Sachbuch

Gina Louise Hunter: Essbare Insekten

Inhalt:
Von Anbeginn unserer prähistorischen Vergangenheit bis hin zu modernen Ernährungstrends spielen Insekten eine bedeutende Rolle. Heute ernähren sich schätzungsweise zwei Milliarden Menschen von ihnen, doch im Westen werden sie nur selten gegessen. Woran liegt es, wo doch unsere Vorfahren ebenso Insekten gegessen haben? Was können wir von ihnen und den Menschen, die diese heute noch auf den Speiseplan haben, lernen? Weshalb sind Insekten die Lebensmittel der Zukunft und welche Fragestellungen bringt dies mit sich? Die Anthropologin Gina Louise Hunter nimmt uns mit auf eine besondere kulinarische Reise.

Rezension:

Hierzulande eher auf Street Food Märkten oder in Szenerestaurants effektvoll serviert, spielen Käfer, Larven oder Heuschrecken eine eher untergeordnete Rolle, doch auch hier wächst die Anzahl der Interessenten, ein Markt, der andernorts auf der Welt riesig ist. Über 20.000 Familien in Thailand etwa betreiben Grillenfarmen. Längst sind auch große amerikanische Food-Konzerne auf das Potenzial der Krabbeltiere aufmerksam geworden. Warum, liegt auf der Hand. Schon in prähistorischen Zeiten haben wir Menschen uns von Insekten ernährt, die stets einfacher zu fangen waren als größere Säugetiere und die stetig wachsende Weltbevölkerung ist hungrig.

Doch in der westlichen Welt überwiegt der Ekel, dem sich eine noch kleine Anzahl von Pionieren zur Aufgabe gemacht hat, ihn zu überwinden. Die Anthropologin Gina Louise Hunter ist eine davon. In ihrem neuen Buch beschäftigt sie sich mit diesem Teil globaler Ernährungsgeschichte, wirft zunächst einen Blick in unsere Vergangenheit und schaut anschließend, wie mit der Thematik in anderen Teilen des Erdballs umgegangen wird, sowie was wir daraus lernen können.

Aufgelockert mit Fotos zeigt der sehr emphatisch gehaltene Bericht, worauf geachtet werden muss, wenn wir Insekten als eine Art globales Superfood begreifen und unserer Küche zugänglich machen, Vorteile und Nachteile dieser Art von Lebensmittel, z. B. auch als potenzielle Einnahmequelle von Menschen derzeit armer Regionen, bei richtiger Handhabung. Gut recherchiert schwankt dieses Sachbuch zwischen gesellschaftlichen Zustandsbericht und historischen Abriss, endet dann in eine Art historischen Kochbuch, in dem etwa österreichische Kipferl eine ganz neue Grundzutat aufweisen.

Jetzt immer noch skeptisch? Bitte zu diesem Werk greifen und zumindest mal auf dem nächsten Streetfood-Markt probieren, wenn etwa gebratene Mehlwürmer oder Heuschrecken angeboten werden. Oder gar Lebensmittel auf Mehlwurmmehlbasis, in denen man das verarbeitete Insekt nicht sieht. Wenn der Hunger auf der Welt nicht weiter wachsen soll, muss auch hierzulande über eine Erweiterung des Speiseplans nachgedacht werden. Gina Louise Hunters Buch ist ein Anfang.

Autorin:

Gina Louise Hunter ist Professorin für Anthropologie an der Illinois State University.

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Matthias Egeler: Elfen und Feen

Inhalt:

Dieser Band bietet kompetent und unterhaltsam einen Überblick über Geschichte und Geschichten der Elfen und Feen von ihren Ursprüngen in keltischen und nordischen Mythen bis in die Welt der isländischen „Elfenbeauftragten“ und von Harry Potter. Mal verstörende, mal zauberhafte Begegnungen mit Naturgeistern oder Gestalten wie etwa den Herrinnen von Avalon (Artussage), mit Elrond und Galandriel (Herr der Ringe), Titania und Oberon (Mittsommernachtstraum) oder auch Peter Pan verheißen Abenteuer und Lesevergnügen.

Zugleich wird deutlich, wie jede Epoche ihre eigenen Feen und Elfen hervorgebracht hat – und in den sich wandelnden Vorstellungen vom Übernatürlichen erkennen wir die Ängste und Sehnsüchte der jeweiligen Zeiten bis in unsere Tage. (Klappentext)

Rezension:

Heute ein fester Bestandteil der westlichen Populärkultur, haben seit ihrem Ursprung in der nordischen und keltischen Mythologie Elfen und Feenfiguren einen Wandel durchgemacht, der auf uns blicken lässt, die wir von ihnen erzählen. Dies gilt für ihre Gestalt, ebenso für ihre Fähigkeiten oder auch Rolle in unseren Gesellschaften. Jede Epoche hat eine eigene Anderwelt. Auf eine Reise durch die Geschichte bis zur Gegenwart nimmt uns der Autor Matthias Egeler mit und wirft damit auch einen Blick auf uns selbst.

Wenn es um Mythen und Legendengestalten geht, muss ein Rahmen abgesteckt werden, innerhalb dessen man sich orientiert, sonst ist die Gefahr sich zu verzetteln zu groß, gibt es doch von allen Geschichten regionale oder zeitlich zu verortende Varianten, weshalb sich der Experte für Altskandinavistik auf sein Fachgebiet konzentriert. Viele andere Figuren, mit denen man sich etwa im Mittelalter oder noch früher Naturphänomene oder Schicksalsschläge wie Krankheiten erklärt hat, hier nicht behandelt werden. Diese Beschränkung tut dem kompakt gehaltenen Sachbuch gut, gibt es doch immer noch genug Stoff zu erzählen.

