Geschichten

Entengrütze und der Geruch von Erdbeeren

Mit den Fingern streiche ich vorsichtig über das Papier, erfahre Glätte und Unebenheiten, an einer Stelle ist das Papier rauh. Ich reibe vorsichtig zwei Finger aneinander, und verbinde fortan einen neuen Geruch mit Büchern, der so zuvor noch nicht mit ihnen in Verbindung stand. Der Duft von frischen Erdbeeren steigt mir in die Nase, ein Gefühl von Sommer kommt auf, doch schaue ich durch das Fenster sehe ich das Wetter unschlüssig, öffne ich das Fenster kommen mir die Gerüche (und der Lärm) der Straße entgegen. Ich wohne inmitten der Stadt.

Der Sommer existiert plötzlich nur noch auf den Papier.

Ein Kinderbuch aus Lettland ist es, was dieses Hin und Her auslöst. Geschrieben hat es die Autorin Lote Vilma Vitina, auch die liebevollen Illustrationen stammen von ihr. Erschienen ist “Der kleine Dichter und der Duft”, in der deutschen Übersetzung von Lil Reif bei Mirabilis. Der Dichter folgt einer Wolke nach draußen, Gerüche inspirieren ihn. Die mich in den Sommer versetzende Erdbeere duftet tatsächlich. Im Vorsatzpapier ist sie zu finden.

Im Frankfurter Ostpark geht es nicht ganz so idyllisch zu. Enten und Nilgänse sind sich nicht grün, da kann noch so viel Entengrütze für alle vorhanden sein. Missgunst bestimmt den Tag. Schnell geraten die schöne Gans Nilgül und der schlaue Enterich Hausen zwischen die Fronten ihrer Vogelscharen. Es wäre doch einfacher für alle, an einem Strang zu ziehen. Nur, wie zusammenfinden, wenn vermeintliche Unterschiede als kaum zu überwindende Barrieren erscheinen? Doch Freundschaft und Zusammenhalt können viel bewirken.

Liebevoll illustriert von Viktoria Wagner erleben “Nilgül und Hausen” in der Geschichte aus der Feder von Riccarda Gleichauf dieses große Abenteuer. Und alle kleinen Leser und Leserinnen (oder allen, denen diese wunderschöne Geschichte vorgelesen wird) können sich nicht nur an den Ententeich träumen, die beiden Hauptfiguren laden auch zum Singen ein. Drei Lieder, abrufbar bei Youtube oder per QR-Code runden Text und Bild ab. Dieses Kinderbuch ist interaktiv, im besten Sinne.

Geschichten für die Kleinsten, interaktiv oder haptisch erlebbar, so lieb, dass ich keine Sterne-Bewertung, sondern einfach nur beide Bücher allen ans Herz legen möchte, die gerne ihre oder andere Kinderbuchregale sinnvoll auffüllen möchten. Wer kann schon etwas gegen dönerfutternde Enten sagen oder Erdbeeren?

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Empfehlungen für Superlesende

Mit welcher Reihe wurdest Du an das Lesen herangeführt, mit welchen Büchern hast Du in Themenwelten eintauchen und dich gänzlich verlieren können. Wie hast Du deine Fragen beantworten, deinen Wissensdurst stillen können? Viele von uns denken da sicher an Reihen wie die der “Was ist was”-Bücher des Tessloff-Verlags, aber auch andere Häuser haben sehr interessante Reihen, zuweilen gar schon für jene, die gerade erste Sätze lesen lernen, sich aber natürlich auch bereits für verschiedenste Sachen interessieren. An anderer Stelle habe ich bereits einen Versuch gezeigt, Kinder für Kunst zu begeistern. Der Verlag Dorling Kindersley hat jedoch auch Werke zu zahlreichen anderen Themen. Auch die können spannend und kindgerecht aufbereitet werden. Dies zeigt die nun überarbeitete Reihe “Superleser!”, die verschiedenen Inhalte den Kleinsten zugänglich macht, ob dies Natur und Tierwelt betrifft, Sport oder Personen, deren Namen man im Gespräch oder im Fernsehen aufschnappen könnte.

