Roadtrip

Doris Wirth: Findet mich

Version 1.0.0

Inhalt:

Erwin bringt das Geld nach Hause, seine Frau kümmert sich um Kinder und Haushalt. Doch als Erwin Mitte 50 seinen Job verliert und sein Vater stirbt, fällt er in eine akute Krise. Er pendelt zwischen Verzweiflung und Größenwahn. In seinem Kopf sprießen bizarre Pläne und die Gier nach einem puren, triebhaften Leben in der Wildnis. Eines Tages zieht er los und verschwindet.

Sprachlich intensiv und formal virtuos verwebt Doris Wirth Familienroman und Roadmovie. Sie zeichnet das komplexe Psychogramm eines Mannes, der eine manische Psychose durchlebt. Aus wechselnden Perspektiven erzählt Findet mich Erwins Geschichte und zeichnet die der Familie über drei Generationen nach: von der Unterdrückung individueller Wünsche über die Prägung durch patriarchale Strukturen bis zur Suche neuer Rollen in der Gegenwart. (Klappentext)

Rezension:

Das vorliegende Romandebüt der Schweizer Autorin Doris Wirth, die zuvor bereits mehrere Erzählungen veröffentlicht, spürt den Veränderungen innerhalb einer Familie nach, deren Alltag plötzlich durch eine psychische Krankheit dominiert wird. Seiner Handlungsspielräume beraubt und seines Platzes verwiesen, spürt das ehemalige Oberhaupt nur noch den Drang, sich privaten Zwängen und dem gesellschaftlichen Druck zu entziehen und nähert nicht nur sich damit einem dunklen Abgrund an.

Leichtgängig klingt dies schon im Klappentext nicht an. Auch in der Zusammenfassung wirkt es nicht besser, doch liest sich der Wandel des Hauptprotagonisten und aller, die ihn umgeben, durchaus flüssig, in sofern wir sofort Bezüge zu den einzelnen Figuren herstellen können. In unserer schnelllebigen Gesellschaft sind nicht wenige selbst von psychischen Zwängen und Krankheiten betroffen oder kennen dies zumindest aus dem engeren Umfeld und so fällt das Einfinden leicht.

Nur wenige Stellschrauben, Auslöser, braucht die Autorin, um Verbindungen herzustellen. Die beiden Hauptfiguren, die im Laufe der Erzählung um eine geringe Anzahl erweitert werden, bekommen durch ihre Vorgeschichte Konturen. Diese sind klar gehalten, nach und nach schält sich das Unheil heraus. Dunkle Momente werden immer zahlreicher, ehe sie schließlich handlungsbestimmend wirken.

Vor allem für den männlichen Hauptpart, dessen Handeln man beinahe atemlos verfolgt. In der Art und Weise dessen, wirkt dies folgerichtig, ohne Lücken oder unlogische Sprünge zu hinterlassen. Bilder schafft hier die Autorin vor allem sehr stark durch innere Monologe, gedankliche Ausführungen, womit die Figuren ihre Ecken und Kanten bekommen. Im Kontrast zu dem vor allem so aufgebauten Protagonisten wirken die umgebenden Personen um so stärker. Doris Wirth gelingt es hier zu zeigen, dass auch Familienmitglieder mit einer solchen Situation zu kämpfen haben, nicht nur die Betroffenen selbst und das der Weg da raus nur entlang von Bruchkanten verlaufen kann.

Dieser Balanceakt erzeugt starke Bilder vor dem inneren Auge, auch bringt der stete Perspektivwechsel innerhalb der Kapitel eine temporeiche Dynamik mit sich. Dieser zu folgen ist dabei nicht sonderlich schwierig, wenn auch die Thematik nicht ohne ist. Man sollte dies vor dem Lesen wissen. Nicht jeder dürfte diese Erzählung einfach so weg lesen können. Auch der Genre-Mix trägt sein Übriges dazu bei. Psychogram und Roadmovie passen, das beweist Doris Wirth, hier wieder einmal gut zusammen. Schauplätze werden hier ebenso plastisch beschrieben wie Gefühlswelten, ohne ins Klischeehafte abzugleiten.

Immer wieder stolpert man dabei über einzelne Passagen, die hängen bleiben und nachdenklich machen. Manchmal ist es auch nur etwas Unbestimmtes, was beim Lesen zurückbleibt. Gerade für solche Momente lohnt sich das Lesen des Romans, in den man gerne den einzelnen Figuren neben dem Hauptprotagonisten noch mehr Raum geben würde, dabei wechseln die Sympathien durchaus von Kapitel zu Kapitel. Es hängt dann von den einzelnen Lesenden ab, welche Nachwirkungen hier Doris Wirth erzielt hat.

Ohne Spuren aber geht es nicht.

Autorin:

Doris Wirth wurde 1981 geboren und ist eine Schweizer Autorin. Zunächst studierte sie Germanistik, Filmwissenschaft und Philosophie in Zürich und Berlin, bevor 2014 ihr erster Erzählband erschien, dem weitere folgten. Für ihre Prosa mehrfach ausgezeichnet, erschien 2024 ihr Romandebüt. Die Gewinnerin mehrerer Literaturwettbewerbe lebt in Berlin.