Zwei Themenkomplexe werden hier abgebildet, zum einen der geschichtliche Wandel des Feenmythos im keltischen Raum, zum anderen der Bogen von den Gehöft ansässigen Elfengestalten im nordischen Island bis hin zur „Elfenbeauftragten“, die ursprünglich nur für den Tourismus eine Karte der verorteten historischen Plätze, derer man diesen Figuren auf dieser Insel zuspricht, zeichnen sollte.

Spannend wird hier beschrieben, wie Mythengestalten früher genutzt wurden, sich Krankheiten oder Kindersterblichkeit zu erklären, aber auch wie deren Rollen sich im Laufe der Zeit verändert haben. Mit zunehmender Modernisierung nahmen Kunst und Kultur der Anderwelt Macht und Einfluss, erst viel später etwa kam es zur Rückbesinnung auf die alten Geschichten.

Matthias Egeler räumt dabei auch Nebenkriegsschauplätze populärer Diskussionen auf Social Media auf, wenn es etwa um die Gestalt von Elfen und Kobolden der Harry Potter Filme und Bücher geht, ohne diese Auseinandersetzung explizit zu erwähnen, zeigt aber auch was Tolkin und andere bewirkt haben, aber auch wie die Theosophie ihre Zeichen gesetzt hat, bis hin zu gefälschten Fotos und Träumereien.

Zumindest letztere haben ein längeres Leben und so wird die Geschichte, wie sie Matthias Egeler zu erzählen weiß, wohl auch künftig fortgesetzt werden können. Dieses durchaus für den Verlag ungewöhnliche, jedoch gut recherchierte Sachbuch ist ein guter Einstieg in diese Welt.

Autor:
Matthias Egeler studierte zunächst Indologie, Nordistik und Indogermanistik, bevor er verschiedene Stationen in Oxford, Cambridge und München durchlief. An der Goethe-Universität Frankfurt/Main lehrt er als Professor für Altskandinavistik. Zu seinen Forschungsgebieten zählen die altnordische Literatur- und Kulturgeschichte, sowie des mittelalterlichen Irlands.

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Manfred Kühn: Kant – Eine Biographie

Inhalt:
Heinrich Heine hat gespottet, von Immanuel Kant könne niemand eine Lebensgeschichte schreiben, denn Kant habe weder ein Leben noch eine Geschichte gehabt. In seiner mittlerweile zum Klassiker avancierten Biographie des größten deutschen Philosophen räumt Manfred Kühn mit der Legende von Kants ereignislosem Professorenleben gründlich auf. Er zeichnet das Bild eines eleganten und geistreichen Gentlemans, der eine wichtige Rolle im gesellschaftlichen Leben seiner Heimatstadt Königsberg spielte. (Klappentext)

Rezension:
Im Wesentlichen auf drei Biografien, geschrieben von drei Herren, die Kant zu unterschiedlichen Zeitpunkten seines Lebens gekannt haben, stützt sich unser Wissen um den vielschichtigen Philosophen aus Königsberg, geschrieben, auf eine bestimmte Deutung aufgelegt, sind sie jede für sich nur Puzzleteile, die sich vor allem auf die Person und Ansichten in ihren letzten Lebensjahren bezieht, doch wie haben sich Kants Sichtweisen auf die Rolle des Menschen, seinen Wirkungsgrad im Spannungsfeld zwischen Philosophie und Religion entwickelt?

Der amerikanische Philosoph Manfred Kühn wirft, um diese Fragen zu beantworten, mit dieser Biografie einen neuen Blick auf das Werden Kants, dessen jungen Jahre, um die Entwicklung der Kantschen Philosophie nachzuverfolgen und schafft so ein differenziertes Bild dessen Lebens, seinem Denken und seiner Zeit.

Bevor der Lebensweg Kants verfolgt und detailliert geschildert wird, ist eine Personenübersicht dem sehr ausführlich gehaltenen Text vorangestellt, in dem die einzelnen Protagonisten, die einst die Wege des Königsberger Philosophen kreuzten, vorgestellt und in ihrer Beziehung zu diesem eingeordnet werden. Erst danach erfolgt eine Erklärung Manfred Kühns zu dessen Herangehensweise in seiner Betrachtung, die philosophische Theorien und Werke in Bezug setzt zu Kants Lebensabschnitten, in denen sie entstanden und schließlich veröffentlicht wurden.

Die philosophischen Überlegungen sind dabei stilistisch hervorgehoben, werden überdies auch ausführlich erklärt, ebenso wie Meinungsstreite und Auseinandersetzungen der damaligen Zeit. Diese Vorgehensweise führt zu einer sehr komplexen Art von Biografie, die zwar erhellend, dennoch nicht immer leichtgängig zu lesen ist. Das war zwar eines der Ziele Kühns, wobei dieses schnell an seine Grenzen gerät, wie selbst der Autor in seinem vorangestellten Prolog zugeben muss. Konzentration und vielleicht der eine oder andere Notizzettel sind also erforderlich, um Immanuel Kants Überlegungen Folge leisten zu können und Längen in der Lektüre zu überstehen.

Außerhalb der durchaus nüchternen Theorie hat es Kühn geschaffen, einen großen Denker aufleben zu lassen. Das historische Königsberg, seine gesellschaftlichen Strukturen und sein Gefüge innerhalb Preußens werden sehr anschaulich dargestellt, sowie die Auseinandersetzungen mit Kants Werken zu dessen Lebzeiten, schon für die Zeitgenossen von nicht ganz einfacher Natur. Hier ist dem Autoren eine sehr facettenreiche Schilderung gelungen, die viele Darstellungen Kants und die seiner Gegenüber zu einander neu in Beziehung setzt und einordnet.

