Katastrophe

Johannes Balve: KirschblĂŒte in Fukushima

Inhalt:

Fremdwerden im fremden und im eigenen Land. Als es zu einem Atomunfall im japanischen Fukushima kommt, beginnen all jene Geschichten mitreißende, beĂ€ngstigende und tragische Momente anzunehmen. Einige Protagonisten bringen sich in Gefahr, andere versuchen dem Unheil zu entfliehen, ringen um die Suche nach sich selbst und neuer LebensentwĂŒrfe. Ihre Wege kreuzen einander, in einer Zeit, in der Glaube an die Absolutheit der Technik obsolet geworden ist. (eigene Inhaltsangabe)

Rezension:

Eigentlich soll die französische Journalistin Jeanne fĂŒr ihre Zeitung nur ĂŒber ein StĂ€dtebauprojekt recherchieren, doch als plötzlich die Erde zu beben beginnt und ein Tsunami sicher geglaubte GrundsĂ€tze der japanischen Gesellschaft ins Wanken bringt, versuchen vor allem die Expats einen Ausweg. Möglichst weit weg vom Ort der Katastrophe möchten alle, wĂ€hrend vor allem die Journalisten die Neugier packt und sich in der Unterwelt des Inselstaats weiteres Unheil zusammenbraut. Dieses GerĂŒst trĂ€gt den aus der Feder Johannes Balve stammenden vielschichtigen Gesellschaftsroman „KirschblĂŒte in Fukushima“.

ZunĂ€chst beginnt dieser in vergleichsweise gemĂ€chlichen ErzĂ€hltempo ein Figurentableau aufzufĂ€chern, deren handlungsstrĂ€nge sich im Verlauf der Geschichte immer wieder kreuzen werden, wirft doch die Katastrophe alle lang geglaubte Sicherheiten ĂŒber Bord. Der Botschaftsangehörige, der sein Team zusammenhalten versucht, das Mitglied eines Handelsvereins, welches die Familie möglichst schnell außer Landes bringen möchte, der Wissenschaftler, der auf taube Ohren stoßen wird. Als gesellschaftskritische ErzĂ€hlung beginnt der Roman sich pro Handlungsstrang in einen Wissenschaftskrimi, Agententhriller und Familienroman aufzufĂ€chern.

Anfangs wirkt das irritierend, wie das sehr umfangreiche Figurenensemble, welchem der Autor schafft, allen ihre Ecken und Kanten zu verleihen. Jeder Protagonist ist so vielschichtig, wie auch handlungstreibend, doch gerade die ersten Seiten muss man noch sehr konzentriert lesen, um kein wichtiges Detail zu ĂŒbersehen. Schnell aber zeigt sich, dass Johannes Balve es schafft, weder Handlungen noch Figuren aus den Blick zu verlieren. Dabei hat er Maß gehalten. Keine Seite wirkt ĂŒberzĂ€hlig, auch wird man nicht das GefĂŒhl haben, es wĂŒrde etwas fehlen. FĂŒr westliche Lesende eher ein Moment, stutzig zu werden, ist die beschriebene Obrighörigkeit innerhalb der japanischen Gesellschaft. Das mag so sein, bildet aber zu Bekannten durchaus einen gewissen Kontrast.

Wer die Stellen der Antagonisten ausfĂŒllt, ist nicht immer ganz klar. Das wechselt auch zwischendurch, schafft aber ebenso eine Dynamik herbeizufĂŒhren, deren Sogwirkung man sich nicht entziehen kann. Das wirkt, ohne zu starke BrĂŒche alles durchaus schlĂŒssig, auch wenn die Agentengeschichte mit einigen Punkten durchaus over the top ist. Ob das nun gut oder schlecht ist, entscheidet sich wohl mit den Genrevorlieben. Aus der Perspektive heraus, dass Lesende ja um die Katastrophe wissen, wirken manche Stellen wie ein vor den inneren Auge ablaufender Film, in dem sich spannende mit sehr ruhigen Momenten abwechseln, den einen oder anderen Zeitsprung mit einbezogen.

Johannes Balve schafft es vieler Arten von Romanvorlieben mit „KirschblĂŒte in Fukushima“ gerecht zu werden, ohne sich zu verheddern. Nicht alle Auflösungen von HandlungsstrĂ€ngen sind dabei gleichermaßen gelungen, trotzdem können wohl alle etwas fĂŒr sich hier finden. Wann hat man das schon mal? Zudem bei einem Autoren, der es schafft, sehr detailreich zu beschreiben, andererseits durch Auslassungen Bilder zu erzeugen. Empfehlenswert.

Autor:

Johannes Balve ist ein promovierter Literatur- und Bildungswissenschaftler und Schriftsteller. Seit 1990 forscht und lehrt er an deutschen und auslĂ€ndischen UniversitĂ€ten. In Japan hat er in Kanazawa den Lehrstuhl fĂŒr Germanistik und EuropĂ€ische Kulturwissenschaft inne. Er berĂ€t zudem andere japanische UniversitĂ€ten und ist als wissenschaftlicher Gutachter tĂ€tig. FĂŒr deutsche Zeitungen und Magazine verfasste er zahlreiche Reportagen ĂŒber Japan und veröffentlicht in deutschen und internationalen Fachzeitschriften.

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Lize Spit: Der ehrliche Finder

Inhalt:

Seit er vor einem Jahr in Bovenmeer angekommen ist, sitzt Tristan in der Schule neben Jimmy, der klĂŒger und einsamer ist als alle anderen und es sich zur Aufgabe macht, Tristan Ibrahimi durch das Schuljahr zu begleiten. Denn der hat nicht nur einen Krieg erlebt und eine Flucht durch ganz Europa, sondern er hat auch das, wonach Jimmy sich am meisten sehnt: eine intakte, große Familie, die Halt und Geborgenheit bietet.

Gemeinsam bauen sie sich eine eigene Welt voller geheimer Orte und einer Sprache, die beide verstehen, eine Welt, in der Freundschaft möglich ist. Bis jemand eine Entscheidung trifft, die nicht nur ihre Welt gefÀhrdet und Jimmy und Tristan alles abverlangt. (Klappentext)

Rezension:

Seine Sammlung kennt er auswendig und fĂŒr Tristan hat Jimmy ebenfalls eine eigene begonnen, schließlich ist er Experte fĂŒr Flippos, Sammelbildchen, die sich in Chips-TĂŒten befinden. Ihm selbst fehlen nur noch wenige. Tristan ist sein bester Freund, genauer, sein einziger.

Welch ein GlĂŒck, dass sie in der Klasse nebeneinander sitzen, so kann der drei Jahre jĂŒngere ihn, der aus den Kosovo flĂŒchten musste, durch den Schulalltag helfen und er selbst bekommt wenigstens bei seinem Freund zu Hause das GefĂŒhl von echter Familie. Doch ein Brief zerreißt die Idylle. Tristan und seiner Familie droht die Abschiebung. Ein Plan dagegen muss also her. Der ist schnell gefunden. Doch, was passiert, wenn sich VerhĂ€ltnisse umkehren?

Normalerweise waren sie einander völlig ebenbĂŒrtig, doch jetzt, wo Jetmira sich eingemischt hatte, war zwischen ihnen plötzlich ein Unterschied entstanden. Jetmira hatte Tristan grĂ¶ĂŸer gemacht, wĂ€hrend Jimmy nur noch kleiner geworden war.

Lize Spit: Der ehrliche Finder

Dieser feine kompakte Roman aus der Feder der niederlĂ€ndischen Schriftstellerin Lize Spit ist SchicksalserzĂ€hlung und Coming-of-Age-Geschichte zugleich. In „Der ehrliche Finder“ beschreibt sie ein AbhĂ€ngigkeitsverhĂ€ltnis, welches sich urplötzlich umkehrt und AblĂ€ufe ins Rollen bringt, die nicht nur eine Freundschaft gefĂ€hrdet, von der man gleich zu Beginn ahnt, dass sie einseitig ist, sondern auch Folgen hat, die die kleinen Protagonisten schnell nicht mehr unter Kontrolle haben werden.

