Ullstein

Erri de Luca: Die Stadt antwortete nicht

Inhalt:

Von seiner neapolitanischen Kindheit, von wortkargen Fischern, von der Entdeckung der Natur handeln Erri de Lucas Erzählungen; von seinen Jahren als Arbeiter auf dem Bau, seinem politischen Kampf gegen den Klassismus; von der Liebe und dem Heiligen, der Literatur und den Bergen. In seiner behutsamen Prosa lässt der große italienische Autor Erinnerungen lebendig werden und beleuchtet schlaglichtartig die Etappen eines bewegten Lebens. (Klappentext)

Rezension:

Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um. Wer vom Gewohnten abweicht, dem kann das ebenfalls passieren. Dies zeigt der neue Kurzroman aus der Feder von Erri De Luca, der zunächst wie gewohnt mit durch seine Kindheit biografisch angehauchten Episoden beginnt.

Hier zeigt sich der Autor in Bestform, wenn er den Staub der Erinnerung aufwirbelt und seine Klassenkameraden noch einmal einen Aufstand gegen die Lehrerschaft proben, noch bevor gesellschaftliche Revolten sich auch im südlichen Europa ihren Platz im Bewusstsein der Gesellschaft erobern. Im Gegensatz zu seinen erprobten Texten, bleibt De Luca hier jedoch nicht dabei. Es ist diesmal keine Coming of Age Geschichte, die hier mit “Die Stadt antwortete nicht” vorliegt. Im Gegenteil, der Schreibende ist hier vom Erwarteten abgewichen und spannt den Bogen, lässt seinen Protagonisten wachsen. Protest, Wandel und Suche bestimmen dessen Leben, an dessen Ende der zurückblicken wird.

In gewohnt kompakter Form gelingt diese Sammlung von Erzählungen, die zwischen den Zeiten springen und so wirken, als hätten sie bisher für keinen Roman genügt, wie sie der Autor sonst erschafft. Es fehlt hier ein verbindendes Schlüsselereignis, die Konzentration auf einem kleinen Zeitausschnitt, was die Texte Erri De Lucas sonst so besonders macht, wenigstens ist die Tonalität unverändert. Ruhig wirkt das Erzählte, südeuropäische Gelassenheit oder die Milde des Alters, in welchem man auf Vergangenes zurückblickt.

Der Protagonist, beinahe sicher mit dem Autoren gleichzusetzen, was bei den vorherigen Romanen nicht immer ganz so klar ist, welchen Anteil der Biografie der Schreibende eingewoben hat, bleibt gleich, der erzählte Zeitabschnitt ändert sich. Beinahe scheint es, als würde man einzelne Fotos oder Zeitabschnitte in die Hand bekommen, dazu die passende Geschichte erfahren.

Das genügt, um Bilder vor dem inneren Auge entstehen zu lassen, die Gassen der italienischen Stadt am Fuße des Vesuvs, den Geruch betriebsamer Baustellen, aufgewirbelter Staub im Klassenzimmer. Große Überraschungen sucht man hier vergebens, trotz der Sprunghaftigkeit. Das Phänomen, nach Kindheit, nach Ereignissen anderer Leben zu fragen und immer wieder die gleichen Geschichten erzählt zu bekommen, die sich im Laufe der Zeit zu Familienlegenden entwickeln, kennen doch, in irgendeiner Art und Weise alle. So wirkt diese Aneinanderreihung, in die man dennoch versinkt.

Eventuell ist es vielleicht sogar klug, zuerst diesen Erzählband sich vorzunehmen und dann die anderen Geschichten, die in vielen Teilen fiktionaler und nach einem erprobten Schema geschrieben wurden. Dort kommt eher Ruhe hinein, da die Sprünge fehlen und man wird nicht sofort nach einigen Kapiteln wieder aus dem Gelesenen gerissen. Auch sind diese Texte stärker, da kleinere Zeitabschnitte ausgedehnt werden und nicht so viele Jahre auf so wenig Seiten untergebracht werden, wie in dieser Erzählung. Nichts destotrotz kommt man hiermit der Biografie Erri De Lucas wohl am nächsten, sowie einem Italien im Wandel.

Immerhin für diese Perspektive lohnt sich das dann.

Autor:

Erri De Luca wurde 1950 in Neapel geboren und ist ein italienischer Schriftsteller und Übersetzer. In zahlreichen Berufen arbeitet er zunächst und engagierte sich für Hilfslieferung während des Jugoslawien-Krieges. Autodidaktisch brachte er sich mehrere Sprachen bei, u.a. Althebräisch, womit er einige Bücher der Bibel ins Italienische übersetzte. 1989 veröffentlichte er sein erstes Buch. Im Jahr 2013 erhielt er den Europäischen Preis für Literatur, drei Jahre später den Preis des Europäischen Buches. Seine Erzählungen wurden mehrfach übersetzt. Der Autor lebt in Rom.