Gänzlich unvertraut mit Kant sollte man nicht an die Lektüre dieser Biografie herangehen. Vorwissen ist zwar nicht unbedingt notwendig, aber vom Vorteil, um besonders komplexe, daher verschachtelte Textstrecken verfolgen zu können, derer man sonst geneigt ist, diese zu überfliegen. Das Werk Kühns soll zwar populärwissenschaftlich sein, geht jedoch einen Schritt weiter und ist eher geeignet, von Fachkundigen gelesen zu werden. Zuletzt rundet ein Zeitstrahl, ein ausführliches bibliografisches und Anmerkungsverzeichnis diese Biografie ab.

Autor:
Manfred Kühn ist em. Professor für Philosophie an der Boston University. Zuvor lehrte er an der Purdue University, USA, sowie in Marburg. Neben vielen Arbeiten über Kant, beschäftigte er sich mit Hume und Payne, die Aufklärung in Schottland, Frankreich und Deutschland, u. a. mit Johann Gottlieb Fichte.

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Christiane Wagler (Übers.): Das ist Kunst!

Inhalt:

Wie lebten und malten Vincent van Gogh oder Frida Kahlo? Was genau ist Impressionismus? Und wieso ist Pop-Art so bunt?

Vor Tausenden von Jahren wandten sich die ersten Menschen der Höhlenmalerei zu, in der Renaissance lebte die Antike wieder auf und im Action Painting wird das Malen selbst zur Kunst.

Diese umfassende Einführung in die Kunstgeschichte führt durch bedeutsame Stilepochen, stellt berühmte Maler und Malerinnen sowie ihre Werke vor, erklärt ihre Bedeutung, zeigt verschiedene Techniken und lädt dazu ein, selbst künstlerisch tätig zu werden. (Klappentext)

Rezension:

Mit Kunst kann man Bilder assoziieren, aufgehängt in Galerien, Räume mit staubtrockener Luft in altehrwürdigen Museen, doch künstlerische Arbeiten sind überall zu finden, um uns herum und auch ihre Geschichte kann so spannend erzählt werden, wie ihre Wirkung auf uns ist. Diese Welt den Kleinsten zugänglich zu machen, kann mit diesem neuen Werk, schon für sich genommen Kunst, gelingen, aus dem Hause Dorling Kindersley, dem es wie kein anderer Verlag gelingt, die Brücke zwischen gelungener Sachbuchliteratur für Kinder und Erwachsene zu schlagen.

In „Das ist Kunst!“ reisen wir durch die Kunstgeschichte, ihre Epochen und lernen die Menschen kennen, die einige ihrer bedeutendsten Werke geschaffen haben. Von der Höhlenmalerei bis zur modernen Kunst des Pop-Art, von Vincent van Gogh und Frida Kahlo bis zu Damien Hirst, der einen Banksy, afrikanischen Künstlern oder Damien Hirst, der einen Schädel ganz aus Diamanten konstruierte, 50 Millionen Pfund wert.

Es ist eine Art Lexikon, selbst ein Kunstwerk, welches die zeitgeschichtliche Entwicklung ebenso im Blick hat, wie einzelne Vertretende und zahlreiche Werke abgebildet zeigt, die die erklärenden Texte illustrieren. Die hochwertige Ausstattung lädt zum Mitmachen ein, Techniken werden erklärt und zeigen, wie u. a. Rembrandt oder William Turner Meisterwerke erschufen. Die Welt der Kunst ist groß und schillernd, nach der Lektüre sollte daran keine Zweifel mehr bestehen.

Dieses informative Sachbuch lädt ein zum Stöbern, egal ob man sich festliest, in die Betrachtung einzelner Kunstwerke versinkt oder gleich darauf hin selbst kreativ werden möchte und schlägt damit oben genannte Brücke. Zwar für Kinder gedacht, wirkt dieses Lexikon auch über die Zielgruppe hinaus. So verständlich, ohne staubtrockenen Überbauch und Interpretationsebenen, gelangt man nur selten zu einem Überblick.

Das funktioniert, ohne Wichtiges aus den Augen zu verlieren. Zeitrahl-Übersichten schlagen die Brücke zu den Historien-Büchern des Verlags, die Erklärungen zu verschiedenen Techniken zu den Selfmade-Werken, wobei die Zielgruppe die Art und Aufmachung durch verschiedene Tier- und Naturübersichten kennen dürften, die ebenfalls in gleicher Weise aufgebaut sind.

Ich kann hier nur meine Bewunderung zum Ausdruck bringen, dass es den Verlag hier wieder einmal gelungen ist, etwas Hochwertiges herauszugeben, welches auch die kleinsten Lesenden ernst nimmt und echtes Interesse zu wecken vermag. Vielleicht sind genau solche Werke jene, die Hoffnung machen können, dass es auch künftig gelingen kann, die Kleinsten in dieser schnelllebigen Welt das Innehalten und Versinken in der Betrachtung nahe bringen zu können. Mit „Das ist Kunst!“ ist wieder ein entsprechender Baustein dazu gesetzt.

Übersetzerin:
Christiane Wagler studierte Übersetzungswissenschaft in Leipzig, Edinburgh und Bilbao. Sie hat zahlreiche Bücher für Kinder, Jugendliche und Erwachsene aus dem Englischen ins Deutsche übertragen und ist zudem als Filmuntertitlerin, Dozentin und im redaktionellen Bereich tätig. Neben dem Übersetzen widmet sie sich verschiedenen Formen der Druckgrafik.

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Lisa Kaltenegger: Sind wir allein im Universum?