Im Spagat zwischen ErzÀhlung und Jugendbuch bewegend behandelt die Geschichte eine hochaktuelle Thematik und steuert mit hohem Tempo auf ein finales Ereignis zu, welches man intuitiv erahnt, nicht lesen zu wollen und doch nicht umhin kann, an den Figuren und ihren Handlungen dran zu bleiben.

Besonders die zwei Hauptpersonen sind stark gezeichnet, altersgerecht beschrieben, wobei ein Positionswechsel zum Handlungsgegenstand wird, der einem schlucken lĂ€sst. Jimmy als JĂŒngerer, genießt es, einen Freund zu haben, zu helfen, wĂ€hrend Tristan spĂ€ter nicht anders kann als in die Enge getrieben, zum Spielball seiner PlĂ€ne werden zu lassen. Mit wenigen Worten hat es die Autorin hier geschafft, eine unter die Haut gehende immerwĂ€hrende Spannung zu erzeugen.

Er wĂŒrde nicht wĂŒrgen, das musste er schaffen.

Lize Spit: Der ehrliche Finder

Der Zeitraum der Handlung sind nur wenige Stunden, die alles im Leben der beiden Jungen verĂ€ndern. Innerhalb weniger Kilometer, fĂŒr Jimmy die ganze Welt, spielt sich ein Drama ab, welches auf eine Katastrophe zusteuert.

Der Roman wird dabei aus Jimmys Sicht erzĂ€hlt, der mit seiner Mischung aus Intelligenz und an NaivitĂ€t grenzender GutglĂ€ubigkeit fĂŒr seinen Freund eigene Grenzen ĂŒberwindet, schließlich war der gezwungen gewesen, zu Fuß halb Europa zu durchqueren. Doch bekommen beide Protagonisten in der Geschichte ihre Momente.

Bis auf eine Nebenfigur bleiben die anderen vergleichsweise blass. Die Kinder sind sich die meiste Zeit selbst genug, haben ja auch niemand anderes, in der einen oder anderen Art und Weise und doch schimmern zwischen den Zeilen tausend GegensĂ€tze. Gerade wegen dieser Kombination ist „Der ehrlicher Finder“ berĂŒhrend lesenswert.

Jimmy bekam keinen Daumen, keinen Daumen, keinen Ball, keine MĂŒnze. Keiner dieser Leute schien wirklich zu wissen, wer er war. Oder vielleicht wussten sie es schon […].

Lize Spit: Der ehrliche Finder

In sich schlĂŒssig ist die Handlung und die BeweggrĂŒnde der Protagonisten sind nachvollziehbar, ohne das sich unlogische SprĂŒnge auftun. Dies gilt sowohl fĂŒr das Verhalten der beiden Jungen als auch in Sprache und Ausdruck, sowie Denken.

Genug Geschichten, von denen der dieser traurige Roman inspiriert sein könnte, gibt es ja zu Hauf. Und so ist zwischen schmalen Buchdeckeln eine große ErzĂ€hlung mit wenigen Worten entstanden, deren Clou vor allem am Ende in einem halb offenen Ende zu finden ist, welches je nach GemĂŒtslage oder Position der Lesenden mindestens drei Interpretationen zulĂ€sst.

Nicht nur diese Wirkung hat die Übersetzerin Helga van Beuningen wunderbar ins Deutsche ĂŒbertragen und so diesen wichtigen und quer durch die Altersgruppen lesenswerten Text von Lize Spit hierzulande zugĂ€ngig gemacht.

Autorin:

Lize Spit wurde 1988 geboren und ist eine flĂ€misch-belgische Schriftstellerin. Sie studierte in BrĂŒssel am Königlichen Institut fĂŒr Theater, Kino und Ton und gewann 2013 den Write Now! Award. Neben Romanen, fĂŒr die u. a. mit den Preis des niederlĂ€ndischen Buchhandels ausgezeichnet wurde, schreibt sie DrehbĂŒcher und Kurzgeschichten. Lize Spit wird in ĂŒber 15 Sprachen ĂŒbersetzt.

Interview des S. Fischer Verlags mit der Autorin: Hier klicken.

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Bill McGuire: Treibhaus Erde

Inhalt:

Die Erde schwebt in akuter Gefahr. Unser einst lebensfreundlicher Planet ist auf dem besten Weg, zu einem sich selbst erhitzenden Treibhaus zu werden. Dieses Buch bietet eine fundierte Perspektive auf den Klimanotstand und zeigt, dass es praktisch unmöglich ist, die kritische 1,5°C-Marke noch zu halten.

Das Resultat: Der Kollaps unserer Ökosysteme lĂ€sst sich nicht mehr abwenden. Er wird unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft in den kommenden Jahrzehnten komplett auf den Kopf stellen. Bill McGuire, Professor fĂŒr Geophysik und Klimafolgen, erklĂ€rt die wissenschaftlichen HintergrĂŒnde der Klimakrise und zeichnet ein unverblĂŒmtes, aber realistisches Bild der Welt, in der unsere Kinder alt werden.

Überschwemmungen, DĂŒrren, Konflikte – so dĂŒster das Szenario auch sein mag, wir mĂŒssen uns damit auseinandersetzen. Damit aus einer besorgniserregenden Zukunft keine katastrophale wird. (Klappentext)

Rezension:

VerdrĂ€ngung und falscher Optimismus sind es, die den wissenschaftlichen Konsens seit Jahrzehnten nicht an die OberflĂ€che drĂ€ngen lassen und die Luft zum Atmen nehmen. Dabei begegnen wir ĂŒberall auf unserem Planeten immer sichtbareren Folgen der Klimakrise, welche sich in hĂ€ufiger und ausufernden Extrem-Wetterereignissen Ă€ußert, die lĂ€ngst in verschiedenen Teilen der Welt dazu fĂŒhrt, dass unser Planet in einen Zustand gerĂ€t, in dem der Mensch keinen Platz finden wird.

Doch wie sehen sie aus, die KlimaĂ€nderung, mit denen wir in Zukunft zu rechnen haben und wie mĂŒssen wir ihr begegnen. Der britische Klimato- und Vulkanologie Bill McGuire beschreibt in seinem Werk ein ungeschöntes wissenschaftlich abgesichertes Szenario, welches zeigt, dass es lĂ€ngst nicht mehr darum gehen muss, dessen Folgen abzuwenden, sondern ihnen zu begegnen.

Gletscher verschwinden und Eisschilde sind instabil, der steigende Meeresspiegel bedroht schon jetzt verschiedene Inselstaaten, Permafrostböden tauen auf und geben Methan frei, wĂ€hrend DĂŒrren und Überschwemmungen zu ErnteausfĂ€llen, damit zu politischen Unruhen fĂŒhren. Dies ist erst der Anfang, einer sich immer schneller drehenden AbwĂ€rtsspirale, in der wir uns gerade befinden. In diesem sehr kompakt gehaltenen Sachbuch werden wissenschaftliche Fakten fĂŒr Laien verstĂ€ndlich aufgeschlĂŒsselt, was vor allem heißt, genau erklĂ€rt, wie sich VerĂ€nderungen etwa das Überschreiten bestimmter Klima-Kipppunkte konkret auswirken.

ZunĂ€chst beschreibt der Autor den Istzustand, bevor er auf die Geschichte klimatischer VerĂ€nderungen zu sprechen kommt und zeigt, wie schon jetzt und auch in Zukunft wir zum Spielball derer Geister werden, die wir einst gerufen haben. EindrĂŒcklich warnt McGuire dabei vor Schwachstellen unserer menschlichen Zivilisation und schildert wie Klimakriege unser Zusammenleben, Gesundheit und LebensqualitĂ€t auf einem ĂŒberhitzten Planeten sein werden, den wir unseren Kindern und Kindeskindern ĂŒberlassen, aber auch selbst in naher Zukunft gegenĂŒber stehen.

