Aufwachsen

Detlev Meyer: Das Sonnenkind

Das Sonnenkind Book Cover
Das Sonnenkind Detlev Meyer aufbau Verlag Erschienen am: 19.01.2018 Seiten: 232 ISBN: 978-3-351-03718-5

Inhalt:

Carsten ist fast zehn Jahre alt, ein wenig altklug und entdeckt die Welt mit seinen Kinderaugen. Das sind die Besuche des Cafe Kranzler mit Opa, das Spielen mit Freunden auf der Straße und die Eltern, die den kleinen wissbegierigen und manchmal alklugen Bengel, Herr werden müssen.

Doch, der Großvater erkrankt und versucht seine Umgebung davon abzuschirmen, der Junge indes macht seine ganz eigenen Erfahrungen mit der ihn meist wohlgesonnenen Umgebung, die dennoch ihre Tücken hat. Bühne frei für das Sonnenkind… (eigene Inhaltsangabe)

Rezension:

Carsten, fast zehn Jahre alt, wächst im „richtigen“ Teil Berlins auf, als der Westen im Wohlstand des Wirtschaftswunders schwelgte, sich die Demokratie dadurch etablierte und überhaupt das Leben am schönsten ist. Warum auch nicht, wo doch der Junge von allen gemocht wird?

Die Großeltern dichten sich eine adlige Herkunft an, verwöhnen ihren Enkel nach Strich und Faden, der Vater hadert mit den Kriegserinnerungen, versucht nach vorne zu blicken, der Großvater hat eine Geliebte und der Bruder macht aus allem ein Geschäft. Und alle mögen den Sonnenschein, vom Truseweg aus Neukölln, welches noch nicht das Viertel von Einwanderen ist, welches es einmal werden wird. Das Leben ist schön.

Detlev Meyer erzählt aus der Kindheit seines alten Egos. Entstanden ist mit den „Sonnenkind“ ein wunderbares Straßenportrait liebenswerter Figuren, die Betrachtung einer quirligen, sich findenden Metropole in Kleinformat.

Der Leser erfährt die Welt aus der Sicht eines altklugen, wissbegierigen, aber vorwitzigen und liebenswerten Bengels, der es faustdick hinter den Ohren hat, damit aber ganz und gar nach der Familie kommt.

Alle Charaktere sind schrullig, neben der Spur und doch so, wie man die Unterschiedlichkeit und Vielfalt der Berliner darstellen würde, wäre dies gefordert. Passieren tut dabei nicht viel, es ist trotzdem amüsant zu lesen, wie der Kleine die Widersprüchlichkeit der Erwachsenenwelt begreift und für sich zu nutzen weiß.

So wird der grantige Hausmeister ebenso um den kleinen Finger gewickelt, wie der tödlichen Krankheit des Großvaters der Schrecken genommen und der Leser kann gar nicht ohne Schmunzeln, Lächeln, von Zeile zu Zeile springen, Wort für Wort in sich aufsaugen. Ein kleiner Großstadtroman, der es in sich hat.

Geschrieben aus wechselnder Ich-Perspektive der handelnden Protagonisten ist der Lesende nah dran an den Figuren, die man durchweg für voll nehmen kann. Genau so stellt man sich diese und jene Person vor, und eben nicht anders.

Der Schreib- und Erzählstil macht sie greifbar, den Großvater, der seinem geliebten Enkel die Krankheit zu erklären versucht, sich selbst aber ebenso erklären muss, den Vater, der versucht Frau und Söhnen Herr zu werden und die Kinder, die ob ihres Charakterzugs im gesamten Straßenzug berühmt und berüchtigt sind.

Autobiographische Züge hat der Roman, in dem der Autor auf vorangegangenes Geschriebenes und auf seine Kindheit Bezug nimmt und sich so selbst ein Denkmal gesetzt ha.

Es is dies, sein letztes großes Werk, in welchen Detlev Meyer sich seiner Kindheit bewusst wird, die schön und angenehm war, als die Welt noch fass- und beherrschbar war, der Mauerbau nicht drohte und überhaupt Politik keine Rolle spielte. Nicht für einen Zehnjährigen, dessen Interesse sich nur in den Grenzen seiner unmittelbaren Umgebung bewegt.

„Das Sonnenkind“, ist ein gefälliger Roman, dessen Wirkung man sich kaum entziehen können wird, der gute Laune, eben die eines Kindes, verbreitet und mit Gewinn gelesen werden kann. Vielleicht sollten wir uns alle irgendwann an unsere Kindheit, an die Sonnentage, erinnern? Es könnte sich lohnen.

Autor:

Detlev Meyer wurde 1948 in Berlin geboren und studierte zunächst Bibliotheks- und Informationswissenschaften, bevor er als Bibliothekar in Toronto und Entwicklungshelfer in Jamaika arbeitete.

Er erhielt mehrere Literaturstipendien und widmete sich in Gedichten und Prosatexten als einer der wenigen offen schwul lebenden Autoren der Szene, sowie der Bedrohung durch Aids und deren Folgen. Sein letzes Werk erschien postum 2001 (Das Sonnenkind), nachdem er 1999 starb.

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Michael Gruenbaum: Wir sind die Adler

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Wir sind die Adler Michael Gruenbaum/Todd Hasak-Lowy Rowohlt Kindler Erschienen am: 22.04.2017 Seiten: 346 ISBN: 978-3-463-40679-4 Übersetzer: Jan Möller

Inhalt:

Michael -Mischa- erlebt eine behütete Kindheit in Prag. Er spielt gern Fußball, der Vater ist ein erfolgreicher Anwalt. Doch als Mischa gerade acht Jahre alt ist, marschieren die Deutschen ein. Die Repressionen nehmen zu, bis zur Gründung des Prager Ghettos, in dem Mischa mit seiner Familie landet.

Aber das ist nicht die Endstation: 1942 wird er mit Mutter und Schwester ins Konzentrationslager Theresienstadt gebracht. Dort lebt er mit vierzig anderen Jungen in einem Schlafsaal unter der Leitung von Franta, der die Jungen heimlich unterrichtet – vaterfigur, Beschützer und Mentor zugleich.

