Gesellschaft

Timothee de Fombelle: Tobie Lolness I – Ein Leben in der Schwebe

Tobi Lolness - Ein Leben in der Schwebe Book Cover
Tobi Lolness – Ein Leben in der Schwebe Timothee de Fombelle Kinderbuch/Jugendbuch dtv junior Taschenbuch Seiten: 408 ISBN: 978-3-423-71412-9

Handlung:

Seit Anbeginn der Zeit lebt Tobias Volk auf der uralten, mächtigen Eiche. Doch nun schwebt Tobie, 13 Jahre alt und gerade mal anderthalb Millimeter groß, in höchster Gefahr – und nicht nur er: Das Leben seiner Eltern und überhaupt des ganzen Baumes liegt plötzlich in seinen Händen. Doch Tobie bleibt wenig Zeit. Eine atemlose Jagd durch die sagenhafte Baumwelt beginnt. (Klappentext)

Reihenfolge der Bücher:

Timothee de Fombelle – Tobi Lolness I – Ein Leben in der Schwebe

Timothee de Fombelle – Tobi Lolness II – Die Augen von Elisha

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Rezension:

Hinter großartigen Covern muss noch lange keine ebenso große Geschichte stecken, doch lohnt es sich hier auf beide Facetten des Buches einzugehen. Weil hier sich eines zum anderen fügt und tatsächlich die “Verpackung” dem Inhalt gerecht wird.

So hat Francois Plate hier schon einen echten Blickfang aus einem grünen Blätterwald geliefert, über den die Hauptfigur sprintet. Dazu noch der Titel-Schriftzug, der sich fühlbar leicht vom Buchumschlag abhebt, in den selben Grüntönen und ein Cover-Kauf ist vorprogrammiert. Freudig zu sehen, dass sich diese Liebe zu zeichnerischen Details in der Geschichte fortsetzt. Wunderschöne Grauton-Zeichnungen begleiten den Leser durch die Geschichte.

Fast mag man sich an die Geschichte vom kleinen Nick erinnert fühlen, die zwei andere große Franzosen geschrieben und ja, eben gezeichnet haben. Letztere Zeichnungen haben Kultstatus erreicht, Plates Zeichnungen sind insgesamt jedoch detaillierter und ebenso liebevoll.

Die Geschichte selbst könnte auch in unserer Welt spielen. Skrupelloser Bauunternehmer biegt Gesetze für sich zurecht, um seine Pläne zu verwirklichen, beeinflusst die Regierenden und räumt unliebsame Gegner aus dem Weg. Nur würde das in der Zielgruppe Kinder/Beinahe-Jugendlicher wohl keiner lesen.

Und so verpackt de Fombelle diese Erzählung sprichwörtlich luftige Höhen, lässt die Menschenwelt auf Millimeter-Größe schrumpfen und macht einen 13-jährigen Knirps zum Helden. Gerade einmal anderthalb Millimeter groß wird Tobie vom brutalen Bauunternehmer Jo Mitch gejagd, schließlich ist er der Einzige, der seine grausamen Pläne gefährdet.

Die Eltern von Tobie, seine Mutter und sein Vater, Wissenschaftler, die sich für Fragen interessieren, wie “Gibt es Leben außerhalb des Baumes?”, sind da schon längst kalt gestellt. Doch Tobie gibt nicht auf. Doch, um seine Eltern zu retten, muss er an Jo Mitch und seine Schergen vorbei.

Eine wunderbare Geschichte über Freundschaft und Verrat, Mut und Angst, Umwelt und dem empfindlichen Gleichgewicht von Leben. Unserer realen Welt nicht unähnlich erlebt auch Tobie, wie eine empfindliche Störung des ökologischen Gleichgewichts nicht nur seine Welt, sondern auch sein Leben zerstört.

Doch, er lernt auch sich zu behaupten, in einer ihm feindlich gesinnten Umgebung und dass es Hoffnung ist, die bekanntlich zuletzt stirbt. Sehr gut lesbar für alle Altersgruppen, zu empfehlen auch für Erwachsene, die die Verantwortung dafür tragen, einen lebenswerten Planeten der nächsten Generation zu übergeben. Denn, sonst muss diese irgendwann genau so kämpfen zu Überleben wie Tobie Lolness selbst. Wir sollten uns selbst überlegen, ob wir das wirklich wollen.

Autor:

Timothee de Fombelle wurde 1973 in Paris geboren und ist ein französischer Schriftsteller und Dramatiker. Mit 17 Jahren gründete de Fombelle eine Theatergruppe, für die er selbst Stücke schrieb und inszenierte. Für eines dieser Stücke erhielt er in Zusammenarbeit mit dem Schauspieler Clement Sibony den Prix du Souffleur (2002) und wurde als Theaterautor bekannt. Heue ist er einer der bekanntesten franzöischen Schriftsteller.

Sein Jugendbuch “Tobie Lolness” wurde in 26 Sprachen übersetzt und u.a. mit den meisten französischen Jugendliteraturpreisen sowie den italienischen Andersen-Preis ausgezeichnet. Der Auftakt der Duologie errschien erstmals 2008 in Deutschland.

