Inhalt:
Virtous und in eindringlichen Bildern erzählt Margaret Mazzantini in diesem poetischen Roman das Schicksal zweier Jungen und ihrer Familien. Farid und Vito leben in Ländern, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch so nah beieinander liegen. Was sie auf immer trennt – und verbindet -, ist das weiter blaue Meer dazwischen. (Klappentext)
Rezension:
Ein Roman wie ein Paukenschlag, wachrüttelnd und den Finger in die Wunde legend. Dies ist Margaret Mazzantinis „Das Meer am Morgen“. Erzählt wird die Geschichte, zweier Jungen, der eine in Libyen auf der Flucht vor Bürgerkrieg, Hunger und Elend, der andere in Italien, die Situation der Flüchtlinge registrierend und mit seiner eigenen Zukunft hadernd.
Der 18-jährige Vito findet am Strand eine Halskette, wie sie kleinen Kindern in Libyen zum Schutz vor bösen Geistern umgelegt wird und denkt dabei an das Schicksal derer, die flüchten müssen. Und an die eigene Familiengeschichte, schließlich floh seine Familie selbst einst aus Afrika nach Italien.
Auf der anderen Seite des Meeres spielt sich indes das Drama einer Flucht ab. Ein verrosteter, dann völlig überladener Kahn, soll die Flüchtenden den Wohlstand Europas näher bringen, doch ist mit Beginn der Fahrt schon das grausame Schicksal der Menschen besiegelt.
Erst gehen Trinkwasser und Benzin zur Neige, dann der Lebensmut. Schließlich sterben die ersten. Auch der kleine Farid vermag nicht mehr durchzuhalten.
Ein bedrückender eindrücklicher Roman, der auf wenigen Seiten so emotional wie möglich die Misere der Flüchtlinge näher bringt, die nichts anderes wollen als ein besseres Leben ohne Gefahren und dafür alle Strapazen auf sich nehmen.
Gerade heute, in denen die Scharfmacher a la Pegida die Oberhand gewinnen und Staatschef ihre Augen und Grenzen vor dem Elend der Menschen verschließen.
Margaret Mazzantini zeigt mit „Das Meer am Morgen“, was es heißt, auf der Flucht zu sein, macht die Leiden, die Hoffnungen derer greifbar, die unmittelbar betroffen sind. Ob als Flüchtlinge selbst oder in den Ankunftsländern, die zuerst die Verzweiflung der Menschen zu spüren bekommen.
Die Autorin rüttelt wach. Natürlich gibt es auch Probleme, die durch den Flüchtlinsstrom entstehen, darum geht es hier aber nicht. Es geht um die Betroffenen selbst, die sich nicht anders zu helfen wissen als sich in die Hände von Schleppern zu begeben und diesen ihr Schicksal zu überlassen.
Mit dem Mut der Verzweiflung Unmengen von Geld aufbringen müssen um eine gefährliche Reise anzutreten, die ins Ungewisse führt und auf deren Weg unzählige Menschen sterben. Ein wichtiges Buch, gerade heute.
Der Schreibstil ist einfach gehalten und dennoch anspruchsvoll, so dass der Roman sowohl von Erwachsenen als auch von frühen Jugendlichen gelesen werden kann. Tatsächlich lag der Roman bei den Jugendbüchern aus und dies ist auch richtig so.
Wer, wenn nicht die nächste Generation ist von unseren Entscheidungen, die wir heute treffen, morgen betroffen und in welcher Welt wollen wir morgen überhaupt leben?
Die Antwort hängt alleine von den Entscheidungen ab, die wir heute treffen und vielleicht sollte man mehr Menschlichkeit, gerade in dieser Frage, walten lassen. Margaret Mazzantinis Buch kann als Aufruf dazu verstanden werden, mal über das Schicksal der Betroffenen nachzudenken.
Ein wunderbarer Roman.
Autorin:
Margaret Mazzantini wurde 1961 in Dublin geboren und arbeitete nach der Schule als Theaterschauspielerin und für Film- und Fernsehproduktionen. Eine größere Aufmerksamkeit erlangte sie jedoch mit ihren Romanen, die inzwischen sämtlich ins Deutsche übersetzt wurden. Für Werke wie „Die Zinkwanne“ wurde sie mit mehreren italienischen Preisen ausgezeichnet. Mit ihrer Familie lebt sie in Rom.