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Rick Riordan: Percy Jackson 3 – Der Fluch des Titanen

Inhalt:

Hilfe, die Titanen rüsten zum Krieg! Percy muss unbedingt bis zur Sonnenwende die Göttin Artemis befreien, die in die Klauen der finsteren Mächte geraten ist. Ein Abenteuer, das ihn und seine Freunde den gefährlichsten Kreaturen der griechischen Mythologie gegenübertreten lässt – und tödliche Gefahren birgt … (Klappentext)

Rezension:

Überall, wo der Sohn des Poseidon auftaucht, scheint sofort höllisches Chaos hereinzubrechen, so ist es auch bei dieser Mission der Fall, als Percy und seine Freunde zwei neue Halbblute ausfindig machen und ins Camp der Halbblute bringen wollen. Nicht nur, dass sie es quasi sofort mit einem Monster aufnehmen müssen, so dann werden auch noch Percys Freundin Annabeth und die Göttin Artemis entführt. Eine gefährliche Suche beginnt, bei der der Sohn des Poseidon auf alte Feinde trifft und finstere Mächte sich erheben.

Gleichsam Wellen sind die einzelnen Abenteuer durchstrukturiert, mit denen der amerikanische Schriftsteller Rick Riordan seine Protagonisten konfrontiert, nur dass diese von Band zu Band an Durchschlagskraft zunehmen. Während der erste Band einen verhältnismäßig ruhigen Auftakt, wenn man noch nicht weiß, wie sich die Geschichte entwickeln wird, hat und der zweite zwar im Tempo zunimmt und mehr zwischenmenschliche Konflikte aufs Korn nimmt, wirkt dieser Folgeband der Jugendbuchreihe noch eine Spur härter, auch ist das Erzähltempo praktisch sofort dort, wofür man bei den Vorgängern noch Zeit bekam, sich einzufinden.

So bleibt mehr Zeit Geschichte zu erzählen, zwischen den Seiten bekommen die Figuren ausgiebiger Konturen, als das noch zuvor der Fall war, was allerdings dazu führt, dass erstmalig kleinere Längen störend überhandnehmen, trotzdem der Autor auch hier gerade so die Kurve bekommt, und die Balance zwischen kompakten Kapiteln und detaillierten Erzählen bewahrt. Auch in diesem Band, den man nicht gelesen haben sollte, ohne die Vorgeschichte zu erkennen, gibt es eine klare Aufteilung der Figuren zwischen Gut und Böse, doch mutet Rick Riordan auch hier seiner Leserschaft einige Grautöne zu. Wohltuend zwischen den ganzen anderen Schreibenden, die es sich mit der Ausgestaltung ihrer Welten oft genug viel zu einfach machen.

Die Erzählung fügt sich, wie auch schon in den Bänden zuvor, harmonisch in unsere Welt ein, aber auch die Götterwelten sind einstweilen vorstellbar, sowie die Götterfiguren selbst, die durch weitere Charaktere ergänzt werden. Auch hier hilft wieder ein Glossar am Ende des Buches, den Überblick zu behalten. Manche Szenen-Übergänge wirken etwas holprig, wenn auch unlogische Brüche glücklicherweise fehlen. Trotzdem kann man sich alles in allem gut in die Geschichte hineinversetzen und ist am Ende geneigt, dieser weiter zu folgen.

Auch hier merkt man die Vorkenntnisse Riordans, der diese gekonnt umgearbeitet seiner Zielgruppe zugänglich gemacht hat und aus dessen Feder inzwischen ein ganzes Universum entstanden ist. Zum ersten Mal jedoch auch, welche Schwächen Jugendbuch-Welten mitunter haben, wenn man sich pro Band nur so wenige Seiten Zeit nimmt.

Autor:

Rick Riordan wurde 1964 in San Antonio, Texas, geboren und ist ein US-amerikanischer Schriftsteller. Zunächst studierte er Englisch und Geschichte, später unterrichtete er Anglistik und Sozialwissenschaften an einer High School in San Francisco. In Kalifornien und Texas unterrichtete er griechische Mythologie. Durch seinem Sohn inspiriert, sowie durch ein Schulprojekt „Kreatives Schreiben“, begann die Geschichte um Percy Jackson Gestalt anzunehmen, welche er 2005 veröffentlichte, dem weitere Werke und Reihen folgten.

Seit 2018 unterstützt er ein Segment des Verlags Disney Hyperion, indem unter dem Imprint Rick Riordan Presents mythologisch inspirierte Jugendbücher von Angehörigen der jeweiligen Kulturen erscheinen. Seine Werke wurden mehrfach verfilmt und ausgezeichnet, u. a. mit dem Mark Twain Award 2008 oder den Children’s Choice Book Award 2011.

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Rick Riordan: Percy Jackson 2 – Im Bann des Zyklopen

Inhalt:
Auch Percys siebtes Schuljahr verläuft alles andere als ruhig: Erst gerät sein bester Freund Grover in die Gewalt eines Zyklopen und dann vergiftet auch noch jemand den Baum der Thalia im Camp der Halbgötter und hebt so dessen magische Kräfte auf. Jetzt kann nur noch das goldene Vlies helfen! Wird es Percy gelingen, Grover und das Camp zu retten?

Rezension:

Nach einem temporeichen Auftakt laufen Buchreihen nicht selten in Gefahr, in beinahe zu ruhige Fahrwasser zu geraten, da nach Einführung der Figuren im Hauptband zumeist oft das eigentliche World-Building beginnt. Fährten werden gelegt, Grundlagen für Szenarien mehr und mehr ausgestaltet und Protagonisten bekommen weitere Ecken und Kanten. In Teilen ist dies auch so mit diesem Band, der eine andere Tür in der Welt Percy Jacksons aufmacht, doch der Autor Rick Riordan beginnt, ohne großartiges Vorgeplänkel, gleich mit den ersten Seiten seine Figuren in ein wieder rasantes Abenteuer zu verwickeln.

Die Vorzeichen im Camp der Halbblüter sind einstweilen düster, als der Baum der Thalia zu sterben beginnt und damit die Grenzen des Areals durchlässiger für allerhand Kreaturen werden, denen sich die Bewohner um Chiron, Dionysos oder Schüler wie Percy und Clarisse erwehren müssen, zudem ist auch noch Grover während seiner Suche nach Pan verschwunden. Alleine durch eine Traumverbindung gelingt es ihn, mit seinem besten Freund Kontakt aufzunehmen, weshalb sich Percy gegen Widerstände, gemeinsam mit seiner Freundin Annabeth auf eine gefährliche Reise begibt. Doch nicht in jedermanns Interesse liegt es, dass sie ihr Ziel erreichen und den Satyr befreien.