In vier verschiedenen Abstufungen werden Themen wie etwa die “Tiere des Regenwalds” oder die “Expedition zum Mars” aufbereitet, je nachdem ob Kinder gerade beginnen, lesen zu lernen und noch an einfachen Sätzen üben müssen; hier ist die Schrift extra groß, Sätze sind sehr einfach gehalten und Silben markiert; oder schon kleinere Sachtexte gelesen werden können. Das Spektrum bewegt sich dabei vom Können im Grundschulbereich der ersten bis zur dritten Klasse. Dies dient der Leseförderung und funktioniert in Begleitung von Illustrationen, Fotos, einem Lese-Quiz sowie einer hintenan gestellten kindgerechten Begriffsklärung.

Dem Blog wurde die Ausarbeitung “Das Leben von Anne Frank” zur Verfügung gestellt, welches die Lesestufe 3 bedient. Sehr kompakt stellt der Autor Stephen Krensky das Leben des Mädchens, ihr Schicksal und dies ihrer Familie dar, immer mit den Fokus, welche Fragen haben Kinder, wenn sie vielleicht den einen oder anderen Satz irgendwo zufällig aufschnappen. Wie kann man das schier Unerklärliche irgendwie fassbar machen? Dieses Buch ist für das gemeinsame Lesen und Sprechen geeignet. Andere Werke aus der Reihe, wie z. B. über Dinosaurier können durchaus alleine geschmökert werden. Es kommt, wie bei allem, auf die Thematik und das Kind selbst an. Es ist ein gelungener Ansatz, Kindern bestimmte Inhalte zugänglich zu machen und sicher für den Verlag auch, sich auch die jüngsten Lesenden zu erschließen, aber auch ein schmaler Grat ob der Auswahl an Themen. Wichtig zunächst, es gibt sie. Die bereits große Auswahl scheint jedenfalls ein Indiz dafür zu sein, dass der Verlag durchaus mit der Reihe einen gewissen Erfolg hat.

Überblick über die Lesestufen:

Extraleicht
– Markierte Silben, sehr einfache Wörter, sehr kurze Sätze
– Extragroße Fibelschrift
– Lese-Quiz
– Ab 1. Klasse

Lesestufe 1
– Markierte Silben, sehr einfache Wörter, kurze Sätze
– Extragroße Fibelschrift
– Lese-Quiz
– Ab 1. Klasse

Lesestufe 2
– Klare Gliederung, einfache Wörter, kurze Kapitel
– Große Fibelschrift
– Lese-Quiz
– Ab 1./2. Klasse

Leseprofis
– Spannende Geschichten und Sachtexte, längere Kapitel
– Fibelschrift
– Lese-Quiz
– Ab 2./3. Klasse

Es bleibt zu hoffen, dass noch mehr Bücher dieser Art hinzukommen. Wissen, aufbereitet für die Kleinsten, ist ja schließlich nie verkehrt.

Das Buch wurde zur Vorstellung der Reihe dem Blog vom Verlag zur Verfügung gestellt.

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Leipziger Buchmesse 2019: Constanze John in der Minutenwelt Georgiens

“Wir sind Gäste in dieser Welt der Minute, Wir vergehen, und die Nächsten bleiben hier. Was wir miteinander tun, all diese freundlichen und angenehmen Dinge – das ist es doch, wofür wir leben, oder? Was, außer dem, werden sie mit in unsere Gräber legen? Nur drei Meter leinwand, nur”…

Zutisopeli/Die Minutenwelt, zitiert aus Constanze John “40 Tage Georgien”.

Es sind noch ein paar Dinge offen, die ich von der Messe mitgenommen habe, drei Interviews und Gespräche vor allem, die ich in Leipzig dieses Jahr mit verschiedenen Autoren geführt habe. Leider komme ich erst jetzt und in den nächsten Tagen wirklich dazu, diese zu sichten und werde dies hier, nach und nach, veröffentlichen. Gleich das erste Interview, welches ich vereinbart habe, veröffentliche ich jedoch in Form eines Berichts, da ich in diesem Falle noch besser meine Eindrücke schildern kann. Die anderen Interviews werde ich jedoch wirklich als solche veröffentlichen.