Einen Blick fĂŒrs Zuversicht verbietet sich da. Man möchte diese Denkschrift allen Klimaleugnern um die Ohren hauen, die politischen Eliten als verdammten Arbeitsauftrag zur klimagerechten Politik verpflichten, wie sie große Teile der Gesellschaft inzwischen fordern. Dieser Warnschuss ist nicht mehr der vor dem Bug. LĂ€ngst sind zu viele Baustellen entstanden, die nicht mehr behoben werden können, doch zeigt McGuire, wie wir damit umgehen mĂŒssen. Die Zeit fĂŒr Alternativen sind lĂ€ngst vorbei.

Dieses kompakt gehaltene, gut erklÀrende Sachbuch, mehr braucht man nicht, um zu verstehen, in welcher Welt wir uns befinden und schon bald befinden werden.

Autor:
Bill (William J.) McGuire wurde 1954 geboren und ist ein britischer Vulkanologe und emeritierter Professor fĂŒr Geophysik und Klimagefahren am University College London. Er studierte zunĂ€chst Geologie, welche er spĂ€ter lehrte und beschĂ€ftigte sich in verschiedenen Forschungsgruppen mit Naturgewalten und Extremwetterereignissen. Zu seinen Forschungsgebieten gehört die InstabilitĂ€t von Vulkanen, sowie die Art und Auswirkung geophysikalischer Ereignisse, sowie der Klimawandel und dessen Auswirkungen auf geologische Gefahren.

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Thore D. Hansen: Taupunkt

Inhalt:

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit hat Wissenschaftler Tom Beyer das auch im Weltklimarat umstrittene Phönix-Programm entwickelt, das schwerste Eingriffe in das gewohnte Leben der Menschen nach sich ziehen wĂŒrde. Kein Wunder, dass die Regierungen der Welt nichts davon wissen wollen.

Frustriert zieht sich Tom nach Deutschland zurĂŒck, wo er mit seinem Forderungskatalog an die Öffentlichkeit tritt. Damit löst er eine mediale Hetzjagd aus, die sogar sein Leben bedroht. Auch der seit Jahrzehnten schwelende Konflikt mit Toms Bruder Robert spitzt sich zu. Robert ist Großlandwirt in Norddeutschland, sein Land leidet unter der DĂŒrre, er sieht seine wirtschaftliche Existenz bedroht und verliert sich in Verschwörungstheorien.

Doch dann verĂ€ndert eine nie da gewesene Hitzewelle den lauf der Geschichte. Alleingelassen auf Roberts Hof, kĂ€mpft Familie Beyer ums physische Überleben und muss sich ihren DĂ€monen stellen. Die TrĂŒmmer vor Augen, wissen alle, dass etwas geschehen muss … (Klappentext)

Rezension:

Unser Klima verĂ€ndert sich in einem atemraubenden tempo. Irgendwann wird diese Geschwindigkeit so sehr ĂŒberhand nehmen, dass wir laufen mĂŒssen, um nicht zurĂŒckzubleiben. Das erfordert schon heute Maßnahmen im Kleinen wie Großen.

Die wissenschaftlichen und technischen Möglichkeiten stehen uns zur VerfĂŒgung, zumindest in den Industrienationen auch das dafĂŒr notwendige Know How und Geld. Nur, die politischen EntscheidungstrĂ€ger agieren zu zögerlich, entweder da sie um die nĂ€chste Wiederwahl fĂŒrchten oder von Wirtschaft und Lobbyismus getrieben, praktisch wissend der Katastrophe entgegengehen. Nur, wozu fĂŒhrt das?

Der vorliegende Roman aus der Feder des Politikwissenschaftlers und Soziologen setzt einige Jahre danach an, nicht mehr weit, fĂŒrchtet man berechtigterweise beim Lesen und fĂŒhrt uns vor Augen, was es bedeutet, wenn alle notwendigen Maßnahmen soweit aufgeweicht wurden und zwangslĂ€ufig gescheitert sind, dass auch Mitteleuropa mit den unmittelbaren Wandel des menschengemachten Klimawandels zu kĂ€mpfen hat.

Kurzweilig und auf neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen basierend entwirft der Autor ein Szenario, wie es eintreten könnte. WaldbrĂ€nde an vielen Stellen in Deutschland gleichzeitig, dicht aufeinanderfolgende DĂŒrreperioden, die auch hier Maßnahmen wie das Abstellen und Rationieren von Trinkwasser notwendig machen, flĂ€chendeckende Triage in KrankenhĂ€usern, die aufgrund von dehydrierten Menschen vollkommen ĂŒberlastet sind.

Dies ist der Raum in dem sich die HandlungsstrĂ€nge dieser modernen Dystopie bewegen. Einerseits verfolgen wir hier dem Weg des Wissenschaftlers, der sowohl auf taube Ohren bei der Politik als auch bei der Öffentlichkeit stĂ¶ĂŸt, die die Wahrheit nicht ertrĂ€gt, andererseits mit den DĂ€monen der eigenen Familie. Toms Bruder ist als Landwirt direkt betroffen, bekommt die Auswirkungen unmittelbar zu spĂŒren und leugnet dennoch, was er sieht.

In diesen SphĂ€ren bewegen wir uns im Laufe der Geschichte, in der Perspektive von Kapitel zu Kapitel wechselnd. Sehr sachlich ist das immer dann, wenn der Autor einem seiner Hauptprotagonisten praktisch „FachvortrĂ€ge“ in den Mund legt.

Die Dynamik in der Geschichte entsteht jedoch vor allem durch die Konfrontation der GegensĂ€tze in Form der unterschiedlichen Ansichten der Figuren. Wohltuend ist es, dass sich der Autor nicht nur bemĂŒht hat, eine Seite auszuformulieren. Man kann die GrĂŒnde fĂŒr das Denken der Gegenseite, hier in Figur von Toms Bruder, dadurch zumindest nachvollziehen.

Das gleicht entstandene LĂ€ngen aus, fĂŒhrt dazu, dass man die spannende Geschichte weiterverfolgt, die innerhalb eines Zeitraums von wenigen Wochen spielt.

Auch das Wechselspiel zwischen den handlungsorten, der weltpolitischen BĂŒhne des Weltklimarats, der Großstadt Berlin und der lĂ€ndlichen Einöde tragen maßgeblich dazu bei, dass die ErzĂ€hlung nicht kippt, sondern immer neue Punkte hineinbringt, die auch konsequent weiterentwickelt werden.

Der Autor hat sich in diesem Roman auf wenige Figuren konzentriert, diese auszugestalten, und zeigt dennoch gleichermaßen damit die Dramatik im Großen wie Kleinen gleichermaßen auf, wĂ€hrend Nebenfiguren relativ blass bleiben. Diese spielen jedoch auch keine so große Rolle, als dass das entscheidend wĂ€re. Die eine gewichtige Rolle spielenden GegensĂ€tze sind nicht nur anhand dieser aber sehr minutiös ausgearbeitet, gerade das macht die Handlung oder die Entscheidungen der Figuren jedoch glaubhaft.

Mit den Figuren wechselt auch die erzĂ€hlerische Perspektive. Fakten werden innerhalb der eingearbeiteten VortrĂ€ge eingebracht. Alleine fĂŒr dieses Zusammentragen von Informationen, der plastischen Beschreibung, was dies gerade fĂŒr Deutschland bedeuten kann, muss man dem Autoren Respekt zollen.

Beim Lesen hat man den Eindruck, dass Hansen immer wieder den Finger in die Wunde legen wollte, um aufzuzeigen, dass das, was heute gar nicht oder nur mit Lethargie angegangen wird, uns eines Tages auf die FĂŒĂŸe fallen könnte, und nie dagewesene Maßnahmen erfordern wĂŒrde. Und dafĂŒr ist ein Roman vielleicht die geeignetere Form. Einen solchen liest man eher als ein trockenes Sachbuch.

Der Roman ist mit all diesen Punkten sehr schlĂŒssig, dazu spannend geschrieben. Interessant ist zudem das halboffene Ende, was zwar in seiner Ausgestaltung nicht verraten werden soll, aber auch hier wieder ein Fingerzeig des Autoren und vieler Wissenschaftler darstellt. So könnte es aussehen, wenn wir nicht aufpassen. Bei uns und nicht irgendwo anders auf der Welt, wo uns das „egal“ sein könnte. Das wirkt unglaublich stark.

