Inhalt:
Autismus – das Sichabsondern von der Außenwelt und Verschlossenbleiben in der Welt der eigenen Gedanken und Phantasien – zählt zu den besonders rätselhaften seelischen Störungen. In diesem Buch werden die verschiedenen autistischen Störungen und ihre Diagnostik beschrieben, die wichtigsten Behandlungsformen erläutert sowie die neuesten Ergebnisse der Autismusforschung vorgestellt. (Klappentext)
Rezension:
Immer noch ist Autismus eine schwer zu verstehende und zu untersuchende Störung, da Betroffene sich innerhalb eines großen Spektrums unterschiedlicher Ausprägungen bewegen, man den einzelnen Menschen betrachten muss und dabei Überschneidungen mit anderen Störungen oder Determinanten beachten, diese mitunter gesondert betrachten oder zunächst ausschließen muss, bevor man sich mit dem eigentlichen Autismus beschäftigen kann.
Dies stellt nicht nur das Fachpersonal, Psychologen und Psychotherapeuten im Rahmen des sog. frühkindlichen Autismus vor Herausforderungen, immer öfter müssen diese auch bei Erwachsenen beachtet werden. Der Psychiater Helmut Remschmidt und die Psychologische Psychotherapeutin Sanna Stroth haben einerseits die Geschichte, andererseits den aktuellen Wissenstand in Erkennung, Diagnostik und Behandlungsformen zusammengefasst. Dabei ist dieses kompakte Werk entstanden.
Mit besonderen Interesse habe ich dieses Buch aus der informativen Reihe aus dem Hause C. H. Beck gelesen, da als Betroffener ich verstehen und mit meinen eigenen Kenntnisstand dieses Wissen abgleichen möchte. Dies gelingt mit diesen Werk wunderbar, komprimiert es die aktuellen Kenntnisse so, dass keine wichtigen Informationen verloren gehen, zudem das Zusammengetragene verständlich dargebracht wird, was ein ohnehin großes Plus dieser Reihe ist.
In zugänglicher Sprache geht es zunächst um den Begriff an sich und dessen Geschichte, sowie um die Einordnung als Störung mit einem gewissen Spektrum, bevor dann eine Aufgliederung notwendig wird, der beide Fachleute Rechnung tragen. Ausführlich wird zunächst auf die Autismus-Spektrum-Störung selbst eingegangen, wobei Merkmale besprochen, die Diagnostik erläutert wird, bevor dann die Wichtigkeit der Abgrenzung von anderen Störungen aufgezeigt wird. Immer wieder werden dabei leicht verständliche Grafiken eingeführt, die zugleich Zusammenfassung sind als auch das Gelesene verständlich machen. Ursachen und Konsequenzen für die Therapie, deren Verlauf und Prognose kommen zuletzt zur Sprache, bevor beide Wissenschaftler dann auf den sog. atypischen Autismus eingehen.
Genau so kompakt gehalten, die einzelnen Kapitel sind so kurz wie möglich, geht es anschließend um Behandlungsmethoden und ihre Wirkungsweisen. Hierbei wird deutlich, dass gerade dort noch große Lücken im Wissen um Wirksamkeit und Erfolge bestehen, wobei auch dort durchaus Fortschritte auszumachen sind. Dem minimalen Raum, den der Autismus im Erwachsenenalter in diesem Werk einnimmt, kann man schon beim Überfliegen des Inhaltsverzeichnis entnehmen, dass dies eine relativ neuer Abschnitt innerhalb der Medizin ist, dem zuvor relativ wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Folglich ist der Kenntnisstand darüber einfach noch nicht groß.
Trotzdem zeigen Remschmidt und Stroth hier, was Autismus für Betroffene und derer Umgebung, insbesondere elterliche Bezugspersonen und Betreuer bedeutet und schaffen damit ein neues Verständnis, dem man dann noch Berichten von Betroffenen anfügen möchte, auch dafür gibt es inzwischen einige gute Beispiele. Allein, hier ist aktuelles Überblickswissen versammelt, welches in den nächsten Jahren noch vervollständigt und ergänzt werden dürfte. Empfehlenswerte Lektüre für alle Interessierten.
Autoren:
Helmut Remschmidt wurde 1938 im damaligen Rumänien geboren und ist ein deutscher Kinder- und Jugendpsychiater und Psychologe. Nach dem Krieg flüchtete die Familie nach Oberfranken, wo er nach dem Abitur Medizin, Psychologie und Philosophie studierte. 1964 promovierte er mit seiner Dissertation und wurde nach verschiedenen Stationen, etwa als Wissenschaftlicher Assistent habilitiert. Danach wirkte er an der Freien Universität Berlin, wechselte anschließend nach Marburg und Mannheim. Er war 14 Jahre lang Vorsitzender des Vereins „Hilfe für das autistische Kind“ und ist Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Er wurde 1999 mit dem renommierten Max-Planck-Forschungspreis ausgezeichnet.
Sanna Stroth ist Psychologische Psychotherapeutin und Projektleiterin am Marburger Institut für Autismusforschung und Therapie an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Philipps-Universität Marburg. Sie forscht zu den biologischen und sozialen Grundlagen der Autismus-Spektrum-Störung.