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Raquel J. Palacio: Pony

Inhalt:
Silas muss hilflos mit ansehen, wie eines Nachts drei Fremde auftauchen und seinen Vater entführen. Als am nächsten Tag ein geheimnisvolles Pony vor seiner Tür auftaucht, weiß Silas, was er zu tun hat: Er begibt sich auf eine abenteuerliche Reise, um seinen Pa zu finden – eine Reise, auf der er es mit unerwarteten Gefahren, gut gehüteten Familiengeheimnissen und den Geistern der Vergangenheit zu tun bekommt. (Klappentext)

Rezension:

Vieles ist besonders an Silas, der allein mit seinem erfinderischen Vater auf einer Farm lebt. Der intelligente, aber zurückhaltende Junge hat einst einen Blitzschlag überlebt. Seit dem ist das Abbild eines Baumes auf seinem Rücken zu sehen, bei dem er vor dem Gewitter Schutz suchte. Auch sein einziger Freund ist besonders.

Ein Geist, den nur Silas selbst sehen kann. Lange sind es glückliche Tage, in denen Vater und Sohn für einen Wettbewerb versuchen, das beste Foto vom Mond zu schießen, doch eines Tages wird Silas‘ Vater von zwei Männern entführt. Der Junge nimmt all seinen Mut zusammen und begibt sich auf eine Reise, nach der nichts mehr so sein wird, wie zuvor.

Der neue Roman der Jugendbuchautorin Raquel J. Palacio entführt uns in eine Zeit voller Pioniergeist, jedoch auch kurz vor Ausbruch des amerikanischen Bürgerkriegs und in ein großes Abenteuer. Der mystisch angehauchte Roadtrip zu Pferde erzählt von einer Suche, auf der der kleine Protagonist nur eines finden wird. Sich selbst. Dabei verwebt die Schriftstellerin Fiktion und Realität, zusammen mit ihrer Liebe zur Fotografie. In spannend angehauchten Kapiteln erzählt die Autorin diese wundersame Geschichte, die eine gänzlich andere Tonalität anschlägt, als zuvor ihr fulminanter Debütroman.

Das muss man mögen, doch sind die Ansätze, in die Geschichte hineingezogen zu werden, von Beginn an vorhanden. Der kleine Hauptprotagonist, ein phantasiebegabtes und intelligentes Kind, hält sich nicht für mutig, wächst jedoch im Verlauf der Handlung immer wieder über sich hinaus. Palacio hat offenbar ein Händchen für sich wandelnde Kindercharaktere, mit denen sie ein Identifikationspotential schafft, welches über die gesamte Lektüre trägt.

Das ist auch notwendig. Immer wieder entstehen einzelne Längen, da Übergänge teilweise holprig wirken und die Verbindung zwischen Mystik und Realität, eingewoben in dieser fiktionalen Geschichte nicht immer stimmig daherkommt. Klar definierte Antagonisten stehen im Gegensatz zu Charakteren, die dem Zwölfjährigen im Verlauf der Handlung zu Verbündeten werden. Palacio hat mit dieser Mischung eine Geschichte geschaffen, die vom Über-sich-hinaus-wachsen ebenso erzählt, wie von der Verbindung zwischen Vergangenheit und Zukunft, was einem mit Silas, dessen Gefühlswelten umhergeworfen werden, mitfühlen lässt.

Im Gegensatz zu „Wunder“ behalten wir die Perspektive des Hauptprotagonisten bei, sein für die anderen Charaktere unsichtbarer Freund Mittenwool dient sowohl als Rat- als auch Impulsgeber. Natürlich ist, abgesehen von den mystischen Elementen, die Geschichte insgesamt sehr generisch erzählt. Wendungen wirken aus der erwachsenen Sicht heraus sehr gewollt, funktionieren jedoch im jüngeren Lesealter sicher besser. Trotzdem schafft es die Autorin sowohl Protagonisten als auch Schauplätze vor dem inneren Auge entstehen zu lassen. Eine Pferdegeschichte für Jungen hat man zudem ja auch nicht so häufig.

Sprachlich gibt es keinerlei Besonderheiten, dafür ganz viele Anspielungen auf Literatur oder die Geschichte der Fotografie, die die Autorin selbst im Nachwort erläutert. Jedes Kapitel wird zudem mit einem Foto eingeläutet, was das Ganze abrundet. Palacio hat mit ihrem Roman nicht das Level ihres Debüts halten können. Zu schnell verflüchtigt sich diese Geschichte, auch fehlt es diesem Western für Kinder etwas zu sehr an Tempo. Für die Zielgruppe ist dies jedoch vielleicht ausreichend.

Autorin:
Raquel J. Palacio ist das Pseudonym von Raquel Jaramillo, einer amerikanischen Verlegerin und Autorin. Sie wurde 1963 geboren und arbeitete zunächst als Art-Direktorin, Illustratorin und Buchcover Design und veröffentlichte verschiedene Kinder- und Jugendbücher, seit 2006 beim New Yorker Verlag Workman, für den sie seit dem in verschiedenen Positionen tätig war. 2013 war sie Jurymitglied des Kinder- und Jugendprogramms des Internationalen Literaturfestivals Berlin. Ein Jahr zuvor veröffentlichte sie ihr erstes eigenes Werk „Wunder“, welches in mehreren Sprachen übersetzt und verfilmt wurde. 2014 wurde sie mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet.