Wie auch im ersten Band bilden kompakt gehaltene Kapitel Grundlage dieses Jugendromans, der sich wieder allerhand Anleihen aus der griechischen Mythologie zum Vorbild nimmt und dieses Alleinstellungsmerkmal noch zu verfeinern weiß. Rasant ist dabei das Erzähltempo, ebenso detailreich ist die weitere Ausgestaltung dieser Welten, in denen Rick Riordans Figuren versuchen, das Schicksal zu wenden. Auf unseren Weg lernen wir dabei weitere Protagonisten kennen und, mitunter, fürchten.

Getreu dem Genre gibt es auch hier klare Gegenüber, doch haben beide Seiten Ecken und Kanten und Beweggründe, die sich aus dem Handlungsverlauf heraus ergeben. Nichts bleibt Schwarz oder Weiß. Viele Grautöne sind hier im Spiel, dessen Zusammenhänge sich lose anhand von Mythen und Legenden entlang hangelt. Wie auch schon beim Auftakt macht dies die Geschichte ungemein spannend. Mitfiebern ist angesagt, wobei deren reiche Momente immer wieder auch mit einzelnen Prisen Humor durchbrochen werden. Für junge Lesende vielleicht genau die richtige Mischung, um ab und zu durchatmen zu können. Aber auch so fühlt man sich gut unterhalten.

Perspektivisch wird die Handlung weiterhin aus der Sicht des Hauptprotagonisten erzählt, was es angenehm macht, diese zu verfolgen. Andere Facetten kommen dadurch zum Tragen, dass entweder Percy die beobachtende oder erfahrende Position einnimmt. Für eine Fantasy-Geschichte ist es angenehm, da dadurch nicht allzu viele unlogische oder zu harte Brüche entstehen. Nur ein paar Stellen lassen kurz aufmerken, noch einmal zurückblättern, um sicherzugehen, dass man wirklich nichts überlesen hat.

Rick Riordan versteht es, sich nicht in allzu viele Details zu verlieren, sondern immer nur genau so viel zu erzählen, wie man gerade benötigt, um die Handlung zu verfolgen. Schauplätze und Figuren sind im Allgemeinen sehr gut vorstellbar, bleiben nur hin und wieder etwas blass, wobei die Hoffnung auf die Fortsetzungen liegt, dass diese noch mehr Facetten hinzufügen. Einstweilen ist dies für eine direkte Fortsetzung, die man ohne den Vorgänger nicht gelesen haben sollte, in Ordnung. Als Stand Alone funktioniert das Werk, nochmals die Warnung, nicht.

Mich konnte Rick Riordan wieder in seinem Bann ziehen, wobei ich für die Beibehaltung des Glossars am Ende des Werks ausgesprochen dankbar bin. Sonst gelänge es mir nicht, einen Überblick über die griechischen Götter und Mythen zu behalten, derer sich der Autor hier bedient hat. So kann man die Bücher weiterhin ohne große Vorkenntnisse, eben nur mit dem Wissen der vorherigen Bände, schmökern. Für die Zielgruppe angehender Fantasy-Leser halte ich auch diesen Band für gelungen.

Wenn man über ganz wenige Brüche oder Wendungen hinweg sieht, die nicht funktionieren, empfiehlt sich damit auch „Im Bann des Zyklopen“.

Autor:

Rick Riordan wurde 1964 in San Antonio, Texas, geboren und ist ein US-amerikanischer Schriftsteller. Zunächst studierte er Englisch und Geschichte, später unterrichtete er Anglistik und Sozialwissenschaften an einer High School in San Francisco. In Kalifornien und Texas unterrichtete er griechische Mythologie. Durch seinem Sohn inspiriert, sowie durch ein Schulprojekt „Kreatives Schreiben“, begann die Geschichte um Percy Jackson Gestalt anzunehmen, welche er 2005 veröffentlichte, dem weitere Werke und Reihen folgten.

Seit 2018 unterstützt er ein Segment des Verlags Disney Hyperion, indem unter dem Imprint Rick Riordan Presents mythologisch inspirierte Jugendbücher von Angehörigen der jeweiligen Kulturen erscheinen. Seine Werke wurden mehrfach verfilmt und ausgezeichnet, u. a. mit dem Mark Twain Award 2008 oder den Children’s Choice Book Award 2011.

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Angela Findlay: Im Schatten meines Großvaters

Inhalt:

Als die in England aufgewachsene Angela Findlay im Rahmen eines Kunstprojekts ein Gefängnis betritt, hat sie sofort das unerklärliche Gefühl,als ob sie dorthin gehörte. Jahrelang hatte sie mit einem diffusen Schuldgefühl in sich gerungen. Doch nun beginnt sie, nach den Ursachen zu forschen,und so entsteht ein immer detaillierteres Bild von Nazi-Deutschland und vom Leben ihres toten Großvaters, eines hochdekorierten Generals der Wehrmacht. (Klappentext)

Rezension:

Immer detailreicher werden die Erkenntnisse, die sich aus den Forschungen generationsübergreifender Traumata ergeben, doch noch wird dieses Phänomen anhand zu weniger Perspektiven beleuchtet. Inzwischen gibt es Bücher, in denen die Nachfahren von Migranten darüber berichten, schon früh hingegen erschienen die Erfahrungen der Nachfahren Holocaust-Überlebender. Nun ist mit „Im Schatten meines Großvaters“ der Blick um eine faszinierende Facette ergänzt worden.

Da sind zunächst einzelne Bemerkungen seitens der Mutter, Momente der Kindheit und eine Art Wissen, auf die sich die Autorin keinen Reim machen kann, doch erlebt Angela Findlay im Rahmen der von ihr gestalteten Kunst-Projekte zunächst, was Verarbeitung bei anderen Menschen bewirkt. Erst später beginnt sie die Hintergründe ihrer eigenen Gefühle zu recherchieren und macht sich auf eine Reise durch die Vergangenheit ihres Großvaters.

Den Blick voller Wohlwollen war da immer die Frage, wie viel wusste der General vom Grauen des Holocaust hinter der Front, in wie fern war er selbst beteiligt? Hat er weg gesehen, mitgemacht oder, bestenfalls, dagegen Widerstand geleistet? In der Hoffnung auf letzteres recherchierte die Autorin quer durch Europa auf der Suche nach Antworten, legt Schicht um Schicht ein Bild voller Grauschattierungen frei und kommt damit auch ihren eigenen Gefühlen immer näher.