Das Gespräch selbst fand im Büro der Reisemission Leipzig GmbH statt, einer der vielen Veranstaltungsorte im Rahmen des Programms “Leipzig liest”. Diese Ausrichtung der Messe sorgt dafür, dass es eben eine wirkliche Publikumsmesse ist und nicht nur in den Messehallen selbst das Lesefieber gelebt wird. Und so versammelten sich in diesem Büro zahlreiche Zuhörer und Interessierte, um der Leipziger Schriftstellerin zu lauschen.

Constanze John
40 Tage Georgien – Unterwegs von Tiflis bis ans schwarze Meer
Seiten: 411
ISBN: 978-3-7701-8293-0
Verlag: mairdumont

Mit so viel Andrang hatte man beim mairdumont Verlag, bei der Reisemission selbst, wohl nicht gerechnet, am allerwenigsten, so schien es mir, die Autorin. Doch Georgien als Land eine große Unbekannte, weckt Interesse. Wir sprechen hier vom letztjährigen Gastland der Frankfurter Buchmesse, doch durch Autoren wie Nino Haratischwili ist das Land immer noch im Gespräch. Auch darüber habe ich mit Constanze John gesprochen.

Doch, zunächst drängelten sich die Zuhörer in den zwei kleinen Büroräumen und die Lesung begann mit einer Einführung in Georgiens “Minutenwelt”. Diese Zeilen, oben zitiert, eröffnen den Reisebericht, der hier schon rezensiert wurde, zeigen, wie dieses Land, gelegen am Kaukasus, tickt.

Die Autorin berichtet von ihrer Entdeckung der Faszination für die georgische Lebensart und vor allem für die Menschen und ihre Geschichten. Fotos werden gezeigt, Ausschnitte gelesen. Als sich der Trubel legt, die Lesung beendet ist, ist der Wunsch, das Land selbst einmal zu bereisen, bei vielen Zuhörern weit nach oben gerückt. Die Autorin und ich sind dann noch in den Büros geblieben und haben miteinander gesprochen.

Zwischen Supra und “Minutenwelt”, nach ihrer Lesung, Constanze John.

Wir vertiefen das in der Lesung Gesagte und kommen schnell auf die Welt des Augenblicks zu sprechen, die die Lebensart der Georgier zu bestimmen scheint. Man lebt jetzt, in diesem Moment und soll dies auch bewusst tun. Dieser Gedanke beeindruckt, wie auch die dort gelebte Gastfreundschaft. Ein Jeder wird willkommen geheißen, aufgenommen, Höhepunkt vielleicht, in das große Ritual der Supra mit einbezogen zu werden, die einen bestimmten Ablauf vorweist.

Constanze John über “40 Tage in Georgien – Unterwegs von Tiflis bis ans Schwarze Meer”.

Als dies zur Sprache kommt, ist Constanze John wieder in Gedanken bei ihren Eindrücken von ihren Reisen dorthin, und wieder auch bei den Menschen, die in hippen wandlungsfähigen Städten leben, aber auch in rauen und ursprünglichen Dorfgemeinschaften, bei einer kreativen und jungen künstlerichen Szene, aber auch bei Familien, deren Familienbiografien durch den Konflikt mit dem großen Nachbarland Russland und den abtrünnigen Provinzen Abchasien und Südossetien gebeutelt sind.

Die Autorin kommt auf Begegnungen, etwa mit den Künstler Pridon zu sprechen, der in seiner ganz eigenen “Minutenwelt” lebt, aber auch auf Momente des Glücks in Uschguli. Wer den Reisebericht gelesen hat, spürt die Sehnsucht der Autorin zu den bereisten Orten zwischen den Zeilen, beim Vortrag und auch im Gespräch hat sie das nochmals unterstrichen.