Inhalt:

Haben Sie gewusst, dass es in unserer Galaxie Milliarden potenziell lebensfreundliche Planeten gibt? Die Wissenschaft ist näher dran als je zuvor, das Rätsel um Leben im All zu lösen. Lisa Kaltenegger, die international gefragte Astrophysikerin und Astronomin aus Österreich, begibt sich in diesem Buch auf Spurensuche nach Super-Erden, Felsplaneten und Habitablen Zonen. Sie präsentiert Ergebnisse aktueller Forschung auf unterhaltsame Weise und erklärt, unter welchen Umständen außerirdisches Leben möglich ist. (Klappentext)

Rezension:

Unendliche Weiten, faszinierende Tiefen. Der Blick ins All vermag zu faszinieren. Mit immer größeren Teleskopen gelingen immer detailreichere Einblicke und atemraubende Entdeckungen. Viele Geheimnisse des Weltraums beginnen wir gerade erst zu entschlüsseln. Die Antwort auf die spannendste Frage jedoch, die zum ersten Mal vor mehr als eintausend Jahren dokumentiert wurde, steht noch aus. Sind wir allein im Universum? Gibt es Leben außerhalb der Erde? Der beste Beweis für Leben im All sind schließlich wir. Grund genug für die österreichische Astrophysikerin Lisa Kaltenegger, sich auf Spurensuche zu begeben. Von dieser erzählt sie in ihrem nun aktualisiert vorliegenden und vielschichtigen Sachbuch.

Und sie beginnt vor unserer eigenen Haustür, mit der Entstehung unseres Sonnensystems und der Erde, die als Vergleichsmaterial für ernsthafte Forschungen dienen, fernab aller Verschwörungstheorien. Dabei kommt unser Platz im Weltall zur Sprache, ebenso die Rolle von Licht und die Kategorisierung von Planeten, welche zusammen die Faktoren festlegen, nachdem eine Suche nach wie auch immer gearteten Leben überhaupt beginnen kann.

Hoch komplexe Themen erläutert die Autorin sehr anschaulich, so dass dies auch ohne Vorwissen zu begreifen ist, immer wieder aufgelockert durch beinahe comichafte, jedoch dadurch leichtgängige, die Sachverhalte verdeutlichende Zeichnungen. Vom Kleinen angefangen wagt sich die Autorin dabei mit uns Lesenden immer weiter in das Weltall hervor und zeigt, wie dieses Wissen den Wissenschaftler:innen heute hilft, Suchmethoden nach Planeten zu entwickeln und anzuwenden, auf denen Leben möglich sein könnte.

Wie diese funktionieren wird danach ebenfalls erläutert, bevor danach der Themenkomplex eröffnet wird, wie Leben überhaupt beginnen kann und welche Welten die Forschung bisher ins Auge hat fassen können. Entgegen der hoch komplexen Inhalte, sind die Kapitel sehr kurzweilig und kompakt aufgemacht, ohne wichtige Faktoren dieser hochspannenden Suche zu unterschlagen. Lisa Kaltenegger ist es gelungen, nicht allzu viel Fachsprache zu verwenden, ihre Leserschaft dennoch ernst zunehmen.

So wird der neueste Stand der Forschung auch Laien verständlich gemacht, im inneren des Buchrückens findet sich zudem eine der Thematik zu Grunde liegenden Sternenkarte und illustriert die bisherigen Forschungsergebnisse. Rundum ein gelungenes Sachbuch, welches allen Sternen-Fans zu empfehlen ist, die eine Aneinanderreihung von Fakten zugänglich aufbereitet vorfinden werden, ohne ins allzu Trockene abzurutschen oder schlimmer, von einem Schwarzen Loch verschlungen zu werden. Abzüge in der B-Note bringt allerhöchstens das Lektorat, welches den einen oder anderen Tippfehler übersehen hat. Eventuell werden diese jedoch bis zur nächsten Auflage entdeckt, genau so wie Lisa Kaltenegger und ihrem Team noch die Entdeckung vieler möglicher Erden zu wünschen ist.

Autorin:

Lisa Kaltenegger wurde 1977 in Kuchl bei Salzburg geboren und ist eine österreichische Astronomin und Astrophysikerin. Ihr Forschungsgebiet ist die Entdeckung von Exoplaneten, Exomonden und Supererden. Zunächst studierte sie u. a. Technische Physik, Astronomie und Japanisch, arbeitete als Übersetzung, bevor sie das Studium der Astronomie mit Diplom abschloss. 2002 schloss sie ebenfalls das Studium der Technischen Physik mit Spezialisierung auf Biophysik und Biomedizin ab, bevor sie 2004 in Graz promovierte.

Kaltenegger arbeitete zunächst für die Europäische Weltraumorganisation ESA, bevor sie an die Harvard University wechselte und war zudem an verschiedenen Instituten als wissenschaftliche Mitarbeiterin oder Leiterin tätig. Seit 2009 arbeitet sie für die NASA und ist außerdem außerordentliche Professorin an der Cornell University. Sie ist Mitgründerin des dortigen Carl Sagan Institute. Lisa Kaltenegger beschäftigt sich mit der Modellierung und Charakterisierung von Atmosphären um erdähnliche Planeten und deren Wechselwirkungen mit der Planetenoberfläche und war an der Entdeckung mehrerer Planeten beteiligt, die sich in der habitablen Zone befinden.

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Guido Knopp: Putins Helfer

Inhalt:
Wer sind die mächtigen Strippenzieher hinter dem russischen Präsidenten?

Über zweieinhalb Jahrzehnte nach seinem Weltbestseller „Hitlers Helfer“ porträtiert Guido Knopp in seinem neuen Buch nun die Mächtigen eines Reiches, das den Frieden in Europa mehr denn je bedroht: Putins Helfer.

Sie halten ihren Herrscher an der Macht, um selbst Einfluss zu nehmen und sich zu bereichern.