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Sophie Hardach: Unser geteilter Sommer

Inhalt:

Die achtjährige Ella wohnt mit ihren beiden Brüdern, den Eltern und Großeltern nah an der innerdeutschen Grenze in Berlin, doch davon bekommt sie wenig mit. Ihr Leben besteht aus Sommertagen in der Datsche und Abenden in orangenen Ziehbadewannen. Bis ein Urlaub an der ungarisch-österreichischen Grenze ihrer Kindheit ein jähes Ende setzt und die Familie für immer auseinanderreißt.

Zwanzig Jahre später führt das Tagebuch ihrer Mutter Ella zurück nach Berlin. Mithilfe der Stasi-Akten versucht sie zu rekonstruieren, warum die Flucht damals so verheerend gescheitert ist. Und was mit ihrem kleinen Bruder Heiko geschah, den sie in all den Jahren niemals vergessen hat. (Klappentext)

Rezension:

Nur wenige handbeschriebene Seiten sind es, ein paar Notizen und ein Bild, die Ella zurück in eine längst verschüttet geglaubte Vergangenheit katapultieren. Plötzlich lassen die noch immer kaum verständlichen Ereignisse jener Tage sie nicht mehr los, die ihre Kindheit schlagartig beendeten. Bilder von der gescheiterten Flucht kommen wieder hoch, Erinnerungen an den kleinen Bruder, der von der Familie getrennt wurde, von dem es seit dem keine Spuren gibt. Die nun junge Frau sucht nun, mit den wenigen Anhaltspunkten, die ihr die Mutter hinterlassen hat, nach ihm. Noch immer stößt sie auf Mauern.

So beginnt die Handlung dieses Romans, der sich in die gute alte Tradition großer Familiengeschichten einreiht, sowie die Geschichte der Metropole an der Spree als Kulisse nimmt. Erfolgsgaranten, die allzu oft ins Kitschige abstürzen. Der Journalistin und Autorin Sophie Hardach ist der Spagat gelungen, Ereignisse zu erzählen, wie sie tatsächlich vor dem Hintergrund der Historie hätten stattfinden können.

Die Erzählung besteht aus einem klug zusammengestellten Puzzle der Handlungsstränge und Zeitebenen. Von beiden gibt es nicht zu viele. Wir begleiten einen jungen Archivaren, dem Zweifel an seine Arbeit kommen, über seinen Tisch gebeugt Papierstreifen zusammenklebend, um die Vergangenheit zu rekonstruieren. Sollen und möchten die Menschen wirklich wissen, dass der Freund, mit dem sie heute vielleicht noch Abende am Gartentisch verbringen, sie früher einst bespitzelt hat? Ist es nicht besser, bestimmte Punkte zurückzuhalten, zu verändern?

Wir begegnen dem Kind, dessen Leben sich schlagartig ändert, der späteren jungen Frau, die versucht, die Vergangenheit zu ergründen und zwischen Lüge und Wahrheit zu unterscheiden. Die Eltern, die im Wechselbad sich gezwungen sehen, sich zwischen relativer Sicherheit und ungewisser Freiheit, aber eben Freiheit, zu entscheiden. Die Großmutter, die einst für ihre Überzeugungen nach Buchenwald verbracht wurde, den neuen Staat begrüßte und erst mit seinem Ende beginnt, Illusionen zu hinterfragen.

“Ich sage dir, meine Parteifreunde wären entsetzt, wenn sie das alles wüssten. Das ist einfach irgendein Abschaum, der sich hier so was mit uns erlaubt. Ich werde mich beschweren, Horst. Ich lasse mir das nicht bieten, ich sorge dafür, dass die zur Ordnung gerufen werden.” “Du meinst, in der Partei weiß man nichts davon? Das ist die Partei, Trude.”

Sophie Hardach: Unser geteilter Sommer

Ineinander verschachtelt baut sich eine immer rasanter verlaufende Geschichte auf, deren Ende man ahnt, zumal die tatsächlichen Ereignisse bekannt sind, doch bringt die Autorin Themen zur Sprache, mit denen nicht wenige heute noch hadern dürften, unter deren Folgen zu leiden haben. Desillusionierung ebenso, wie Risse zwischen Familien, gescheiterten Fluchten und der Trennung von Familien sind in der Erzählung verwoben, ebenso die heute wichtigen Fragen der Aufarbeitung und Konfrontation mit der Vergangenheit.

Viele Themen sind das für einen vergleichsweise kompakt wirkenden Roman, der kein Wort zu viel verliert. Neben der Entwicklung der zwei Hauptcharaktere ist vor allem die Ausgestaltung der schon erwähnten Großmutter interessant. Viele Grautöne gibt es, jedoch auch klare Gegenpole.

Auch die sind glaubwürdig und nachvollziehbar. Die Geschichte selbst wird aus mehreren Perspektiven heraus erzählt, durchbrochen von Ausschnitten aus Akten, die Ella und Aaron, der junge Archivar, mit der Vergangenheit konfrontieren und immer wieder Momente der Unruhe und Anspannung einflechten. An manchen Stellen hätte der Text mehr Kühle und Härte ertragen können. Einiges wirkt fast zu sanft. Vielleicht kann man das aber auch nur so machen, wie von Sophie Hardach erdacht? Ist die Wirklichkeit nicht manchmal zu grob, zu unerträglich? Der Erzählung haben jedoch die Hintergrundrecherchen sehr gut getan.