Wer Georgien einmal erlebt hat, verfällt dem wohl vollkommen. Und auch dem Humor dieses Volkes, wenn es Witze über die Armenier macht, wie es umgekehrt genau so geschieht, oder wenn mit lachenden Augen von der Entstehungslegende berichtet wird, die die Autorin im Gespräch ebenfalls nochmals hervorhebt.

Constane John hat sich Georgien über die Menschen und ihre Geschichten erschlossen.

Als Gott nämlich die Länder auf die einzelnen Völker verteilte, feierten Armenier und Georgier jeweils rauschende Feste. Als die Verteilung beendet war, blieb für die Armenier nur noch das Land der Steine übrig, die Georgier, die immer noch feierten , bekamen erst einmal nichts. Gott hatte jedoch Erbarmen und schenkte ihnen einen Flecken Erde, den er selbst für sich als Ruhesitz vorgesehen hatte. Unter einer Bedingung, nämlich, dass die georgier jeden Gast freundlich aufnehmen mussten, der zu ihnen käme. Und das tun sie bis heute.

Wie sich das auswirkt, kann man dann in Constanze Johns Reisebericht nachlesen, doch, nach ein paar Tipps gefragt, welche Orte man in diesem Land unbedingt besucht haben sollte, hat die Autorin folgende für uns Leser und Reisende:

Tblissi, als pulsierende Stadt im inneren des Landes mit abwechslunsgreichen Nachtleben.

Uschguli, das höchst gelegene Dorf Georgiens. Die Geschichte Georgiens, konzentriert auf einen Punkt. Wehrtürme als Wahrzeichen und die Kraft der natur in der Bergwelt des Kaukasus. und die Menschen, stolz und eigensinnig, die dort leben.

Wardsia, das größte von drei Höhlenklöstern Georgiens, phänomenal und eindrucksvoll.

Wenn ich etwas aus dem Buch, der Lesung selbst und dem Gespräch mit der Autorin mitgenommen habe, ist es diese Faszination für ein Land, welches man vielleicht nicht auf den ersten Blick weniger als Reiseziel, mehr als Ort der Begegnungen sehen sollte. Die macht man dort nämlich, eingenommen von der Gastfreundschaft der Bevölkerung, in den Städten und Dörfern Georgiens. Letztlich ist es das, was von solchen Erfahrungen bleibt. Vor allem in dieser “Minutenwelt”. Danke, für diesen Austausch der Autorin Constanze John und den Damen und Herren von mairdumont.

Fotos und Bericht dürfen ohne Genehmigung weder vervielfältigt, noch anders verbreitet werden und sind Eigentum des Autoren. Alle Rechte liegen bei findsobeucher.com, der Autorin und mairdumont.

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Maia Szalavitz: Clean – Sucht verstehen und überwinden

Clean - Sucht verstehen und überwinden Book Cover
Clean – Sucht verstehen und überwinden Maia Szalavitz mvg Verlag Erschienen am: 11.09.2017 Seiten: 416 ISBN: 978-3-8688-28504 Übersetzer: Martin Rometsch

Inhalt:

Alkohol, Drogen, verschreibungspflichtige Medikamente, Sex, Glücksspiel, Pornografie oder das Internet – heute gibt es mehr Menschen denn je, die von einer Sucht betroffen sind. Doch trotz der hohen medialen Aufmerksamkeit beruhen unser Erklärungsansatz und unsere Therapiemethoden auf veralteten Ideen und Annahmen.

Mit ihrem New York Times-Bestseller bietet Maia Szalavitz einen Denkansatz, der Sucht völlig neu definiert. Sie widerlegt, dass Süchtige ein »kaputtes Gehirn« oder eine »Suchtpersönlichkeit« haben, und betrachtet Süchte stattdessen als Entwicklungsstörungen.

Indem wir Sucht auf diese Weise betrachten, können wir nicht nur die Fehler herkömmlicher Therapiemethoden erkennen, sondern finden auch bessere Alternativen.