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Timothee de Fombelle: Tobie Lolness II – Die Augen von Elisha

Tobie Lolness II - Die Augen von Elisha Book Cover
Tobie Lolness II – Die Augen von Elisha Timothee de Fombelle Gerstenberg Erschienen am: 01.11.2010 Seiten: 441 ISBN: 978-3-8369-5204-0 Übersetzer: Tobias Scheffel/Sabine Grebing

Handlung:

Seine Eltern leben noch! Nach zwei Jahren Exil im Grasland bringt die Nachricht Tobie dazu, auf die große Eiche zurückzukehren. Doch welch ein schrecklicher Anblick bietet sich ihm dort: Weite Teile des Baums sind abgestorben, die Bewohner leben in Angst und Schrecken – und sein Erzfeind Leo Blue will Tobies große Liebe Elisha zur Heirat zwingen. (Klappentext)

Reihenfolge der Bücher:

Timothee de Fombelle: Tobi Lolness I – Ein Leben in der Schwebe

Timothee de Fombelle: Tobi Lolness II – Die Augen der Elisha

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Rezension:

Der zweite Band einer Reihe entpuppt sich oft als der schwächere in einer Reihe. Sei es, weil die Übergänge ins Finale sich einfach hinziehen wie Baumharz oder das Pulver, was in Band 1 verschossen wurde, hier einfach an Wirkung verliert und man sich diese lieber für die Finalrunde aufspart.

Was aber, wenn die Reiehe tatsächlich nur aus zwei Bänden besteht und der erste von beiden einfach nur genial ist? Dann geht das entweder schief, wie bei Glukhovskys “Metro 2034” oder wirkt phänomenal wie bei Tiomothee de Fombelle, der es geschafft hat, mit “Die Augen von Elisha” einen würdigen Nachfolger zu veröffentlichen. Und auch hier gehe ich dieses Mal, weil sich das lohnt, zu allererst auf das Cover ein.

Cover von Taschenbüchern werden entweder sträflich vernachlässigt, manchen Grafiker würde man am liebsten in die Kunstschule stecken, damit diese sich bessern oder sie produzieren Hingucker, wie es Francois Place auch hier gelungen ist.

Dieses Mal liegt der Handlungsort, die Äste des Baumes, unter einer dicken Schneeschicht begraben. Die Kälte und Dunkelheit, die die Geschichte im Gegensatz zum Vorgänger prägen, ist deutlich zu spüren. Der Titelschirftzug ist in den Herbsttönen absterbender Blätter gehalten, wie auch der Baum langsam stirbt unter den Machenschaften von Tobies Erzfeinden Leo Blues Jo Mitch’s.

Diese haben die Macht in der fragilien Gesellschaft des Baumes unter sich aufgeteilt und eine Sklaven-Diktatur des Schreckens geschaffen. Widersacher, wie Tobies Eltern, werden gefangen gehalten und zur Zwangsarbeit eingesetzt, auf alle anderen wird eine gnadenlose Hetzjagd betrieben, nicht zuletzt nach Tobie selbst.

Timothee de Fombelle zeigt auch hier wieder, wie wichtig Zusammenhalt, Toleranz und Akzeptanz ist, ein Kinderbuch gegen Hass, Feindschaft und Rassismus und für eine vielfältige Zukunft, wie sie heute von allzu vielen verteufelt wird. Das Buch wurde freilich zu einem Zeitpunkt geschrieben als Rechtsradikalismus und Intoleranz noch nicht die alltäglichen Schlagzeilen bestimmten. Man mag daher de Fombelle entweder eine besondere Weitsicht auf zukünftige Ereignisse zugestehen oder zumindest den Appell, es nicht so weit kommen zu lassen. Zumindest mit letzteren ist er heute vielleicht als gescheitert zu betrachten, wenn er diese Absicht denn gehabt hat aber er zeigt auch, dass Diktaturen, ob staatliche oder die der Meinungen, nicht lange überleben und immer ein Enmde finden, was mehr als tröstlich ist.

Insgesamt ist dies ein wunderbarer Roman für Kinder und angehende Jugendliche, der seine Leser ernst nimmt und sowohl von Klein als auch von Groß gelesen werden kann. Die älteren Leser werden die vielen Parallelen zum Heute bemerken, für jüngere ist es einfach ein spannungsgeladener lehrreicher Roman über Macht, Diktatur und krimineller Energie aber auch über Umweltschutz, Toleranz und akzeptanz, den Kampf um Gerechtigkeit und um das, was richtig ist. Ohne den Zeigefinger zu erheben. Timothee de Fombelle hat dies, wieder einmal, hinbekommen ohne ins Schlingern zu geraten. Die insgesamt kurzen Kapitel, reich illustriert, lesen sich flüssig und sind gespickt mit Cliffhangern, die dem Lesen mehr als zuträglich sind. Gern möchte man, dass Tobies Welt wirklich existiert. So weit von unserer eigenen ist sie ja nicht entfernt.

Autor:

Timothee de Fombelle wurde 1973 in Paris geboren und ist ein französischer Schriftsteller und Dramatiker. Mit 17 Jahren gründete de Fombelle eine Theatergruppe, für die er selbst Stücke schrieb und inszenierte. Für eines dieser Stücke erhielt er in Zusammenarbeit mit dem Schauspieler Clement Sibony den Prix du Souffleur (2002) und wurde als Theaterautor bekannt. Heue ist er einer der bekanntesten franzöischen Schriftsteller.