Ab Mitte der ErzĂ€hlung gewinnt der Roman zudem gehörig an ErzĂ€hltempo, welches einem noch mehr in dieses Szenario hineinzieht, als man das zu Beginn des Lesens vielleicht ahnt. So schnell wie die Kapitel hochzĂ€hlen, passend in Grad Celsius angegeben, die Anzeige des Thermometers klettert unerbittlich, so fix scheinen sich die BefĂŒrchtungen des einen Protagonisten zu bewahrheiten, wie auch ein immer bedrohlicher werdender Unterton im Text den Raum einnimmt.

Da das alles in Deutschland spielt und nicht irgendwo anders kann man sich als hier lebender Lesender gut vorstellen, wissen wir doch um staubtrockene Böden in Ostdeutschland, stetig steigende Waldbrandgefahr im Hochsommer oder Niedrigpegel in FlĂŒssen, die fĂŒr die Binnenschifffahrt oder zum Betrieb von Kraftwerken wichtig sind. Auch wegen Hitze strapazierte Straßen gab es hierzulande ja schon.

Thore D. Hansens Szenario lĂ€sst nachdenklich zurĂŒck. Möchten wir wirklich so etwas wie dieses erleben oder sollten wir nicht endlich etwas tun, klein im Privaten, groß in der Gemeinschaft. Wer mit wissenschaftlichen Studien nichts anfangen kann, diese schwer zugĂ€nglich findet, ist mit diesem wissenschaftlich unterfĂŒtterten Roman gut bedient, um AnsĂ€tze zu finden, wegen des Warums. Danach ist es vielleicht einfacher, sachlich ĂŒber das Wie zu diskutieren. Wenn dazu Thore D. Hansens Text beitragen kann, ist viel gewonnen.

Autor:

Thore D. Hansen wurde 1969 geboren und ist ein deutscher Journalist und Schriftsteller. Er studierte zunĂ€chst in Hamburg und Boston Politikwissenschaft und Soziologie, bevor er fĂŒr verschiedene Tageszeitungen und Magazine in Europa zu arbeiten begann. Stationen waren u. a. Deutschland, Österreich und Spanien. FĂŒr das Magazin Tomorrow begleitete er den Aufstieg und Fall der New Economy 2001 als Wirtschaftsredakteur, bevor er als Pressesprecher verschiedener Banken arbeitete. Seit 2010 ist er vorwiegend als Schriftsteller tĂ€tig. Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland ist er seit 2019.

Nach verschiedenen Arbeiten, etwa zu den Geheimdiensten oder zur Hochfinanzkrise, veröffentlichte er 2017 die Einordnung der Biografie Brunhilde Pomsels, welche die SekretĂ€rin Joseph Goebbels gewesen ist. Basierend auf 30 Stunden Interviewmaterial des gleichnamigen Dokumentarfilms („Ein deutsches Leben“) nimmt er in einen historischen Vergleich Analogien der Gegenwart auf.

Immer wieder verarbeitet Hansen so hochaktuelle und diskutierte Themen in seinen Werken.

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John Blake: Das Titanic-Bordbuch

Inhalt:

Zur Zeit ihres Stapellaufs war die TITANIC der Stolz der White Star Line. Das grĂ¶ĂŸte und schönste Passagierschiff der Welt verkörperte den Zeitgeist in Eleganz und Stil. Dieses Buch ist ein einzigartiger Leitfaden fĂŒr Passagiere, um sich auf den berĂŒhmtesten Schiff der Welt zurechtzufinden. Es erzĂ€hlt die Geschichte seiner Entstehung und bietet einen umfassenden Einblick in die luxuriösen Ausstattungen und RĂ€umlichkeiten.

DarĂŒber hinaus enthĂ€lt es eine FĂŒlle unentbehrlicher Informationen fĂŒr die Passagiere der ersten, zweiten und dritten Klasse. Nehmen Sie teil an der begeisterten Vorfreude auf die Jungfernfahrt und die AuszĂŒge aus Originaldokumenten, die an den Glanz des Schiffes und den unĂŒbertroffenen Komfort der Passagiere erinnern. (Klappentext)

Rezension:

Alles an Bord ist gut, in vielen FĂ€llen sogar brilliant durchdacht und großartig ausgefĂŒhrt. Die Passagiere werden in den prunkvollen RĂ€umlichkeiten, auf den herrlichen Promenaden, in der Turnhalle, im Squashraum, in den tĂŒrkischen BĂ€dern, im Schwimmbad, auf der Palm Court Veranda usw. Komfort, Luxus, Erholung und Wohlbefinden genießen können. DarĂŒber hinaus sind die Kabinen in ihrer Anordnung, GerĂ€umigkeit und Ausstattung perfekte Zufluchtsorte, in denen man angenehme Stunden verbringen und frei von störenden GerĂ€uchen schlummern und sich erholen kann. Komfort, Eleganz und Sicherheit sind VorzĂŒge, die einen besonderen Reiz auf Passagiere ausĂŒben – an Bord der Olympic und Titanic gibt es sie im Überfluss.

Auszug aus einer BroschĂŒre der White Star Line, 1911.

Der Ausgang der Geschichte ist bekannt. FĂŒr die Jungfernfahrt des damals luxuriösesten Passagierschiffs der Welt wĂ€hlt KapitĂ€n Edward Smith die nördliche Route ĂŒber den Atlantik. Anfang des 20. Jahrhunderts einer der verhĂ€ngnisvollen Fehler, die sich rĂ€chen. Das Schiff kann einem Eisberg nicht mehr ausweichen und sinkt. Über 1400 Menschen sterben, u. a. da damalige Vorschriften nicht fĂŒr alle Passagiere Rettungsboote vorsahen. Mit der Titanic starb auch der unabdingbare Glaube an die Absolutheit der Technik.

Was heute das Wetteifern der Fluggesellschaften um Passagiere ist oder sich in den immer grĂ¶ĂŸeren Kreuzfahrtschiffen widerspiegelt, die die Weltmeere durchqueren, nahm seinen Beginn im Wettbewerb großer Reedereien, nicht zuletzt britischer, vor allem auf der symboltrĂ€chtigen Atlantikroute. Auswanderer trĂ€umten auf den Überfahrten vom Leben in der neuen Welt, die Reichen und Wohlhabenden genossen den Luxus eines Komforthotels wĂ€hrend der Reise.

Die Titanic, die im Jahr 1911 von Stapel lief, war das AushĂ€ngeschild der White Star Line, wurde vor der Überfahrt als „nahezu unsinkbar“ beschrieben. Nur letzteres Wort sollte sich in die Köpfe der an Bord gehenden Menschen einbrennen.

Die Nacht auf den 14. April 1912 steht bis heute im Fokus vieler Filme und BĂŒcher, doch wie muss es sich fĂŒr die Menschen zunĂ€chst angefĂŒhlt haben, dieses Schiff zu betreten, ohne natĂŒrlich von der nahenden Katastrophe auch nur zu ahnen? Wie wurde die Titanic beworben? Welche Besonderheiten, Raffinessen und Neuerungen wurden hervorgehoben? Welche Vorstellungen hatten kĂŒnftige Passagiere von der bevorstehenden Überfahrt? Einblick gewĂ€hrt das vorliegende Werk.

NatĂŒrlich, es ist ein rein fiktiver Band, der in der deutschen Übersetzung von Klaus Neumann im Delius Klasing Verlag vorliegt, doch versammelt er eine Vielzahl von echtem Material, welches an eine Überfahrt Interessierte damals zu sehen und lesen bekamen. Zusammengefasst ist daraus ein Bordbuch entstanden, wie es rein theoretisch jedem Passagier in die Hand hĂ€tte gedrĂŒckt werden können, eine Ansammlung von Fakten, die uns in die Visionen ihrer Erbauer und in die Köpfe derer tauchen lĂ€sst, die ein Ticket fĂŒr die Überfahrt gelöst haben.