Es sind Oligarchen wie Roman Abramowitsch, die von der Nähe zum Diktator profitieren; routinierte Apparatschiks wie Sergej Lawrow, die als Sprachrohr ihres Herrn zu dienen haben – oder Kyrill der Erste, der als Patriarch von Moskau seine Kirche zum Erfüllungsgehilfen einer Diktatur macht. Sie alle sind Träger einer Tyrannei, die sich längst nicht nur nach innen richtet, sondern mittlerweile auch nach außen. (Klappentext)

Rezension:
Paladine, Träger und Garanten einer Herrschaft sind sie Mächtige in einem Reich, welches nach 1945 den Frieden in Europa mehr denn je bedroht. Sie alle stützen ein System und dessen Mann an der Spitze und sind gleichsam von dessen Willen und Launen abhängig. Putins Helfer verdienen dabei gut, auf den verschlungenen Pfaden zwischen entfesselten Kapitalismus und Korruption haben sie ein Vermögen angehäuft als Akteure einer Kleptokratie, die die russische Gesellschaft zerfrisst. Sie scheinen abhängig vom ehemaligen KGB-Offizier an der Spitze des Landes, doch könnten sie eines Tages einen Machtwechsel herbeiführen oder sich selbst nach oben katapultieren. Ebenso auch fallen. Schon mancher ist aus den Fenster gestürzt oder vergiftet worden. Der Journalist und Historiker Guido Knopp folgt den Spuren derer erstaunlichsten Figuren.

Und legt damit ein Zustandsbericht der russischen Führungsriege offen, eines engen Geflechts aus Wirtschaft, Politik und Militär, welche durch Korruption und mafiöser Methoden zusammen- und am Leben gehalten wird. Den sicheren Raum verlassend, den die Betrachtung bereits gelebter Personenbiografien bietet, gleicht die Lektüre hier einen Krimi. Das Sachbuch wurde 2023 veröffentlicht, längst müsste man zu einigen der beleuchteten Lebenswege Anmerkungen und Zusätze anfügen. Die Geschichte Prigoschins etwa, ist da als Beispiel zu nennen.

Sieben Personen aus Putins Umfeld werden in gewohnt kurzweiliger Form beleuchtet. Teilweise taucht man in Szenarien ein, die einem zuweilen an eine innere Form von Krieg und Frieden erinnern und gerade im Kontext der aktuellen Geschehnisse mehr als nur interessant zu betrachten sind. Unweigerlich zieht man Parallelen zwischen den dargestellten Personen, ebenso nach den „Vorbildern“ vergangener Diktaturen. Die Titel-Parallelität ist dabei bewusst gewählt und trifft, wie die Faust aufs Auge.

Recherchearbeit ist hierbei jedoch nicht leicht gewesen. Russlands Mächtige bleiben im Dunkeln, haben im Laufe der Jahren nur wenig von sich selbst verraten, weshalb sie im Gegensatz zu manch anderen Weg-Begleitern noch am Leben und auf einflussreichen Posten sind. Trotz Sanktionen und Auswirkungen, die sie eines Tages eventuell durchaus dazu treiben können, auf Putin jemand anderes folgen zu lassen. Spannend wird es immer dann, wenn weniger hierzulande bekannte Gesichter beleuchtet werden. Das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche etwa, oder Russlands TV-Protagonist Nr. 1, Wladimir Solowjow, während man etwa von Lawrow ein Bild im Kopf haben dürfte.

Das Aufzeigen von Abhängigkeiten in einem kleptokratischen System ist Guido Knopp hier hervorragend gelungen, zudem er auch die Entwicklungen der jüngeren Zeitgeschichte Russlands nicht zu kurz kommen lässt. Zudem kann dieses Sachbuch als gelungenes Einführungswerk dienen, sich mit den darin beschriebenen Personen auseinanderzusetzen, um ein wenig den Kitt eines Systems zu begreifen, welches fernab aller Medienbilder agiert und mit Putin (über)lebt, zugleich aber auch dessen größte Gefahr sein könnte, wenn es denn wollte.

Autor:
Guido Knopp wurde 1948 geboren und ist ein deutscher Journalist, Historiker, Publizist und Moderator. Nach der Schule studierte er Geschichte, Politik und Publizistik und arbeitete zunächst als Redakteur verschiedener Zeitungen. So war er u.a. für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und der „Welt am Sonntag“ tätig. 1978 wechselte er zum ZDF und leidete ab 1984 die von ihm initiierte Redaktion „Zeitgeschichte“. Neben der Podiumsdiskussionsreihe „Aschaffenburger Gespräche“ verantwortete er zahlreiche Dokumentationsreihen zur deutschen Geschichte. Seit 2010 ist er Vorsitzender des Vereins „Unsere Geschichte. Das Gedächtnis der Nation.“ Guido Knopp erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u.a. die „Goldene Kamera“ oder den „Emmy“. Er lebt mit seiner Familie in Mainz.

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David Böhm: Jetzt.

Inhalt:

Wie sieht die Zeit aus? Warum denken manche, sie haben keine? Wer hat die Uhr erfunden? Wie lange dauert das Jetzt?

Ein Buch über die Zeit, darüber, wie sich ihre Wahrnehmung verändert, darüber, was lange und was kurz dauert, was wir schaffen wollen und was wir die meiste Zeit unseres Lebens tun. Was Zeit für einen Hai, eine Eintagsfliege oder die Erdkugel bedeutet. Ein Buch über Bewusstsein, das immer genau jetzt geschieht, und darüber wie man das Universum nicht verschwendet.

Rezension:

Wer hat die Zeit erfunden und warum eigentlich? Wer festgelegt, wie lange eine Minute dauert und in welcher Zeitzone wir leben? Was machen wir eigentlich die ganze Zeit? Wann ist das Jetzt und wie lange dauert das? Wie viele Tage unseres Lebens versuchen wir einzuschlafen, schlafen tatsächlich oder verbringen wir auf Toilette?