Es sind die persönlicheGeschichte, die Familie, Freunde, die Kultur sowie Chemikalien in der Umwelt, die eine Sucht auslösen. Wenn wir verstehen, wie diese Faktoren zusammenspielen und die Krankheit ausgelöst haben, liegt darin auch der Schlüssel zur Heilung. […] (Verlagstext)

Rezension:

Was wäre, wenn Drogen nicht mehr verteufelt, sondern, wie in Ansätzen in Neuseeland oder in den Niederlanden als Produkt der Gesellschaft und Bestandteil des menschlichen Lebens angesehen werden würde?

Was wäre, wenn wir uns darauf konzentrieren würden, Drogensüchtige nicht mehr als “nur” krank oder gar kriminell einzustufen, sondern als individuelle Persönlichkeiten mit Ecken und Kanten, als Personen mit Potential, denen man nur verschiedene Alternativen anbieten muss, zu denen sie nicht gezwungen werden dürfen, sondern, aus denen sie selbst wählen können, mit Setzung individueller Ziele?

Was wäre, wenn Therapien nicht mehr auf Zwängen bassieren würden, sondern auf Wertschätzung des Individuums?

Maia Szalavitz, selbst jahrelang drogensüchtig, engagiert sich für eine moderne Drogenpolitik, die sich auf die neuesten Forschungsergebnisse stützt, noch immer viel zu zögerlich angewandt wird, während die restriktive Politik der Kriminalisierung seit Jahrzehnten die verlierer unserer Gesellschaft produziert.

Herausgekommen dabei ist ein interessanter Denkansatz, den es zu diskutieren gilt.

In “Clean – Sucht verstehen und überwinden”, beschreibt die Autorin, gestützt auf eine breite Quellenlage aus Forschungsberichten und gesammelten Erfahrungen von Süchtigen, nicht zuletzt ihrer eigenen, Zusammenhänge des Gehirns und daraus entstehende Folgerungen. Wie entsteht Sucht? Was ist das überhaupt?

Kann Sucht erlernt, und im besten Falle wieder umgelernt werden? Welche Gemeinsamkeiten gibt es zwischend en chemischen prozessen im Gehirn eines Autisten und eines Süchtigen? Kann letzterer von dessen Erfahrungen profitieren?

Wo wirken heute noch gesellschaftliche Schranken so, dass sie die Sucht, worin auch immer sie besteht,. eher fördern als therapieren? Ist Therapie überhaupt ein richtiger Ansatz oder sollten wir uns hier nicht die Grundsätze moderner Pädagogik zu Eigen machen?

Aufgelockert durch ihre persönlichen Erfahrungen gelingt es der Autorin selbst schwierige Zusammenhänge für Laien verständlich zu erklären und die Welt der Süchtigen für “Gesunde” verständlich zu beschreiben.

Sachbücher in diesem Bereich haben oft den Nachteil entweder zu kompliziert oder zu einseitig zu bleiben, und wenn ein Überblick gegeben wird, ist dieser so grob, dass man darauf nichts weiter aufbauen kann. Ganz anders dieses Sachbuch, welches Szalavitz mit viel Engagement für die Thematik verfasst hat.

Gestützt auf einem breiten wissenschaftlichen Fundament argumentiert sie für mehr Menschlichkeit und Positivität im Umgang mit Suchtkranken, speziell im Bereich Drogen und gibt neue Denkansätze, über die es sich zu diskutieren lohnt.

Selbst, wer nicht mit allen Thesen der Autorin übereinstimmt, wird zukünftig über die Betroffenen anders denken als zuvor. Gesellschaftlich hat der in “Clean – Sucht verstehen und überwinden”, beschriebene Ansatz noch keine Mehrheit, findet aber aus guten Gründen auf der ganzen Welt im wissenschaftlichen, medizinischen und therapeutischen Bereich immer mehr Anhänger.

Ansätze dafür sind in einigen Städten Amerikas, in Skandinavien, Neuseeland oder den Niederlanden bereits vorhanden und werden immer weiter ausgebaut.

Das Plädoyer von Maia Szalavitz stützt dies und steht ein für Mut, überholte Behandlungssysteme zu durchbrechen und einem freundlicheren Umgang mit den Betroffenen, diesen eine neue Chance zu geben.