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Thomas Edler: Reisebus & Pflaumenmus

Inhalt:

Jahre nach der Matura ergibt sich für die beiden Freunde Hannes und Thomas die Gelegenheit, mit einem Reisebus von Indien nach Europa zu fahren. Die Gelegenheit, aus dem Alltag auszubrechen, ist ein großes Abenteuer, doch schon bei der Einreise nach Pakistan kommt es zu Schwierigkeiten, die den gesamten Trip infrage stellen. Wenn sie es innerhalb der nächsten Tage schaffen, über die Grenze zu gelangen, waren alle Vorbereitungen umsonst.

Unterwegs auf einer Transitroute, die seit jeher Europa mit Asien verbindet, begegnen die beiden Freunden verschiedenen Kulturen, Menschen und Geschichten aus längst vergangenen Tagen. (abgewandelter Klappentext)

Rezension:

Es ist eine dieser Gelegenheiten, die sich nur selten im Leben, vielleicht nur einmal, ergibt und so ergreifen zwei Freunde die Chance, zwischen den Kulturen zu reisen. Ihr Weg führt sie entlang einer alten Handelsroute, späteren Hippie-Trail, in umgekehrter Richtung vom rastlosen Indien wieder zurück in die Heimat nach Österreich. Unterwegs mit einem VW Bus, kommen sie mit den Menschen ins Gespräch, Einheimische und andere Reisende, lassen sich deren Geschichten erzählen und spüren einer Vergangenheit nach, die auch heute noch Tempo und Empfindungen der durchquerten Regionen bestimmt.

Den modernen Reisebericht muss der Spagat gelingen, sowohl einerseits jene mitzunehmen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, nicht zu verklären oder in Klischees zu versinken, das Fernweh wecken und die Faszination der beteiligten Akteure zu transportieren. Nichts ist schlimmer als mit rosaroter Brille zu erzählen und dabei ein Publikum zu verlieren oder gar überhaupt nicht zu gewinnen.

Eventuell kennt jeder die eine oder andere Erzählung, gar längere Foto- oder Videovorführungen im Bekanntenkreis, die im Grunde nur für den jeweils Beteiligten Erinnerungen wecken, jedoch für andere eher den Stellenwert einer Hintergrundberieselung innehaben. Dieses Phänomen lässt sich nicht selten auf Texte übertragen. Thomas Edler gelingt in seiner Mischung aus Reportage und Bericht jedoch der Drahtseilakt, die Faszination herüberzubringen und sehr einnehmend von seinem großen Abenteuer zu erzählen.

Zum einen ist da der Bericht über die Fahrt selbst und die Schilderung von Begegnungen entlang des Weges, die ergänzt werden durch Blenden in die Geschichte der bereisten Orte, sowie Einblicke den Alltag der Menschen heute. Ergänzt durch rein informative Absätze, durchmischt mit Kuriosa von landestypischen Gerichten bis hin zur Teppichkunde, ist mit „Reisebus & Pflaumenbus“ das Porträt einer Reise gelungen, die man gerne nachverfolgt, zumal anhand von Fotos und der obligatorisch abgedruckten Routenkarte.

In ruhiger Tonalität erzählt Thomas Edler von einer Reise voller Unwägbarkeiten und faszinierenden Begegnungen, welche auf Gegenseitigkeit beruhen. Wohltuend hebt sich der positive Blick auf Gegebenheiten und Unterschiede hervor, immer im Vertrauen, dass der Reisetrip schon irgendwie vorangehen wird, schließlich ist man auf geschichtsträchtigen Routen unterwegs und das Gefährt hat ja den Weg in die andere Richtung auch ohne größere Probleme gemeistert.

Kurzweilig wirken die einzelnen Kapitel, in denen der Autor von den einzelnen Reiseabschnitten erzählt. Diese nehmen so ein, dass man sich gut vorstellen kann, diese Reise oder zumindest einzelne Teilstücke dieser selbst einmal nachzuvollziehen und ein Stück von dieser Faszination der beiden Freunde mitzunehmen, zumal ein gewichtiger Teil des Trips durch Länder folgt, von denen uns hier sonst nur bestimmte Bilder erreichen. Alleine deshalb schon ist dieser Bericht empfehlenswert. Entlang der einstigen altertümlichen Handeslrouten herrscht noch immer geschäftiges Treiben und lassen sich noch Abenteuer erleben.

Auch sprachlich schafft es „Reisebus & Pflaumenmus“ den Bogen zwischen Bericht und Informativen zu schlagen, wenn sich auch abschnittsweise einzelne Sätze das eine oder andere Mal wiederholen. Das kann jedoch auch meinen Lesegewohnheiten geschuldet sein, ist ohnehin nur ein Abzug in der B-Note, schließlich liegt der Fokus bei dieser Art von Reportagen auch woanders. Tatsächlich wünsche ich mir mehr solche Texte, die die Faszination für andere Länder und Kulturen wecken, dabei einen Rundumblick versuchen und Lust darauf machen, selbst Abenteuer zu erleben.