Sein Jugendbuch “Tobie Lolness” wurde in 26 Sprachen übersetzt und u.a. mit den meisten französischen Jugendliteraturpreisen sowie den italienischen Andersen-Preis ausgezeichnet. Der Auftakt der Duologie errschien erstmals 2008 inDeutschland.

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Luca di Fulvio: Das Kind, das nachts die Sonne fand

Das Kind, das nachts die Sonne fand Book Cover
Das Kind, das nachts die Sonne fand Luca Di Fulvio bastei Lübbe Erschienen am: 12.03.2015 Seiten: 830 ISBN: 978-3404-17180-4

Handlung:

Raühnval, ein opulentes Herrschaftsgebiet in den Ostalpen. Dort führt der junge Marcus ein priviligiertes Leben als Sohn des Landesfürsten. Bis zu dem Tag, als bei einem Massaker seine Familie und alle übrigen Burgbewohner ermordet werden. Marcus überlebt dank der Hilfe Eloisas, der Tochter der Hebamme, und findet Aufnahme bei den Dorfbewohnern. Doch die Herrschaft eines grausamen neuen Fürsten lässt bald einen kühnen Plan in ihm reifen: Marcus will für ein Leben in Freiheit und Gerechtigkeit kämpfen, für sich und für die übrigen Leibeigenen des Reichs.

Ein Vorhaben, das ihn erneut mit den dunkelsten Seiten des menschlichen Seins konfrontiert. Und ihm abermals das Kostbarste zu entreißen droht… (Klappentext)

Rezension:

Wenn ich Geschichte lesen möchte, greife ich meistens zu Sachbüchern, da ich nicht möchte, dass historische Fakten allzu sehr verdreht werden. Dann nämlich besteht die Gefahr, nicht mehr zwischen geschehenes und erfundenem unterscheiden zu können. Doch, habe ich mich dieses Mal an das neueste Werk von Luca di Fulvio gewagt, dessen andere Bestseller ich bisher unbeachtet gelassen hatte. Der italienische Autor nimmt den Leser mit auf eine Zeitreise ins tiefste Mittelalter, genauer 1407, wo der 9-jährige Marcus als Sohn des Landesfürsten von Raühnval ein umsorgtes Leben führt.

Er schläft in einem echten Bett, ist nie hungrig und wird von seinen Eltern nach allen Regeln erzogen, die ihn später zum Nachfolger seines Vaters werden lassen sollen. Marcus ahnt nichts von der Welt da draußen, wo die Bewohner der Dörfer in Armut leben und mit den einfachsten Mitteln zurechtkommen und von dem leben müssen, was Feld, Wald und Tiere hergeben.

Doch, der Fürst ist gerecht und das Leben einigermaßen erträglich. Doch, auf einmal ändert sich alles. Die Herrscherfamilie fällt einem Massaker zum Opfer und nur Markus wird gerettet durch die mutige Tat von Eloisa, einem kleinen Mädchen seines Alters.

Doch nun, aller Privilegien beraubt, muss er ums Überleben kämpfen. Für ihn heißt das, lernen, wie ein einfacher Mensch zu leben und zu arbeiten. Die Vergangenheit lässt ihn jedoch keine Ruhe. Der grausame neue Fürst hat, ohne von der wahren Identität des Jungen zu ahnen, im ständig in Blick, wie alle anderen Leibeigenen auch. Marcus lernt sich zu behaupten und in seinem Inneren entwickelt er einen kühnen Plan.

Ein atemraubendes Historienstück, Abenteuer und Krimi zugleich und eine beeindruckende Zeitreise. Auch, wenn es Raühnval nicht wirklich gegeben hat. Doch, so oder ähnlich hätte es sich durchaus abspeielen können als in Mitteleuropa noch das Heilige Römische Reich Deutscher Nation existierte und unzählige Fürsten um die Vormachtstellung im Reich kämpften und Komplotte mit- und gegeneinander schmiedeten. Der Unterschied zwischen Landbevölkerung und herrschenden Adel wird hier sehr schön und detailliert dargestellt, die Charaktere sind vielschichtig und nicht statisch. Tatsächlich ist die Wandlung, die Luca di Fulvio vor allem Marcus/Mikhail zuschreibt, beeindruckend beschrieben, was auch für die übrigen Protagonisten gilt. Tatsächlich versinkt man in diese Welt, leidet mit, hofft und bangt, so dass die über 800 Seiten schnell verfliegen. Ein sehr guter Historienroman, über einen Jungen, der nachts die Sonne fand.

Autor:

Luca di Fulvio wurde 1957 geboren und studierte nach der Schule Dramaturgie. Anschließend war er Mitglied des Livingf Theatre in London, bevor er 1996 seinen ersten Roman in Italien veröffentlichte. Der in Rom lebende Schriftsteller, dessen Werk “Der Junge, der Träume schenkte” 2011 ins Deutsche übersetzt wurde, beschäftigt sich dabei immer wieder mit Problematiken wie Gewalt gegen Frauen oder das Leben der Emigranten im Noew York der 20er Jahre. “Das Kind, das nachts die Sonne fand” ist sein dritter Roman, der im deutschsprachigen Raum erscheint.