Diese psychologische Reportage ist faszinierend zu lesen, allein fehlt manchmal die Einordnung eines fachlichen Historikers, doch in Ergänzung zu anderer Literatur ist auch dieses Buch unglaublich wertvoll. Was hier gut nachzuvollziehen ist, ist die innere Zerrissenheit Findlays, was sich auch auf andere übertragen lässt, die sich mit vererbten Traumata herumschlagen müssen. Medizinische Hintergründe werden dabei angerissen, jedoch so, dass es für die Laien unter uns nachvollziehbar bleibt.

An mancher Stelle fehlt eine sachlich-nüchterne Tonalität, an anderen wären detailreichere Ausführungen interessant gewesen. Trotzdem ist diese psychologische Spurensuche ungemein lesenswert. Ich kann sie nur empfehlen.

Autorin:

Angela Findlay wurde 1964 geboren und ist eine Künstlerin und Vortragsrednerin. Sie unterrichtete Kunst in Gefängnissen und war Koordinatorin für Koestler Arts Charity. Daneben beschäftigt sie sich mit den Folgen ungelöster generationsübergreifender Traumata.Sie lebt in England und Deutschland.

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Rick Riordan: Percy Jackson 1 – Diebe im Olymp

Inhalt:

Percy dachte immer, er sei ein ganz normaler, legasthenischer Junge. Falsch gedacht: Sein Vater ist der Meeresgott Poseidon – und die fiesesten Gestalten der griechischen Mythologie haben Percy ins Visier genommen! Zum Glück gibt es noch andere Halbgottkinder wie ihn, und gemeinsam haben sie eine Chance – vielleicht. (Klappentext)

Rezension:

Wenn einem ständig Missgeschicke passieren, so dass man gezwungen wird, ständig die Schulen zu wechseln, man ohnehin mit ADHS und Legasthenie und einen gemeinen Stiefvater zu kämpfen hat, kann man dann gleich auch im Museum von einer Lehrerin angegriffen werden, die sich als Furie entpuppt.

Spätestens jedoch als er und seine Mutter vom mythischen Minotaurus angegriffen werden und seine Mutter dabei ums Leben kommt, ist klar. der zwölfjährige Percy ist etwas besonderes. Halbgott, um genau zu sein, was jedoch heißt, dass weitere Herausforderungen nur darauf warten, auf ihn zu treffen. Ein großes Abenteuer zwischen den Fronten griechischer Mythen- und Göttergestalten beginnt.

In die Kerbe der großen Internatsliteratur und Fantasy für Jugendliche haben nach Joanne K. Rowlings Erfolgen viele eingeschlagen, nachdem sie wie diese derartige Szenarien in eine Fantasywelt verpflanzten, die je nach Ausarbeitung mehr oder weniger gut funktionieren. Auch wenn die britische Autorin ebenso dergleichen nicht erfunden hat, so hat sie diese Art von Literatur durchaus auf ein anderes Level gehoben. Nachahmenden ist dies oft genug nicht ganz so gut gelungen. Zu offensichtlich sind oft Anleihen und Kopien. Rick Riordan nimmt man dagegen sofort ab, etwas eigenständiges und damit neues geschaffen zu haben.

Im sehr kompakt gehaltenen Auftaktband geht es gleich rasant zur Sache. Sofort werden wir Lesende in eine Aneinanderreihung von Abenteuer geworfen, die einen kaum zu Atem kommen lässt, wie auch der junge Hauptprotagonist plötzlich nicht nur mit eigenen bisher unerkannten Kräften zurechtkommen, sondern sich im Dickicht göttlicher Intrigen zurechtfinden muss. Die damit aufkommende Dynamik wird durch eine Vielzahl von Figuren aufrecht gehalten, allesamt mit Ecken und Kanten versehen, wie auch Percy selbst, der mit seinen Freunden gegen unbekannte Mächte bestehen soll.

Der Autor versteht es handlungstreibende Elemente herauszuarbeiten, wie auch Freundschaft, Mut und andere Charaktereigenschaften in den Mittelpunkt zu stellen, die das Geschehen beeinflussen. Dabei gelingt Riordan seine Protagonisten zahlreiche Grauschattierungen zuzuschreiben, schon Percy Jackson ist vielschichtig durch ADHS und Legasthenie, die ihn an seine Grenzen bringen, wenn er etwa mit der Göttergestalt Prokrustes konfrontiert ist.

Legasthenie und ADHS als determinierende Elemente einzubinden, verpasst der Geschichte ein Alleinstellungs- und Identifikationsmerkmal in der Jugendliteratur und damit eine Verknüpfungsmöglichkeit für zahlreiche Lesende, die sonst gerade in Bezug auf männliche Protagonisten entweder bloße Dumpfbacken oder Figuren ohne Fehl und Tadel vorgesetzt bekommen. Hier ist dies geradezu wohltuend anders.

Die Geschichte selbst wird aus der Perspektive der Hauptfigur heraus erzählt, wobei die Stimmung, damit auch die Wortwahl im Erzählstil zwischen jugendlichen Leichtsinn, Übermut, Ernsthaftigkeit, aber auch ganz viel diffizilen Humor schwankt. Da macht es dann auch Freude, die Erzählung auch als älterer Lesende zu verfolgen. Große Lücken oder unklare Brüche sind indes nicht zu finden, wenn auch die Schwierigkeit zumindest anfangs besteht, sich in die Handlung einzufinden. Für nicht oder nur wenig mythologisch Bewanderte hilft hier jedoch ein Glossar, sich in der Göttergestaltenwelt zurechtzufinden.

„Diebe im Olymp“ ist ein Auftakt voller Wendungen und durchaus überraschender Twists mit Anleihen der klassischen Heldenreise, bei der ein Protagonist dazulernen und über sich hinauswachsen muss. Der Autor weiß zudem mit gekonnten Sätzen eine phantastische Welt in die reale einzubinden und vor dem inneren Auge auferstehen zu lassen, was manchmal zu irren Gedankenspielen führen kann. Und die sind großartig.

Rick Riordan kann begeistern und macht einem Lust auf mehr, von Percys Weg durch die griechische Sagenwelt zu erfahren. Unweigerlich fragt man sich, warum ein gewisser deutscher Verlag zwar unermüdlich die Bücher um diese Welt auflegt, dennoch marketingtechnisch nicht mehr herausholt. Das Potenzial ist ja vorhanden. Warum diese Reihe hierzulande noch immer eher im Schatten von „Harry Potter“ läuft, weiß der Geier. Oder Zeus.