Autor:

Thomas Edler wurde 1971 geboren und ist ein österreichischer Projektmanager und Autor. Zunächst studierter er in Granz Betriebswissenschaften, bevor er im Bereich der erneuerbaren Energien tätig wurde. Nebenher schreibt er Texte über die Schulzeit und über das Reisen, versucht diese mit kulturellen Erfahrungen und historischen Gegebenheiten zu verbinden. In „Reisebus & Pflaumenmus“ erzählt er von seinem 2008 mit einem Freund unternommenen Trip von Indien nach Österreich.

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Mario Schneider: Die Paradiese von gestern

Inhalt:

Ella und Rene, ein junges Paar aus Ostdeutschland, verbringen nach der Wende ihren ersten Sommer in Südfrankreich. Dabei geraten sie in das marode Schlosshotel der Madame de Violet, einer Gräfin, die mit ihrem Diener wie in einer vergessenen Zeit lebt. Sie werden ihre letzten Gäste sein. Die beiden erleben die Verlockungen und Enttäuschungen einer neuen Welt und die Zerbrechlichkeit ihrer fest geglaubten Beziehung. (Klappentext)

Rezension:

Die Historie einer vergangenen Welt oder ein französischer Film mit Überlänge in Buchform. Dies ist der Eindruck, nachdem man in die Geschichte eines Sommers auftaucht, genauer ein junges Paar bei ihrer ersten großen Reise begleitet. Die politische Landkarte hat sich gerade gewandelt und so können Ella und Rene nach der Wende erstmals durch Europa reisen und landen in einer Szenarie einer untergangenen Welt.

Wie aus der Zeit gefallen wirkt das marode Schlosshotel, welches auf einem zugewachsenen Hügel thront, ebenso wie auch seine letzten Bewohner von der Welt da draußen scheinbar vergessen wurden. Doch, Madame de Violet, alter französischer Adel, und ihr treuer Diener Vincent nehmen die beiden auf, was nicht nur ein Ende bedeuten soll, sondern alle Protagonisten vor persönlichen Herausforderungen stellen wird.

Mario Schneider versteht es, einen Film vor dem inneren Auge ablaufen zu lassen, was nicht zuletzt an den von ihm geschaffenen Figuren liegt. Allesamt haben sie Ecken und Kanten, sind nicht gerade Sympathieträger, was sie jedoch im zunehmenden Handlungsverlauf zu interessanten Entscheidungen und damit verbundenen Wechseln treibt. Dabei werden mehrere Geschichten erzählt. Natürlich die Liebesgeschichte, die irgendwie immer vor französischer Kulisse vorkommen muss, aber eben auch das Vergehen von Epochen und das Aufeinanderprallen gesellschaftlicher Gegensätze. Gerade letzteres ist dem Autoren gut gelungen. Auf diese Dynamik kann man sich einlassen, wenn man sich auf den zu weilen sehr ruhigen Erzählstil eingelassen hat.

Dreh- und Angelpunkt dieses Kammerspiels auf französischen Boden sind fünf belastete Figuren, die nicht nur gegenseitig, sondern auch bei Lesenden ein Wechselbad der Gefühle auslösen mögen. Kurze Sätze sind da selten. Mario Schneider beherrscht die Kunst der Ausschweifung, besonders wenn die Protagonisten sich selbst und ihren Gedanken ausgeliefert sind. Gegensätzlichkeiten werden hier teils bis zum Äußersten ausgespielt. Die Logik der Figuren erschließt sich erst nach und nach.

Damit einhergehend ist ein ständiger Perspektivwechsel, der auch die Geschwindigkeit der Erzählung bestimmt. Nach und nach fügen sich so Puzzleteile zusammen, die zunächst für den Lesenden, dann erst für die Protagonisten ein Gesamtbild ergeben und spätestens nach der Hälfte der Seiten eine in sich schlüssige Erzählung. Auch Rückblicke der Figuren tragen zur Abwechslung bei, sonst wäre hier etwas Mehltau zu viel.

Wer eine Liebesgeschichte sucht, ist mit „Die Paradiese von gestern“, ebenso gut bedient, wie die jenigen, die französisches Flair genießen möchten oder gar, in nur punktuellen Ansätzen ein kontinentales „Downtown Abbey“. Es ist jedoch auch die Erzählung über die Welten alten und neuen Adels, über das Zurechtfinden in einer neuen Welt, in der zum Ende hin einiges offen bleibt, wie dies auch, und hier sind wir wieder in der Nähe eines Films, einige Fragen offen bleiben, die man je nach Sympathie für die Figuren für sich selbst beantworten muss.

Hier sieht man das Können Mario Schneiders, der als Filmregisseur und Komponist natürlich genau weiß, wo Auslassungen besonders funktionieren. Jedoch hätte der Autor dies auch im eigentlichen Handlungsverlauf beherzigen können. Was zum Ende hin klappt, hätte auch im eigentlichen Verlauf gut funktioniert. Dennoch muss ich konstatieren, dass sich meine Einstellung zum Roman, die sich vor allem über die Protagonisten gebildet hat, nach und nach ins Positive gewandelt hat, so dass eine runde Geschichte vorfindet, wer sich darauf einlassen und mehrere erzählerische Längen aushalten kann.

Autor:

Mario Schneider wurde 1970 geboren und ist ein deutscher Regisseur, Autor und Filmkomponist. Nach der Schule absolvierte er eine Berufsausbildung zum Metallurgen für Hüttentechnik und studierte anschließend Musikwissenschaften, Philosophie und Kunstgeschichte, gefolgt von einem Kompositions- und Klavierstudium in Leipzig, im weiteren Verlauf München.