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Claude K. Dubois: Akim rennt

Akim rennt Book Cover
Akim rennt Kinderbuch Moritzverlag Hardcover Seiten: 96 ISBN: 978-3-895652-684

Handlung:

Kurz zuvor hatte Akim noch mit anderen Kindern Krieg gespielt, nun bricht selbiger über sein Dorf herein, in dem er lebt. Bomben fallen, es gibt Tote und Verletzte. Das Dorf wird von Soldaten besetzt, doch Akim kann fliehen.

Im Chaos des Krieges aber wird er von seiner Mutter getrennt. Auf der Flucht lernt er Hunger und Kälte kennen aber auch Menschen, die sich seiner annehmen. Angekommen schließlich im Lager einer Hilfsorganisation geschieht das Unglaubliche. Er trifft seine Mutter wieder.

Rezension:

Die Geschichte ist schnell erzählt und leicht zu verstehen, nachzuvollziehen, weshalb hier kaum von Spoilern gesprochen werden kann. Denn, hauptsächlich handelt es sich um ein Bilderbuch und die Texte, eigentlich nur ein paar Sätze sind so verständlich, dass Erstleser, Schulanfänger damit mehr als zurechtkommen, wenn sie gerade angefangen haben Sätze flüssig zu lesen. Es geht hier aber auch mehr um die Bilder.

In beeindruckenden Schwarz-Weiß-Brauntönen gezeichnet, wird die Figur des kleinen Akim greif- und die Schrecken des Krieges, von Flucht und Vertreibung nachvollziehbar. Dabei bezieht sich Dubois nicht auf einen bestimmten Krieg, Ortsangaben werden nicht gemacht. Die Geschichte spielt in allen Konfliktregionen dieser Welt.

Dies ist die Stärke Dubois’. Ohne viele Worte, nur mit Zeichnungen eine ganze Geschichte zu erzählen. Es ist ein Kinderbuch für alle Kleinen, die beginnen, angesichts der aktuellen Situation in Europa und der Welt Fragen zu stellen.

Kinder bekommen mehr mit als Erwachsene denken. “Akim rennt” sollte dennoch nur begleitend gelesen werden. Zu erdrückend, ernst und komplex ist die Thematik. Es ist aber auch ein Buch für Erwachsene, die mal etwas anderes in den Händen haben wollen als politischer Hetz-Literatur a la Sarrazin und Co.

In Zusammenarbeit mit PRO ASYL und Amnesty International entstand dieses beeindruckende Werk, welches sich lohnt zu besitzen und zurecht den Deutschen Jugendliteratur-Preis bekommen hat. Für 12 Seiten Text (immer nur ein paar aussagekräftige kurze Sätze pro Seite), der Rest sind Zeichnungen. Weniger ist auch hier mehr.

Autor:

Claude K. Dubois, geboren 1960 in Verviers, Belgien, unterrichtet Illustration an einer berühmten Kaderschmiede dieses Faches, dem Institut Saint-Luc in Lüttich/Liège/Luik, wo sie auch selbst studiert hat. Sie veröffentlichte mehr als 40 Bilderbücher, von denen einige bereits im deutschsprachigen Raum erschienen sind.

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Hans-Ulrich Treichel: Der Verlorene

Der Verlorene Book Cover
Der Verlorene Roman Suhrkamp Taschenbuch Seiten: 175 ISBN: 978-3-518-39561-5

Inhalt:

Hans-Ulrich Treichels Erzählung handelt von einer Familie, an deren Leben nichts außergewöhnlich scheint: Der Flucht aus den Ostgebieten im letzten Kriegsjahr folgt der erfolgreiche Aufbau einer neuen Existenz in den Zeiten des Wirtschaftswunders. Doch es gibt für sie nur ein einziges, alles beherrschendes Thema: die Suche nach dem auf dem Treck verlorengegangenen Erstgeborenen, nach Arnold.

»Arnold ist nicht tot. Er ist auch nicht verhungert«. Das erfährt der kleine Bruder und Ich-Erzähler eines Tages von seinen Eltern: »Jetzt begann ich zu begreifen, daß Arnold, der untote Bruder, die Hauptrolle in der Familie spielte und mir die Nebenrolle zugewiesen hatte.« In derVorstellung des Jungen wird das, was der Eltern größter Wunsch ist, zum Alptraum: daß der Verlorene gefunden wird. (Verlagstext)

Rezension:

Es ist ein äußerlich unscheinbarer Roman, der es in sich hat. Trotz oder gerade wegen seiner wenigen Seiten. Der Inhalt, derart komprimiert, ist Familienroman, Psychogramm und Gesellschaftsreport einer ganzen Generation. Der Familie geht es gut im Wirtschaftswunderland. Der Vater führt einen kleinen Familienbetrieb, hat Erfolg, expandiert und baut aus.

Immer neue Autos werden angeschafft. Man ist ja wieder wer. Die Mutter hält ihrem Mann den Rücken frei und der Sohn schlägt sich so durch. Ganz normal. Doch, auf der Familie liegt der schwere Schatten der Geschichte. Auf der Flucht aus den ehemaligen deutschen Gebieten ging einst der Erstgeborene verloren.

Der Nachfolger, der ihm praktisch nur vom Hörensagen und zahlreichen Fotos kennt (er selbst ist immer nur bruchstückenhaft zu sehen), leidet unter den Schwermut und der Trauer der Eltern über den Verlust.