Ich zumindest freue mich schon auf die weitere Lektüre.

Autor:

Rick Riordan wurde 1964 in San Antonio, Texas, geboren und ist ein US-amerikanischer Schriftsteller. Zunächst studierte er Englisch und Geschichte, später unterrichtete er Anglistik und Sozialwissenschaften an einer High School in San Francisco. In Kalifornien und Texas unterrichtete er griechische Mythologie. Durch seinem Sohn inspiriert, sowie durch ein Schulprojekt „Kreatives Schreiben“, begann die Geschichte um Percy Jackson Gestalt anzunehmen, welche er 2005 veröffentlichte, dem weitere Werke und Reihen folgten.

Seit 2018 unterstützt er ein Segment des Verlags Disney Hyperion, indem unter dem Imprint Rick Riordan Presents mythologisch inspirierte Jugendbücher von Angehörigen der jeweiligen Kulturen erscheinen. Seine Werke wurden mehrfach verfilmt und ausgezeichnet, u. a. mit dem Mark Twain Award 2008 oder den Children’s Choice Book Award 2011.

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Tove Alsterdal: Blinde Tunnel

Inhalt:

Sonja und Daniel wollen ihre Ehe retten und erfüllen sich einen Traum: Das schwedische Paar kauft ein Weingut in Tschechien. Das Anwesen liegt seit dem Zweiten Weltkrieg brach, verströmt jedoch eine betörende Magie. Bei ihren Aufräumarbeiten entdecken sie ein Kellergewölbe mit Flaschen aus den Kriegsjahren. Und die mumifizierte Leiche eines Jungen mit weißer Armbinde. Die Polizei hat kein Interesse, der Sache nachzugehen, aber mithilfe der Anwältin Anna erfährt Sonja mehr über die bewegte Geschichte des Dorfes, die Annexion der Gebiete durch Hitler, das Leid der Bevölkerung. Doch dann wird Anna ermordet und Daniel als Verdächtiger verhaftet. Sonja begreift, dass der Schlüssel in der Vergangenheit liegen muss. Und dass manche Dinge für immer verborgen bleiben sollten. (Klappentext)

Rezension:

Alleine das Szenario reicht bereits aus, um eine Erzählung vollkommen zu überfrachten. Die Frage jedenfalls, stellt sich relativ schnell. Kann das funktionieren? Ein schwedischer Krimi, der in Tschechien spielt und die konfliktbeladene Geschichte zwischen Tschechen und Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg thematisiert. Zwischen die damaligen Fronten zu geraten und verschüttete Emotionen aufzurütteln, ist jedenfalls das Letzte, was die beiden Hauptprotagonisten wollen, als sie in die tschechische Provinz ziehen.

Das verlassene Haus mit ehemaligen Weingut sah ja auf den Bildern vor dem Kauf so malerisch aus. In Zentraleuropa angekommen wird Sonja und Daniel jedoch schnell klar, dass mit dem Grundstück auch ein Teil der Vergangenheit dieses Landstrichs erworben wurde, der noch immer nicht zu viele Fragen erwünscht. Als dann auch noch die Leiche eines Jungen im ehemals zugemauerten Weinkeller gefunden wird, ist schnell nichts mehr, wie es war. Sonja beginnt die Geschichte des Ortes zu hinterfragen, doch wem kann sie noch trauen?

Somit ist der Handlungsrahmen umschrieben, in dem sich die beiden Hauptprotagonisten befinden. Beide geraten schnell in einem Strudel hinein, dessen Wirkung sie schnell nicht mehr kontrollieren können. Jeder im Dorf und alle, auf die vor allem Sonja stößt, um mehr zu erfahren, scheinen eigene Interessen zu verfolgen. Nichts scheint Schwarz oder Weiß, viele Grautöne vermischen sich. Auch die beiden Protagonisten haben ihre Ecken und Kanten. Emotionale Kälte ist zwischen den Zeilen zu lesen, genau so wie der Staub vom lange nicht mehr genutzten Boden aufgewirbelt wird.

Dabei umfasst das Szenario im Hier und Jetzt nur wenige Tage. Rückblicke in die Vergangenheit, die sich Sonja nach und nach öffnen, geben der Geschichte eine Dynamik, die vor allem dann interessant wird, wenn das Erfahrene unmittelbare Auswirkungen bekommt. Zudem gibt es zu wenig Literatur, die diesen Teil der Geschichte so einarbeitet. In sofern funktioniert die Mischung, der dennoch an einigen Stellen etwas mehr Tempo gut getan hätte.

Dieses ist nämlich ansonsten durchaus ordentlich. Erzählerische Längen existieren kaum. Auch Sprünge oder Wendungen sind so eingearbeitet, dass sie nicht fehl am Platze wirken. Vielleicht hätten sogar ein zwei derer Sachen mehr der Geschichte gut getan, doch kann man auch damit zufrieden sein, dass nicht skandinavische Melancholie den O-Ton bestimmt. Der Sprung außerhalb der nordischen Länder funktioniert hier hervorragend. Nur eine Frage bleibt offen, wie würde ein solcher Krimi erzählt werden, wenn dieser aus der Feder tschechischer Schreibender stammte? Vielleicht ist jedoch diese Perspektive dem Ganzen zuträglich.

Die beiden Hauptfiguren sind glaubwürdig ausgearbeitet, wobei der männliche Part durch die weibliche Protagonisten Konturen bekommt. Auch die Geschichte wird ja aus Perspektive Sonjas erzählt, bis auf die Rückblicke, die sich ihr nach und nach erschließen. Facettenreich sind sie und alle Nebenfiguren vor allem dadurch, dass lange nicht klar ist, wer der Gegenpart ist und auch das Ende einem mit gemischten Gefühlen zurücklassen wird, was jedoch hervorragend zur Geschichte passt und kaum anders vorstellbar wäre. Eine Erzählung in der nicht alle Konflikte zur Gänze aufgelöst sind, ist eben eines nicht. Langweilig.

So facettenreich die Geschichte, so spannend erzählt Tove Alsterdal diese, dass man gerne mehr erfahren möchte, immer einen kalten Schauer im Nacken spürend. Effekthaschend blutige Szenarien sucht man hier vergebens. Angenehm hat sich die Autorin hier zurückgehalten, trotzdem kommt keine Langeweile auf. Im Gegensatz zu vielen anderen Krimis wird hier mit etwas längeren Kapiteln gearbeitet, deren Übergänge im Verhältnis fließend sind. Trotz der insgesamt sehr kompakten Erzählung hat man das Gefühl, dass die Autorin sich Zeit für die Ausarbeitung der Szenarien genommen und ebenso ausreichend für deren Grundlagen recherchiert hat.