Hier ein paar Zeilen weniger, dort ein paar mehr Ausführungen fehlen vielleicht, doch ist die Geschichte in sich schlüssig und gut zu lesen. Ruhige und Spannungsmomente wechseln sich im richtigen Maße ab. Wirklich überraschende Wendungen gibt es kaum. Man ahnt sehr schnell, worauf die Handlung hinauslaufen wird. Trotzdem werden Zeit und Geschehen sehr lebendig vor Augen geführt. Gerade wenn man Berlin kennt oder gar die letzten Jahre der DDR miterlebt hat (Das wiederum kann ich mir nur vorstellen.), für jene gibt es einige gelungene Verknüpfungspunkte.

Wer sich gerne in Familiengeschichten verliert und sucht, was Schicksalsschläge mit Menschen macht, wer Romane vor zeithistorischer Kulisse sucht, dennoch einen zum Großteil eher ruhig gehalten Schreibstil bevorzugt, für jene ist diese Erzählung. Figuren und darum gewobene Geschehnisse sind erfunden. Alleine, sie hätten so passieren können.

Autorin:

Sophie Hardach wurde 1979 in Deutschland geboren und ist Autorin und Journalistin. Sie schreibt für The New York Times und den Guardian. Ihr Roman “Unser geteilter Sommer” war für den Costa Novel Award” nominiert. Mit ihrer Familie lebt sie in London.

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Christian Zaschke: Hell’s Kitchen – Storys aus Manhattan

Inhalt:

Christian Zaschke ist Korrespondent einer gewissen Süddeutschen Zeitung, für die er Artikel schreibt, wenn mal wieder sein ungemein schwarzes Bürotelefon klingelt. Es sei denn, sein Freund V., der Fremdenführer ist dran und befielt mal wieder einen Ausflug durch die Stadt, oder er ist bei Freunden zum Thanksgiving eingeladen, lässt sich von seinem Friseur mit den zitternden Händen die Frisur verunstalten oder reist mit einem anderen Freund durch Amerika, dessen einziges Ziel es ist, entweder entdeckt zu werden oder zehn Kilo zuzunehmen. Wenn er nicht über die große Politik schreibt oder in der fabelhaften Schrottbar Rudy’s zu finden ist, schreibt der Journalist wunderbare Miniaturen. Versammelt sind sie hier in diesem Buch. (eigene Inhaltsangabe)

Rezension:

Wenn sein auffallend schwarzes Bürotelefon klingelt, fordert entweder eine gewisse Süddeutsche Zeitung, bei der Christian Zaschke als Korrespondent in Brot und Lohn steht, wieder einmal einen Artikel an oder sein Freund V., der Fremdenführer, der alles über seine Stadt weiß, befielt ihn zu Ausflügen, die oft in der fabelhaften Schrottbar Rudy’s enden, von der aus verschiedenen Gründen nicht verraten werden darf, wo sie liegt. Deren Türsteher würde ihm sonst beide Beine brechen. Auch sonst lässt der Journalist in seiner Kolumne die Bewohner des New Yorker Stadtteils Hell’s Kitchen lebendig werden, was mitunter chaotisch wirkt, wie der Haarschnitt durch die zitternden Hände seines Friseurs, jedoch immer urkomisch. Grund genug, Zaschkes Zeitungskolumne nun in Buchform lesen zu können.

Im zuweilen überhitzten und ruhelosen Amerika einen Ankerpunkt zu finden mag besonders schwer sein, wenn man in einer umso schnelllebigen Stadt seine Zelte aufschlägt und Berufs wegen die große Politik beobachten, von ihr berichten muss. Christian Zaschke, so scheint es, hat ihn gefunden und schreibt von den großen Ereignissen ebenso wie von den Menschen und den Befindlichkeiten, um ihn herum. Mit dem Blick aufs Wesentliche wirkt dies den Bewohnern von Hell’s Kitchen zugetan, oft mit mehr als nur einer Prise Humor.

Kurz und prägnant sind die, ursprünglich in der Zeitung erschienen Beiträge gehalten, so dass diese sich entweder voneinander losgelöst oder am Stück lesen lassen. Immer steht dabei eine Person, ein Ereignis abseits der großen Geschehnisse im Mittelpunkt. Ganz normale unnormale Alltagsbeschreibungen eines Korrespondenten- und eben Metropolenlebens. Aufhänger und Pointen finden sich da fast immer, nachdenkliche Zwischentöne für jene, die suchen. Und suchen tun sie alle, die sie in Hell’s Kitchen leben, wenn sie dieses Unbestimmte nicht schon längst gefunden haben. So ist auch der Journalist längst in diesem Bann geraten, von dem er über ein Jahr lang regelmäßig berichtet.