So befinden sich nicht nur AuszĂŒge aus WerbebroschĂŒren, wie oben zitiert, in diesem Werk, auch Speisekarten oder nĂŒtzliche Informationen, um sich an Bord zurechtzufinden. Wann kann wer den Fitnessraum benutzen? Was kostet und wie sendet man ein Telegramm an die Lieben daheim?

Aus welchen PassagierunterkĂŒnften kann man wĂ€hlen, welcher Komfort erwartet Passagiere der ersten, zweiten oder der dritten Klasse? Wie hoch ist die LeihgebĂŒhr fĂŒr LiegestĂŒhle an Bord, wie teuer das Ticket fĂŒr mitreisende Haustiere? Schließlich, wie funktioniert dieses Wunderwerk der Technik ĂŒberhaupt, wo befinden sich die Rettungsboote, die man ja nicht brauchen wird?

FĂŒr historisch und ozeanisch Interessierte ist dieses Werk, welches man sowohl als fiktive WerbebroschĂŒre lesen kann als auch als ein als Faktensammlung orientiertes Sachbuch, eine wohltuende Abwechslung, da hier der Fokus auf eine Überfahrt selbst liegt, nicht auf die tatsĂ€chlich geschehene Katastrophe.

Es hĂ€tte ja schließlich alles anders kommen können, der Untergang als Folge mehrerer unglĂŒckseeliger Faktoren. In der TonalitĂ€t gehalten, wie zur damaligen Zeit, gibt es nur einen einzigen Kritikpunkt, die SchriftgrĂ¶ĂŸe betreffend. Im Zusammenspiel mit dem auf alt getrimmten Hintergrund ist das nicht immer angenehm zu lesen. Es sorgen jedoch unzĂ€hlige Abbildungen und Grafiken fĂŒr Auflockerungen, auch diese sind im Stil des Beginns des 20. Jahrhunderts gehalten.

Eine Zeitreise, die sich unbedingt lohnt. Kommt an Bord. Erkundet das Schiff, genießt die Fahrt und den Luxus an Bord. Ihr werdet es nicht bereuen.

Autor:

John Blake ist ein ehemaliger Marineoffizier und Nautiker. Als Mitglied des Royal Institute of Navigation ist er Autor von mehreren seefahrtshistorischen BĂŒchern.

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Thomas Finn: Bermuda

Bermuda Book Cover
Bermuda Thomas Finn Droemer Knaur Erschienen am: 01.09.2020 Seiten: 522 ISBN: 978-3-426-22719-0

Inhalt:

Nur knapp ĂŒberleben der Biologe Alex Kirchner und die Kreuzfahrt-Mitarbeiterin Itzil Perez den Untergang ihres Luxusliners, der mitten im Atlantik in einen schrecklichen Hurrikan gerĂ€t. Zusammen mit einem Dutzend weiterer Überlebender werden die beiden am Strand einer Vulkaninsel angespĂŒlt.

Doch die vermeintliche Rettung erweist sich schnell als tödliche Falle: Weder Handys noch Kompasse funktionieren; mumifizierte Leichen werden angespĂŒlt und nachts kommt es zu unheimlichen Licht- und GerĂ€uchphĂ€nomenen. Schließlich kommt der erste SchiffsbrĂŒchige ums Leben. Schleifspuren fĂŒhren in den Mangrovendschungel, in dem ein namenoses Grauen lauert. (abgewandelter Klappentext)

Rezension:

Nördlich der Karibik liegt ein legendenumwobenes und zu Teilen gefĂŒrchtetes atlantisches Seengebiet, in dem bereits mehrere Schiffe und Flugzeuge spurlos verschwunden sein sollen. Von der kleinen Jolle bis zum großen Frachtschiff sollen unzĂ€hlige Objekte Opfer der Fluten geworden sein und so ist es kein Wunder, dass auch in der Literatur das Bermuda-Dreieck Grundlage fĂŒr unzĂ€hlige Geschichten bietet.

Zuletzt fĂŒr den hier vorliegenden Horrorthriller des deutschen Autoren Thomas Finn.

Eine verlegerische Entscheidung sicherlich, ist die Ausformulierung von Klappentexten, doch verrĂ€t dieser beinahe zu viel, wenn auch nicht so, als dass es gespoilert wĂ€re, doch beginnt mit der AusfĂŒhrlichkeit eine Grauzone, die mit Vorsicht zu genießen ist.

Ein zwei SĂ€tze weniger hĂ€tten es auch getan. FĂŒr diese Rezension habe ich mich daher entschlossen, den Klappentext etwas abzuwandeln. Ansonsten ist dies nĂ€mlich ein solider Horrorthriller, der alle AlptrĂ€ume wahr werden lĂ€sst.

Das Motiv der idyllisch wirkenden Tropeninsel, auf der sich nach und nach die Hölle auf Erden entwickelt, sei es durch dem Schauplatz selbst oder durch die Protagonisten, ist nicht neu. TatsĂ€chlich werden hier Elemente aus „Robinson Crusoe“ ebenso aufgegriffen, als auch aus „Der Herr der Fliegen“, das gilt zum einen fĂŒr den Schauplatz als auch fĂŒr den fĂŒr die Handlung zufĂ€llig zusammengewĂŒrfelten Personenkreis.

Der Autor bringt von den ersten Seiten an, Tempo in die Handlung, deren Spannungsbogen sich rasant entwickelt. Dem Lesenden wird so schnell wie den Protagonisten, die sich deutlich in Sympathie- und AntipathietrÀger unterscheiden, klar, welches Grauen auf dem Eiland vorherrschen muss.

Ein jeder geht damit anders um, zum Überleben oder Nachteil der Gruppe gereichend.

Solche Geschichten lesen sich sehr flĂŒssig, doch gilt es kleinere Logikfehler und so manches Mal harte SprĂŒnge zu ignorieren, zwecks Lesegenuss. Der kommt auf, wirkt zum Teilen jedoch wie ein Horrorzweiteiler in den Öffentlich Rechtlichen, zumindest, was diese als solche bezeichnen.

Eine solide Speise ist das, die man essen kann, von der man satt wird, BegeisterungsstĂŒrme jedoch nicht auslöst. Einige Überraschungen gegen Ende runden die Geschichte jedoch in soweit ab, dass die Geschichte kein Fehlschlag ist.

Hervorzuheben ist das ErzĂ€hltempo und der Spannungsbogen, sowie das formulierte Ende. FĂŒr meinen Geschmack hĂ€tten der Geschichte jedoch ein paar mehr Seiten gut getan, sowie die Konzentration auf ein paar weniger Genre-Spielarten, als man diese hier vorfindet.

An manchen Stellen wirkt der Mix aus Horror, Historientrhiller, Wissenschaftsthriller, Science Fiction einfach ein wenig zu sehr over the top, von der fehlenden SubtilitĂ€t einmal ganz abgesehen. Dass man dies ĂŒber weite Strecken ignorieren kann, liegt allein an der Formulierungsleistung Thomas Finns.

Autor:

Thomas Finn wurde 1967 in Evanston/Chicago geboren und ist ein Schriftsteller und Journalist. Nach der Schule studierte er Volkswirtschaft in Hamburg und arbeitetete parallel als Journalist und Autor fĂŒr diverse Verlage. Zuvor hatte er außerdem eine Lehre als Werbekaufmann absolviert. 1992 erhielt er den „ZauberZeit-Lesepreis“. Seit 2001 arbeitet er als Roman-, Spiele- und Drehbuchautor.

Bis 2011 war er zudem im Redaktionsstab des Rollenspiels „Das schwarze Auge“ (DSA) tĂ€tig. Finn lebt und arbeitet in Hamburg.

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BĂŒcher gegen das Vergessen #05

BĂŒcher gegen das Vergessen sollen uns geschichtliche Ereignisse vor Augen fĂŒhren, fĂŒr die wir nicht unbedingt die Verantwortung tragen, aber dennoch verantwortlich sind, sie nicht zu vergessen. Abseits von Rezensionen soll hier eine Auswahl vorgestellt werden.