Und wer hat die meiste Zeit, wer davon nur wenig? Der Autor David Böhm hat sich die Zeit genommen und ein Buch über die wahrscheinlich erste messbare Einheit geschrieben, die wir Menschen geschaffen haben, kuriose Fakten zusammengetragen und erklärt, warum für Erwachsene die Jahre immer schneller vergehen, für Kinder sich die Zeit bis zum nächsten Weihnachtsfest aber noch ewig zieht?

Wie lange dauert der Sommer auf dem Uranus, wie lange der Tag auf der Venus? Der Autor gibt uns ein Gefühl für etwas, was manche von uns gerne loslassen, andere ebenso festhalten möchten. Gelingt das? Unbedingt, David Böhm zumindest. Herausgekommen ist eine Mischung aus Kinder und Coffee Table Buch, Sachbuch und Kuriositätensammlung. Sinnvoller als mit diesem Buch kann man Zeit, wie viel davon, hängt von dir ab, kaum verbringen. Liebevoll gestaltet sind die Seiten.

Mal findet man eine Zeitleiste, dann wirft man einen Blick ins Universum und damit in die Vergangenheit oder treibt mit einem Eishai, der schon zu Shakespeares Zeitlegen durch die Tiefen des Ozeans. Nicht unbedingt Zeit für Konzentration, aber Zeit um zu versinken, braucht man für die Lektüre, die sowohl ins Kinderbuchregal hinein passt als auch die eigenen Sachbücher ergänzt. Eine Reise durch die Welt im Takt, schlagende Stunden und immer die Frage nach dem, was sein wird? Oder wäre, wären wir unsterblich?

Böhm nimmt uns mit, kurze kompakte Texte, eingebettet in wunderschöne Grafiken, und Fotos, die den Rahmen vorgeben, den Takt der Lektüre. Daran muss man sich natürlich nicht halten. Nacheinander lesen, okay. Aufblättern und spontan umgeschlagene Seite lesen, auch okay. Hier kann, sollte man sich die Zeit nehmen und wenn diese nur einen kurzen Moment lang ist. Ups, schon vorbei. Oder bist du noch mittendrin? Welche Zeit läuft in dir drin? Und draußen, in der Welt? Zeit für Fragen also, eine Frage der Zeit.

Zeit für dieses Buch. Nimm sie dir.

Autor:

David Böhm ist Absolvent der Akademie für Bildende Künste in Prag. Sein umfangreiches künstlerisches Werk wurde bereits in Galerien in New York, Berlin und Kiew ausgestellt.

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Insa Thiele-Eich: Wirklich wichtiges Wissen von heiter bis wolkig

Inhalt:
In diesem Buch erfahren wir nicht nur, wie lange wir unser Frühstücksei auf der Zugspitze kochen müssen oder warum das Regenprasseln auf dem Zeltdach so entspannend ist, sondern auch, wo das Wasser auf unserem Planeten herkommt und wie lang der wirklich längste Dauerregen der Erdgeschichte gedauert hat – ganze 2 Millionen Jahre!

Denn die Meteorologin Insa Thiele-Eich weiß alles über das Wetter, und noch viel mehr. Klug und unterhaltsam erklärt sie, wie unser Wetter eigentlich entsteht, und zeigt, wie stark es unseren Alltag durchdringt – vor allem da, wo wir nie damit gerechnet hätten. Danach werden Gespräche über das Wetter garantiert nie wieder langweilig. (Klappentext)

Rezension:

Storm Hunter jagen Tornados hinterher und stellen spektakuläre Bilder ins Internet, während der eine oder andere fasziniert beim Anblick eines Regenbogens stehen bleibt oder ungewöhnliche Wolkenformen betrachtet. Unser Wetter sorgt nicht nur für steten Gesprächsstoff, sondern greift alltäglich in unser Leben ein. Kaum etwas anderes vermag so faszinieren.

Dabei ist Wetter nichts anderes als der Zustand der Atmosphäre an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit, beschrieben durch Elemente wie Temperatur, Luftdruck oder Niederschlag, jedenfalls gar nicht immer trocken, wie die Meteorologin Insa Thiele-Eich zu berichten weiß. In ihrem amüsant gehaltenen Sachbuch verdeutlicht sie physikalische Zusammenhänge, ebenso einfach wie verständlich und zeigt, wer Klima und Klimawandel verstehen möchte, für jene lohnt es sich, sich zunächst mit den Wetter zu beschäftigen. Oder auf der Zugspitze ein Ei zu kochen.

In sehr kurzweilig gehaltenen Kapiteln geht es zunächst einmal rein um verschiedene Definitionen und Grundlagen, bevor einzelne Themenkomplexe erörtert werden. Vorwissen wird nicht verlangt, vermittelt die Autorin doch so anschaulich dieses Wissen, dass es Spaß macht, in die Materie einzutauchen.

Wir folgen dem Weg des Wassers, ebenso der Geschichte der Meteorologie, erfahren, welches Tier der bessere Vorhersager ist und welchen Einfluss das Wetter auf unseren Körper hat oder auch der Entwicklung von Sprache. Immer wieder geht die Autorin dabei auf gesellschaftshistorische Entwicklungen, sowie der Geografie des Wetters ein.

Beständig blitzt die Faszination Insa Thiele-Eichs für ihr Steckenpferd durch, aufgelockert werden Definitionen klar abgegrenzt von anschaulichen Erklärungen und Grafiken, was beinahe lehrbuchmäßig wirkt ohne im schlimmsten Sinne lehrbuchhaft zu sein. In diesem Bereich hat das eine hohe Qualität, zumal die ohne erhobenen Zeigefinger daherkommt.