Charakterbeschreibungen liegen Zaschke dabei ebenso wie das lebendig werden lassen von Orten, so dass man diese gerne selbst besuchen oder sich von V., in die Irre oder durch den Central Park führen oder sich erklären lassen möchte, wie Pizza- und U-Bahn-Fahrkartenpreise mit der irischen Mafia zusammenhängen. Ein großer Spaß ist das, diese prägnanten Momente zu lesen, die einander in ihren Geschwindigkeiten wechseln, schneller jedenfalls als die Bauarbeiten auf den Balkonen eines gewissen ehemaligen Schwesternheimes vorangehen, zum Leidwesen nicht nur des Hibiskus’ des Autoren.

Die Ausarbeitung der Personenbeschreibungen, die sich erst beim Lesen mehrerer Kolumnenbeiträge wie ein Puzzle zusammensetzen, ist außerordentlich, wie auch das Einfangen von Momenten in den Bann ziehen mag. Schreibe dies als jemand, der sich von Kurz- und Kürzestgeschichten sonst nicht so einfach einfangen lässt und als einer der wenigen, die New York als Reiseziel wenig bis gar nicht interessant finden. Christian Zaschke hat es mit dieser Sammlung jedoch geschafft, einen anderen Blickwinkel zu geben. Und ich suche mir jetzt auch eine Bar, von der ich dann aus verschiedenen Gründen nicht verraten werde können, wo sie liegt.

Autor:

Christian Zaschke wurde 1971 geboren und ist ein deutscher Journalist und Autor. Seit 2001 schreibt er für die Süddeutsche Zeitung, zunächst in der Zentralredaktion in München, bevor er 2011 bis 2017 nach London wechselte und dort als politischer Korrespondent tätig war. Davor studierte er Anglistik, Germanistik und Geschichte in Kiel, Edinburg und Belfast, absolvierte die Deutsche Journalistenschule in München. Seit 2017 ist er SZ-Korrespondent in New York.

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Erri de Luca: Das Meer der Erinnerung

Inhalt:

Ein Sommer auf Ischia in den fünfziger Jahren. Während sich die anderen Jugendlichen aus der Stadt am Strand vergnügen, fährt der Ich-erzähler jeden Morgen hinaus aufs Meer. Von dem Fischer Nicola lernt er das Handwerk des Fischens, und Nicola ist auch der Einzige, der ihm vom Krieg erzählt. Die Abende verbringt er oft mit der Clique seines älteren Cousins. Dort lernt er Caia kennen, und ein überwältigendes Begehren ergreift den Sechszehnjährigen. Er ist überzeugt, dass Caia ein Geheimnis besitzt, und entschlossen, es in stiller Intimität ans Licht zu bringen. (Klappentext)

Rezension:

Längst ist das Salz in der Luft mit der Haut eins geworden. Die Netze haben Striemen hinterlassen und vom Bisss der Muräne bleibt eine eindrucksvolle Narbe auf der Handfläche zurück. Es ist Sommer auf der italienischen Insel Ischia und der zunächst, über weite Strecken namenlose Stadtjunge verwildert zusehens. Es sind die Beschreibungen solcher Szenen, die Erri de Luca besonders gelingen und einem in seine Geschichten eintauchen lassen.

Wer liest, nimmt in “Das Meer der Erinnerung” die Perspektive des Jungen ein, der beobachtet und wird damit selbst zum Beobachter des Insellebens. Das Meer ist einer der Handlungsorte und steht zugleich für die nicht verarbeitete Vergangenheit, das Ungesagte, auf dessen Spurensuche sich der Ich-Erzähler begibt. Sehr schnell wird der Beobachtende zum Handelnden.

Feinfühlig verweb der Autor verschiedene Themen mithilfe kunstvoller Sprache. Ruhig, fast melancholisch ist der Sprachstil, so unerbittlich ist das Nicht-mehr-Kind und der Noch-nicht-Erwachsene zu sich selbst. Nicht geschehene Vergangenheitsbewältigung thematisiert Erri de Luca ebenso wie das Verstehen-wollen und das Nicht-begreifen-können.

Das ist sehr viel in dieser kompakten Form, wird jedoch genügend auserzählt. Das halb offene Ende wirkt hier etwas holzschnittartig und passt nicht wirklich zum Rest der Novelle. An den Themen, des vielschichtig ausgearbeiten Protagonisten liegt es nicht. Nur der Tupfen auf dem I fehlt, vielleicht versunken auf den unerreichbaren Gründen des Meeres.

Autor:

Erri De Luca wurde 1950 in Neapel geboren und ist ein italienischer Schriftsteller und Übersetzer. In zahlreichen Berufen arbeietet er zunächst und engagierte sich für Hilfslieferung während des Jugoslawien-Krieges. Autodidaktisch brachte er sich mehrere Sprachen bei, u.a. Althebräisch, womit er einige Bücher der Bibel ins Italienische übersetzte. 1989 veröffentlichte er sein erstes Buch. Im Jahr 2013 erhielt er den Europäischen Preis für Literatur, drei Jahre später den Preis des Europäischen Buches. Seine Erzählungen wurden mehrfach übersetzt. Der Autor lebt in Rom.

