Inhalt:
19. August 2017: Spanische Polizisten verhaften Dogan Akhanli, einen deutschen Staatsbürger, in Granada. Die Türkei hatte ihn über Interpol zur Festnahme ausgeschrieben. Die Tür seiner Zelle schließt sich hinter ihm – wieder einmal:
Wie in einer Zeitkrümmung durchlebt er erneut die Monate und Jahre, die er in der Türkei als politischer Häftling verbracht hat – 1975, 1985-1987 und ab August 2010. „Verhaftung in Granada“ ist, bei aller Grausamkeit und allem Unrecht, von denen die Rede ist, eine abenteuerliche, poetische und oft auch humorvolle Reise durch die letzten 40 Jahre, die uns hilft zu verstehen, warum in der Türkei noch immer und wieder Willkür und Gewalt herrschen. (Klappentext)
Rezension:
Eines der beliebtesten Reiseziele der Deutschen, oder was von diesem Status noch übrig ist, trudelt seit der Staatsgründung immer wieder von krise zu Krise.
Eine explosive Mischung aus Machtgier, Neid, Missgunst, falschen Geschichtsbewusstsein und Willkürordnen die Machtverhältnisse in unregelmäßigen Abständen immer wieder neu, was folgt ist ein Unterdrückungsregime im Schafspelzmantel.
Je nachdem, wer an der Macht ist, mit weniger oder eben mehr negativen Auswirkungen. Dogan Akhanli hat sie mehrmals, die harte Hand der diktokratischen Herrscher zu spüren bekommen. Gefängnisaufenthalte, die ihn immer wieder an sich und an die türkische Gesellschaft zweifeln lassen und ihn versuchen zu brechen.
Doch, Akhanli bleibt selbstbewusst und unbequem.
Wer ist dieser Mensch, der inzwischen Deutschland als seine Heimat betrachtet und dessen Name 2017 Schlagzeilen in den Zeitungen und Medienberichten machte?
Weshalb wurde Akhanli wochenlang in Spanien von der spanischen Polizei auf Ersuch des türkischen Präsidenten Erdogan festgehalten und was sagt das über einen Staat aus, der sich international demokratischer Mittel bedient, um Rache und Willkür walten zu lassen?
Wo stand die Türkei in den 70er, in den 80er Jahren, wohin treiben die jetzigen Machteliten dieses Land und wie sieht die Zukunft aus? Fragen, die gestellt werden müssen. Und Akhanli denkt laut darüber nach.
Es ist das Selbstprotrait eines Menschen, der die Ereignisse aus seiner Sicht schildert, die Deutschland beschäftigten und immer noch Probleme bereiten, wenn es um Staatsbürger geht, die als Journalisten unterwegs sind, praktisch von ihrer Arbeit abgehalten werden oder einfach so im Machtbereich der Türkei festgehalten und zum Spielball der Politik werden.
Akhanli schildert, sehr ernst und eindringlich, wie die Mächtigen in der Türkei zu unterschiedlichen Zeiten ihre Bevölkerung unterdrückten und bei unbequemen Fragen selbst unbequem werden. Zu Lasten der Bürger, die nichts anderes kennen, als einen Wechsel von demokratisch scheinenden aber im Grunde willkürlichen Systemen.
Mit Ernst und einer kleinen Prise Humor, anders wären die Qualen wohl kaum zu ertragen gewesen, schildert Akhanli Ursachen und Wirkungen, zieht Linien zur Entstehungsgeschichte und dem dunkelsten Kapitel der türkischen Geschichte, welches erst vor wenigen Jahren z.B. im Deutschen Bundestag geächtet wurde.
Der Autor schildert detailliert die subtilen Ungewissheiten eines menschenverachtenden Systems, welches nicht nur Gehirnwäsche betreibt, sondern auch Gewalt anwendet, ob psychischer oder physischer Natur, wenn niemand genau hinsieht.
Die Niederschrift Akhanli ist eine Ansage, dass es sich lohnt unbequem zu bleiben, dass es aber auch weiterhin hunderte Menschen gibt, Türken oder Ausländer, die unter Erdogans Häschern leiden. Auf dass sie nicht vergessen werden.
Dogan Akhanli hatte das Glück, die richtigen Kontakte und auf die richtigen Menschen zu treffen, bei allen seinen Gefängnisaufenthalten in der Türkei, doch müssen wir uns sein und die anderen Schicksale ständig in Erinnerung rufen, zumal wenn sie keine große Lobby haben.
Nur so besteht vielleicht irgendwann einmal die Chance, dass die türkische Bevölkerung ihren Weg unbesorgter gehen kann. Das Buch des Autoren ist vielleicht ein erster Schritt dazu.
Autor:
Dogan Akhanli wurde 1957 in der Türkei geboren und ist ein türkischstämmiger Schriftsteller. Nachdem er zuerst in seinem Heimatort die Schule besuchte, zog er später nach Istanbul zu einem älteren Bruder, um seine Schulbildung fortzusetzen.
Nach der Schule studierte er geschichte und Pädagogik, wurde 1975 wegen Kaufs einer linksgerichteten Zeitschrift verhaftet und begann sich politisch zu engagieren. Nach den Militärputsch 1980 ging er in den Untergrund, wurde Mitte der 1980er Jahre erneut verhaftet. 1991 floh er nach Deutschland ins politische Asyl.
Seit dem lebt er in Köln. 1998 wurde er von der Türkei ausgebürgert. Er ist Mitglied der Internationalen Schriftstellervereinigung PEN und engagiert sich in sozialen Projekten.
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