Dazu tragen nicht nur Sachkenntnis und Humor bei, auch ein wahnsinniges lecker erscheinendes Cookie-Rezept hat es ins Buch geschafft. Natürlich mit der idealen dafür geeigneten Temperatur? So, und bei welcher kocht jetzt das Ei auf der Zugspitze? Nun, das müsst ihr selbst herausfinden.

Eine unbedingte Leseempfehlung.

Autorin:
Insa Thiele-Eich wurde 1983 in Heidelberg geboren und ist eine deutsche Meteorologin und Anwärterin zur Astronautin. Zunächst studierte sie Meteorologie in Bonn und war dort als wissenschaftliche Koordinatorin tätig. Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Untersuchung von Austauschprozessen, parallel dazu untersuchte sie für ihre Doktorarbeit die Auswirkungen des Klimawandels in Bangladesch. 2017 wurde sie Teil einer privat finanzierten Initiative, die erstmals eine Deutsche zur Astronautin machen möchte.

Für den Kurzzeitaufenthalt, der durch Spenden finanziert werden soll, überstand sie ein Auswahlprogramm und absolvierte eine theoretische und praktische Raumfahrt-Grundausbildung, sowie Parabelflüge und erwarb einen Flugschein. Politisch engagiert sie sich in der Königswinterer Wählerinitiative, für die 2021 in den Stadtrat nachrückte.

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C. Bernd Sucher: Unsichere Heimat

Inhalt:

Ungefähr 95000 Menschen in Deutschland gehören heute einer jüdischen Gemeinde an. Bei einer Gesamtbevölkerung von 83 Millionen ist das eine verschwindend geringe Zahl. Und doch steht diese Gruppe immer wieder im Zentrum der medialen Aufmerksamkeit. Wegen der Shoah, antisemitischer Ausschreitungen, der israelischen Politik. In diesem Buch untersucht C. Bernd Sucher, wie es um die deutschen Jüdinnen und Juden steht. Dafür beleuchtet er sowohl Vergangenheit als auch Gegenwart und sucht in zahlreichen Gesprächen eine Antwort auf die Frage: haben Juden in diesem Staat eine Zukunft – oder nicht? (Klappentext)

Rezension:
Während der Bundespräsident in seinen Reden, wie viele seiner Kollegen und Kolleginnen in der Politik, jene, die es hören wollen, beschwört, dass jüdisches Leben zu Deutschland gehöre und für dieses unermessliches Glück bedeute, werden antisemitische Ausschreitungen vom lauten Aufschrei der Medien ebenso regelmäßig begleitet, wie die Mehrheit der Bevölkerung dazu schweigt, wenn sie auch nicht offensichtlich aggressiv Synagogenmauern beschmieren oder Juden und Jüdinnen auf offener Straße beschimpfen. Antisemitische Gedanken, so bescheinigen es Untersuchungen und Umfragen, sind in Deutschland tief verwurzelt und bilden das Grundrauschen dieser unsicheren Heimat.

Was bedeutet in diesem Zusammenhang Erinnerungskultur? Wie sieht diese aus und wie wird sie von den Juden und Jüdinnen hierzulande wahrgenommen? Und wo zeigt sich Judentum in Deutschland heute? Wie funktioniert das Erinnern heute und was müsste an dessen Stelle treten, wenn man es anders haben möchte? Was müsste sich ändern, damit Menschen in Deutschland nicht mehr auf gepackten Koffern sitzen, wie es noch lange nach Kriegsende der Fall wahr und heute teilweise wieder ist? Der Autor C. Bernd Sucher hat diese und andere Fragen gestellt und sich auf Spurensuche begeben.

Jede optimistische Formulierung verbietet sich, taucht man ein in die Materie und so verwundert der Titel dieses reportagehaften Sachbuchs nicht, welches sich mit der Perspektive jüdischen Lebens seit Kriegsende beschäftigt und an diesem Punkt anzusetzen beginnt. Was waren dies für Menschen, die sich zum Unverständnis anderer jüdischen Glaubens dazu entschieden, in Deutschland zu bleiben, im „Land der Mörder“, im Gegensatz zu jenen, die auswanderten? Wie setzte sich diese Gruppe zusammen, welches Spektrum an Meinungen und auch Varianten jüdischen Glaubens gab es zu Anfang, welche Auswirkungen hat dies auf das Empfinden von Leben in Deutschland heute?

Der Autor fragt nach bei Charlotte Knoblauch, der Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, ebenso wie bei der Autorin Deborah Feldman und anderen, mit den unterschiedlichsten Hintergründen, um ein Gesamtbild aufzuzeigen, der inneren Empfindungen und ihrer Zerrissenheit? Das zeigt sich im Draufblick auf Varianten des Erinnerns, ebenso wie im Alltagsleben und dessen Strukturen. Der Gegenwart wird hier viel Raum eingeräumt, wo wir uns sonst fast nur auf die Vergangenheit konzentrieren. Dies ist die große Stärke des vorliegenden Sachbuchs, diese Perspektive, die zu selten in Betracht gezogen wird. Das Fundament des Werks, die Interviews stehen am Ende der Lektüre dann noch einmal separat für sich.

Die Änderung des Blickwinkels macht die Lektüre sehr besonders, auch wenn sie teilweise etwas trocken daherkommt. Wichtig ist sie dennoch, gerade heute. Mehr ist dazu nicht zu sagen.

Autor:

C. Bernd Sucher wurde 1949 geboren und ist ein deutscher Theaterkritiker, Autor und Hochschullehrer. Zunächst studierte er Germanistik, Theaterwissenschaft und Romanistik und war anschließend von 1978 bis 1980 Kulturredakteur der Schwäbischen Zeitung, bevor er dann zur Süddeutschen Zeitung wechselte, wo er der erste Theaterkritiker wurde. Danach arbeitete er als freier Autor und Kritiker für verschiedene Zeitungen und Magazine.