Und fühlt die Gefahr der Verdrängung. Zum Glück, so denkt der Junge, ist Arnold eben verschollen. Er selbst, der die Geschichte aus seiner Sicht erzählt, bleibt bis zur letzten Seite namenlos. Er fühlt sich auch nicht ernstgenommen, unbeachtetes Kind. Doch, sein schlimmster Alptraum scheint wahr zu werden als eine Chance sich für die Eltern eröffnet, dass der Junge wieder gefunden wird.

Der Junge steht mit dem Rücken zur Wand, fühlt sich durch das Phantom “Bruder” verdrängt, verloren in der Familie sowie so. Und so lässt er nur widerwillig die Tests über sich ergehen, die helfen sollen zu bestimmen, ob das Kind 2307 tatsächlich Sohn der Eltern ist oder eben nicht. Und freut sich über jedes Ergebnis, welches die Eltern immer mehr von ihrem Ziel der Zusammenführung der Familie entfernt.

Hans-Ulrich Treichel hat hier einen wunderbaren Roman geschrieben, der das Lebensgefühl der Anfangsjahre der Bundesrepublik Deutschland gut beschreibt, Erfolg im Wirtschaftswunder mit Trauer und Unsicherheit verschmischt als Folge des Zweiten Weltkrieges. Flucht und Vertreibung, das Auseinanderreißen von Familien und dem Wanken zwischen Hoffnung und Verlust.

Man fühlt regelrecht mit dem Jungen, freut sich, wenn er sich freut, bangt mit ihm, auch der Vater und später der örtliche Polizist Rudolph dienen als Identifikationsfiguren, die Mutter, die aus einer 0-Komma-Wahrscheinlichkeit für sich eine absolute Wahrscheinlichkeit macht, ist streckenweise einfach nur nervig und trotziger als der angehende Pubertierende, der die Situation reeller einschätzt.

Der flüssige Schreibstil macht dennoch die gesamte Geschichte sehr gut lesbar. Man kann sich das alles vorstellen und nachvollziehen, bekommt ein Gefühl für die Zeitepoche, welche sich besonders am Bild des Vaters orientiert.

Und im Nachhinein, ich habe den dazugehörigen Film “Der verlorene Bruder” zuerst gesehen und bin dadurch erst auf das Buch gekommen, gehört es zu einem der wenigen Bücher, die sehr gut verfilmt wurden. Nicht zuletzt durch die grandiose Darstellung des Jungen durch den Kinder-Darsteller Noah Kraus.

Der weicht zwar etwas von der Selbst-Beschreibung der Romanfigur ab, macht den Protagonisten aber noch greifbarer. Für Buch und für Film eine ausdrückliche Empfehlung.

Autor:

Hans-Ulrich Treichel wurde 1952 in Versmold/Westfalen geboren und lebte dort bis 1986. Nach dem Abitur studierte er an der Freien Universität Berlin Germanistik, Philosophie und Politikwissenschaften und promovierte 1983.

Seit 1995 lehrt er am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Bekannt wurde Treichel durch seinen Roman “Der Verlorene” in dem er eigene Kindheitserinnerungen verarbeitete. Hans-Ulrich Treichel ist Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland.

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Jürgen Todenhöfer: Inside IS – 10 Tage im Islamischen Staat

Inside IS - 10 Tage im "Islamischen Staat" Book Cover
Inside IS – 10 Tage im “Islamischen Staat” Jürgen Todenhöfer Erschienen am: 27.04.2015 Hardcover Bertelsmann ISBN: 978-3-570-10276-3

Thematik:

Zehn Tage reiste Jürgen Todenhöfer als erster westlicher Publizist in Begleitung schwer bewaffneter Jihadisten durch den “Islamischen Staat”. Eine abenteuerliche Unternehmung mit ungewissen Ausgang.

Doch nur so ist es möglich, das Leben der gefährlichsten Terroristen der Welt hautnah nachzuvollziehen, ihren Alltag, ihre Motive. Bislang ist es niemanden gelungen, den IS so genau zu recherchieren. Todenhöfer: “Man muss dort gewesen sein, um das IS-Phänomen zu verstehen. Man muss seine Feinde kennen, wenn man sie besiegen will.”

Eindringlich wird vor den radikalen und unmenschlichenn Zielen des IS gewarnt, für die es keine Rechtfertigung gibt. Vor allem keine islamische. Der IS sei ein Kind des völkerrechtswidrigen Krieges gegen den Irak.

Todenhöfers dramatischer Report aus dem “Reich des Bösen” ist eine eindringliche Mahnung, um einen politischen Ausweg aus der Gewaltspirale im Mittleren Osten zu finden. Und ein Plädoyer für eine klügere Antiterrorpolitik. (Klappentext)

Rezension:

Jürgfen Todenhofer ist ein durchaus umstrittener Journalist und Publizist. Nicht nur, weil er thematisch immer wieder kontroverse Themen aufgreift sondern stets mit beiden Seiten spricht. Mit Terroristen von etwa al-Qaida oder umstrittenen Machthabern wie den syrischen Präsidenten Assad auf der einen Seite, wie auch mit den ganz normalen Bürgern, mit Flüchtlingen und Menschenrechtlern auf der anderen.

Unter Journalisten umstritten, versucht er trotz Anfeindungen so ein ausgewogenes Bild von oftmals verqueren Situationen zu zeichnen, die sonst unverständlich bleiben. Für sein neuestes Projekt, dessen Erlöse wie immer für soziale Projekte gespendet werden, bereiste er mit Sohn Frederic den “Islamischen Staat”.