Die Kinder bilden eine verschworene Gemeinschaft, viele wachsen Mischa ans Herz wie Brüder. Doch über allen schwebt stehts die Angst, in einem der Züge gesetzt zu werden, die an einen Ort namens Auschwitz fahren… (Klappentext)

Rezension:

Genreübergreifende Werke haben das Zeug dazu, etwas weiter oben auf den Bücherstapeln der Läden zu landen, gerade wenn sie eine beeindruckende Geschichte zur Grundlage haben. Und so liegt mit „Wir sind die Adler“, ein beeindruckendes Werk aus dem Kindler-Verlag vor, welches sowohl eine Kindheitsbiografie, Zeitgeschichte, Kriegsroman und Jugendbuch darstellt.

Eines, dass es in sich hat. In Romanform erzählt wird die Geschichte von Michael Gruenbaum, der als Junge in Prag aufwächst, seine Eltern gehören zu den angesehenen Familien der tschechoslowakischen Hauptstadt, als die Nazis einmarschieren.

Sofort gibt es überall Einschränkungen, Verordnungen, Verbote, die der anfangs achtjährige Junge nicht begreifen kann. Er ist Jude und damit plötzlich am Rande der Gesellschaft. Die Ausgrenzungen fangen beim Vebrot des betretens bestimmter Straßenzüge an, bishin zur Jagd über die selben durch Gleichaltrige.

Das Geld wird knapper, die Eltern verlieren ihre Arbeiten, schließlich wird der Vater mitgenommen. Mischa sieht später nur noch den Sarg auf der Beerdigung. Dann kommen Deportationsbescheide. Terezin, die große Unbekannte und auch dort wird das Leben ständig bedroht.

Der Junge findet sich schnell ein, zwangsläufig, doch spürt er, wie er immer mehr an den Rand des Todes rückt. Wahre Geschichte ist immer noch die eindrücklichste, besonders wenn sie in einem Zeitraum spielt, den wir nicht vergessen sollten.

Und, wenn sie gut erzählt ist. Michael Gruenbaums Kindheit aus den Erinnerungen aufgeschrieben, ausformuliert von einem der besten Jugendbuchautoren Amerikas, fesselt, fasziniert und stößt den Leser in die Abgründe menschlicher Grausamkeiten, die für die besetzten Völker Europas und besonders für die jüdischen Bürger der betroffenen Länder, Realität wurden.

Am Anfang nur Gerüchte, die kaum zu glauben waren, wurde bald den meisten Menschen klar, welches die Ziele der „Herrenmenschen“ waren. Hasak-Lowy und Gruenbaum beschreiben dessen Erlebnisse aus Kindessicht auf.

Der Junge muss in einem viel zu kleinen Körper zu schnell erwachsen werden und handeln, um zu überleben. Mehr als einmal kommt er nur um Haaresbreite mit dem Schrecken davon.

Der Leser spürt all die Ängste, die Unsicherheiten, die Verzweiflungen, wenn wieder einmal Freunde verschwinden, schlechte Nachrichten aus anderen lagern eintreffen oder der Hunger übermäßig wird.

Hasak-Lowy merkt man die gute Schreibarbeit, selbst in der Übersetzung, an. Auch die Rechercheleistungen sind großartig. Wer einmal die Schauplätze in Prag und Terezin besichtigt hat, kann sich sofort hineinversetzen, wer diese Orte noch nicht betreten hat, wird den Wunsch verspüren, den Jungen aus dieser Hölle herauszuholen.

Michael Gruenbaum erinnert sich und Hasak-Lowy hat ergänzt, hat ereignisse rekonstruiert und so findet der Leser, der sich schon länger mit den Kindern von Theresienstadt beschäftigt, Jungen wie Petr Ginz oder Zdenek Taussig wieder, durchleidet deren Schicksale.

Kinder sagen immer die Wahrheit, nehmen die Welt mit ihren Augen neugierig auf, haben Hoffnungen und Träume, finden das kleine Glück auch in schwersten Zeiten. Dies gelingt den Autoren zu zeigen und zieht sich wie ein roter Faden durch dieses Werk, welches für Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen gut lesbar und beeindruckend ist.

Wieder ein Stück Personengeschichte, welches für die Nachwelt unbedingt bewahrt werden muss. Mit der Veröffentlichung im englisch- und deutschsprachigen Raum ist schon mal ein erster Schritt getan.

Michael Gruenbaum und den vielen anderen Kindern in Theresienstadt, besonders denen, die es nicht geschafft haben, ist es zu wünschen, dass dieses Buch viele Leser findet.

Autoren:

Michael Gruenbaum wurde 1930 in Prag geboren, wo er bis zu seiner Deportation nach Thersienstadt (Terezin) mit seiner Familie lebte. Nach der Befreiung des Ghettos wanderte er 1950 in die USA aus, wo er studierte und zwei Jahre in der US-Army diente.

Er arbeitete im öffentlichen Dienst, gründete eine Beratungsfirma und engagierte sich im Bereich Stadtplanung. Noch bis in die 2000er Jahre gab es Wiedersehenstreffen der überlebenden Jungen aus Theresienstadt.

Todd Hasak-Lowy ist Kinder- und Jugendbuchautor. Er promovierte in Vergleichende Literaturwissenschaft auf der University of California, Berkeley, war zudem wissenschaftlicher Mitarbeiter, dann außerordentlicher Professor für Hebräisch und Literatur an der University of Florida.

Er gab diese Position auf und schrieb Romane, wie „Dass ich ich bin, ist genau so verrückt wie die Tatsache, dass du du bist“. Für die Kindheitsgeschichte von Michael Gruenbaum fungierte er als Co-Autor. Er übersetzt hebräische Werke ins Englische und gibt Kurse in Kreatives Schreiben an der School of Arts Institute in Chicago.