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Charlie Mackesy: Der Junge, der Maulwurf, der Fuchs und das Meer

Der Junge, der Maulwurf, der Fuchs und das Meer Book Cover
Der Junge, der Maulwurf, der Fuchs und das Meer Charlie Mackesy Ullstein/List Erschienen am: 28.02.2020 Seiten: 128 ISBN: 978-3-4713-60217 Übersetzerin: Susanne Goga-Klinkenberg

Inhalt:

Ein Junge und ein Maulwurf begegnen einander, ein Fuchs und ein Pferd schließen sich den beiden an. Gemeinsam gehen sie gegen die Einsamkeit an, gegen die Traurigkeit und die Angst. Aus den ungleichen Gestalten werden Freunde, die einander bestärken und füreinander da sind. (eigene Inhaltsangabe)

Rezension:

Was soll man schon sagen, über diese Art Coffee Table Bücher, die selbst nicht viele Worte beinhalten, in denen man dennoch versinkt? Antoine de Saint-Exupery hat es vorgemacht, sein Werk, seine Zeichnungen vom kleinen Prinzen ist inzwischen zu einem Klassiker avanciert. Der Ausspruch: “Man sieht nur mit dem Herzen gut.”, ist als gefügeltes Wort in aller Munde.

https://www.instagram.com/p/CDEtHV6K60U/?igshid=1ub78v1assvjb
Ein paar Eindrücke aus dem Werk.

Dergleichen könnte auch mit diesem vorliegenden Werk von Charlie Mackesy passieren. Ja, es ist ihm sogar zu wünschen. Die Zeichnungen mit dem auf das Wesentliche reduzierenden Pinselstrich tragen das Werk, sowohl im Bildmaterial, Farbgebung als auch in der Schrift. Der Text ist limitiert. Die Wirkung ist ungleich größer.

“Manchmal fürchte ich, ihr merkt, dass ich gewöhnlich bin”, sagte der Junge. “Um geliebt zu werden, musst du nicht außergewöhnlich sein”, sagte der Maulwurf.

Charlie Mackesy: “Der Junge, der Maulwurf, der Fuchs und das Pferd”

Die Geschichte ist schnell erzählt. Vier ungleiche Protagonisten mit all ihren Ängsten und Schwächen, Unzulänglichkeiten, begegnen einander. Die verschiedenen Charaktere schließen Freundschaft und gehen einen Weg gemeinsam. Wohin, ist nicht wichtig. Der Weg, die Freundschaft, der Zusammenhalt ist das Ziel. Gemeinsam ist man stärker, doch auch aus Schwächen kann Stärke erwachsen.

“Eine unserer größten Freiheiten liegt darin, wie wir auf Dinge reagieren.”

Charlie Mackesy: “Der Junge, der Maulwurf, der Fuchs und das Pferd”

Mackesy lässt sich schnell lesen, doch die Zeichnungen laden ein, der Autor im Vorwort ausdrücklich dazu, zu verweilen, zwischen den Seiten zu springen und sich darin zu verlieren. Dem kommt man gerne nach. Zu schnell lieb gewinnt man den Jungen und seine ungleichen Begleiter. Mit diesen lacht man, seufzt, wird nachdenklich, melancholisch oder glücklich.

Eindrücke sagen hier mehr als Worte. Das Werk muss man in den Händen halten, sich anschauen, um die Wirkung zu verstehen und die Faszination des Rezensenten. Ein Kleinod, was im Bücherregal verbleiben wird, immer wieder zum Hervorholen, um das Positive aus den Zeichnungen, dem Text hervorzuholen und den Tag in einem anderen Licht zu sehen. Und das ist doch auch mal schön, oder?

Autor und Zeichner:

Charlie Mackesy ist Künstler und Illustrator, lebte in Südafrika und Amerika, derzeit in Brixton und zeichnete Cartons für diverse Zeitungen und Zeitschriften, gestaltete Bücher für den Verlag Oxford University Press. In Galerien stellt er seine Werke aus. Die aktuelle Arbeit von Mackesy ist hier zu sehen: https://www.charliemackesy.com/

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Erri De Luca: Das Licht der frühen Jahre

Das Licht der frühen Jahre Book Cover
Das Licht der frühen Jahre Erri De Luca ullstein Verlag Erschienen am: 29.06.2020 Seiten: 103 ISBN: 978-3-548-29101-7 Übersetzerin: Anette Künzler

Inhalt:

Beim Betrachten alter Fotos, die sein Vater gemacht hatte, bevor er erblindete, erinnert sich ein Mann an seine Kindheit im Neapel der Nachkriegszeit.