Das trägt dazu bei, dass man sich die einzelnen Schauplätze und Figuren gut vor dem inneren Auge vorstellen kann, ohne sich darin allzu lang aufhalten zu müssen. Dieser Krimi ist damit nicht nur für alle Fans des Genre, sowie so an skandinavischer Literatur Interessierte gerichtet, eben auch für jene, die einmal ausweichend von Sachbüchern mit zweifelhafter Tendenz sich einer Thematik nähern möchten, die sonst nur wenig besprochen wird.

Am Ende fehlt noch der eine oder andere I-Tüpferl, insgesamt ist es jedoch eine sich lohnende Lektüre. Zumal jeder irgendeine Leiche im Keller hat.

Autorin:

Tove Alsterdal wurde 1960 in Malmö geboren und ist eine schwedische Schriftstellerin, Journalistin und Dramatikerin. Zunächst arbeitete sie als Krankenschwester, bevor sie 1985 eine Ausbildung zur Journalistin begann. Danach arbeitete sie lange Zeit für Radio und Fernsehen, begann 1990 zudem für eine unabhängige Theatergruppe zu schreiben. Ihr Krimidebüt gab sie 2009, dem weitere Romane folgten. 2014 erhielt sie den Preis für den besten Kriminalroman des Jahres der Svenska Deckarakademin. 2020 begann sie an einer Krimiserie zu arbeiten, die 2023 abgeschlossen wurde.

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Steve Brusatte: Eine neue Geschichte der Säugetiere

Inhalt:

Das Aussterben der Dinosaurier war die große Chance der Säugetiere: Für Jahrmillionen hatten sie ihr Dasein im Schatten der tyrannischen Giganten gefristet, um dann die Gelegenheit zu nutzen, in einem beispiellosen Siegeszug die Vorherrschaft auf der Erde zu erringen. Wissenschaftlich fundiert und höchst unterhaltsam erzählt Steve Brusatte von bekannten evolutionären Ikonen wie Mammuts, Säbelzahntigern und Schnabeltieren sowie von bizarren, faszinierenden Spezies der äußersten Äste des Säugetierstammbaums. Ein wichtiges und erhellendes Buch darüber, wie wir zu dem wurden, was wir sind. (Klappentext)

Rezension:

Der Meteoriteneinschlag, der vor Millionen von Jahren die Vorherrschaft der Dinosaurier auf unseren Planeten beendete, eröffnete zugleich die Chance für eine andere Gruppe von Lebewesen, aus der Deckung hervorzutreten und sich zu entwickeln. Sie taten es und nahmen die Plätze der ehemaligen Giganten ein, wurden größer und besetzten frei gewordene Nischen. Ein Siegeszug rund um den Globus begann, der letztendlich auch zur Entwicklung des Menschen führte. Dazu forscht der Paläontologe Steve Brusatte seit Jahren mit seinem Team und anderen engagierten Wissenschaftlern und nimmt uns mit auf eine Reise durch die Zeit, nicht zuletzt auch zu uns selbst.

Bei manchen Texten mag man den Eindruck haben, erst nach dem Verschwinden der Dinosaurier kam es zur Entwicklung der Säugetiere, doch sind es zwei damals parallel verlaufende Stränge, die betrachtet werden müssen. Mit Hilfe der modernen Wissenschaften und Techniken, wie etwa CT-Scans, ist es uns heute möglich, deren Verlauf zu rekonstruieren. Am Anfang stehen dabei oft Überreste von Zähnen, anhand derer wir die Entstehung des Säugetiergebisses mit den für uns und unsere Verwandten so typischen Merkmalen nachvollziehen können. Über die Jahre schließlich wurden noch mehr Überbleibsel gefunden und so können wir uns heute ein, vielleicht nicht in allen Facetten vollständiges, dennoch übersichtliches Bild von dem machen, wie der Siegeszug der Säugetiere über Millionen von Jahre ausgesehen haben mag.

Steve Brusatte hat hier ein Stück Wissenschaftsgeschichte niedergeschrieben und erläutert sehr detailreich Wendepunkte und Kontraste an Beispielen von ihn und anderen erforschten Fundstätten, sowie vieler Spezies, die es heute nicht mehr gibt. Auch die Entwicklung der Säugetiere war mitunter verlustreich, trotzdem insgesamt von Erfolg gekrönt. Immer wieder gelangt man beim Lesen zu dieser Feststellung. Der Weg dorthin ist sehr verschachtelt, was sich auch bei der Lektüre bemerkbar macht.

An vielen Stellen kommt der Wissenschaftler durch, wenn sich etwa lateinische Namen oder Tierarten, Merkmalsbeschreibungen aneinanderreihen und man lesend versuchen muss, den Überblick zu behalten. Das ist nicht immer leicht und erfordert Konzentration. Dennoch hat es der Autor geschafft, an der einen oder anderen Stelle Auflockerung in seinen Text zu bringen, sei es durch informatives Bildmaterial oder einer Prise Humor, wenn z. B. kuriose Personen mit ihren Eigenarten beschrieben werden, die sich um die Erforschung prähistorischer Säugetiere verdient gemacht haben. So interessant wie die Erforschung der „Schreckensechsen“ ist das, was danach folgte und wohl noch folgen wird. Steve Brusatte zeigt ebenso auf, wo aktuell noch weitergeforscht wird und Lücken gefüllt werden müssen. So wie die Entwicklung der Säugetiere ist auch die Erkundung ihrer Geschichte nicht statisch.

Anhand eines Zeitstrahl in Form der Kapitel des Werks verfolgen wir die Geschichte der Säugetiere bis zum Aussterben der Dinosaurier als Parallelerzählung und danach, wie diese mehrere Katastrophen, nicht nur die, die die Dinosaurier in die Knie zwang, überstanden und sich mehrere Male neu erfinden mussten. Anhand ihrer Merkmale beschreibt Brusatte die Entwicklung moderner Säugetiere, ihren Umgang mit dem Klimawandel etwa und wie auch Homo Sapiens letztlich daraus folgte.