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Riad Sattouf: Der Araber von morgen – 3

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Der Araber von morgen – 3 Serie: Der Araber von morgen Graphic Novel Knaus Seiten: 152 ISBN: 978-3-8135-0766-9

Inhalt:

Die Mutter des „blonden Arabers“ hält das Leben in Syrien nicht mehr aus und möchte nach Frankreich zurückkehren. Der kleine Riad erlebt, wie derVater hin- und hergerissen ist, zwischen seiner Frau und starken arabischen Traditionen, hält einen Tag den Ramadan durch und wünscht sich eine Beschneidung, um ein besonderes Spielzeug als Belohnung zu erhalten. Er erlebt Korruption und die Entfremdung seiner Eltern, im Alter zwischen sieben und neun Jahren.

Bücher der Reihe:

Gestaltung und Einordnung:
Es handelt sich hierbei um eine Graphic Novel, ein in einem bestimmten Zeichenstil auf hochwertigen Papier gedruckten Comic mit Klappenbrochure-Einband.

Tonangebend sind hier die Farben Rot und Grün, die jeweils die Kapitel kennzeichnen, die in der arabischen Welt spielen, wehrend die europäischen „Episoden“ kontrastreich in blauen Ton gehalten sind. Die Kapitel, die in Syrien oder Lybien spielen sind wesentlich kantiger gezeichnet. Dies ist der dritte Teil.

Rezension:
Heutzutage bestimmen die nahezu täglichen Meldungen unser Bild der Region, doch die Grundlagen für die Konflikte begannen bereits damals zu keimen.

Minderheiten herrschen über Mehrheiten, Versorgungsengpässe, Mängel überall, Stromausfälle, die unterschiedliche Verteilung von Bodenschätzen, dass Aufeinanderprallen zwischen Arm und Reich und nicht zuletzt willkürlich gezogene Grenzen und die Auseinandersetzungen zwischen arabischen althergebrachten Traditionen und die Anforderungen einer modernen Welt, derer sich viele schon damals chancenlos, oft jedoch noch optimistisch gegenüber konfrontiert sahen.

In dieser Zeit, Mitte bis Ende der 1980er Jahre, wächst der spätere französische Comiczeichner Riad Sattouf in Syrien auf. Seine Kindheitserinnerungen bilden die Grundlage nun des dritten Teils der Graphic Novel-Reihe „Der Araber von morgen“.

Scharfsinnig, wie in den vorangegangenen Büchern zeichnet Sattouf mit klaren Linien die Geschichte seiner Kindheit weiter und achtet dabei auch hier, den humorvoll-naiven und scharfsinnigen Blick des einstigen Kindes zu wahren.

Doch, das Kind ist inzwischen Grundschüler und spürt die Veränderungen innerhalb der Familie. Spannungen zwischen den Familienmitgliedern, die vorher nur ab und an sichtbar waren und nur mal eskalierten, spürt man nun die gesamte Geschichte über.

So sieht sich Riad erstmals selbst mit der Frage konfrontiert, wie weit arabische Traditionen wie die Beschneidung auch für ihn gelten sollen, er spürt erstmals die feinen Risse in der Beziehung seiner Eltern.

Die Stimmung wird insgesamt düsterer. Nur einstweilen durchbrechen kleine heitere Episoden, wie den Versuch seinen syrischen Spielkameraden den Brauch des Weihnachtsbaumes und Schenkens näher zu bringen, den tristen Alltag des syrischen Dorflebens und die Ankunft des zweiten Brüderchens ist ohnehin für Riad Tiefpunkt genug. Die Besonderheit steckt im Detail, im Mund des Bruders oder auch in der Zahnmaus.

Was einst eine Trilogie werden sollte, merkt man auf der letzten Seite, wird wohl weitergeführt werden. Das große „Fortsetzung folgt…“-Banner brangt auch hier. Der Leser darf sich also auf nochmehr gezeichneten Lesestoff freuen. Die Reihe zumindest, ist es wert.

Wieder liegt eine Geschichte vor, die auf mehreren Ebenen von einem Dilemma erzählt, in der arabische Familien schon damals den Spagat zwischen arabischer und europäischer Welt wagen mussten, wenn sie mit beiden konfrontiert waren. Sattouf legt dies wertfrei dar.

Der kindliche Blick, der den Vater zwar immer noch bewundert aber langsam durchschaut, ist klar. Riad möchte von beiden Seiten profitieren, schon damals. Noch versucht er, beiden Seiten gerecht zu werden. Doch, er erkennt langsam, dass es ihm nicht immer gelingen wird.

Nicht so brutal wie der letzte Band, jedoch genau so einprägsam legt der Zeichner seinen Lesern die Welt zu Füßen, die uns aus den nachrichten so bekannt vorkommen mag. Jedoch korrigier sich dieses Bild innerhalb weniger Seiten. Der Boden der Realität ist staubiger und sandiger.

Die Spannung wird hier für nachfolgende Geschichten aufgebaut. Teil 4 ist freilich noch nicht einmal im Heimatland von Sattouf draußen. Doch der Zeichner hält das Niveau der Vorgänger-Bände und legt diese besondere Art der Biografie jeden ans Herz, der auch nur ansatzweise die Konflikte in heutiger Zeit verstehen möchte.

Der muss zwangsläufig in die Vergangenheit zurück. Mit dem „Araber von morgen“ wird es zum dritten Mal gelingen.

Autor:
Riad Sattouf wurde 1978 in Paris geboren und ist Comic-Zeichner und Filmemacher. Aufgewachsen in Lybien un Syrien kehrte er mit 13 Jahren nach Frankreich zurück und studierte Animation. Er avancierte in Folge dessen zu einem der bekanntesten Comic-Künstler seines Landes.

Von 2004 bis 2014 zeichnete er für das Satire-Magazin Charlie Hebdo und wurde unter anderem mit dem Prix Rene Goscinny ausgezeichnet. Den bekam er für seinen Erstlingsfilm „Jungs bleiben Jungs“. Mit seiner Familie lebt und arbeitet er in Paris.

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Jonathan Safran Foer: Hier bin ich

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Hier bin ich Jonathan Safran Foer Kiepenheuer & Witsch Erschienen am: 10.11.2016 Seiten: 683 ISBN: 978-3-462-04877-3 Übersetzer: Henning Ahrens

Inhalt:

Julia und Jacob Bloch, die mit ihren drei heranwachsenden Söhnen in Washington, D.C. wohnen, haben ein Problem. Genauer gesagt, sie haben viele Probleme: Jacobs hochbetagter Großvater soll ins Altersheim, will aber nicht, ihr ältester Sohn droht von der Schule zu fliegen, dabei wollen sie in ein paar Wochen seine Bar Mizwa feiern.