Wie funktioniert der Terrorstaat im Inneren? Was denken die Menschen, was die Machthaber? Was sind ihre Ziele und wie ist das mit dem Islam vereinbar, von dem diese predigen, den einzig wahren zu leben? Diese Fragen stellt sich Todenhöfer und nimmt dazu Kontakt auf, mit den gefährlichsten Männern der Welt.

Mit einer Sicherheitsgarantie des Kalifen macht er sich über die türkische Grenze auf, die Leute zu besuchen, die inzwischen zum Synonym für Terror und Grausamkeit schlechthin geworden sind. Rückkehr ungewiss. Das Medikament zur Selbsttötung immer griffbereit, um nicht zum Spielball des IS zu werden, sich dem im Notfall zu entziehen.

Und die Machthaber wissen um seine Einstellung, seine Arbeit, seine Meinung und versuchen ihre Ziele zu erklären. Offen und nicht weniger schrecklich als in den propaganda-Videos, die weltweit über das Internet flimmern.

Es kommt zu lautstarken Auseinandersetzungen aber auch zu intensiven Gesprächen und Beobachtungen auf den Marktplatz von Mosul oder im Kampfgebiet. Es geht um die Auslegung von islamischen Glaubenssätzen, Todenhöfer stellt sich dem mit fundierten Kenntnissen entgegen und entlarvt die Terroristen als unislamisch, diese widerum gewähren Einblick in ihre Weltsicht.

Eine gefährliche Reise, um wenigstens einen kleinen Einblick in das Funktionieren, den Alltag eines Gewalt-Regimes zu erhalten, dass sich im schlechtesten Falle noch mehr ausbreiten könnte und unmenschliche Folgen hätte. Im besten Falle ist dieser Bericht ein kleiner Stein auf den Weg zum Sieg über Grausamkeit und Terror.

Denn, “man muss seine Feinde versuchen zu verstehen, um sie zu besiegen”, so Todenhöfer selbst. Seine Reise gewährt einen Einblick und klärt vielleicht nicht alle Fragen, gibt aber Antworten. Antworten, über die es sich lohnt nachzudenken. Ein Plädoyer für den Islam und gegen die Gewalt der “Unislamisten”.

Eine Schrift für eine klügere Außenpolitik. Keinesfalls Propaganda für den “Islamischen Staat”, falls sich das die Machthaber erhofft haben als sie Todenhöfer in ihr “Land” ließen. Dieser Versuch ist fehlgeschlagen.

Autor:

Jürgen Todenhöfer wurde 1940 geboren und saß 18 Jahre für die CDU im Bundestag. Er war Fraktionssprecher für Entwicklungshilfe und Rüstungskontrolle. Anschließend arbeitete er 22 Jahre an der Spitze eines großen Medienunternehmens. Immer wieder bereiste er Kriegs- und Krisenschauplätze im Mittleren Osten, vor allem Afghanistan, Irak, Syrien und Palästina.

Mit seinen Buchhonoraren unterstützt er verschiedene Projekte, wie ein Waisenhaus in Afghanistan, ein HIV-Kinderkrankenhaus im Kongo oder ein israelisch-palästinensisches Versöhnungsprojekt. Das Honorar dieses Buches geht an syrische und irakische Flüchtlinge sowie an Kinder in Gaza.

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Henner Fürtig: Geschichte des Irak

Geschichte des Irak Book Cover
Geschichte des Irak Henner Fürtig C.H. Beck Erschienen am: 09.03.2016 Seiten: 224 ISBN: 978-3-406-68798-3

Inhalt:

Ist der Irak ein gescheiterter Staat? Im Norden kontrollieren die Kurden und Islamisten riesige Gebite, im Süden rivalisieren Schiiten und Sunniten um die Macht, und zwischen diesen Fronten werden Minderheiten wie Christen oder Jesiden aufgerieben.

Henner Fürtig zeigt, dass die Ursachen für diesen Zerfall historisch weit zurückliegen. Er erzählt die Geschichte des Zweistromlandes von der kolonialen Staatsgründung 1921 über die brutale Diktatur Sadam Husseins und die amerikanische Invasion 2003 bis heute und fragt nach den Chancen für eine Rückkehr zum Frieden. (Klappentext)

Rezension:

Ob der Flüchtlingsproblematik gehen Berichte, direkt über dieses Land, derzeit ein wenig unter, wobei gerade dort und in den Nachbarstaaten einige der häufigen und dringlichen Fluchtursachen zu finden sind. Das Chaos, der Terror und der Zerfall des Iraks in seine Bestandteile, je nachdem, in welchem Landesteil man sich gerade befindet und welcher Glaubensrichtung man angehört.

Die Ursachen sind historisch bedingt und liegen weit zurück. Noch vor der Staatsgründung, vor dem Zerfall des Osmanischen Reiches, in dem sich die heutigen Gebiete des Landes befanden, wurde die Saat dafür gelegt, den Staat oder was daraus einmal werden sollte, ins Chaos zu stürzen.

Henner Fürtig zeigt, welche Weichen und Blockaden im Laufe der Geschichte von einheimischen und Fremdherrschern gleichermaßen gestellt wurden, um dien Irak zu dem zu machen, was er heute ist.