Nach seinem Abschluss als Diplomkomponist gründete er eine Filmproduktionsfirma und begann als Dokumentarfilmer und Regisseur zu arbeiten. Bekannt wurde er u. a. durch die Mansfeld-Trilogie (2005-2013). 2014 erschien sein erstes Buch. Ein Jahr später erhielt er den Klopstock-Förderpreis für neue Literatur, danach den Deutschen Filmmusikpreis. Er ist Mitglied der Akademie der Künste Sachsen-Anhalt.

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Georg Thiel: Nachtfahrt

Inhalt:

Wien 1997. Markus, Matthäus, Lukas und Johannes kennen einander seit dem ersten Schultag und sind, obwohl sie von Temperament und Wesen unterschiedlicher nicht sein könnten, eng befreundet. Diverse Frauengeschichten, bewusstseinsveränderte Substanzen und eine Leiche später finden sie sich auf einem rasanten Roadtrip wieder, der allerdings ganz anders verläuft als geplant. (Klappentext)

Rezension:

„Die Katastrophe fängt damit an, dass man aus dem Bett steigt.“

Georg Thiel: Nachtfahrt

Im Grunde Alltag, der unberechenbar seine Protagonisten in ein kaum zu entwirrendes Chaos stürzt und die Leserschaft gleich mit. So könnte man diesen Roman zusammenfassen, in dem Georg Thiel seinen Protagonisten viel zumutet, gleichsam den Lesenden viel zutraut.

Dabei beginnt alles zunächst mit einem Knall, gleichsam einer zufallenden Tür oder den Koffer mit Sachen, der einem der Protagonisten vor die Füße geworfen wird. Wohlgemerkt vom Balkon herunter, komplementiert aus der Wohnung von der ehemaligen Freundin. So wirr geht es zunächst weiter. In den Stil muss man erst einfinden und lernt so die Hauptfiguren kennen. Freunde seit Kindertagen zwischen Jobs, Beziehungen und dem einen oder anderen Joint, der da die Runde macht.

Das ganze Leben, die unterschiedlichsten Charaktere, verteilt auf den schmalen Schultern der Protagonisten. Johannes ist da der Ruhepol in der Runde, Lukas voller wilder Ideen und irgendwann auch im Besitz eines Spanferkels als Hauptpreis des Kartenspiels in der Dorfwirtschaft. Wer bis hierhin nicht folgen konnte, wird an diesen Text seine helle Freude haben. wer eine klare Linie erkennt, der sowie so. Mehr darf, kann man jedoch auch nicht verraten, ohne allzu viel vorweg zu nehmen.

Der Stil ist gewöhnungsbedürftig, die Ausgestaltung der Handlungsstränge ist es auch. Alles ist vorhanden, dann wieder auch nicht. Das Tempo ist rasant, wird mit zunehmender Seitenzahl immer schneller. Der „Nachtfahrt“ wohnt ein Zauber inne, aber Obacht. Dennoch, einige Lücken bleiben. Nicht alles wird auserzählt.

Ohne diesen speziellen Humor, den der Autor hier eingewoben hat, funktioniert das nicht, sondern wirkt wie jeder andere schon mehrfach geschilderte Roadtrip auch. Nur wer hier lachen kann, für den funktioniert die Geschichte. Für alle anderen wird der Text nicht wirken. Die Haupthandlung selbst hätte dabei gerne ausufernder sein dürfen. Auf die Spitze getrieben ist das nicht. Auch das Ende wirkt zu abrupt. Hier ein paar Zeilen mehr, dafür die Vorgeschichte etwas weniger ausführlich. Widerum passt es zum Motto des Romans. Darauf ein Spanferkel, bitte.

Autor:

Georg Thiel wurde 1971 geboren und ist ein österreichischer Schriftsteller und Ausstellungskurator.

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Monika Rech-Heider: Auf nach Neuland

Auf nach Neuland Book Cover
Auf nach Neuland Monika Rech-Heider Verlag: Benevento Erschienen am: 20.02.2020 Seiten: 271 ISBN: 978-3-7109-0086-0

Inhalt:

Raus aus der Job-Familie-Alltag-Tretmühle und rein ins Abenteuer. Monika Rech-Heider und ihr Mann nehmen ihre Kinder aus Schule und Kindergarten und durchqueren mit ihrem Bulli ein Jahr lang Europa.

Auf nach Neuland – ein Kontinent ohne Grenzen, ein Leben in Freiheit mit ganz viel Zeit. Vor allem aber eine Reise, die alles andere als geplant verläuft und nach der nichts mehr ist, wie es vorher war. (Klappentext)

Rezension:

Wir wollten den Kindern zeigen, dass das leben gut ist. Dass Europa gut ist. Dass wir hier zu Hause sind dass uns nichts passiert. Und der Plan ist aufgegangen.

Monika Rech-Heider „Auf nach Neuland“

Der Anfang dieses Roadtrips quer durch Europa liegt in einer vielschichtigen Sinnkrise und so ist der Bericht nicht nur Reisereportage, Selbsthilfebuch und Erfahrungsbericht, sondern die Geschichte einer Familie, auf den Weg zu sich selbst.