Auch ein Ausblick in die Zukunft wird gewagt. Was werden künftige Paläontologen vorfinden und vielleicht auch über uns erfahren? Hier wird der Erzählstrang wieder zu der ursprünglichen Parallelgeschichte, nur als Zukunftsvision. Wir nehmen heute mehr als alles andere Einfluss, nicht nur auf die Säugetiere der Welt, im negativen Sinne. Und sind zugleich eine ihrer Chancen. Die Geschichte der Säugetiere, so das Fazit, sie geht weiter.

Autor:

Steve Brusatte wurde 1984 geboren und ist ein US-amerikanischer Paläontologe und Evolutionsbiologie. Er studierte zunächst an der University of Chicago und schloss sein Studium an der Columbia University ab. Derzeit lehrt und forscht er an der University of Edinburgh. Neben seinen wissenschaftlichen Arbeiten verfasste er mehrere populärwissenschaftliche Sachbücher und wirkte zudem als Berater für Dokumentarfilme und 2020 für einen der Jurassic World Teile. Sein Team entdeckte mehrere neue Fossilien, er selbst wandte sich immer mehr der Erforschung prähistorischer Säugetiere zu.

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Empfehlung: Ozeane – Die große Bild-Enzyklopädie

Seit jeher sind wir Menschen fasziniert von den Meeren, deren Kräfte wir fürchten und im Laufe der Geschichte gelernt haben, für uns zu nutzen. Ob als Rohstoff- oder Nahrungslieferant, zur Energieerzeugung, die Ozeane als Bestandteil des Wasserkreislaufs sind die Grundlage allen Lebens. Hier entstand es, bevor es den Sprung an Land wagen konnte. Ein Blick unter die Oberfläche offenbart dabei noch immer erstaunliches. Der Großteil der Ozeane ist weitgehend unerforscht, doch lasst uns faszinierende Lebewesen am Rande brodelnder Unterwasservulkane entdecken, Räuber, die in den dunklen Weiten der Tiefsee mit Leuchten Partner sowie Beute anlocken, Haie, die des Nachts durch Riffe streifen. Unsere Ozeane sind voll mit Superlativen, hier lebt das älteste Tier der Welt, hier das größte Säugetier unseres Planeten.

Von der faszinierenden Welt der Korallenriffe bis zum Leben an den Polarmeeren. Steckbriefe erklären sowohl biologische als auch geografische Gegebenheiten.
(Quelle: Dorling Kindersley)

Für diese vorliegenden Enzyklopädie wurden nun die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse bildgewaltig aufbereitet. Niemand geringeres als Fabien Cousteau, der Enkel des berühmten Tiefseeforschers führt uns in die Welt des Wassers ein, deren Grundlagen und Zusammenhänge verständlich und anschaulich erklärt werden. Aktuelles Wissen gepaart mit historischen Fakten, zahlreichen Grafiken und über 2000 Fotografien und ein umfangreicher Kartenteil eröffnen uns Einblicke in diesen faszinierenden Naturraum, machen uns dessen Kräfte und Gegebenheiten verständig. Seite für Seite lernen wir zudem ihre faszinierenden Bewohner kennen, deren Vielfalt und Schönheit, jedoch auch wie fragil deren Welt inzwischen geworden ist, durch unseren Rohstoff- und Energiehunger, unseren Müll und der durch unserer Lebensweise beeinflussten Änderung des Klimas.

Großformatig und qualitativ hochwertig ist dies ein umfangreiches Nachschlagewerk, welches Groß und Klein zum Stöbern und darin versinken einlädt. Umfassende Informationsbreite und tiefe Sachkenntnis werden anschaulich vermittelt. Hier werden alle, je nach Interesse, neues Wissen daraus ziehen und anderes vertiefen können. Nicht nur das rechtfertigt den Preis, haben die Autor:innen und beteiligten Wissenschaftler:innen verschiedenster Fachgebiete dazu beigetragen, dass von der Qualität und Wirkung mehr ist als eine bloße BBC-Dokumentation in Papierform vorliegt, sondern ein Grundlagenwerk, welches seines Gleichen sucht. In sofern möchte ich hier nicht werten, fünf Sterne sind hier zu wenig, was ja ohnehin für die meisten Werke dieser Art gilt, sondern nur empfehlen. Ein Blick hinein genügt, um zu wissen, warum.

Pflanzen und Tiere in und am Rande der Ozeane, ausführliche Erklärungen und umfangreiches Kartenmaterial zum Überblick. (Quelle: Dorling Kindersley)

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Homeira Qaderi: Dich zu verlieren oder mich

Inhalt:

Wie wird ein Mädchen zur Frau in einer Gesellschaft, die ihm alle Möglichkeiten verwehrt? Wie wählt eine Mutter zwischen ihrem Kind und ihrer Zukunft? Dich zu verlieren oder mich ist die bewegende Lebensgeschichte der afghanischen Autorin und Frauenrechtlerin Homeira Qaderi – und ihre stärkste Waffe im Kampf für Gleichberechtigung in ihrer Heimat. (Klappentext)

Rezension:

Über Nacht änderte sich das Leben für die Menschen, als nach dem Abzug der Sowjets die Taliban die Macht übernahmen. Das Leben in Afghanistan war nie einfach, doch vor allem für die Frauen wurde in der ohnehin patriarchalischen Gesellschaft die Luft zum Atmen immer dünner. Plötzlich waren sie wie Vögel eingesperrt, im eigenen Land. Zu dieser Zeit, „im Land der unsichtbaren Kugeln und des angekündigten Todes“ wächst Homeira auf, ihr Glück findet das Mädchen, die Jugendliche im Lesen und Schreiben, doch Bildung ist den Frauen Afghanistans untersagt, wie auch sonst das Leben der Bevölkerungen von Tradition und Gesellschaft eingeschränkt ist. Bereits im jungen Alter wehrt sich die künftige Autorin dagegen, bringt gleichaltrigen Mädchen heimlich das Schreiben bei, doch der größte Kampf steht ihr bevor, als sie als junge Mutter vor der Entscheidung steht, entweder sich selbst zu verlieren oder ihren Sohn.

Ein Land mit einer Kultur und gesellschaftlichen Sichtweisen, die uns kaum ferner liegen könnten, offenbart nur selten Perspektiven aus dessen Inneren. Erfahrungsberichte und Biografien wie diese sind rar gesät und so sich „Dich zu verlieren oder mich“ heraus und verlangt, gehört zu werden. Hunderttausende Frauen mögen unter der Terror- und Willkürherrschaft des Regimes der Taliban leiden, begünstigt durch eine fatale Interpretation von Religion und verkrusteten traditionellen Strukturen, die nur schwer aufgebrochen werden können. Als eine von wenigen ist das der Autorin gelungen, die stille Momente im Geheimen als auch den Mantel der Geschichte zum richtigen Zeitpunkt für sich nutzen konnte.

