Version:
Rezensiert wird hier die Adaption des Romans als Graphic Novel.
Inhalt:
In einer apokalyptischen Vision sieht Hazels jüngerer Bruder Fiver die Zerstörung ihrer Heimat voraus. Sie wissen: Einzig die Flucht kann ihre Kolonie vor dem Untergang retten. Doch kaum jemand will auf sie hören. Und so macht sich nur eine kleine Schar Kaninchen auf, ein neues Zuhause zu finden. Unterwegs durchleben sie zahllose Abenteuer, Meuterei, Verrat und Heldentum, Schlachten mit hohem Blutzoll, bis sie schließlich ins Land der Freiheit und des Friedens einziehen. (Klappentext)
Rezension:
Wie viele Kinder durften sich eigentlich die Trickfilm-Adaption des Romans “Watership Down” ansehen, um danach nachhaltig wochenlang unter der Angst vor Alpträumen wach zu liegen? Es dürften so einige gewesen sein, schließlich gab es Zeiten, in der auch Eltern, vor allem hierzulande darauf vertraut haben, einen Zeichentrickfilm Kindern ohne Bedenken zeigen zu können.
Die Hauptfiguren sind schließlich flauschige Kaninchen, was also soll schon passieren? Alles, natürlich. So habe ich mich erst Jahrzehnte später an eine andere Adaption des Romans herangetraut, der hier nun vorliegenden Graphic Novel, während ich den Film mir wohl in meinem Leben kein zweites Mal mir ansehen werde und auch der eigentliche Roman noch eine ganze Weile warten darf.
Das Grundgerüst der 1972 erstmalig erschienen Erzählung ist schnell erklärt. Eine Gruppe von Wildkaninchen macht sich auf die Suche nach einer neuen Heimat, nachdem einem von ihnen einer Version vollkommener Zerstörung und Vernichtung anheimfällt. Diese fast epilepsieartigen Anfälle Fivers leiten die Gruppe, die sich von ihrer ursprünglichen Sippe entfernt und eine neue Heimat sucht. Während der Reise ins Ungewisse begegnet diese Gemeinschaft zahlreichen Gefahren und Herausforderungen, die sie nur gemeinsam meistern können. Von Beginn an klar, nicht alle werden es schaffen.
Viel Dramatik ist in dieser beinahe George Orwell anmutenden Geschichte enthalten, die sich zeichnerisch gut in Szene setzen lässt. Dabei wirken die einzelnen Panels beinahe wie in “Winnie the Pooh”, doch zugleich düster und bedrohlicher gehalten. Das gewählte Format und die Entscheidung, ausführlich zu erzählen, transportieren den Geist der Erzählung, so das trotz notwendiger Verdichtung nicht das Gefühl aufkommt, es würde etwas fehlen.
Der Adaption geschuldet, verschmelzen mehrere Nebenfiguren zu einer einzigen, bekommen andere mehr Raum als dies wahrscheinlich im Romantext der Fall ist, doch folgen auch Zeichner und Texter einem kontinuierlichen Spannungsverlauf, der sich fast bis zum Nervenkitzel steigert.
Auch die Graphic Novel ist nichts für Kinder, was hier jedoch auch nicht behauptet wird. Da ich nun zwei Varianten, diese und die Verfilmung kenne, bezweifle ich dies erst recht für den Roman selbst, gleichwohl der Autor diesen wohl selbst seinen eigenen Kindern vorgelesen haben soll.
Roman und Verfilmung haben jeweils mehrere Ebenen, was sich natürlich in zeichnerischer Form besonders gut umsetzen lässt. Fließende Übergänge sorgen für kurzes Innehalten. Die Figuren sind hier gut ausgearbeitet, eine klare Abgrenzung zwischen Gut und Böse liefert Identifikationspotenzial bzw. die Antagonisten. Und ja, Natur ist auch in dieser Version grausam. Warum auch nicht. Ein Verwischen würde die Graphic Novel zu weit vom Original entfernen.
Perspektivwechsel sind hier mit Vorsicht zu genießen. Man kann bei der Anzahl an Charakteren durchaus das eine oder andere Mal durcheinander geraten. Düstere Momente sind dabei in relativ dunklen Farben gehalten, während Erd- und Grüntöne die hauptsächlichen Panels beherrschen, beinahe pastellartig, was zum Versinken einlädt. Der Verlag präsentiert hier ein manchmal schwer verdauliches, in jedem Fall gewichtiges Coffee Table Book.
Da schon Richard Adams eine reale Landschaft zum Handlungsort gewählt hat, fiel es auch hier leicht, dies grafisch zu übertragen. Die Orte existieren, auch das Leben der Protagonisten ist so eindrücklich dargestellt, dass es glaubwürdig wirkt. Von der Übertragung her und vor allem zeichnerisch ist James Sturm und Joe Sutphin hier mit Richard Adams Geschichte etwas großes gelungen, was mich am Ende doch ein wenig mit meinem Kindheitserlebnis versöhnt.
Für Liebhaber der Erzählung ist es zugleich ein wertiges Sammelobjekt, welches hiermit vorliegt.
Autor:
Richard George Adams wurde 1920 in Newbury geboren und war ein britischer Schriftsteller. Nach seinem Einsatz im Zweiten Weltkrieg schloss er 1948 sein Studium der neueren Geschichte ab und arbeitetebis 1974 als Beamter für den Vorläufer des späteren britischen Umweltministeriums. 1972 veröffentlichte er seinen Roman “Unten am Fluss” und widmete sich fortan hauptsächlich der Schriftstellerei. Er engagierte sich für den Tierschutz und der Einstellung der Fuchsjagd. Später lebte er auf der Isle of Man und starb 2016 in Oxford.