Aus dem gleichnamigen Blog heraus entstanden, den die Familie während der Reise führte, die zunächst mit einer Sinnkrise begann, erzählt die Autorin, wie es ihrem Mann, den Kindern und ihr selbst gelang, sich als Familie wieder zu finden und neu zu sortieren.

Einfühlsam und nahbar beschreibt Rech-Heider zunächst den Ausgangspunkt, der zu einem Trip mit großen Stolpersteinen führen sollte, die letztendlich nur überwindbare Herausforderungen darstellen sollten.

Für ähnliche Vorhaben gibt sie Tipps und Anregungen, etwa was die Organisation der Kinder angeht, da in Deutschland Schulpflicht herrscht und Ausbrüche aus dem system so nicht vorgesehen sind. Entgegen dem Gehalt vieler anderer Reiseberichte, beschreibt die Autorin hier, welche Probleme solch ein Vorhaben mit sich bringt.

Nichts wird beschönigt, weder fahrzeugtechnische Herausforderungen, noch familiär emotionale Achterbahnfahrten.

Dies ist die Stärke des Berichts, dessen kurzweilige Kapitel einen Lesefluss entstehen und so nicht nur die rein geografische Reise nachvollziehen lassen. Immer wieder gibt es Sprünge zwischen den einzelnen Zeitpunkten der Reise, sowie Rück- und Ausblicke ins Familienleben. Zeitrechnung, vor und nach der Reise.

Der emotionale Zugang wird dadurch hergestellt. Ein Leser kann sich sofort mit dem Ausbruchswillen aus dem alltäglichen Trott identifizieren. Auch die Freiheiten und Vorteile, jedoch auch Probleme Europas kommen zur Sprache.

Gleichzeitig wirken manche Beschreibungen zwar als für die Autorin selbst wichtig, für den Konsumierer der „Blogartikel“ auch mal belanglos. Dies stört und hemmt den Lesefluss, im nächsten Moment ist man jedoch gleich wieder in einer anderen Ecke Europas angelegt.

Monika Rech-Heiders Bericht lebt von den Beschreibungen der Begegnungen mit Menschen, die man wohl landläufig als Zufallsbekanntschaften bezeichnet, die die Familie auf ihren Weg hin machte, sowie der Gewissheit, dass es hier durchaus gelang, ein wenig aus diesem Abenteuer in die Zeit nach den Trip hinüber zu retten.

Natürlich muss eine Sinnkrise nicht unbedingt mit einer Auszeit oder einer Reise bewältigt werden, doch die kurzen Texte, die nach den jeweiligen Reiseabschnitten gegliedert sind, zeigen zumindest diese Möglichkeit auf.

Immerhin dies. In der Art mündlich vorgetragen, kommt der Bericht sicher noch emotionaler und tiefgehender rüber, schriftlich fehlt hier noch das gewisse Etwas. Als Anregung, für sich selbst einen Weg aus der Gleichförmigkeit des Alltags zu entrinnen, funktioniert „Auf nach Neuland“ dennoch.

Autor:

Monika Rech-Heider ist Geografin, Journalistin und Inhaberin einer kleinen PR-Agentur. Ihr Mann ist freiberuflicher Architekt. Zusammen reisten sie und ihre Kinder ein Jahr durch Europa. Aus dem zugehörigen Blog entstand das gleichnamige Buch.

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Jasmin Schreiber: Marianengraben

Marianengraben Book Cover
Marianengraben Jasmin Schreiber eichborn Verlag Erschienen am: 28.02.2020 Seiten: 254 ISBN: 978-3-8479-0042-9

Inhalt:
Paula braucht nicht viel zum Leben: ihre Wohnung, ein bisschen Geld für Essen und ihren kleinen Bruder Tim, den sie mehr liebt als alles andere auf der Welt. Doch dann geschieht ein schrecklicher Unfall, der sie in eine tiefe Depression stürzt.

Erst die merkwürdige Begegnung mit Helmut, einem schrulligen alten Herrn, erweckt wieder einen Funken Lebenswillen in ihr. Und schließlich begibt Paula sich zusammen mit Helmut auf eine abenteuerliche Reise, die sie Beide zu sich selbst zurückbringt – auf die eine oder andere Weise. (Klappentext)

Rezension:
Es passiert eigentlich nicht viel im neuesten Roman von Jasmin Schreiber und doch eine ganze Menge, lesen so einen wunderbar schmerzhaften, bedrückenden und dennoch lebensbejahenden Roman. Wie das zusammenpasst? Zu Beginn steht die Trauer der Hauptprotagonistin, der ein Leser sofort in sein Herz schließen wird.

Die Studentin Paula hat vor ein paar Jahren ihren kleinen Bruder durch das Meer verloren und ist seit dem tief gefallen. Im übertragenen Sinne bis an den Grund des Marianengrabens, des tiefsten Punkt der Ozeane. Nur ist es hier Lethargie und Depression, unverarbeiteter Schmerz, der die Oberhand hat.

Aus ihrer Perspektive erlebt man nun einen Roadtrip und damit auch ein Auftauchen, beschwerliches Ankämpfen gegen die Schuldgefühle. Gegenpol bildet der zweite Hauptprotagonist. Helmut, ein älterer Herr, der ebenso eine Geschichte zu erzählen hat. Auf diese zwei Figuren ist die Geschichte reduziert. Völlig ausreichend ist das.

