Hubert Wolf: Die geheimen Archive des Vatikan

Inhalt:
85 Kilometer Akten aus über tausend Jahren: Die Vatikanischen Archive sind die größten und ältesten der Welt. Vieles ist unzugänglich. Niemand darf frei herumstöbern. Hubert Wolf zeigt in seinem fesselnden Buch, wie man hier mit detektivischen Spürsinn Entdeckungen machen kann, die hinter die Kulissen von Tradition und Unfehlbarkeit blicken lassen. Von der rätselhaften Haltung des Papstes zum Holocaust über vergessene mächtige Frauen bis zu verborgenen Missbrauchsskandalen lässt er uns an Tiefenbohrungen in den Archiven teilhaben, die unser Bild von der Kirche nachhaltig verändern. (Klappentext)

Rezension:
Für die meisten verschlossen, öffnen sich die Türen der Vatikanischen Archive nur für jene, die entsprechende Empfehlungsschreiben besitzen. Die Geheimnisse der staubigen Akten aber, erschließen sich nicht sofort. Nach einem ganz eigenen Ablagesystem geordnet, entdeckt dort wer sucht, Nadeln im Heuhaufen und kann so mancher Diskussion innerhalb der wirkmächtigen Institution Kirche nachspüren. Der Historiker Hubert Wolf begibt sich bereits seit Jahren auf Spurensuche und hat dabei so manches Geheimnis zu Tage gefördert. Darüber erzählt er im hier vorliegenden Sachbuch.

Wer etwas bestimmtes sucht, muss wissen, wo. So ist es nicht gerade einfach, in den jahrhundertealten Archiven zu recherchieren, die man sich anders vorzustellen hat, als es uns Autoren wie Dan Brown weismachen wollen. Da wäre zunächst die Tatsache, dass der Weg durch die Kurie die Ablage der Akte bestimmt, sowie schlicht und einfach die Tatsache, dass es mehrere Archive gibt und durch die Jahrhunderte so manches Schriftstück unergründliche Wege nimmt. Wer die Systematik durchschaut, kann erstaunliche Funde machen.

Der Autor zeigt dies anhand einiger Beispiele, die jeder für sich ein eigenes Buch verdient hätten, darüber zu berichten. Nach einer Einführung in die Art und den Aufbau der Vatikanischen Archive, den man sich etwas ausführlicher, zumal über die Entstehung derer wünschen würde, kommt Hubert Wolf gleich zu Beginn auf den interessantesten Fall zu sprechen. Die Fragen nämlich um das Schweigen Pius XII. zu den Geschehnissen des Holocausts: Hat der Heilige Vater davon gewusst? In welchem Ausmaß und wie haben die Kurie und er intern und weshalb nach außen so reagiert, wie es heute unserem Geschichtsbild entspricht? Die Akten des betreffenden Pontifikats sind noch nicht lange für die Forschung freigegeben worden und schon jetzt, ergeben sich neue Erkenntnisse.

Anhand beispielhafter Bittschreiben beschreibt Hubert Wolf die Kenntnisnahme und Möglichkeiten des Vatikans, sowie die Kommunikationswege innerhalb der Jahrtausende alten Institution, bis diese schließlich ihren Weg in die Archive fanden, sowie die sich aus den ungeheuerlichen Wissen heraus ergebende Positionierung, die nach außen unverständlich anmutet, im inneren jedoch folgerichtig scheint. Er erzählt von Informationszuträgern und Abwägungen, sowie von Kirchendiplomatie, die aufgrund der Akten, manchmal sehr lückenhaft, mitunter aber minutiös nachvollzogen werden kann.

Alleine dies hätte eine ausführlichere Beschäftigung verdient, doch springt der Autor im weiteren Verlauf durch die Themen, wie es auch die Ordnungssystematik innerhalb der Archive provoziert. Es geht da um die versuchte Kontrolle des Wissens, den Index der verbotenen Bücher und dessen Auswirkungen, sowie um die Entwicklung der Papstwahl zu dem Vorgehen, wie wir dies heute zu kennen glauben. Die Unfehlbarkeit des Papstes, so zeigt Wolf auf, ist da ebenfalls nichts in Stein gemeißeltes, beziehungsweise ein zweischneidiges Schwert, auch das Zölibat wird angesprochen, sowie ein historischer Kriminalfall hinter Klostermauern.

Dies und noch viel mehr findet sich in den Aktenbeständen und soll als Beispiele dienen, für das, was man hinter den Mauern des Vatikans so alles entdecken kann, wenn man weiß, wo man suchen muss. Der Autor kann dies spannend, wie in einem Thriller geschrieben, schildern, so dass eine durchaus kurzweilige und fesselnde Lektüre bevorsteht, wer das gut recherchierte Sachbuch zur Hand nimmt. Ein großes Manko ist aber die mangelnde Ausführlichkeit. Mehr Beispiele, gerade für die erste gewählte Thematik. wären wünschenswert gewesen. Jedes hätte zudem ein eigenes Sachbuch verdient. Auch ist der Titel ein wenig zu allgemein, für die doch sehr punktuell gewählten Fälle, da dieser suggeriert, mehr allgemeines über die Vatikanischen Archive an Wissen preiszugeben. Wer jedoch mit der kompakten Darstellung anhand einiger Beispielfälle zurechtkommt, für den ist die Lektüre deutlich zu empfehlen.

Autor:
Hubert Wolf wurde 1959 in Wört geboren und ist Professor für Kirchengeschichte. Nach dem Abitur studierte er in Tübingen und München Katholische Theologie mit Schwerpunkt Mittlere und Neuere Kirchengeschichte, sowie später Exegese des Neuen und Alten Testamentes. 1983 erhielt er sein Diplon und setzte seine Ausbildung im Priesterseminar fort. 1985 empfing er die Priesterweihe und war anschließend in der Pfarrseelsorge tätig. 1990 promovierte er in Tübingen, worauf die Habilitation folgte. 1992 erhielt er den Ruf als ordentlicher Professor nach Frankfurt/Main. Er beschäftigt sich mit der Aufarbeitung des Pontifikats Pius XII., sowie zur Unfehlbarkeit und dem Zölibat. Seine Arbeit wurde mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Leibniz-Preis der DFG.

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