Die Veränderung war fast augenblicklich spürbar. Auf den Straßen waren schlagartig keine Frauen mehr zu sehen. […] Während dieser ganzen Zeit fühlte ich mich wie ein Vogel im Käfig, ich schlug mit den Flügeln gegen die Stäbe und versuchte noch immer zu fliehen.

Homeira Qaderi: Dich zu verlieren oder mich

Homeira Qaderi hangelt sich von ihren Kindheitserinnerungen an bis zur titelgebenden Frage, auf der letztendlich alles hinausläuft. Anschaulich beschreibt sie die Veränderungen, denen das Land fortwährend ausgesetzt war und was dies vor allem für die Frauen bedeutete. Einzelne Sätze geben dieser doch sehr kompakt gehaltenen Biografie Literarität, während andere sehr sachlich auf den Boden der Tatsachen zurückführen, welcher gespickt ist von Kälte, Trost- und Hoffnungslosigkeit. Wie die Geschichte jedoch ausgeht, lässt sich erahnen, alleine schon dadurch, dass wir diesen Text in den Händen halten. Manchmal setzt sich eben doch der Funken Glück durch, sei er auch noch so klein.

[…] all meine Träume und Ziele verdorrten wie nicht gegossene Blumen.

Homeira Qaderi: Dich zu verlieren oder mich

Die Geschichte der Autorin ist Beispiel dafür, dass man die Hoffnung nicht aufgeben darf, dass es sich lohnt, dafür zu kämpfen. Qaderi zeigt jedoch auch die Gefahren eines gesellschaftlichen Systems, welches das Lebensglück seiner Menschen dermaßen mit den Füßen tritt. So ist der Text zugleich vor allem Stimme für jene Frauen, die die ihre nicht mehr erheben können, die an Afghanistan zerbrochen sind. Man kann ja auch kaum anders, wenn man vor der Wahl zwischen der Liebe zu seinem Kind und dem Wunsch nach Freiheit steht, dabei weiß, die dunkle Seite jeder Entscheidung könnte zum Schlimmsten führen. Wie würde man sich sich selbst entscheiden, ohne zu wissen, ob dies nicht in eine noch größere Katastrophe führt.

Ein Text über lebenslanges Kämpfen für sich selbst, für die Frauen Afghanistans und für das eigene Kind. Kaum möglich, davon loszukommen.

Autorin:

Homeira Qaderi wurde 1980 geboren und ist eine afghanische Schriftstellerin, Frauenrechtlerin und Professorin für Literatur. Nach der Machtübernahme der Taliban 1989 organisierte sie heimlich Grundalphabetisierungskurse für Mädchen aus der Nachbarschaft, unterrichtete selbst und veröffentlichte als Jugendliche eine Kurzgeschichte, die von den Taliban scharf kritisiert wurde. Im Jahr 2001 ging sie in den Iran und setzte ihre unterbrochene Ausbildung fort, studierte persische Literatur, worin sie schließlich 2014 in New Dehli promovierte.

Im Jahr 2011 wurde sie Beraterin der afghanischen Regierung. Während des Falls von Kabul 2021 gehörte sie m it ihrem Sohn zu den Letzten, die das Land an Bord eines amerikanischen Flugzeugs verlassen konnten. Seit dem lebt und arbeitet sie in den USA als Autorin und Professorin und setzt sich weiterhin für Frauenrechte ein. Sie hat mehrere Bücher veröffentlicht und wurde verschiedenfach ausgezeichnet.

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Karin Hofmann (Übers.): DK History – Bauwerke der Menschheit

Inhalt:

Von der beeindruckenden Sonnenfinsternis vor der Maya-Pyramide Kukulcan über das fröhliche Fest zu Ehren der Athene auf der Akropolis bis zu den Menschen in Stonehenge, die ein Ritual zur Wintersonnenwende vollziehen: Entdecke die bedeutendsten Bauwerke der Menschheit durch atemberaubende 3-D-Szenen und erlebe hautnah, wie diese besonderen Orte und ihre Menschen Weltgeschichte schreiben. (Klappentext)

Rezension:

Nach den Momenten der Geschichte begeben wir uns auf eine neue Reise durch die Zeit und entdecken diese nun anhand der Bauwerke, und derer, die sie einst errichteten. Auch diesmal führt uns unsere Reise einmal quer durch die Weltgeschichte, zu den verschiedensten Orten und wieder können wir bekanntes wieder und anderes neu entdecken. Nicht nur kleine Hobby-Archäologen und Entdecker kommen dabei auf ihre Kosten, wenn sie etwa durch die Bauten der Verbotenen Stadt des Chinesischen Kaiserreichs wandeln oder das Treiben der Spiele im Kolosseum beobachten.

Der neue Band macht es möglich und lässt uns eintauchen, auf bewährte Art und Weise mit einer bunten Mischung aus liebevollen Illustrationen, hochqualitativen Grafiken und Fotografien. Zusammengestellt mit kurzen kompakten Erklärungen werden die geschichtlichen Kapitel übersichtlich gehalten. Wer liest, hält praktisch ein Wimmelbuch in den Händen.

Immer wieder gibt es neue Details zu entdecken. Dabei sorgt wieder die Mischung aus bekannteren und nicht ganz so geläufigen Themen für Abwechslung, zudem wird hier Wissen auf eine Art und Weise vermittelt, die gerade junge Lesende ernstnimmt. So funktioniert auch dieses Werk für das gemeinsame Lesen, wie auch für erste Leseversuche selbst, wenn man die Grundlagen dafür beherrscht und sich allein auf Entdeckungsreise begeben möchte.

Jedes „Kapitel“ ist gleich dem ersten Band so aufgebaut, dass eine Überblicksseite mit einer großen Illustration das Thema eröffnet und danach einzelne Details erläutert werden, anhand von Kartenmaterial, weiteren Zeichnungen, abgeschlossen zuletzt durch eine großformatige Fotografie. Egal, wo das Auge hinschaut, immer gibt es etwas zu sehen. Dieses Werk lässt sich ebenso als Nachschlagewerk, wie auch zum Hintereinanderweg-Schmökern verwenden und reiht sich damit so würdevoll in sämtliche andere Bild-Enzyklopädien des Verlags ein, sowohl für Kinder als auch für Erwachsene. Am Ende steht wieder ein Glossar zur Klärung der wichtigsten, immer wiederkehrenden Begriffe.