Feinfühlig beschreibt die Autorin diesen schmerzhaften Verarbeitungs-prozess. Gebannt wird man in die Geschichte eingesogen. Manch kalter Schauer wird einem bei diesen Zeilen über den Rücken laufen, nur um dann wieder grinsen, manchmal laut auflachen zu müssen.

Diese Kontraste zu schaffen, ist Jasmin Schreiber hervorragend gelungen. Dies lässt in der Geschichte die Protagonisten durchhalten, ebenso fordert dies die Leser dieses gelungen Werks.

Auf Trauer folgt Verarbeitung. Diesen Prozess begleiten die Leser, die nach und nach die Puzzleteile der Geschichten beider Protagonisten erfahren, wenn Paula und Helmut so langsam aus dem sprichwörtlichen Meer auftauchen. Interessant dazu auch die Titelüberschriften.

Jasmin Schreiber hat nicht nur ihr Biologie-Studium der Protagonistin „umgehängt“. Viel steckt von der Autorin in Paula. Jede Zeile so gemeint. Jede Zeile ehrlich.

Dies alles ist die große Stärke von „Marianengraben“. Definitiv ein Highlight für alle, die ihn lesen werden und eine Mahnung, Menschen mit Depression die Hand zu reichen, niemals allein zu lassen, im übertragenen und wörtlichen Sinne, schwimmen zu lernen.

Autorin:

Jasmin Schreiber wurde 1988 geboren und ist studierte Biologin, arbeitet als Kommunikationsexepertin und Autorin. 2018 wurde sie als Bloggerin des Jahres ausgezeichnet. Sie arbeitet ehrenamtlich als Sterbebegleiterin und Sternenkinder-Fotografin. Die Autorin lebt in Frankfurt/Main.

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Vea Kaiser: Rückwärtswalzer

Rückwärtswalzer Book Cover
Rückwärtswalzer Vea Kaiser Kiepenheuer & Witsch Hardcover Seiten: 432 ISBN: 978-3-462-05142-1

Inhalt:

Drei Tanten, ein toter Onkel, ein Drittel-Life-Crisis-geplagter Neffe und eine tragikomische Reise durch die Jahrzehnte von Wien bis nach Montenegro.

Voller Witz, Verve und Herzenswärme erzählt Vea Kaiser in ihrem neuen großen Roman von einer Familie aus dem niederösterreichischen Waldviertel. Von drei ungleichen Schwestern, die ein Geheimnis wahren, von Bärenforschern, die die Zeit anhalten möchten, von glücklichen und tragischen Zufällen und davon, wie die Seelen der Verstorbenen die Lebenden auf Trab halten. In ihrer unnachahmlichen Art verwebt sie die Wahrheiten alter Mythen mit der Gegenwart und erschafft ein mitreißendes und unvergessliches Familienepos. (Klappentext)

Rezension:

Roadmovies sind weder auf der Leinwand noch zwischen zwei Buchdeckeln etwas wirklich Neues, um so mehr müssen sich die Schreiber solcher Werke anstrengen, um im Gedächtnis zu bleiben. Ob dies gelingt, weiß man oft erst nach der Lektüre, denn eine solche Erzählung wirkt, der Natur der Sache geschuldet, nur als Ganzes.

Dazu kommt, dass man dem Schreiber jede Zeile abnehmen können sollte und erst dann, wenn man ein solches stimmiges gesamtbild vorfindet, ist dies als gelungen zu bezeichnen. Vea Kaiser ist dies mit „Rückwärtswalzer“ gelungen.

Im Zentrum stehen vier liebevoll gezeichnete, im Laufe der Geschichte, sich vertiefende Protagonisten, die den Lesern Zeile für Zeile an’s Herz wachsen. Detailliert beschreibt die Autorin aus wechselnder Erzählperspektive den Werdegang ihrer Figuren durch die Zeitgeschichte vergangener Jahrzehnte, bis hinein ins heutige Wien, der Wandel auf den Weg zum Ziel mit inbegriffen.

Die Figuren hängen ihren Gedanken nach, jeder für sich allein, doch irgendwie zusammen und so ergibt sich aus vielen Einzelteilen ein stimmiges Gesamtbild.

Die Entscheidungen der einzelnen Figuren werden aus der Vergangenheit heraus begründet. Feinsinnig hat Vea Kaiser hier die Fäden gehalten; keinen verloren, was auch nicht jedem Autoren gelingt, und als Handlungsstränge letztendlich stimmig zusammengeführt.

Mit Wortwitz und einer gewaltigen Prise Humor treibt sie die Handlung fort und fast wirkt es so, als säße man mit im Wagen, nur um einen Verstorbenen seinen letzten Willen erfüllen zu können. Kurzweilige und vor allem handliche Kapitel tragen mit so manchen Cliffhanger die Handlung voran. Unterhaltung im besten Sinne.

Keine der Figuren geht auf die Nerven, vielmehr muss man über die schrulligen Eigenheiten der Protagonisten schmunzeln. Erwähnenswert sind hier die Referenzen zur römischen Mythologie, die zugleich titelgebend sind und auf diese immer wieder Bezug genommen wird. Manen sind die römischen Totengeister, denen man als Nachfahre der Verstorbenen nicht zu entkommen vermag. Das Studium der Autorin macht sich hier bemerkbar.