Seine Eltern waren arm, und das Leben auf den Straßen war geprägt von der Not, die der Krieg hinterlassen hatte. In einem intimen Zwiegespräch mit seiner verstorbenen Mutter lässt Erri De Luca diese frühen Jahre seines Lebens wieder auferstehen und mit ihnen die Poesie, die noch in der schwersten Kindheit steckt. (Klappentext)

Rezension:

Ein Erzähler erinnert sich an glückliche und unglückliche Tage seiner Kindheit in den Gassen von Neapel, an flirrende Sommer, Begegnungen und Beobachtungen, liebende Eltern, zweifelnde Eltern, wütende Eltern. Erinnerungen, die aufblitzen, wie das Stottern vor der Klasse, welches Besonderheit und Distanziertheit zugleich bedeuten.

Erri De Luca versetzt sich zurück in eine Kindheit, die von Armut, Wandel und schließlich bescheidenen Wohlstand geprägt ist, ein Aufwachsen mit Worten ohne Worte. Das Betrachten alter Fotografien, um verlorengegangene Erinnerungen wieder aufleben zu lassen und doch die Gewissheit zu erlangen, dass es nie wieder so sein wird, wie zuvor.

Ich kenne deinen Namen, du aber kennst mein Schicksal.

Erri De Luca “Das Licht der frühen Jahre”.

Diese kleine Novelle lässt seine Leser in die Erinnerungen des Erzählenden eintauchen, der sich einer schwankenden Kindheit entsinnt. Förmlich spürt man, wie Erri De Luca Bild für Bild betrachtet, die abgebildeten Ereignisse mit seinen Gedanken in Einklang bringt, zugleich aber durch die Fotos die Perspektive seiner Eltern einnimmt. Sein Vater als Bildschaffender, die Mutter als Dreh- und Angelpunkt der Familie. Zugleich spürt er die mit zunehmenden Alter immer deutlich werdende Entfernung.

Das Alter nimmt den Erzähler die Eltern, den Eltern ihren Sohn. Poetisch ist die Sprache hier, nicht aber anstrengend zu lesen. In der Novelle gleichsam, passiert jedoch nicht viel. Rein die Handlung betrachtet, ist “Das Licht der frühen Jahre” ziemlich dünn. Das spielt jedoch keine Rolle, die Liebe zu den Eltern, denen sich Erri De Luca zu entsinnen versucht, durchdringt jede Zeile. Nur das ist wichtig. Nicht mehr, nicht weniger.

Menschen, die innehalten, begegnen einander, auch eine junge Mutter und ein alter Sohn.

Erri De Luca “Das Licht der frühen Jahre”.

Der Autor verknüpft die Erlebnisse und spielt mit der Sprache, nicht so grob, wie der Umgang des Kindes mit neuen Spielzeugen, eher feinfühlig, wie die Beobachtungen des Kindes, welches die Umgebung um sich herum zu fassen versucht. Das funktioniert gut. Es ist eine Erzählung, in deren Worten man sich wohlfühlt und zugleich sich in die eigene Kindheit zurückversetzt.

Der Erzähler ist nachdenklich, kritisch mit sich selbst und nimmt Abschied von der Mutter. Die gemeinsame Zeit entrinnt. Was der Erzähler beim Vater zu verpasst haben glaubt, will er nun bei der Mutter richtig machen. Und so sind diese Zeilen durchdrängt von Liebe, die eines Kindes, welches selbst längst in der Mitte seines Lebens angelangt ist. Traurigkeit, Bitterkeit und Glück liegen hier nah beieinander.

Erri De Luca weiß sie meisterhaft zu verbinden.

Autor:

Erri De Luca wurde 1950 in Neapel geboren und ist ein italienischer Schriftsteller und Übersetzer. In zahlreichen Berufen arbeietet er zunächst und engagierte sich für Hilfslieferung während des Jugoslawien-Krieges. Autodidaktisch brachte er sich mehrere Sprachen bei, u.a. Althebräisch, womit er einige Bücher der Bibel ins Italienische übersetzte.

1989 veröffentlichte er sein erstes Buch. Im Jahr 2013 erhielt er den Europäischen Preis für Literatur, drei Jahre später den Preis des Europäischen Buches. Seine Erzählungen wurden mehrfach übersetzt. Der Autor lebt in Rom.

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Paula Bach: Ira Schwarz 1 – Goldjunge

Goldjunge Book Cover
Goldjunge Reihe: Ira Schwarz – 1 Rezensionsexemplar/ Krimnalroman ullstein Taschenbuch Seiten: 512 ISBN: 978-3-548-28888-8

Inhalt:

Köln, 1967: Protestmärsche und die Musik der Beatles ziehen durch die Stadt. Da wird die brutal zugerichtete Leiche eines sechszehnjährigen Jungen gefunden. Die Polizei fahndet nach einem Täter aus dem linken Milieu, doch Kriminalhauptmeisterin Ira Schwarz zweifelt an der Schuld des Verdächtigen.