Der Untergang der Titanic 1912 – Eine Auswahl an Literatur.

Der Glaube an die Unbesiegbarkeit der Technik war Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts ungebrochen, doch erlitt er schon am Beginn des zweiten Jahrzehnts desselben einen herben DĂ€mpfer. Der Untergang der Titanic 1912, das damals grĂ¶ĂŸte und luxuriöseste Passagierschiff der Welt, forderte ĂŒber 1500 Menschenleben und erschĂŒtterte die GemĂŒter zu beiden Seiten des Ozeans.

Wer versucht, den Bann des Ereignisses der Nacht des 14. Aprils zu begreifen, die damalige Faszination fĂŒr dieses Flaggschiff der Reederei White Star Line zu erfassen, landet heute bei einigen Filmen und einer ganzen Reihe literarischer Werke, die sich damit beschĂ€ftigen. Zeit, sich einiges nĂ€her davon anzusehen.

Grundlage dessen, was wir ĂŒber die Geschehnisse an Bord des Schiffes wissen, bildet eine Sammlung von Augenzeugenberichten, die erstmalig 1955 erschien. Der Sachbuchautor Walter Lord konnte noch ĂŒber sechzig Zeugen der Katastrophe, Überlebende, befragen und kurz vor seinem Tode James Camerons Team fĂŒr die Dreharbeiten zu ihrem Film beraten.

Walter Lord „Die letzte Nacht der Titanic – Augenzeugen erzĂ€hlen“
Seiten: 272, erschienen bei S.Fischer, ISBN: 978-3-596-19269-4
Übersetzer: Erwin Duncker

Zwar reichten seine Kenntnisse als das Buch erschien, nicht an dem heran, was wir heute ĂŒber den Untergang wissen, doch alleine die Versammlung der Berichte ĂŒberlebender Passagiere ist historisch wertvoll und nicht zu unterschlagen.

NatĂŒrlich hatte kein Passagier mit einer solchen Katastrophe gerechnet. Wer tut das schon, wenn man solch eine Überfahrt bucht? Vielleicht ohne Wiederkehr als Einwanderer mit dem Ziel, in der Neuen Welt ein neues Leben zu beginnen oder, als Passagier der ersten Klasse, einfach die Annehmlichkeiten, den Luxus der Art einer solchen Reise zu genießen? Getrost der Kategorien heutiger Kreuzfahrtschiffe, kann man ja auch die Titanic als eine Art „schwimmende Stadt“ bezeichnen.

Begeben wir uns also in die Rolle eines Reisenden an Bord der Titanic. Der ehemalige Marineoffizier und Nautiker John Blake hat eine fiktive Handreichung fĂŒr Passagiere verfasst.

Wir begrĂŒĂŸen Sie auf der Titanic zur Jungfernfahrt nach New York.

Damit Sie sich zurechtfinden, hier ist Ihr Bordbuch. Dort finden Sie alles, was Sie ĂŒber unser Schiff wissen, Informationen zum Aufenthalt und zur Orientierung in allen Klassen, die Anordnung der Decks und UnterkĂŒnfte, und, und, und,… Wir hoffen, Sie haben einen angenehmen Aufenthalt.

John Blake „Das Titanic-Bordbuch – Eine Handreichung fĂŒr Passagiere“
Seiten: 128, erschienen bei Delius Klasing, ISBN: 978-3-667-11079-4
Übersetzer: Klaus Neumann

Reich bebildert und sehr detailliert bekommen wir so als Passagiere ein erstes Bild von dem, was uns erwartet.

Wie angenehm ist es doch, auf diese Art zu reisen. Wo war jetzt gleich nochmal meine Kabine? Wie gelangt man zu den Rettungsbooten? Wobei, das passiert sowie so nicht.

NatĂŒrlich gibt es auch viel romanhaftes ĂŒber die Schiffskatastrophe zu lesen und auch darĂŒber lohnt es sich, einen Blick zu werfen. Gleichsam eine Vorwegnahme, wenn nicht gar Vorahnung der Ereignisse ist der bereits 1898 erschiene Roman von Morgan Robertson „Titan. Eine Liebesgeschichte auf hoher See.“, in der ein UnglĂŒck beschrieben wird, in welchem das Schiff „Titan“ erstaunlichen Parallelen zur spĂ€ter erbauten Titanic aufweist.

Im Fokus steht die Liebesgeschichte der darin vorkommenden Protagonisten, eine Vorhersehung der Ereignisse hat der Autor natĂŒrlich spĂ€ter mehrfach in Befragungen verneint, manchmal jedoch sind ZufĂ€lle recht sonderbar.

JĂŒngeren Lesern einen Zugang zu der Katastrophe zu geben, gelingt dem Kinderbuchautoren Stephen Davies, der in seinem Roman „Titanic – 24 Stunden bis zum Untergang“ eine Jungen-Freundschaft in den Fokus stellt. ZunĂ€chst erleben Jimmy und Omar bei der Erkundung des Schiffes Abenteuer auf ihrer „Entdeckungsreise“, als es zum Untergang kommt, ĂŒberschlagen sich jedoch die Ereignisse. Werden sie es schaffen, auf einem der Rettungsboote unterzukommen, auf denen es insgesamt nicht einmal annĂ€hernd genug PlĂ€tze fĂŒr alle Personen an Bord gibt?

Stephen Davies „Titanic – 24 Stunden bis zum Untergang“
Seiten: 127, erschienen bei Aladin, ISBN: 978-3-8489-2103-4
Übersetzerin: Ann Lecker

Das wunderbar illustrierte Werk mit einem angeschlossenen historischem Glossar erzĂ€hlt es. Eine Rezension davon, gibt es hier zu lesen. Vorweggenommen, der Autor orientiert sich am ĂŒberlieferten Geschehen, wie zum Beispiel diese, dass bis fast zuletzt eine Gruppe von Musikern zur Beruhigung der Passagiere Instrumente spielte.

Erik Fosnes Hansen „Choral am Ende der Reise“
Seiten: 512, erschienen bei Kiepenheuer & Witsch, ISBN: 978-3-462-05388-3
Übersetzer: Jörg Scherzer

Der norwegische Schriftsteller Erik Fosnes Hansen setzte diesem mit seinem Roman „Choral am Ende der Reise“ ein Denkmal. Die nachgezeichneten Biografien der Musiker sind fiktiv, doch im Bereich der Prosa wird man nicht umhinkommen, sich auch damit zu beschĂ€ftigen.

Geschichte zum Anfassen jedoch, gelingt am Leichtesten mit FundstĂŒcken oder, wo nicht verfĂŒgbar, Nachbildungen, so genannten Memorabilien. Auch rund um die Titanic gibt es solche, wie z.B. von Memorabilia Pack Company, die damit verschiedene historische Ereignisse lebendig werden lassen. Enthalten sind mehrere Fotopostkarten mit Motiven der Titanic, eine Ticketnachbildung, ein Telegramm, ein Booklet fĂŒr Passagiere, Plakate, eine Dinner-Karte und vieles mehr, was in die Zeit eintauchen lĂ€sst. FĂŒr Liebhaber allem Historischem sehr zu empfehlen.

Memorabilia Pack Company „Titanic Replica Pack“
Enthalten sind folgende Nachbildungen, u.a. Ticket, Brief, Telegram, Booklet fĂŒr Passsagiere, Dinner Karte, Poster, Flyer, Fotos, Postkarten, Zeitungsnachbildung, Poster etc.
Leo stellt den Inhalt einmal vor. Achtung, Englisch. 🙂

Anhand von Biografien lĂ€sst sich die Katastrophe nachvollziehen, egal ob das die Geschichte eines einfachen Passagiers ist oder die des Zeitungsjungen Ned Parfett, der am Tag nach der Katastrophe Magazine vor dem BĂŒro der Reederei verkaufte. Augenzeugenberichte, daraus entstandene Romane und Filme sind es, die die Faszination weiterleben und das Ereignis nicht vergessen lassen.