Geplant ist ein großes Familienfest, zu dem auch die Verwandtschaft aus Israel anreist, was die angespannte Stimmung im Hause Bloch weiter anheizt. Und dann macht Julia eine Entdeckung, die alles infrage stellt, ihre Ehe, ihre gemeinsamen Werte, die Zukunft der Familie…

Während sich die häusliche Krise zuspitzt, dräut am Horizont ein globales Desaster: Ein katastrophales Erdbeben im Nahen Osten führt zu einem gewaltigeninternationalen politischen Konflikt, der auch die Familie Bloch im Kern trifft. (Verlagstext)

Rezension:

Wie groß ist die Kluft zwischen zwei Leben? Dem, das wir führen wollen und dem, welches wir tatsächlich leben? Dieser existentielle Frage stellt sich der Schriftsteller Jonathan Safran Foer und verarbeitet sie zu einer großartigen Familiengeschichte, wie man es von ihm, spätestens seit „Extrem laut und unglaublich nah“ kennt.

Auch hier geht es wieder um eine Familie, deren Leben durch ein erschütterndes Ereignis aus den Fugen gerät, deren Figuren sich voneinander fortbewegen aber doch nicht ohne einander können und wieder einmal um grundphilosophische Fragen, die nur Foer so poetisch vermag zu verarbeiten.

Und dergleichen hat der Autor viel zu erzählen.

Foer liebt das verschachtelte, in einander verwobene Gedankengänge, die seine Leser beschäftigen werden und doch sind seine Zeilen nicht schwer verdaulich. Im Gegenteil, Foer gibt genug Momente zum ausruhen, zum „sich fallenlassen“, erzählt dabei jedoch ungeheuer viel.

Eben so, wie auch in einer unscheinbaren Familie sich ungeheuer viele Ereignisse miteinader verweben, gerade, wenn sie auseinander triftet.

Als Leser verliebt man sich in die Protagonisten, nimmt die an sich zweifelnden und zerbrechenden Eltern Julia und Jakob gedanklich an die Hand, verfolgt mit Spannung das Werden der drei Söhne mit all ihren Marotten, Fehltritten und Glücksmomenten.

Verfolgt, wie innerhalb des Clans der Blochs/Blumenbergs ein graben auftut als der Staat Israel an den Rand einer katastrophe schlittert und wie der Tod des Großvaters Nähe und Distanz zugleich bringt.

Der Autor hat sich Zeit gelassen für diesen Roman und hat gut daran getan. Ein Meisterwerk auf Augenhöhe mit seinem vorherigen Romanen.

Ein Werk als Plädoyer an die Familie, selbst, wenn sie zerbricht, sich die guten Momente und Erinnerungen zu erhalten und ständig Grenzen und Ängste zu überwinden.

Ein Roman, der die Frage aufwirft, ob, wenn man nicht das Ideale erreichen kann, das größtmögliche Gute ebenfalls ausreicht? Ein Roman, der zeigt, dass jede Familie Empfindungen hervorbringt, die es auch in schweren Zeiten zu erhalten gilt und selbst, wenn alles zusammenbricht, immer auch positive Dinge übrig bleiben.

Ein Roman, der zeigt, dass wir Kindern glauben und auch nicht glauben, Erwachsene jedoch genau so hinterfragen sollten. Ein Roman, vielleicht gerade in diesen Zeiten als Erinnerung an ein gutes Amerika, bevor es die neue Regierung auf eine Reise ins Ungewisse schickt.

Ein vielschichtiges großes Familienepos, welches es zu entdecken gilt.

Autor:

Jonathan Safran Foer wurde am 21. Februar 1977 in Washington D.C. geboren und ist ein US-amerikanischer Schriftsteller. Er studierte Literatur und Philosphie und arbeitete als Rezeptionist und Ghostwriter, bevor er sich als Herausgeber einer Sammelzeitschrift zu Ehren des 1972 verstorbenen New Yorker Künstlers Joseph Cornell betätigte.

2002 erschien sein erster Roman, 2005 „Extrem laut und unglaublich nah“, welches bis zu seiner Verfilmung von Stephen Daldry als unverfilmbar galt. bekanntheit erlangte Foer auch als Sachbuchautor mit seinem Buch „Tiere essen“, in dem er sich mit der industriellen Tierproduktion und Massentierhaltung auseinandersetzte.

Er lebt in New York, mit seiner Familie. „Hier bin ich“ ist sein viertes Werk und dritter Roman.

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Michael Schulte-Markwort: Burnout-Kids

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Burnout-Kids Michael Schulte-Markwort Knaur Erschienen am: 01.03.2016 Seiten: 269 ISBN: 978-3-426-78815-8

Inhalt:

Sie sind einfach fertig. Sie müssen perfekt gestylt sein für den Auftritt in der Klasse. Die Noten müssen sowieso stimmen. Nach Schulschluss wartet schon der Trainer, dann die Klavierlehrerin.

In der Summe ist dieser Druck auf unsere Kinder unerträglich, denn sie unterwerfen sich fast völlig freiwillig dem Diktat unserer Leistungsgesellschaft – und leiden unter den Folgen.

Der erfahrene Kinder- und Jugendpsychiater Professor Michael Schulte-Markwort diagnostiziert täglich Burnout bei Kindern. Er fordert deshalb von unserer Gesellschaft eine Antwort auf die Frage: „Was für Kinder wollen wir?“ (Klappentext)

Rezension:

Kinder sind keine Tyrannen, wie es uns einige Ratgeber klarmachen wollen, auch sind nicht alleine die Eltern oder die zunehmende Digitalisierung unseres Lebens daran schuld, dass immer mehr Kinder den Anforderungen unserer Gesellschaft, ihrer Familien oder an sich selbst nicht mehr genügen und einfach „ausbrennen“.