Als ein weiterer Junge tot aufgefunden wird, befürchtet Ira, einem Serienmörder auf der Spur zu sein. Gemeinsam mit dem Journalisten Ben Weber ermittelt sie auf eigene Faust und bringt damit nicht nur sich selbst in tödliche Gefahr… (Klappentext)

Bücher der Reihe:

Paula Bach: Ira Schwarz 1 – Goldjunge

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Rezension:

Manchmal hat man als Leser/in das Gefühl, dass bei all dem Mord und Todschlag, den man zwischen den Regalwänden finden kann, die Recherche der Schreiberlinge zu kurz gekommen ist. Zu oft wird nur Wert auf die Ausgestaltung der Hauptprotagonisten gelegt, Hintergründe und Setting bleiben dabei auf der Strecke. Nicht so bei Beate Sauer, die unter dem Pseudonym Paula Bach nun diesen zeitgeschichtlichen Kriminalroman zu Papier gebracht hat.

Es sind die Jahre des gesellschaftlichen Umbruchs, in denen wir uns mit der Hauptprotagonistin Ira Schwarz begeben, die zum Einen teil davon ist, zugleich aber auch dessen, was andere Teile der Gesellschaft für das Establishment halten.

Die Kriminalhauptmeisterin ist Mitglied der weiblichen Kriminalpolizei, von den männlichen Kollegen spöttisch und kritisch beäugt, am Beginn ihrer Laufbann und stolpert an der Seite eines alteingesessenen Beamten in ihren ersten Fall hinein, der im Panorama der etwa zeitgleichen Geschehnisse um den Kindermörder Jürgen Bartsch nicht bezeichnender sein könnten.

Stück für Stück legt die Protagonistin die Spuren frei und stößt dabei auf so manches Geheimnis, welches ihre Gegenspieler am liebsten Vergessen machen wollen. Und dies nicht nur auf der Seite des eigentlichen Täters. Hier gelingt der Autorin das Kunststück das Zeitpanorama kunstvoll mit den Handlungssträngen zu verweben, die sie ihren Figuren zugedacht hat und dies ist glaubwürdig, bis ins kleinste Detail.

Nicht nur die Morde stehen im Vordergrund, sondern auch das Aufbrechen von gesellschaftlichen Strukturen, die sich bis in die 1960er Jahre noch halten konnten, dann jedoch in ihre Bestandteile, wenn auch zuerst langsam, zerfielen.

Dies beides in einem immer schneller werdenden Erzähltemp zu schaffen, ist die große Stärke von Paula Bach aka Beate Sauer, die damit einen bemerkenswerten Reihenauftakt geschaffen hat, der sich lohnt, weiter zu verfolgen.

Der mitreisende Schreibstil und die wechselnde Sicht, der andere Handlunngsstrang folgt dem ehrgezigen Journalisten Ben Weber, dessen Weg sich mit dem ira Schwarz’ kreuzt, runden dies ab.

Positiv anzumerken ist ebenfalls die im Nachgang von der Autorin vorgenommene historische Einordnung, in der dargestellt wird, welche Gegebenheiten den Tatsachen entsprechen, wo Abwandlungen von der historischen Wahrheit geschahen und warum. Viel zu selten findet man dies bei den im historischen Kontext spielenden Kriminalromanen, so dass hier Autorin und Verlag sich einen großen Gefallen getan haben.

Einzig die sich anbändelnde Beziehungsgeschichte der beiden Hauptprotagonisten hätte jetzt nicht sein müssen. Das aber, ist Geschmackssache.

Wer gerne zeitgeschichtliche Krimis liest, mit nachvollziehbarer Handlung, die temporeich ausgestaltet ist und eine Stufe weniger brutal ist als das, was zu oberst auf den Büchertischen zu finden ist, kann mit “Goldjubnge” nichts falsch machen.

Autorin:

Paula Bach ist das Pseudonym von Beate Sauer, die 1966 geboren wurde. Sie ist eine deutsche Journalistin und Schriftstellerin. Bekannt wurde sie durch ihre historischen Romane, unter Pseudonym veröffentlichte sie bereits mehrere Kriminalromane.

Nach dem Abitur studierte sie, arbeitete dann als freie Mitarbeiterin für diverse Zeitungen und absolvierte eine journalistische Ausbildung. 1999 erschien ihr erster Roman. Für ihre Werke wurde sie bereist mehrfach ausgezeichnet. Die Autorin wurde u.a. 2006 für den Friedrich-Glauser Preis nominiert und erhielt 2015 den Silbernen Homer in der Kategorie Beziehung & Gesellschaft.

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Oskar Roehler: Der Mangel

Der Mangel Book Cover
Der Mangel Oskar Roehler ullstein Erschienen am: 28.02.2020 Seiten: 170 ISBN: 978-3-550-20038-0

Inhalt:

Vom Übergang einer Mangelgesellschaft, in der es von allem zu wenig gab, in eine Konsumgesellschaft, die den Menschen ihre Würde raubt.

Vom Großwerden einer Gruppe von Kindern in den Sechszigern, den Anstrengungen der Väter, Wohlstand oder zumindest eine Illusion davon zu erschaffen.