Trotz Längen, in diesem Bereich eines der Bücher, welches man auf den Schirm haben sollte.

Autorin:

Maia Szalavitz ist eine der führenden amerikanischen Journalistinnen, in der Theamtik Sucht udn Drogen. Ihre Arbeiten erscheinen dabei in der New York Times und im Scientific American.

Sie war 2015 und 2016 Soros-Justice-Stipendiatin und erhielt von der amerikanischen psychologischen Gesellschaft, der Allianz für Drogenpolitik und dem amerikanischen College für Neuropsychopharmakologie wichtige Preise für ihre Arbeiten über Neurowissenschaft und Sucht.

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Tim Krohn: Menschliche Regungen 1 – Herr Brechbühl sucht eine Katze

Herr Brechbühl sucht eine Katze Book Cover
Herr Brechbühl sucht eine Katze Reihe: Menschliche Regungen – 1 Rezensionsexemplar/Roman
Galiani Berlin
Erschienen am: 16.02.2017 Seiten: 473 ISBN: 978-3-68971-147-8

Inhalt:

Das Jahrtausend beginnt für den pensionierten Tramfahrer Hubert Brechbühl mit großen Plänen und ohne Katze. Für das junge Paar Pit und Petzi mit viel Sex. Für Julia Sommer ohne Sex. Für Selina May ohne Arbeit. Für Efgenia Costa mit Drogen.

Für Erich und Gerda Wyss mit Überlegungen, wer von beiden zuerst sterben sollte. Vieles davon wird sich ändern, anderes nicht. Elf Bewohnerinnen und Bewohner eines Züricher Mietshauses geraten im Jahr 2001 in einen Strudel der Gefühle. (Klappentext)

Reihenfolge der Bücher:

Tim Krohn: Menschliche Regungen 1 – Herr Brechbühl sucht eine Katze

Tim Krohn: Menschliche Regungen 2 – Erich Wyss übt den freien Fall

Tim Krohn: Menschliche Regungen 3 – Julia Sommer sät aus

[Einklappen]

Rezension:
Einen Roman zu schreiben, ist nicht zuletzt heutzutage eine Frage der Finanzierung. Warum dann nicht gleich seine Leser daran beteiligen und mit Rahmenvorgabe eine Geschichte erzählen, die die Leser sich wünschen.

Etwa in der Art hat Tim Krohn sein neuestes Werk auf den Weg gebracht. “Herr Brechbühl sucht eine Katze”, ist zunächst einmal eine episodenhafte Aneinanderreihung verschiedenster Gefühlszustände, die die künftigen Leser vorher “kaufen” konnten.

Nach “Erwerb” des Gefühls, gegen einen gewissen Geldbetrag, hat Tim Kron dann eine Geschichte im Rahmen eben dieses Gefühls geschrieben und mehrere dieser Kurzgeschichten zusammen einen Roman werden lassen. Crowdfunding im literarischen Betrieb.

Doch, wie wirkt nun das fertige Ergebnis? Der Herstellungsprozess, wie oben beschrieben, klingt zunächst wie die Zubereitung eines Gerichts durch Zusammenrühren von Instantpulvern, doch kann man sich hier relativ wenig beschweren.

Zwar ist hier Tim Krohn nicht gerade ein großer literarischer Wurf gewonnen, soll es vielleicht auch nicht, aber immerhin unterhalten tut er dann doch. Schließlich kennt ein jeder die diversen Alltagsprobleme in einem Mehrfamilien- und Mietshaus.

Kennt Jobangst, Vorfreude, Alltagsfrustration, Liebe oder Beziehungsstress und irgendwie vegrisst man, dass man die Geschichten praktisch einzeln für sich lesen könnte (nicht zu raten).

Am Anfang ist es gar so, dass man vielleicht soagr von Geschichte zu Geschichte seines Lieblingsprotagonisten springen möchte, auch das erledigt sich schnell. Die Behaglichkeit des beschriebenen Mietshauses mit seinen schrulligen Bewohnen, die man irgendwie alle in irgendeiner Form kennt oder kennenlernen möchte (oder auch nicht), tut ihr Übriges.