Tatsächlich ist Burnout, eine Krankheit, die inzwischen in der Erwachsenenwelt anerkannt wird, bei Kindern und Jugendlichen angekommen. Immer mehr auch im Grundschulalter, wo der Leistungsdruck beginnt und von da an immer größer wird.

Bis einige von unseren Kindern nicht mehr können und sich in einer Spirale aus Enttäuschung, Misserfolgen und Depressionen befinden. Der Psychosomatiker Michael Schulte-Markwort berichtet in „Burnout-Kids“ über eine erst in den letzten Jahren entstehende Patientengruppe und darüber, wie er dieser begegnet und sie behandelt.

Herrlich unaufgeregt sieht er das Positive und das Potential jedes einzelnen Kindes und Jugendlichen und schlägt individuelle Wege ein, um die Jungen und Mädchen aus ihrer Depression herauszuholen und neue Wege aufzuzeigen, die Herausforderung Alltag zu meistern.

Und das mit einer ebensolchen Vielzahl an Behandlungsmethoden auf Augenhöhe seiner Patienten.

Michael Schulte-Markwort, der inzwischen seine Patientenbriefe direkt an die Kinder und Jugendlichen richtet und nicht mehr an die Eltern, hat hier einen verständlichen Ratgeber vorgelegt, der es Laien leicht begreiflich macht, was die Ursachen, so unterschiedlich die Patienten sind, für eine Erschöpfungsdepression, einem Burnout sind und warum schon die Kleinsten davon betroffen sind.

Anhand von Fallbeispielen berichtet er von seinem Alltag mit den Patienten, stellt klar, wie der Weg vom Erstbefund über die Diagnose, die Ursachensuche und die Behandlung funktioniert.

Er betont dabei immer wieder, dass nicht ein Faktor als Auslöser dieser Krankheit eine Rolle spielt sondern viele zusammenwirken müssen, damit ein Burnout entsteht und ebenso vielfältig dagegengesteuert werden muss.

Michael Schulte-Markwort macht den Eltern Mut, Hilfe, die es so vor Jahren noch nicht gegeben hat anzunehmen und ihre Kinder therapieren zu lassen, argumentiert für das Agieren direkt mit den Kindern selbst und ist überzeugt davon, dass jedes Anzeichen für Burnout bei Kindern einer schnellstmöglichen Behandlung bedarf.

„Burnout-Kids“ richtet sich direkt an den Leser, an die Mütter und Väter derer, von denen sie denken, dass sie den Alltag, die Verquickung von Schule und Privatleben, von digitalen Alltag und Familienwahnsinn nicht mehr standhalten können und zeigt Wege, wie es uns gelingen kann, Burnout-Kids zu verhindern oder, wenn schon passiert, ihnen zu helfen.

In klarer, deutlicher und verständlöicher Sprache ist Michael Schulte-markworts für den Laien geeignet, ein Wegweiser zu sein, der nicht von oben herab geschrieben ist und auch sich nicht auf bestimmte Phänomene des Alltags einschießt, die die Erwachsenen wohlgemerkt selbst geschaffen haben.

Denn keineswegs sind Kinder z.B. Schuld an der zunehmenden Techni- und Digitalisierung unserer Gesellschaft, am Druck unseres Schulsystems oder an Ursachen innerhalb der Familiengeschichte und den Lebensmodellen heute (z.B. Scheidungsfamilien).

Kein Wunder, dass der Druck für manchen Kleinen einfach zu groß wird. Michael Schulte-Markwort nimmt dabei nicht in Anspruch einen „goldenen“ richtigen Weg gefunden zu haben, er möchte aber eine Diskussion anstoßen, die das Leben vieler Kinder hoffentlich zum Positiven hin verändert.

Es ist daher zu hoffen, dass dieses Buch (und inzwischen sein Nachfolge-Buch „Super-Kids“) viele Leser findet, die mit Kindern zu tun haben, denn sie sind es wert sich damit auseinander zu setzen. Hoffen wir, dass es gelingt.

Autor:

Michael Schulte-Markwort wurde 1956 in Osnabrück geboren und ist ein deutscher Kinder- und Jugendpsychiator, sowie Universitätsprofessort. Er ist ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpychosomatik in Hamburg-Eppendorf, sowie leitender Arzt der entsprechenden Abteilung im Altonaer Kinderkrankenhaus.

Er gilt als Experte für erschöpfungsdepressionen imk Kinder- und Jugendalter: Er studierte nach der Schule Humanmedizin und Philosopgie in Marburg und Kiel und erhielt 1987 seine Approbation zum Arzt, 1991 promovierte er und war 1992-1996 Oberarzt in der Klining für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Medizinischen Universiät Lübeck.

Nach diversen Stationen erhielt er den Lehrstuhl für Kinder- und Jugendpsychosomatik am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Er hat zahlreiche wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Publikationen veröffentlicht.

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Michel Bergmann: Alles was war

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Alles was war Michel Bergmann Verlag: dtv Taschenbuch Seiten: 127 ISBN: 978-3-423-14457-5

Inhalt:

Ein alter Mann beobachtet heimlich ein Kind. Wie der Zehnjährige morgens zur Schule geht, wie er zu Hause am Bett des kranken Vaters sitzt, der das KZ überlebt hat. Wie der Junge ›Moby Dick‹ liest, am Zeitungsstand neben ›Quick‹ und ›Revue‹ die Comics entdeckt, im Café Kranzler Kakao trinkt.

Wie die Jahre vergehen, das Kind zum Mann wird und gegen die übermächtige Mutter aufbegehrt, während das Land sich allmählich verändert und doch stets mit seiner dunklen Vergangenheit wird leben müssen. Wer ist der Alte, der so viel über das Leben des Jungen weiß? Eine Geschichte voller Magie über eine Jugend in Deutschland nach dem Krieg.(Amazon Text)

Rezension:

Hier einmal eine biografische Erzählung aus ganz besonderer Perspektive. Michel Bergmann beobachtet sich selbst als Kind, dass in Frankfurt am Main aufwächst, der Finanzmetropole, die sie später werden sollte. Noch aber sind die Nachwehen des letzten Krieges zu verdauern.