Seit 1989 unterrichtete er an der Deutschen Journalistenschule in München und am Institut für Theaterwissenschaft der dortigen Universität. Danach folgten verschiedenen Stationen in In- und Ausland. Er ist Mitglied verschiedener Jurys, sowie des PEN-Clubs seit 1999, sowie seit 2018 Mitglied der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste. Er hat mehrere Schriften und Romane veröffentlicht.

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Osama Okamura: Die Stadt für alle

Inhalt:

Warum leben immer mehr Menschen auf der Welt in Städten? Und warum gibt es gleichzeitig Städte, die schrumpfen? Und was sagen abgesenkte Bordsteine über das Verhältnis von Autos und Fußgängern? Fragen, die uns alle etwas angehen. In diesem Handbuch für angehende Stadtplanerinnen und Stadtplaner erfahren wir, wie Städte funktionieren, was gutes Leben in ihnen ausmacht und welche Probleme dem entgegenstehen. Die Stadt ist ein globales Phänomen. Sie ist Begegnungsort und hat seit jeher für Innovationen und Veränderung gesorgt, Menschen zusammengebracht und Potenziale freigesetzt.

Auch jetzt verändert sich unsere Stadt rasant, und wir stehen vor Herausforderungen, von denen viele nicht einmal etwas mitbekommen haben. Höchste Zeit, sich mit der Stadt zu beschäftigen! (Klappentext)

Rezension:

Noch gar nicht lange ist es her, da kippte die Waage endgültig zu Gunsten der Städte. Immer mehr Menschen leben in diesen Orten, deren Wesen darin besteht, auf Vernetzung ausgelegt zu sein, bestimmt vom steten Austausch von Waren oder Dienstleistungen, ein Wechsel, der die Innovationskraft fördert und zugleich Segen und Fluch bedeutet.

Diese Strahlkraft ist kein modernes Phänomen, wie ein Blick in die Geschichte der Urbanisierung, Verstädterungsprozesse, zeigt und hat jene, die mit ihr leben, seit jeher vor Herausforderungen gestellt, derer sich Städte ständig stellen müssen.

So vielseitig wie die Stadt selbst, so vorausschauend muss gerade heute Stadtplanung sein. Der Architekt Osamu Okamura erklärt in seinem hier vorliegenden Sachbuch niederschwellig, wie dies funktionieren kann und mit welchen Herausforderungen verbunden ist.

In Zusammenarbeit mit den Künstlern David Böhm und Jiri Franta ist dabei ein großformatiges Coffee Table Book entstanden, welches wie eine Stadt selbst auf den ersten Blick chaotisch wirkt, jedoch die Lesenden in seinem Bann zieht. Fotos von in Pappe auferstandenen städtischen Szenarien veranschaulichen die einzelnen Themen, auch ein Spiel von Schrift und Karikatur zieht sich wie ein roter Faden durch die einzelnen Themen, die gleichsam einzelner Gebäude zusammen ein großes Ganzes, eben die Stadt ergeben.

So wird mit viel Liebe für Details nahegebracht, was anderenfalls nur graue Theorie, schwer verdaulich bleiben würde, ohne den Ernst der Thematik zur Karikatur verkommen oder wichtige Punkte außen vor zu lassen. Durchaus für alle Altersgruppen geeignet, werden hier Denkanstöße geliefert. Welche Aspekte machen eine Stadt lebenswert? Wie nutzen wir künftig historische Bausubstanz? Wie priorisieren wir Verkehr? Wie machen wir den Lebensraum Stadt für alle zugängig und durchlässig?

Dies sind nur einige Fragen, die der Autor beinahe in Was-ist-was-Manier klärt und zueinander in Zusammenhang stellt, dazu einlädt, sich einzubringen und einen anderen Blickwinkel auf die eigene Stadt einzunehmen? Hinterher ist aber auch das Verstehen möglich, warum Städte vor gewissen Herausforderungen stehen, auf die es keine einfachen oder eindeutigen Antworten gibt, auch dies ist eine Stärke des vorliegenden sehr besonderen Sachbuchs.

Kritik nur, dass eine durchaus sehr westliche Perspektive eingenommen wird, andere außenvor bleiben. Die aufbereitete Theorie im Großen und Ganzen ist allgemeingültig. Trotzdem, gerade in diesem Themenbereich hat man diese Art von aufbereiteten Sachbuch eher selten, welches wie ein gewachsener Organismus wirkt, so wie es die Stadt auch ist. Nicht nur deshalb wünscht man diesem Werk viele Lesenden. Auch weil es eben grafisch sich von anderen abhebt.

Auch das ist ja durchaus, im übertragenen Sinne, eine Gemeinsamkeit mit so einigen Städten.

Autor:

Osama Okamura wurde 1973 geboren und ist Architekt und Dekan an der Fakultät für Kunst und Architektur der Universität Libreck. Von 2015 an arbeitete er im Ausschuss für die Entwicklung von Urbanismus, Architektur und öffentlichen Räumen der Stadt Prag, bevor er Kurator des Projekts „Shared Cities: Creative Momentum“ wurde, welches sich mit dem Teilen innerhalb der Städte beschäftigte.

Danach arbeitete er als Programmdirektor eines Festivals über lebenswertere Städte und war zudem Chefredakteur einer Architekturzeitschrift. Für seine Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Selbst ist er Nominator für den Mies van der Rohe Award, dem Preis der Europäischen Union für zeitgenössische Architektur.

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Osama Okamura: Die Stadt für alle Weiterlesen »