Natürlich kann auch dieses Werk geschichtliche Themen nur anreißen, aber es ist sehr geeignet, die Kleinsten schon zu interessieren und zu begeistern. Die Reise zu einem Empfang Ludwig XIV. wie auch in den Hafen von Karthago sei hier allen zu empfehlen.

Übersetzung:

Karin Hofmann ist freiberufliche Übersetzerin.

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Thomas von Steinaecker: Die Privilegierten

Inhalt:

In Norwegen beginnt der Winter. Der erste seit vielen Jahren. In einer abgelegenen Hütte muss sich Bastian eingestehen, dass er zu alt ist, um dort zu überleben. Anstatt zur weit entfernten Siedlung aufzubrechen, beginnt er, sich mit seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen.

Mit seiner Kindheit in den 90ern zwischen Star Wars, Magnum-Eis und Lichterketten gegen Rechts. Der Zeit als junger Vater und der Herausforderung, Familie, Karriere und eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. Und mit den Jahren in der geschützten Wohnsiedlung in der Nähe Münchens, in denen die Welt immer bedrohlicher wurde.

(Inhalt lt. Verlag)

Rezension:

Der neue Roman von Thomas von Steinaecker ist das vielschichtige Porträt unserer Gegenwart in all ihren Widersprüchen. Vor allem aber auch: eine bewegende Geschichte von Liebe und wahrer Freundschaft.

Angaben des Verlags

Das meint zumindest der Verlag, doch zunächst begegnen wir den Protagonisten am Ende der Welt, der Einsam- und Unerbittlichkeit des kargen und unerbittlichen norwegischen Winters ausgesetzt. Bastians Vorräte gehen zu Neige. Er weiß, wenn nicht bald etwas passiert, ist sein Ende nicht weit. Zeit zurückzublicken, zu resümieren, ist genug vorhanden.

Bastian, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Dinge um ihn herum zu katalogisieren und fernab aller Menschen zu leben, beginnt aufzuschreiben, was einst geschah. Von den ersten Kindheitserinnerungen an bis hin zum Zeitpunkt, der alles veränderte.

Nachdem der Rahmen so festgelegt ist, schlittern wir lesend in eine Mischung aus Generationen- und Familienroman, Gesellschaftskritik und Dystopie, die zu gleichen Teilen ausufernd wie beinahe nichts sagend erzählt wird. Schon zu Beginn der eigentlichen Erzählung beschleicht einem das Gefühl, hier wollte jemand möglichst viele Seiten füllen, um des Textes Willen. Gleich in den ersten Abschnitten hätte etwas weniger Detailliertheit der Handlung gut getan. So richtig warm wird man damit nie, was um so schwerer wiegt, da der Umfang eines Mammutwerks sich nicht mal eben schnell weglesen lässt.

Dabei hat die Geschichte alles an Potential, greift der Autor doch tief genug in die Nostalgiekiste hinein, zudem funktionieren Familienerzählungen grundlegend immer, wenn sie vor allem aus einer Perspektive heraus beschrieben werden. Doch weder der Ich-Erzähler noch die anderen Protagonisten gewinnen im Verlauf der Handlung an Sympathie.

Manchmal weiß man so gar nicht, an wen man sich denn halten kann, zudem bei einiger Ausgestaltung gehörig Kitsch eingeflossen ist, um mal nur den Mutter-Theresa-behafteten Sohn Bastians zu nennen, der wohl ein Gleichnis zur Letzten Generation darstellen soll oder den Erzähler selbst, der dem Klischee eines Boomers par excellence entspricht. Irgendwann ist’s auch mal gut. Hier oft genug davon viel zu viel. So kann man aber eben auch Gegensätze schaffen. Ein Mitfühlen, mit dem einen oder anderen ist aber nur in einzelnen Momenten gegeben.

So wie Genre und Protagonisten schwer zu fassen sind, bewegen wir uns durch die jüngere Vergangenheit bis hinein in die unmittelbar bevorstehende Zukunft, in der bestehende Gewissheiten auseinander gebrochen sind. Die Veränderungen zu beschreiben, ist Thomas von Steinaecker durchaus geglückt, in dem gewollten Sinne auch logisch, doch möchte man die sich darin bewegenden Figuren durchweg schütteln.

Ein gewisser Spannungsbogen ist allein durch den beschriebenen Zeitstrahl gegeben, auch wenn da leicht überprüfbare Fakten, die eingewoben wurden, schon zu Beginn durcheinander geraten. Dass man sich bei Jahreszahlen vertippt mag ja noch angehen, der Regierungswechsel von Kohl zu Schröder fand im Jahr 1998 statt, nicht zwei Jahre zuvor. Im Kanzleramt saß dann aber letzterer und nicht Joschka Fischer. Gerade solche Sachen sollten spätestens im Lektorat auffallen. Es bleibt zu hoffen, dass das mindestens mit den kommenden Auflagen oder der Taschenbuchausgabe korrigiert wird.

Der Protagonist resümiert und verliert sich in vielen Details, die uns gleichsam den Spiegel vorhalten, aber keinen Anker zum Festhalten geben. Dennoch gelingt es, sich die Welt vorzustellen, sowohl die vergangene als auch die dystopisch erdachte, doch bleiben beide seltsam kalt, selbst wenn man die eine tatsächlich ähnlich empfunden oder erlebt haben mag. Die Figuren berühren kaum, wie auch die Erzählung selbst, die kaum in Bewegung kommt, vor Themen, die der Autor unbedingt mit hineinbringen wollte. Viel ist eben nicht gleich gut.

Autor:
Thomas Freiherr von Steinaecker wurde 1977 in Traunstein geboren und ist ein deutscher Schriftsteller, Filmregisseur, Hörspielautor und Journalist. Er studierte zunächst in München und in Cincinnati Literaturwissenschaft, bevor er 2006 über literarische Fototexte promovierte.

Währenddessen arbeitete er für verschiedene Zeitschriften und sendete 2007 dem Bayerischen Rundfunk sein erstes Hörspiel. 2007 erschien sein Debütroman, der auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises gelang. Weitere Werke wurden u. a. für den Preis der Leipziger Buchmesse oder den Alfred-Döblin-Preis nominiert.

Zudem betätigt er sich als Film- und Theaterregisseur, schreibt Comic-Rezensionen u. a. für die Süddeutsche Zeitung. Seit 2017 ist er Mitglied des PEN.

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