Michel und seine Freunde spielen in Trümmern und fast jede Familie hat Verluste zu beklagen. Nicht nur Michel als Kind jüdischer Eltern hat Verluste zu beklagen. Doch, das Leben muss weitergehen. Die Mutter versorgt den kränkelnden Vater, der schließlich an den Folgen von KZ und Gestapo-Folter stirbt und baut sich nebenher ein Geschäft auf, um die Familie zu versorgen. Der Junge ist ihr Ein und Alles. Überbehütet und streng erzogen. Ihr einziger Grund weiterzuleben.

Michel, der Junge, geht zur Schule und beobachtet seine Umgebung. Die wenigen Besuche im Cafe Kranzler, das Spielen mit Freunden, schreckliche und inspirierende Lehrer und nicht zuletzt die bevorstehende Bar Mizwa, aufregende Höhepunkte eines an sich glücklichen Lebens, zumindest an der Oberfläche.

Darunter brodelt es gewaltig. Der Junge bekommt mit, mit den Jahren immer mehr, was die Erwachsenen vor ihm zu verbergen suchen. Familiäre wie wirtschaftliche Probleme als die Firma der Mutter ins Trudeln gerät, der immer noch schwelende Antisemitismus unter Lehrern und anderen Autoritätspersonen und später, schon als Volontär bei der Frankfurter Rundschau die Auschwitz-Prozesse. Angestoßen durch Generalstaatsanwalt Fritz Bauer.

Eine beeindruckende Biografie, schon als Kind vorzuweißen, schaffen nur wenige oder gerade die, die beeindruckend erzählen können. Michel Bergmann schafft dies, nicht zuletzt durch die Erzählperspektive als sich selbst beobachtender Beobachter.

Auf wenigen Seiten kurz gefasst, die einzelnen Kapitel lassen sich flüssig und schnell lesen, amüsant und abwechselnd nachdenklich melancholisch, dann wieder kritisch zu sich selbst und seiner Familie.

Er zeigt auf seine Umgebung mit den damaligen Augen eines Kindes, welches erst behütet durch die Eltern, sich später beginnt seinen Platz zu erobern. Wenn auch nicht immer freiwillig aber in jedem Fall empfehlenswert zu lesen.

Autor:

Michel Bergmann wurde 1945 als Kind jüdischer Eltern in einem Internierungslager in der Schweiz geboren und wuchs in Paris und Frankfurt/Main auf.

Nach dem Abitur machte er eine Ausbildung zum Journalisten bei der Frankfurter Rundschau, danach arbeitete er als freier Journalist. Er arbeiete als Autor, Regisseur und Produzent und begann Drehbücher zu schreiben. Seine Trilogie über jüdisches Leben in Frankfurt am Main der Nachkriegszeit wurde ein promter Erfolg.

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Edouard Louis: Das Ende von Eddy

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Das Ende von Eddy Edouard Louis S. Fischer Verlag Erschienen am: 25.05.2016 Seiten: 206 ISBN: 978-3-10-002277-6 Übersetzer: Hinrich Schmidt-Henkel

Inhalt:

Ein Befreiungsschlag, ein Aufbruch in ein neues Leben – mit unglaublicher Sprachgewalt erzählt der junge französische Autor Edouard Louis die Geschichte einer Flucht aus einer unerträglichen Kindheit: inspiriert von seiner eigenen. (Klappentext)

»Ich rannte weg, ganz auf einmal. Gerade hörte ich meine Mutter noch sagen ›Was soll der Scheiß jetzt wieder?‹. Aber ich wollte nicht bei ihnen bleiben, ich weigerte mich, diesen Moment mit ihnen zu teilen. Ich war schon weit weg, ich gehörte nicht mehr zu ihrer Welt, der Brief besagte es.

Ich kam zu den Feldern und wanderte einen Großteil der Nacht herum, auf den Feldwegen, in der Kühle Nordfrankreichs, in dem zu dieser Jahreszeit so intensiven Geruch der Rapsfelder. Die ganze Nacht über entwarf ich mein neues Leben fern von hier.« (Buchumschlagtext)

Rezension:

Nichts schreibt so packende, so komplexe, so gewaltige und manchmal auch so traurige, dann wieder witzige Geschichten wie das Leben, doch Eddys Leben ist vor allem eines nicht. Witzig. Er fühlt sich als Außenseiter in seinem Dorf, in dem die Geschlechterrollen vergangener Jahrhunderte noch fortleben.

Und das Ende der 90er und in den 2000er Jahren. Frauen haben sich demnach um den Haushalt und die Familie zu kümmern, die Väter sorgen für den Unterhalt (oder, wie in Eddys Familie, versaufen den Lohn).

Und Eddy, der kann sich in dieser Welt nicht durchsetzen, ist er doch ganz anders. Die Mitschüler hänseln und schikanieren ihn wegen seinem „weibischen Getue“, seiner hohen Stimme und bald merkt Eddy, zu seinem Entsetzen, dass er sich zu Jungen hingezogen fühlt.

Der Versuch, dagegen anzukämpfen, wird unweigerlich zum Scheitern verurteilt sein. Bis Eddy dies erkennt, ist es ein langer und steiniger Weg.

Edouard Louis hat einen packenden Roman über seine Kinheit vorgelegt, der einem kaum mehr loslässt und so taucht man ein in die Gedankengänge eines Kindes, das nicht sicher ist, wie es sich in der Gesellschaft einfinden soll. In seiner Rolle, die alle anderen ablehnen ob Gleichaltrige, Verwandte oder Eltern.

Eine Rolle, ein Charakter und ein Leben, welches erst angenommen und akzeptiert werden muss. Bis dahin hatte Louis harte Kämpfe durchzustehen und von diesem berichtet er in seinem Roman.

Natürlich sind einige geschichten abgeändert wurden, doch ein Großteil ist dem Autor selbst geschehen, es ist seine Geschichte. Er erzählt sie, nimmt den Leser mit auf eine Reise der Selbstfindung und räumt mit Vorurteilen auf, erzählt von Selbstzweifeln eines betroffenen Kindes, die eigentlich in unserer Gesellschaft der Vergangenheit angehören sollten.