Ob gewollt oder ungewollt. Der Autor differenziert zwischen Sichtweisen und Problemen, beleuchtet alle Seiten der Medaille Irak gleichermaßen und zeigt die Gründe dafür auf, dass heute dieses kulturell so reichhaltige und geschichtsträchtige Land ums Überleben kämpfen muss.

Wer die Ursachen für die heutigen Probleme des Iraks und seine Gesellschaft näher kennenlernen möchte, muss tief in die Geschichte zurückblicken. Henner Fürtig ist dies gelungen, ohne zu übertreiben, ohne zu pauschalisieren. Neutral ausgewogen und auf den Punkt genau stellt er historische Zusammenhänge leicht verständlich dar.

Ein hoch interessantes Sachbuch ist dabei entstanden über ein ebensolches Land. Der flüssige Schreibstil und die gute Recherchearbeit tragen das übriges dazu bei, diese Ländergeschichte ungeschönt, vielseitig und spannend darzustellen. Der Ausgang bleibt dabei freilich offen. Keiner weiß heute, wie sich die Situation des Irak künftig entwickeln, ja, ob der Staat überhaupt als solcher überleben oder doch noch implodieren wird.

Zu wünschen wäre es nicht, eher, dass die Menschen im Zweistromland sich auf ihre Stärken und Gemeinsamkeiten besinnen, zusammenhalten, damit die Geschichte des Irak weiter geschrieben werden kann. Henner Fürtig mit einem Beitrag, der dies außerhalb des Iraks mit diesem Buch ins Bewusstsein der Menschen rückt und damit einen wertvollen Beitrag leistet.

Autor:

Henner Fürtig wurde 1953 geboren und ist Professor am Historischen Seminar der Universität Hamburg und Direktor des GIGA Institut für Nahost-Studien. Zuvor arbeitete er am oriientalischen Institut der Universität Leipzig sowie als Projektgruppenleiter am Zentrum Moderner Orient in Berlin.

Er ist Vorstandsmitglied des European Association of Middle East Studies (EURAMES). Fürtigs aktuelle Forschungsthemen befassen sich u.a. mit Potenzen und Grenzen nahöstlicher Führungsmächte sowie dem politischen Islam und dessen Faktor im “Arabischen Frühling”. Zu diesen und anderen Themen veröffentlichte Fürtig bereits zahlreiche Bücher und Aufsätze.

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Carlos Ruiz Zafon: Der Schatten des Windes

Der Schatten des Windes Book Cover
Der Schatten des Windes Roman S. Fischer Verlage Taschenbuch Seiten: 564 ISBN: 3-518-45800-0

Inhalt:
Als der junge Daniel den geheimnissvollen “Friedhof der Vergessenen Bücher” betritt, ahnt er nicht, dass sein Leben eine dramatische Wende nehmen wird. Der Schatten des Windes, das Buch, das der für sich auswählen darf, wird ihn nicht mehr loslassen.

Immer mehr taucht Danilei in die faszinierende Handlung des Romans ein, und auch sein eigenes Leben scheint sich den Gesetzen dieser Geschichte zu unterwerfen… (Klappentext)

Rezension:
Als der zehnjährige Daniel sich nicht mehr an das Gesicht seiner verstorbenen Mutter erinnern kann, weiht ihn sein Vater in ein Geheimnis der Buchhändler und Buchliebhaber der Stadt ein und nimmt ihn mit, auf den gehüteten Friedhof der vergessenen Bücher.

Dort lagern die Werke von Autoren, die die Welt vergessen hat, die nicht mehr verlegt werden und für die sich scheinbar niemand interessiert. Der Brauch will es, dass derjenige, der diesen Ort zum ersten Mal betritt, sich ein Buch aussucht, was auch Daniel tut. Er greift zu “Der Schatten des Windes” von Julian Carax, nicht ahnend, dass dieser Roman sein weiteres Leben bestimmen wird.
Fasziniert von der Geschichte lässt er sich treiben und im Laufe der Jahre verweben Geschichte und Wirklichkeit immer mehr, werden eines. Als junger Erwachsener will Daniel schließlich mehr über den Autoren herausfinden, tut dies auch, doch bringt er sich damit selbst in Gefahr. Denn, im Spanien Francos, haben selbst scheinbar vergessene Autoren Feinde.

Zunächst ein Wälzer entpuppt sich dieses Werk als wunderbarer Roman, dessen ruhiger Schreibstil und die Beschreibungen der einzelnen Charaktere sowie der Atmosphäre in den Straßen Barcelonas, die Geschichte mehr als lesenswert macht.
Als Leser taucht man förmlich ein in die Geschichte, die einem bis zur letzten Seite nicht mehr los lässt, lebt, fühlt und leidet mit den Protagonisten. Zafon hat es dabei geschafft, jeden einzelnen Charakter nicht nur schwarz oder weiß als Eigenschaften mitzuliefern, sondern die Personen im Laufe der Handlung zu entwickeln und vielschichtige Seiten zu geben.

So gibt es hier zwar klar definiert Gute und Böse, aber auch deren Beweggründe sind zumindest nachvollziehbar.

Eine Geschichte über Bücher, in der man sich wünscht, einzutauchen und selbst auf einen solchen Friedhof sich ein Exemplar aussuchen zu dürfen und mit der Geschichte zu leben. Ja, das Schicksal des Buches zu teilen, zu enträtseln.