In Anbetracht unserer vollen Weltmeere mit immer mehr und grĂ¶ĂŸeren Kreuzfahrtschiffen, die die Titanic um Welten ĂŒbertreffen, wenn auch die Sicherheitsstandards gestiegen sind, ist das nicht falsch. Heute genĂŒgt der Name „Titanic“, um die Illusion absoluter Sicherheit und Unfehlbarkeit zu zerstören.

Cover gehören, wie immer den Verlagen, das erste Video auch. Das zweite einem sehr engagierten kleinen Youtuber, der das Memorablia Pack vorstellt.

Der virtuelle Spendenhut

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Stephen Davies: Titanic – 24 Stunden bis zum Untergang

Titanic - 24 Stunden bis zum Untergang Book Cover
Titanic – 24 Stunden bis zum Untergang Stephen Davies Aladin Verlag Erschienen am: 28.02.2018 Seiten: 128 ISBN: 978-3-8489-2103-4

Inhalt:

Die Titanic sticht in See – und Jimmy und Omar sind mit an Bord. Die beiden erkunden den Ozeanriesen bis in den letzten Winkel, schleichen sich zu Mitternachtspartys, entdecken Drachenblut im Frachtraum und dringen sogar bis in den Gymnastikraum der 1. Klasse vor. FĂŒr sie ist das Schiff wie ein großer Freizeitpark. Doch als es einen Eisberg rammt, wird der Traum zum Albtraum: Es gibt nur 20 Rettungsboote – nicht annĂ€hernd genug fĂŒr 2228 Passagiere. (Klappentext)

Rezension:

Anfang des 20. Jahrhunderts ist der Glaube an den Fortschritt, an die Technik und der Bezwingbarkeit der Natur noch ungebrochen, als das damals grĂ¶ĂŸte Passagierschiff der Welt in See sticht. Ziel Amerika, Sehnsuchtsort fĂŒr unzĂ€hlige Menschen, die ihr GlĂŒck in der Neuen Welt versuchen und die Trostlosigkeit, vor allem Armut, ihrer alten Heimat hinter sich lassen wollen.

Nicht ahnend, dass der Traum fĂŒr nicht wenige nach ein paar Tagen zur tödlichen Falle werden wĂŒrde.

Stephen Davies erzĂ€hlt, grafisch schon aufbereitet durch Torben Kuhlmann, die Geschichte zweier Jungen, die es so tatsĂ€chlich an Bord der Titanic gegeben haben könnte. ZunĂ€chst erscheint fĂŒr die beiden Protagonisten alles wie ein einzig großes Abenteuer.

Zusammen schleichen sich Omar und Jimmy, die sich zu Beginn finden und schnell anfreunden, wie es Kinder in dem Alter eben tun, des Nachts aus ihren Kabinen und erkunden dieses technische Wunderwerk. Sie schleichen sich durch Mannschafts- und FrachtrĂ€ume, einmal bis zum großen imposanten Treppenaufgang der Ersten Klasse und kommen aus den Staunen nicht mehr heraus.

Immer auf der Hut, von den Erwachsenen, insbesondere den Mannschaftspersonal, nicht erwischt zu werden. Dabei machen sie interessante Entdeckungen, wie sie nur 10- bis 12-jĂ€hrige Jungen berauschend finden, die von solch einem Luxus, beide sind Passagiere der Dritten Klasse, nur trĂ€umen dĂŒrfen.

Sie begegnen imposanten John Jacob Astor, damals einer der reichsten MÀnner der Welt und KapitÀn Edward Smith. Plötzlich jedoch, befinden sich Jimmy und Omar inmitten einer Katastrophe. Jetzt zÀhlt nur noch, einen der raren PlÀtze in den Rettungsbooten zu bekommen. Doch, die Familien beider schlafen nichts ahnend in ihren Kabinen.

KinderbĂŒcher können spannend sein und dabei Interessen wecken, wahre Begebenheiten verstĂ€ndlich und fassbar rĂŒberbringen. Genau da tut Stephen Davies, der Jimmy, seinen Hauptprotagonisten aus der Ich-Perspektive erzĂ€hlen lĂ€sst, dabei die Grausamkeit, AbsurditĂ€t der Ereignisse und die menschlichen Qualen nicht verschweigt, aber fĂŒr das Zielpublikum altersgerecht verpackt.

Aufgelockert mit Zeichnungen erschließt sich so ein historisches Ereignis, welches fĂŒr Friedenszeiten eine der grĂ¶ĂŸten menschlichen Katastrophen werden sollte, deren Blickwinkel auf Technik und menschliches Beherrschungsvermögen ĂŒber die Naturgewalten fĂŒr immer verĂ€ndert werden sollten.

FĂŒr technikinteressierte Kinder und denen, die kleine kompakt aber kurzweilige Geschichten mögen, ist dieser kleine Roman ideal. Davies orientiert sich sehr an verbĂŒrgte Ereignisse des Untergangs, die wege der Jungen waren so möglich und auch das im Klappentext erwĂ€hnte Drachenblut gab es tatsĂ€chlich. was es allerdings damit auf sich hat, muss man schon selbst nachlesen.

Davies verschönt nichts, gibt der Geschichte aber bereits zu Beginn eine sinnvolle Richtung, die nicht verschreckt und zudem Eigenschaften wie Mut, Freundschaft und Zusammenhalt als Grundstock nimmt. NatĂŒrlich, fĂŒr Erwachsene ist vorhersehbar, wie es fĂŒr speziell Omar und Jimmy ausgeht, dennoch fĂŒr diese Altersgruppe eine spannende Geschichte, die Lust darauf macht, mehr erfahren zu wollen und einlĂ€dt, zu recherchieren. Bitte mehr von dieser Sorte ganz wunderbarer KinderbĂŒcher.

Autor:

Stephen Davies wurde 1976 geboren und ist ein britischer Kinderbuchautor. Er lebte von 2001 bis 2014 in Burkina Faso. Davies arbeitete schon als Erntehelfer, MissionĂ€r, Englisch-Lehrer, schrieb Reiseberichte fĂŒr verschiedene Zeitungen, bevor er 2006 sein erstes Kinderbuch veröffentlichte. Seine Reiseberichte und KinderbĂŒcher wurden mehrfach ausgezeichnet. Der Autor lebt mit seiner Familie in London.

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Margaret Mazzantini: Das Meer am Morgen

Das Meer am Morgen Book Cover
Das Meer am Morgen Margaret Mazzantini Dumont Erschienen am: 02.10.2013 Seiten: 128 ISBN: 978-3-8321-6260-3 Übersetzerin: Karin Krieger

Inhalt:

Virtous und in eindringlichen Bildern erzĂ€hlt Margaret Mazzantini in diesem poetischen Roman das Schicksal zweier Jungen und ihrer Familien. Farid und Vito leben in LĂ€ndern, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch so nah beieinander liegen. Was sie auf immer trennt – und verbindet -, ist das weiter blaue Meer dazwischen. (Klappentext)

Rezension:

Ein Roman wie ein Paukenschlag, wachrĂŒttelnd und den Finger in die Wunde legend. Dies ist Margaret Mazzantinis „Das Meer am Morgen“. ErzĂ€hlt wird die Geschichte, zweier Jungen, der eine in Libyen auf der Flucht vor BĂŒrgerkrieg, Hunger und Elend, der andere in Italien, die Situation der FlĂŒchtlinge registrierend und mit seiner eigenen Zukunft hadernd.

Der 18-jĂ€hrige Vito findet am Strand eine Halskette, wie sie kleinen Kindern in Libyen zum Schutz vor bösen Geistern umgelegt wird und denkt dabei an das Schicksal derer, die flĂŒchten mĂŒssen. Und an die eigene Familiengeschichte, schließlich floh seine Familie selbst einst aus Afrika nach Italien.

Auf der anderen Seite des Meeres spielt sich indes das Drama einer Flucht ab. Ein verrosteter, dann völlig ĂŒberladener Kahn, soll die FlĂŒchtenden den Wohlstand Europas nĂ€her bringen, doch ist mit Beginn der Fahrt schon das grausame Schicksal der Menschen besiegelt.