Er erzählt vom Ausbrechen aus der Trostlosigkeit seines Dorfes und die Erkenntnis seiner Eltern, die die Sexualität ihres Sohnes zwar ahnen aber nicht wahrhaben wollen und doch möchten, „dass er es einmal anders, besser machen möge als wir“.

Ein Plädoyer für Toleranz, Respekt und Akzeptanz anderer Ansichten.

Autor:

Edouard Louis stammt aus einfachsten Verhältnissen, aus einem Dorf in der Picardie in Nordfrankreich. Er studierte Soziologie in Paris und hat einen Band über Pierre Bourdieu veröffentlicht. 2014 erhielt er den Pierre-Guenin-Preis, der besonderes Engagement gegen Homophobie auszeichnet. „Das Ende von Eddy“ erscheint in 18 Sprachen.

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Tommy/Werner Krappweis: Sportlerkind

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Sportlerkind Tommy/Werner Krappweis Knaur Taschenbuch Erschienen am: 01.04.2016 Seiten: 242 ISBN: 978-3-426-78793-9

Inhalt:

„Mein Urgroßvater war ein begeisterter Radfahrer und besaß das größte Fahrradgeschäft in Bayern. Seine Tochter – meine Oma – lief noch im hohen Alter mit dem Schäferhund um die Wette, unterstützt von Krücken und dem Durchhaltevermögen aus zwei Weltkriegen. Ihr Sohn – mein Vater – fuhr Radrennen mit geplatztem Blinddarm, ging Langlaufen mit abgerissenem Bizeps und joggen mit gebrochenen Rippen. Sein Sohn – ich – wollte einfach nur Lego spielen …“ 

Vater und Sohn erzählen von Hoffnung, Verweigerung, Lust und Leid am leistungssport – witzig, wahr und ein bisschen wahnsinnig. (Klappentext)

Rezension:

Neben Wildcampen ist Werner krappweis‘ größte Leidenschaft Radrenn- und Skifahren und so muss auch sein Sohn Tommy mit ins Radrennlager seiner Sportgruppe, wo der Vater Jugendtrainer ist oder im Winter Skifahren, obwohl er lieber Lego spielen und sich kreativ „austoben“ möchte. Das ist natürlich für den Vater kein richtiger Sport.

Vater und Sohn erzählen, wie auch schon im Vorgänger „Das Vorzelt zur Hölle“ irrwitzige, abenteuerliche und gefährliche Geschichten von gemeinsamen und alleinigen sportlichen Unternehmungen, die es in sich haben. 

Der Leser staunt, in welche Situationen man geraten kann und vor allem, dass Werner Krappweis aus den meisten dieser „Unglücke“ relativ unbeschadet herausgekommen ist. Wenn man „unbeschadet“ übersetzt mit „allerhand Verletzungen aber doch lebendig“. 

Dabei meint man Seite für Seite die Situationen hautnah mitzuerleben und den Nervenkitzel, wahlweise die Schweisausbrüche nachfühlen zu können und ist zugleich dankbar, eben nur vom heimischen Lesesessel aus in Gedanken mitzureisen. Ob auf Skier oder dem Rennrad. 

Und so ist dem Sportverweigerer Tommy Krappweis und dessen Vater, einem ausgemachten Sport-Fanatiker, wieder ein wunderbares Buch über gemeinsam und doch unterschiedlich Erlebtes gelungen, welches für ein paar Stunden Unterhaltung sorgen kann.

Autor:

Tommy krappweis wurde 1972 in München geboren und arbeitet als Musiker, Comedian und Regisseur, Produzent und Autor. In der Schulzeit schrieb er erste Theaterstücke und Sketche für die Schulbühne, gründete eine Band und arbeitete nach seinem Abschluss in der Westernstadt „No Name City“ als Stuntman. 

Er besuchte die Münchener Fachpberschule für Gestaltung und nahm erste kleinere Fernsehrollen an. Er arbeitete bei RTL Samstag Nacht und erfand die Kultfigur „Bernd das Brot“, für die er mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde.

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Gilles Paris: Der Glühwürmchensommer

Der Glühwürmchensommer Book Cover
Der Glühwürmchensommer Gilles Paris Bloomsbury Berlin Erschienen am: 30.03.2015 Seiten: 221 ISBN: 978-3-8270-12229-6 Übersetzerin: Carina v. Enzenberg

Inhalt:

Eine Mutter, die den lieben langen Tag nur Bücher liest. Eine zweite Mutter, die Landschaften ohne Menschen malt. Und ein Vater, der nicht erwachsen werden will. Ganz normale Familien sehen anders aus. Und doch wünscht sich der neunjährige Victor nichts sehnlicher als das.

In einem denkwürdigen Sommer an der Cote d’Azur könnte sein Wunsch in Erfüllung gehen, wenn er auf die Magie der Glühwürmchen vertraut. (Klappentext)

Rezension:

Jede Familie hat ihre Geheimnisse und die werden selbst vor den eigenen Kindern geheim gehalten. Denn, die sind schließlich zu klein um zu verstehen. Zumindest denken das die Erwachsenen. Und so besteht auch Victors Umgebung für ihn aus lauter Fragezeichen.

Die große Schwester, die ihren Bruder liebt aber ansonsten nur Augen für gleichaltrige Jungs hat und nie den Richtigen findet, ein Vater, der weder mit Menschen und noch weniger mit Geld umgehen kann, Eltern, die sich lieben aber irgendwie auch nicht und sich getrennt haben und zwei Mütter. Ganz und gar chaotisch.

Und so ist Victor froh als er ein wenig Ablenkung in den Sommerferien am Meer erfährt. Dort gibt es nämlich ein gleichaltriges Mädchen, seltsame Zwillingsjungen und auch Spuren, die Victor zur Lösung eines der vielen Rätsel seiner Familie führen werden. Und der Junge weiß, dass nach diesem Sommer nichts mehr so sein wird wie zuvor.

Es ist ein leichter Roman, keine schwere Kost aber allemal amüsant zu lesen, was Gilles Paris sich da aus den Fingern gesogen hat. Es passiert hier nicht viel und wenn, dann nur aus der Sicht des neunjährigen Protagonisten, der die Welt aus Kinderaugen naturgemäß ganz anders sieht als die Erwachsenen in seiner Umgebung.