Der Schreibstil ruhig, fordert selbst Schnellleser zum Innehalten auf, immer wieder gibt es Stellen zum Nachdenken und solche, an denen man den Roman zur Seite legen muss. Ohne, dass das weh tut. Einfach, damit man noch ein wenig länger davon hat und das hat bei mir bisher selten eine Geschichte geschafft.
Und sie zeigt, dass ein jeder ein für sich besonderes Buch im Leben braucht, dessen Verbindung einzigartig ist.

Autor:
Carl Ruiz Zfon wurde 1964 geboren und wuch in Barcelona auf. Er besuchte die Jesuitenschule Sarria, die ihn mit ihren Türmen und Geheimgängen zu Geschichten inspiriert hat. Nach der Schule arbeitete Zafon in einer Werbeagentur, schrieb Kurzgeschichten und erste Romane.

1994 zog er nach Los Angeles und arbeitete als Drehbuchautor, sowie als Journalist für spanische Zeitungen. 2004 kehrte er nach Barcelona zurück. Seine Romane sind mehrfach ausgezeichnet.

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David Abulafia: Das Mittelmeer – Eine Biografie

Das Mittelmeer - Eine Biografie Book Cover
Das Mittelmeer – Eine Biografie Sachbuch S. Fischer Verlag Taschenbuch Seiten: 960 ISBN: 978-3-596-17441-6

Thematik:
Die Geschichte des Mittelmeers ist die Geschichte unserer Zivilisation. Über 3000 Jahre war das Mare Nostrum, wie die Römer es nannten, Zentrum des Handels und des kulturellen Austauschs zwischen drei Kontinenten.

Seine Gesamte Geschichte wird hier von dem großen Historiker David Abulafia in einer einzigartigen Zusammenschau brilliant erzählt: von der Errichtung der ersten geheimnissvollen Tempel auf Malta 3500 v. Chr. bis zu den heutigen Zielen des Massentourismus. (Klappentext)

Rezension:
In Zeiten, in denen täglich Bilder von Flüchtlingsströmen im Mittelmeerraum über die Fernsehbildschirme flimmern, ist es ganz gut, sich einmal ausführlich mit der Geschichte dieser pulsierenden und vielfältigen Region zu beschäftigen. Eine Geschichte, die nicht eben nur die Bettenburgen Spaniens umfasst, wie man sie leidgeprüft kennen mag, sondern viel weiter zurückgeht.

Der Historiker David Abulafia wagt diesen Blick in die Vergangenheit und führt den Leser ein spannendes Stück Geschichte vor Augen. Er zeigt, wie Handel und Kriege, unterschiedliche Kulturen mit ihren jeweiligen Entwicklungen und Bräuchen, das Leben am Mare Nostrum beeinflussten, welche Bedeutung das Mittelmeer einst hatte und noch hat.

Mit einem Blick für’s kleinste Detail zeigt er Hintergründe auf, die man ansonsten übersehen hätte und erklärt, das Zusammen- udn Gegenspiel von Römern und z.B. der Bevölkerung von Kathargo oder die wechselseitigen Beziehungen von Genua und Venedik sowie Dubrovnik. Er schildert den Aufstieg und Fall von großen Imperien, deren Dreh- und Angelpunkt eine einzige geografische Größe war, die zugleich oft genug die einzige Gemeinsamkeit darstellte.

Geschichte ist spannend und auch diese Geschichte ist spannend, doch sollte sich der geneigte Leser vor Augen handeln, dass es sich hier um ein Buch eines Historikers handelt, der vielleicht für Nicht-Fachleute schreiben wollte aber dieses Ziel gründlich verfehlt hat.

Es scheint mehr eine wissenschaftliche Abhandlung zu sein, die man konzentriert lesen sollte als eine einfache Geschichtsstunde. Der Begriff “Biografie” ist eine glatte Untertreibung. Wer das nicht weiß, kann ob der Masse der Informationen, des Facettenreichtums dieses Monumentalwerkes allzu schnell überfordert werden und kapitulieren.

Der Schreibstil ist dementsprechend sachlich und nüchtern, nicht jedoch einfach. Flüssiges Lesen gelingt nur, wenn man solcher Art von Lektüre gewohnt ist. Dann aber eröffnet sich ein wahrer Fundus an Wissen, welches man nur aufnehmen braucht aber sich bitte hinterher eine ausgiebige Pause gönnen.

Im Anschluss an die Abhandlung findet sich ein reiches Quellenverzeichnis und Register, dass, so scheint es, beinahe so umfangreich ist, wie die Geschichte des Mittelmeers selbst. Eine Geschichte, die es in sich hat.

Autor:

David Abulafia wurde 1949 geboren und ist Professor für Geschichte des Mittelmeerraumes an der Universität von Cambridge und an der British Academy. Zudem ist er Mitglied der Academia Europa. Für seine Arbeiten zur italienischen und mediterranen Geschichte wurde er im Jahr 2003 zum Commendatore dell’Ordine della Stella della Solidarieta Italiena ernannt. Er ht zahlreiche Bücher veröffentlicht, die inzwischen mehrfach übersetzt und ausgezeichnet wurden.

David Abulafia: Das Mittelmeer – Eine Biografie Read More »