wenn ein steiniger Weg ins Unausweichliche führt, kann man auch abbiegen und den Teufelskreis durchbrechen? Der Autor hat das versucht, wollte sich helfen lassen. Dieser Weg ist noch mehr von klippen und spalten durchzogen, Umwegen und Rückschlägen. Er berichtet von seinem Weg, ohne außer Acht zu lassen, dass dieser ihm geholfen hat und für andere etwas anderes gelten mag.

Die Paralyse des Suizids ist keine Apathie oder Stille. Wir fühlen uns eingekapselt, irgendwie eingeengt. Unsere Körper könnten zerbrechen, oder etwas außerhalb von uns wird zerbrechen. Was wird zerbrechen?

Donald Antrim: An einem Freitag im April

Donald Antrim bricht das Schweigen über ein Tabuthema, welches viel öfter zur Sprache kommen sollte, um Zugang zu den Betroffenen zu finden, vielleicht einen Weg, sie aus diesem Teufelskreis herauszunehmen und in Sicherheit zu halten. In einer Mischung aus biografischen Rückblicken, Verarbeitung und nüchternen Bericht ist der Text keine leichte Kost.

Förmlich spürt man die bleierne Last, die dem Autoren die Luft zum Atmen genommen hat. Man muss dann beim Lesen innehalten, blättert zurück, liest einzelne Abschnitte nochmals und fragt sich unweigerlich, wie man selbst in dieser Situation gehandelt hätte. Wäre man stark genug für eine Therapie? Was passiert bei einem Rückschlag? Würde man sich helfen lassen (wollen)? Wann wäre der Punkt überschritten, an dem es kein Zurück mehr gäbe? Glücklich, wer sich damit noch nie beschäftigen musste. Für die an Suizid leidenden (bleiben wir bei der Betrachtung als Krankheit statt Schlusspunkt) ein tägliches Abwägen. Wann gewinnt was die Oberhand?

Ich bin der Überzeugung, dass Suizid eine Entwicklungsgeschichte ist, ein Krankheitsprozess, keine Handlung oder Entscheidung, kein Entschluss oder Wunsch. Ich verstehe Suizif nicht als Reaktion auf Schmerz oder als Botschaft an die Lebenden – zumindest nicht nur.

Donald Antrim: An einem Freitag im April

Als Teil der Verarbeitung und Enttabuisierung ein notwendiges und wichtiges Schriftstück, wirbt Antrim für diesen Blickwinkel. Vielleicht sollte man aber wirklich gefestigt sein, um diesen Text lesen zu können. Schließlich ist der so stark wie die Thematik selbst.

Autor:

Donald antrim wurde 1958 geboren und ist ein US-amerikanischer Autor. Nach einem Studium an der Brown University veröffentlichte er 1993 seinen ersten Roman, dem weitere folgten. Er wurde mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Heyden Fellow for Fiction an der American Academy in Berlin. 2013 erhielt er den MacArthur Fellowship. Er lehrt Literatur an der Columbia University.

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