Inhalt:
An einem strahlenden Sommertag kreuzen sich die Wege von vier Menschen am Hafen von Sydney, in der Nähe der berühmten Oper. Scharen von Touristen vermischen sich hier mit den Einwohnern der Stadt. Alle vier tragen an ihrer Geschichte: Ellie erinnert sich an ihre Liebe zu James als Vierzehnjährige in der kleinen Provinzstadt, in der sie aufwuchsen. James ist besessen von einer Tragödie, für die er sich verantwortlich glaubt. Catherine trauert um ihren Bruder Brendan, der vor einigen Jahren in Dublin starb. Und Pei Xing fährt jeden Samstag nach Sydney, um einer einstigen Lageraufseherin aus Pasternaks „Doktor Shiwago“ vorzulesen.
Gail Jones folgt diesen Figuren durch Sydney, auf ihren eigenen und doch verbundenen Wegen, eingehüllt in Erinnerungen, Schuld und Bedauern, während die Stadt um sie herumwirbelt. „Ein Samstag in Sydney“ ist ein tief berührender Roman über Liebe, Verlust und die Last der Vergangenheit. (Inhalt lt. Verlag)
Rezension:
Um so mehr sie den Blick versuchen, nach vorne zu richten, um so mehr holt die Figuren ihre Vergangenheit wieder ein. Im Hier und Jetzt der Vergangenheit verhaftet sind die Protagonisten in Gail Jones‘ Erzählung „Ein Samstag in Sydney“, in derer die Schicksale, Lebensgeschichten einander streifen, immer einen Schritt voran. Das Ziel im übertragenen Sinne indes, ist für alle nur schwer zu erreichen.
Im flirrenden Sydney, am Hotspot der Touristen entspinnt sich die Geschichte, erzählt abwechselnd aus der Sicht der Figuren, die unterschiedliche Schicksale zu tragen haben, unter derer Last sie in verschiedener Form in ihren Nachwirkungen zusammenbrechen drohen. Was hält uns aufrecht? Was lässt uns weitergehen, suchen? Gail Jones widmet sich diesen und anderen philosophischen Fragen und verwebt sie in ruhiger Tonalität in ihrer Erzählung.
Der Geschichte gibt dies zunächst ihren roten Faden, die Figuren bekommen so schnell Konturen. Alle haben sie Ecken und Kanten. Gail Jones spielt mit Ecken und Kanten, die nach und nach zum Vorschein treten. Spannend sind die Sichtweisen der einzelnen Figuren, die jede für sich einen Roman in diesem Umfang verdient hätten, so jedoch neigt man zum Springen, manchmal gar querlesen. Der Spannungsbogen wird über die gesamten Handlungsstränge flach gehalten. Die Tonalität trägt ihr übriges dazu bei.
Natürlich, der Handlungsort ist aus unserer Perspektive heraus wieder interessant. Australien vermag auf der anderen Seite der Erdkugel zu faszinieren, sowohl das futuristisch anmutende Opernhaus, welches die Skyline Sydneys bestimmt, als auch die Ursprünglichkeit der Provinz, des Herz von Australien. Die Autorin schafft es, hier Vorstellungswelten vor dem inneren Auge entstehen zu lassen, nur fügt sich beides nicht harmonisch zusammen.
Immer wieder wartet man auf Wendungen, einem anziehenden Tempo, doch plätschert der Roman förmlich unter der gleißenden Sonne Australiens dahin, dass es nicht einmal hilft, den hier zu lesen. Das Schicksal der Figuren berührt da leider viel zu wenig und verfängt nicht.
Hier hätte mehr Ausführlichkeit jedem Handlungsstrang, jeder Figur gut getan, die wir so nur streifen als würden wir selbst an ihnen vorbeigehen, vielleicht bemerken, dann jedoch im nächsten Moment schon vergessen. Da hilft es nicht mal, dass im realen Leben auch jeder von uns eine eigene Geschichte mit entsprechenden Höhen und Tiefen hat, vielleicht mit etwas hadert. Nur in den seltensten Fällen machen wir dies uns bewusst. Im Roman, wo dies an sich hätte gelingen sollen, denn das Grundprinzip ist durchaus interessant, funktioniert das hier jedoch auch nicht wirklich. Schade.
Autorin:
Gail Jones wurde 1955 geboren und ist eine australische Schriftstellerin. Zunächst studierte sie an der University of Western Australia in Perth, bevor sie 1992 begann, Romane und Erzählungen zu veröffentlichen. Diese wurden in zahlreichen Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeichnet. 2014 wurde sie durch das Berliner Künstlerprogramm des DAAD als Gast nach Deutschland eingeladen. In Australien lehrt sie Kreatives Schreiben.