Der Roman selbst wird ncht ewig im Gedächtnis bleiben. Es schadet aber auch nicht, zu lesen, sich fallen zu lassen und sich ein paar Stunden lang zu unterhalten. Ein Wohlfühlroman ohne Schrecken aber mit akzeptablen Ende.

Kurze, flüssig erzählte, Kapitel betitelt mit den einzelnen Gemüszuständen, jedes Gefühl wird nur einmal vergeben, tun das Ihrige dazu. Alleine, das Projekt ist noch nicht zu Ende.

Wer möchte, kann weiter spenden und an der Entstehung weiterer Bände mitwirken (zwei Weitere sind schon in der Produktion). Noch viele Gefühle sind frei. So dürfen wir nicht nur Herrn Brechbühl und die Katze noch eine ganze Weile weiter verfolgen.

Autor:
Tim Krohn wurde 1965 in Wiedenbrück geboren und lebt in der Schweiz. In Glarus aufgewachsen, studierte er Germanistik, Philosophie und Politikwissenschaft, arbeitet er heute als freier Schriftsteller und Verfasser von Prosatexten, Dramen und Hörspielen.

Er ist Mitglied des Verbands der Autorinnen und Autoren der Schweiz und war von 1998 bis 2001 Präsident der Vorgängerorganisation des Schweizerischen Schriftstellerverbandes.

1993 erhielt er den UNDA-Radiopreis, den Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis 1994. 2007 erhielt er den Preis für das beste Schweizer Buch. Weitere Preise folgten. Krohn schrieb die Bühnenvorlage für das Einsiedler Welttheater, 2013.

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Patrick Ness: Sieben Minuten nach Mitternacht

Sieben Minuten nach Mitternacht Book Cover
Sieben Minuten nach Mitternacht Roman cbj Verlag Hardcover Seiten: 216 ISBN: 978-3-570-15374-1

Inhalt:
Das Monster tauchte kurz nach Mitternacht auf. Wie das bei Monstern eben üblich ist. Conor war wach, als es kam. Er hatte einen Albtraum gehabt. Na gut, nicht irgendeinen. Den Albtraum. Den einen, den er in letzter Zeit ziemlich oft hatte. Den mit der Finsternis und dem Wind und dem Schrei. Den mit den Händen, die er irgendwann nicht mehr festhalten konnte, egal, wie sehr er sich bemühte. Den, der immer damit endete, dass… (Klappentext)

Rezension:
Wenn man die Spreu vom Weizen trennt, bleibt von der ursprünglichen Menge nur ein kleiner Teil zurück. So ist es auch mit den zahlreichen Veröffentlichungen, die Jahr für Jahr den Büchermarkt erobern und gerade Patrick Ness ist hier mit einem wahrhaft faszinierenden und wunderschönen Juwel zu finden. “Sieben Minuten nach Mitternacht” ist eigentlich ein Kinder- oder frühes Jugendbuch, sprengt aber alle Altersgrenzen und kann ebenso gut von Erwachsenen gelesen werden. Zu Grunde liegt eine erschütternde und berührende Geschichte.

Die eines Jungen, der Angst vor der Angst hat, sich dieser zu stellen und daran zu zerbrechen. Die eines Monsters, welches Conor, so der Name des dreizehnjährigen Protagonisten, fordert und zugleich auf ihn achtet. Die, einer Familie, die schon längst am Boden liegt und die letzten Züge der Verzweiflung erlebt. Patrick Ness hat sich als Autor die undankbarste Aufgabe vorgenommen, das Werk eines anderen zu beenden.

Siobhan Dowd konnte ihre Geschichte, die schon in Entwürfen existierte, nicht mehr schreiben, da sie vorher von ihrer Krankheit besiegt wurde und so hat der Verlag Ness die Verantwortung übertragen, eine Geschichte zu schreiben, die Dowd gefallen hätte. Eine unmögliche Aufgabe, die in den falschen Händen gelegt, nur schiefgehen kann. Ness aber ist der Kunstgriff gelungen, seinen Respekt vor der Autorin mit seinen eigenen Ideen und schriftstellerischen Talent zu verbinden. das merkt man in jeder Zeile.