Erst gehen Trinkwasser und Benzin zur Neige, dann der Lebensmut. Schließlich sterben die ersten. Auch der kleine Farid vermag nicht mehr durchzuhalten.

Ein bedrĂŒckender eindrĂŒcklicher Roman, der auf wenigen Seiten so emotional wie möglich die Misere der FlĂŒchtlinge nĂ€her bringt, die nichts anderes wollen als ein besseres Leben ohne Gefahren und dafĂŒr alle Strapazen auf sich nehmen.

Gerade heute, in denen die Scharfmacher a la Pegida die Oberhand gewinnen und Staatschef ihre Augen und Grenzen vor dem Elend der Menschen verschließen.

Margaret Mazzantini zeigt mit „Das Meer am Morgen“, was es heißt, auf der Flucht zu sein, macht die Leiden, die Hoffnungen derer greifbar, die unmittelbar betroffen sind. Ob als FlĂŒchtlinge selbst oder in den AnkunftslĂ€ndern, die zuerst die Verzweiflung der Menschen zu spĂŒren bekommen.

Die Autorin rĂŒttelt wach. NatĂŒrlich gibt es auch Probleme, die durch den FlĂŒchtlinsstrom entstehen, darum geht es hier aber nicht. Es geht um die Betroffenen selbst, die sich nicht anders zu helfen wissen als sich in die HĂ€nde von Schleppern zu begeben und diesen ihr Schicksal zu ĂŒberlassen.

Mit dem Mut der Verzweiflung Unmengen von Geld aufbringen mĂŒssen um eine gefĂ€hrliche Reise anzutreten, die ins Ungewisse fĂŒhrt und auf deren Weg unzĂ€hlige Menschen sterben. Ein wichtiges Buch, gerade heute.

Der Schreibstil ist einfach gehalten und dennoch anspruchsvoll, so dass der Roman sowohl von Erwachsenen als auch von frĂŒhen Jugendlichen gelesen werden kann. TatsĂ€chlich lag der Roman bei den JugendbĂŒchern aus und dies ist auch richtig so.

Wer, wenn nicht die nĂ€chste Generation ist von unseren Entscheidungen, die wir heute treffen, morgen betroffen und in welcher Welt wollen wir morgen ĂŒberhaupt leben?

Die Antwort hĂ€ngt alleine von den Entscheidungen ab, die wir heute treffen und vielleicht sollte man mehr Menschlichkeit, gerade in dieser Frage, walten lassen. Margaret Mazzantinis Buch kann als Aufruf dazu verstanden werden, mal ĂŒber das Schicksal der Betroffenen nachzudenken.

Ein wunderbarer Roman.

Autorin:

Margaret Mazzantini wurde 1961 in Dublin geboren und arbeitete nach der Schule als Theaterschauspielerin und fĂŒr Film- und Fernsehproduktionen. Eine grĂ¶ĂŸere Aufmerksamkeit erlangte sie jedoch mit ihren Romanen, die inzwischen sĂ€mtlich ins Deutsche ĂŒbersetzt wurden. FĂŒr Werke wie „Die Zinkwanne“ wurde sie mit mehreren italienischen Preisen ausgezeichnet. Mit ihrer Familie lebt sie in Rom.

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Jon Krakauer: In eisige Höhen

In eisigen Höhen Book Cover
In eisigen Höhen Jon Krakauer Piper Erschienen am: 01.04.2000 Seiten: 386 ISBN: 978-3-492-22970-8 Übersetzer: Stephan Steeger

Inhalt:

Im Mai 1996 nahm der amerikanische Journalist Jon Krakauer an einer Mount-Everest-Expedition teil, die in einer Katastrophe endete. Mehrere Gruppen drĂ€ngten auf den Gipfel. Darunter die um den erfahrenen neuseelĂ€ndischen Bergsteiger Rob Hall sowie die „Mountain Madness expedition“ des US-Amerikaners Scott Fischer.

Krakauer, Mitglied in Rob Halls Team, stand selbst auf dem Gipfel und erlebte danach hautnah Halls Todeskampf und den seiner GefÀhrten mit. Am Ende hatten zwölf Menschen ihr Leben verloren. Krakauers schonungslose Schilderung der dramatischen Expedition wurde zu einem Meilenstein der Bergliteratur. (Klappentext)

Rezension:

Jon Krakauer hat selbst einige Bergerfahrungen gesammelt als er von der Redaktion einer Zeitschrift, fĂŒr die er arbeitet, gefragt wird, ob er ĂŒber kommerzielle Expeditionen auf dem Mount Everest berichten wolle. Er sagt zu, unter der Bedingung, das Kapital zu bekommen, den Berg auch selbst besteigen zu können und nicht nur vom Basislager aus zu berichten.

Die Verleger von „Outside“ sagen zu und so macht sich Krakauer auf zu einem der besten Teams von gefĂŒhrten Expeditionen, die ihre Dienste inzwischen fĂŒr mehrere zehntausende Dollar anbieten. Jedem, der einigermaßen klettern und es sich leisten kann, beinahe mit Gipfelgarantie.

Doch der berg ist tĂŒckisch. Der Sauerstoff dĂŒnn, in der Höhe ist jedes klare Denken unmöglich. Als dann auch noch ein Sturm aufkommt, fĂŒhren die SchwĂ€chen der einzelnen Teilnehmer und eine verhĂ€ngnisvolle Verketrtung von Fehlern zum Chaos, in dessen Folgen neun teils sehr erfahrene Bergsteiger umkommen.

Drei weitere finden unmittelbar danach den Tod.

Krakauer berichtet anhand Interviews aller Beteiligter, Recherchen und den eigenen Erfahrungen vom Ablauf der Katastrophe und geht mit der Kommerzialisierung der Bergsteigerei ins Gericht, ebenso mit seiner Arbeit als Journalist und Kletterer, der selbst einige Fehler im Verlauf der Katastrophe zu verantworten hat.

Dabei analysiert er selbst kleinste Details, zeigt ausfĂŒhrlich die BeweggrĂŒnde der einzelnen Teilnehmer seines und der anderen Teams auf und erklĂ€rt, wie es zu der HĂ€ufung von FehleinschĂ€tzungen kam, die diesen schlimmsten Tag verursachten, den der höchste Berg der Erde bis dahin gesehen hatte.

Dabei bleibt er keineswegs einseitig, zeigt sowohl die Vorteile als auch die Nachteile gefĂŒhrter Expeditionan auf, schreibt von der Faszination, die der Mount Everest seit jeher mit sich bringt und was dies mit den Menschen macht.

Warum will man unbedingt diesen, unter Bergsteigern nicht einmal schönen Berg ĂŒberhaupt besteigen? Darf jeder auf den Gipfel? Sollte man mit oder ohne Sauerstoff dieses Wagnis auf sich nehmen und welche grundlegenden regeln wurden 1996 von den BergfĂŒhrern, von den Teilnehmern der Expeditionen missachtet?

Ein schockierend ehrlicher Bericht ĂŒber die schonungslose raue Natur und einem Berg, den die Menschen bis dahin geglaubt hatten besiegt, die Gefahren beseitigt zu haben. Doch, der Mount Everest lĂ€sst sich nicht besiegen.

Autor:

Jon Krakauer wurde 1954 geboren und begeisterte sich schon in seiner frĂŒhen Jugend fĂŒr das Bergsteigen. Er arbeitet als Wissenschaftsjournalist fĂŒr amerikanische Zeitschriften, u.a. fĂŒr die Zeitschrift „Outside“, fĂŒr die er u.a. vom kommerziellen Bergsteigen auf dem Mount Everest berichten sollte.

Er, der selbst einige Erfahrungen im Bergsteigen gesammelt hatte, schloss sich einer solch gefĂŒhrten Gruppe an, schaffte es bis zum Gipfel und ĂŒberlebte eine Katastrophe. Sein Buch „In eisige Höhen“ machte ihn schlagartig bekannt. Er lebt in Seattle und Boulder.

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