Dabei ist dieser Roman weder traurig oder so sehr melancholisch, dass es einem stimmungstechnisch mit hinunter zieht, sondern so witzig, dass man die eine oder andere Eigenschaft an sich und anderen Menschen wiedererkennen wird. Alleine, dafür schon ein großes Lob.

Vea Kaisers Roadtrip der Familie Prischinger ist Unterhaltung in Reinform und macht Lust auf mehr. Ob nun in Wien, Montenegro oder anderswo.

Autorin:

Vea Kaiser wurde 1988 in St. Pölten geboren und ist eine österreichische Schriftstellerin. Sie arbeitete zunächst als Übersetzerin und Fremdenführerin, studierte von 2007 an Klassische und Deutsche Philogie mit Schwerpunkt Altgriechisch in Wien.

Nachdem sie zudem Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus studierte wurde 2014 ein von ihr geschriebenes Theaterstück in Wien uraufgeführt. 2012 erschien ihr erster Roman, zudem schreibt sie Kolumnen für verschiedene Zeitungen. Die mehrfach ausgezeichnete Autorin lebt in Wien.

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Dave Eggers: Bis an die Grenze

Bis an die Grenze Book Cover
Bis an die Grenze Rezensionsexemplar/Roman Kiepenheuer & Witsch Taschenbuch Seiten: 496 ISBN: 978-3-462-05185-8

Inhalt:

Josie weiß nicht mehr weiter. Alleinerziehend mit zwei Kindern, ohne Einkommen, nachdem sie gerade ihre Zahnarztpraxis hat schließen müssen, versetzt ein Anruf ihres Exmannes sie in Panik. Spontan nimmt sie Reißaus, flieht mit beiden Kindern nach Alaska, mietet ein Wohnmobil und versucht, sich in der Wildnis neu zu finden.

Doch auf ihrem Abenteuertrip werden die drei nicht nur von einem hartnäckigen Buschfeuer gejagt, auch die Geister der Vergangenheit verfolgen sie bis an die Grenze der Zivilisation. (Klappentext)

Rezension:

Szenarien, die förmlich dazu eignen, sie zu erzählen, eine Geschichte um sie herum zu entwickeln und den Leser dazu veranlassen, in sie zu versinken, gibt es einige im Literaturbetrieb. Eines, was gut funktioniert, ist sicherlich der Roadtrip. Das Figurenensemble übersichtlich gehalten, durch den Platz im jeweils gewählten Gefährt, die Handlung selbst durch den Weg, der gleichsam das Ziel ist.

Dabei passiert zumeist nicht viel, aber das, was passiert, bleibt hängen. Das ganze kann dann sehr schrill wirken oder tiefenentspannt. Alles Zutaten für einen guten und ausgewogenen Roman. Dave Eggers hat sich daran versucht.

In „Bis an die Grenze“ erzählt der Autor die Geschichte von Josie, die eine ganze Reihe von Schicksalsschlägen privater und beruflicher Natur zu verkraften hatte und sich in einer Art Kurzschlussreaktion ihre Kinder schnappt, um das Gewesene hinter sich zu lassen. Und so beginnt eine muntere Irrfahrt durch den nördlichsten Bundesstaat der USA, fernab der Zivilsation zunächst.

Nach und nach finden die drei einen neuen Rhythmus und Gefallen am Vagabundenleben, welches tiefenentspannt träge erzählt wird, aber nicht so, dass es langweilig werden würde. Tatsächlich gewinnen Protagonisten und Leser den Blick für’s Detail, aufgeloggert durch Rückblenden in die vorherige Situation der Hauptfigur ergibt sich ein melancholischer Blick auf die Umgebung, die Menschen.

Was war, was ist und was wird oder sind diese Frage nicht vollkommen egal, wie auch das Ziel nicht feststeht? Schließlich ist es doch wichtig, überhaupt voranzukommen. Wer diese Quintessenz aus „Bis an die Grenze“ ziehen kann, hat schon viel gewonnen, auch, wenn hier und da eine Begegnung oder gleich ein ganzer Waldbrand vor Augen führt, dass die Realität dann eben doch nicht vorgibt, in den Tag hineinleben zu dürfen.

Einzig das Ende aber fand ich nicht ganz so schlüssig, gerade im letzten Viertel hätte sich der Autor einen handlungsstrang sparen können. Das halboffene Ende ist dann wieder logisch. Schließlich ist man ja nach dem lesen tiefenentspannt, um sich selbst seinen Teil dazu zu denken. Hat man auch nicht immer.

Autor:

Dave Eggers wurde 1970 in Boston geboren und ist ein US-amerikanischer Schriftsteller, Drehbuchautor und Herausgeber verschiedener Literaturzeitschriften. Er gründete einen Verlag und veöffentlichte mehrere Romane, wurde für den Pulitzer-Preis nominiert und fungierte zudem als Drehbuchautor. Bekannt wurde er einer breiteren Leserschaft durch „The circle“, seinem Roman, der zugleich verfilmt wurde. Er lebt in der Gegend von San Francisco.

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