Wohlfühlliteratur für den Sommer, etwas kitschig aber gerade noch im Rahmen. Man mag Vicotr einfach, von Beginn an und die ganze schrullige etwas chaotische Familie, sucht vielleicht als Leser gleich Parallelen zu seiner eigenen. Irgendetwas wird sich da schon finden.

Die Geschichte lässt sich insgesamt flüssig lesen, auch die nur für Victor spannenden Stellen lassen nicht wirklich inne halten. Müssen sie auch nicht. Insgesamt halte ich aber den Roman, nicht nur wegen dem Cover für schön, schließlich vermag sich doch fast jeder an einen besonderen Sommer seiner Kindheit erinnern, in der die Welt noch perfekt war, es viel zu entdecken und noch einiges an Rätsel gab. Und vielleicht auch diese besondere Magie der Glühwürmchen.

Autor:

Gilles Paris wurde 1959 in Suresnes/Ile de France geboren und jobbte nach seinem Abitur als Kellner, Medikamententester und Bürohilfe. Nach seinem Studium arbeitete er im Ministerium für Jugend und war in verschiedenen Buchverlagen tätig.

Paris gründete eine Agentur für Öffentlichkeitsarbeit und schrieb als freier Journalist Artikel für mehrere französische Zeitungen. Er ist Pressechef eines französischen Verlagshauses und veröffentlichte 1991 seinen ersten Roman. Eines seiner Bücher wird gerade verfilmt. „Der Glühwürmchensommer“ ist sein vierter Roman.

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Ralf Rothmann: Junges Licht

Junges Licht Book Cover
Junges Licht Ralf Rothmann Suhrkamp Erschienen am: 27.02.2006 Seiten: 237 ISBN: 978-3-518-45754-2

Inhalt:

Ralf Rothmann erzählt in der ihm eigenen, eindringlichen Sprache von den letzten Wochen der Kindheit, ihren leisen Schrecken und dem erhellenden Trost: »Wenn du dich für die Freiheit entschieden hast, kann dir gar nichts passieren. Nie.« (Klappentext)

Rezension:

Julian, von allen Juli genannt („Hau ab, Juli. Wir haben August.“), erlebt den letzten Sommer der Kindheit im Ruhrgebiet, in einer kleinen Arbeitersiedlung nahe der Zeche, wo sein Vater und andereKohle abbauen und ans Tageslicht befördern.

So schwer und anstrengend, wie die körperliche Arbeit der Bergleute ist, erlebt der Junge die Tage, die er wenig mit Freunden, oft alleine, verbringt. Merkt, wie seine Kindheit immer schneller ihm entrinnt und ihn in die Welt der Jugendlichen und Erwachsenen treibt.

Er sieht ihren Zwiespalt, ihre Scheinheiligkeiten, Schwierigkeiten und ihre Verlockungen, hier im Rahmen des Nachbarmädchens Marusha. Und immer wieder steht er zwischen den Stühlen, wenn er mal wieder unverschuldet in das eine oder andere Missgeschick und schließlich unter Mamas Kochlöffel gerät oder als intelligenter und künstlerisch begabter Außenseiter von seinen Freunden misstrauisch beäugt wird.

Der Zwölfjährige schlägt sich durch, nimmt alles Positive aus und schafft es, dem grauen Alltag immer wieder auch positive Seiten abzugewinnen. Der letzte Sommer der Kindheit ist ein ganz besonderer.

Sprachlich einfach geschrieben und doch sehr eindrucksvoll präsentiert Ralf Rothmann die Geschichte eines seiner bisher jüngsten Protagonisten im Rahmen seiner „Ruhrgebietsromane“, die man ruhig als eigenes Genre betrachten darf. Die Stimmung im Zechengebiet gut getroffen, nimmt man dem Autoren die Erlebnisse des Jungen ab und taucht damit auch in ein Stück deutscher Geschichte ein, die eine nicht ganz unbedeutende Rolle für dieses damals noch junge Land gespielt hat.

Die Zeilen fließen nur so dahin, der junge Protagonist ist sympathisch, sowie auch die meisten ihm umgebenden Figuren, wenn man von der psychisch angeschlagenen Mutter absieht, die ihre Kinder mit den Kochlöffel züchtigt.

Doch, insgesamt lässt der Roman den Leser nicht wirklich zufrieden zurück. Zwar ist der Abschluss der Geschichte schön, eine „runde Sache“ ist er dennoch nicht. Ein Abschlusskapitel fehlt gefühlsmäßig, was natürlich darauf hindeuten kann, dass die Reihe noch nicht abgeschlossen ist aber unabhängig davon kann man die „Ruhrgebietsromane“ wohl einzeln lesen, ohne die Vorgänger zu kennen.

So ist es zumindest hier der Fall und da tut es der eigentlich sehr guten Geschichte eben nicht gut, keinen Abschluss zu haben. Zwar kann man mit dem Ende leben aber das Tüpfelchen auf dem I, das letzte abgebaute stück Kohle, um in den Sphären des Romans zu bleiben, fehlt. Ralf Rothmanns „Junges Licht“ ist in meinen Augen unspektakulär, wobei das natürlich zu den meisten aller Kindheitssommer passt. Lesenswert ja, leider aber kein großer Wurf, der er hätte werden können.

Autor:

Ralf Rothmann wurde 1953 in Schleswig geboren und ist ein deutscher Schriftsteller. Nach Volks- und einem Besuch einer Handelsschule machte er zunächst eine Lehre als Maurer und nahm danach verschiedene Jobs an, bevor er sich 1976 in Berlin niederließ.

Dort veröffentlichte er 1984 einen Lyrik-Band. Dafür erhielt er 1986 ein Stipendium für Literatur. Sein erster Roman erschien 1991. Er lebt heute als freier Autor in Berlin, verarbeitete seine Kindheit in den sog. „Ruhrgebietsromanen“, die allesamt eine autobiografische Färbung aufweisen und erhielt zahlreiche Preise dafür. Sein Roman „Junges Licht“ wurde 2016 verfilmt.

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