Jede Zeile, die uns den Protagonisten näher bringt und begleiten lässt auf den Weg zu seiner Wahrheit. Diese ist emotional und geht unglaublich nahe. Der Leser leidet mit Conor, dessen Charakter und Beklemmung. Schüchternheit und Angst wunderbar herausgearbeitet wurde. Ein Sympathie-Träger, mit den man weinen möchte, den man halten möchte. Man selbst stürzt jedoch mit ihm in die Abgründe der Angst, einen geliebten Menschen zu verlieren. Vielleicht die größte persönliche Katastrophe, die man erleiden kann.

Der Autor zwingt mit seiner Geschichte, sich mit einer schwierigen Thematik auseinander zu setzen. Für Kinder, die dies lesen, gibt er Berührungspunkte, Erwachsene werden daran erinnert, dass man nie zu alt ist, sich vor diesen Moment zu fürchten. Eine Meisterleistung, ein unglaublicher Spagat.
Vollkommen aber machen die Zeichnungen Nesss’ bzw. Dowds Roman, den man, dank flüssiger Schreibweise und kurzer Kapitel sowie faszinierender Geschichte, nur so wegliest.

Schwarz-Weiß-Bilder, die mal wie Kohlezeichnungen wirken, mal wie Aquarelle mit modernen grafischen Elementen und alleine für sich besonders sind, die Seiten aber zu einem wahrlichen Eye-Catcher machen. Dieses Kleinod der Literatur sollte man schon besitzen, alleine um es im Regal zu haben. Wer aber eintaucht in die Geschichte, sich von den Zeichnungen vereinnahmen lässt, erlebt einen wunderbaren Roman, der es verdient hat, in Ehren gehalten zu werden.

Eine ernste Thematik so anspruchsvoll und dennoch nicht hochtrabend mit erhobenen Zeigefinger zu verarbeiten, ist hier gelungen. Zu viele andere Bücher aus diesem Bereich sind einfach nur schlechter. Eine Wohltat für den, der diesen Roman liest. Vielleicht sogar um sieben Minuten nach Mitternacht?

Autoren/Zeichner:
Siobhan Dowd wurde 1960 in London geboren und ging nach dem Abitur an die Universität Oxford, wo sie studierte. Danach arbeitete sie als Redakteurin für PEN International und als freischaffende Autorin. 2006 veröffentlichte sie ihren Debütroman, der mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet wurde. Nach drei Jahren Krankheit verstarb Dowd 2007 an Brustkrebs.

Patrick Ness wurde 1971 in Alexandria, Virginia, geboren und ist ein amerikanisch-britischer Journalist und Schriftsteller.Er studierte Englische Literatur an der Universität von Südkalifornien und erstellte nach seinem Abschluss Gebrauchsanweisungen und Formschreiben für eine Kabelfirma. Seit 1999 lebt er in London und arbeitete seit dem an seinem ersten Roman. Er unterrichtete Kreatives Schreiben, arbeitete für eine Tageszeitung als Rezensent. 2014 hielt Ness eine vielbeachtete Rede zu den gesellschaftlichen Anforderungen für Autoren von Kinder- und Jugendliteratur, selbst veröffentlichte er Kurzgeschichten seit 1997.

Im Jahr 2011 vollendete er die Geschichte “Sieben Minuten nach Mitternacht” von Siobhan Dowd, die 2007 an Brustkrebs verstarb. Beide Autoren hatten sich nie getroffen, jedoch für den selben Herausgeber gearbeitet. Zum gleichnamigen Film, der 2017 erscheint, schrieb er das Drehbuch. Für seine Werke erhielt er zahlreiche Auszeichnungen.

Jim Kay illustriert seit 2015 die Bücher der Harry-Potter-Reihe und arbeitet darüber hinaus für Film, Verlage und Fernsehen.

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