Von den Rückschlägen, die sie erleiden. Von den Sorgen und Existenzängsten der Mütter und das Gegenbild dazu, der Ausweg aus Mangel und Überfluss zugleich: die Kunst als Rettungsanker für das Überleben. (eigene Inhaltsangabe)

Rezension:

Der namenlose Junge beobachtet die Erwachsenen, die daran scheitern, eine Illusion von Wohlstand Wirklichkeit werden zu lassen und daran zu Grunde gehen, zerbrechen. Mit Gleichaltrigen trollt er durch die noch nicht fertige Neubausiedlung am Rande eines Dorfes, gräbt sich durch Schlamm und Lehm, versinkt sprichwörtlich in seiner eigenen Welt.

Zu Beginn ist er ein Vorschulkind, welches um sich herum alles aufnimmt, später versucht, mit den Mitteln der Kunst zu überleben, beinahe wie einst die Mütter und Väter um ihn herum, zu scheitern droht.

Beindruckend ist diese Novelle, deren Handlung der Leser wie einen kunstfollen Kurzfilm vor dem inneren Auge ablaufen sieht. Nicht von ungefähr kommt dieser Effekt, ist doch der Autor Oskar Roehler selbst Filmregisseur und Drehbuchautor.

Der Protagonist, Vorschulkind, Kind, früher Jugendlicher ist das alte Ego des Autors, der Eindrücke in sich aufsaugt, wie ein Schwamm. Kurz und prägnant sind die Sätze, messerscharf und folgerichtig, wie die Beobachtungen selbst.

In der Erzählung fühlt man mit dem Handelnden, der begreift, dass es da draußen in der großen weiten Welt noch etwas anderes geben muss, dass die Chancen, die sich ihm bieten, jedoch noch weniger als rar gesät sind.

Röhler verbildlicht hier Trost- und Perspektivlosigkeit, die Zeit des Wirtschaftswunders, die überall ankommt, nur nicht dort. Die Zeitspanne umreißt die ersten Jahrzehnte der bundesrepublikanischen Gesellschaft, mit allen Möglichkeiten, vielmehr jedoch mit allen Fallstricken.

Der Protagonist bleibt dabei immer in der Position des Schwachen, ständig am Rand des Abrgund stehend, selbst, als er beginnt, sich daraus zu kämpfen. Trost nur in der Welt der Kunst, der Sprache.

Roehlers Stil, diese Geschichte eine lehmhafte Schwere angedeihen zu lassen, ist gewöhnungsbedürftig. Schön zu lesen, doch plätschert die Trostlosigkeit wie voluminöse Regentropfen nur so dahin. Die Atmosphäre ist düster, die ganze Zeit über, kaum Hoffnungsschimmer.

Um das zu lesen, sollte man in der richtigen Stimmung sein. Für depressive Gemüter ist das nichts.

Es ist eine kompakte Erzählung mit dem Effekt eines Günter Grass, der mit Worten zu faszinieren oder verschrecken mochte. Dazwischen gibt es nichts, sozusagen luftleerer Raum.

Antriebslosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Kunst als zweifelhafter Rettungsanker. Und immer wieder Dreck, Schlamm, Feuchtigkeit, Lehm. Graue, braune Masse, aus der man etwas erschaffen oder in die man versinken kann.

Doch, muss das zwischen zwei Buchdeckeln sein?

Autor:

Oskar Roehler wurde 1959 geboren und ist ein deutscher Filmregisseur, Journalist und Autor. Nach seinem Abitur ist er als Autor für Drehbücher tätig und wurde ab 1990 als Spielfilmregisseur bekannt. Sein erfolgreichster Film war “Die Unberührbaren”, der u.a. mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet wurde.

Roehler gehört zu den Gründungsmitgleidern der Deutschen Filmakademie, 2003. Im Jahr 2011 veröffentlichte er einen autobiografischen Roman, den er auch verfilmte. 2018 verfilmte er den Roman “HERRliche Zeiten” des umstrittenen rechten Schriftstellers Thor Kunkel.

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Augustin Erba: Die auffällige Merkwürdigkeit des Lebens

Die auffällige Merkwürdigkeit des Lebens Book Cover
Die auffällige Merkwürdigkeit des Lebens Augustin Erba ullstein Erschienen am: 10.08.2018 Seiten: 436 ISBN: 978-3-550-05005-3

Inhalt:

Amadeus hat es von Anfang an schwer in der neuen Schule. Schon sein Name ist in Schweden ungewöhnlich und so wird der Junge von seinen Klassenkameraden hemmungslos gemobbt. Zu Hause ist es nicht besser, die Mutter krank und dysfunktional, der Vater, ein Mathematiker, interessiert sich nur für Zahlen und lässt die Kinder Schläge spüren. Später, der erwachsene Amadeus ist ein erfolgreicher Journalist, der eine eigen Familie gründet und hofft, nicht so zu werden, wie seine Eltern es waren. Doch, die Vergangenheit holt die Gegenwart ein. Eine Konfrontation ist unvermeidlich. (eigene Inhaltsangabe).

Rezension:

Schweden ist ein wahrhafter Garant für gute melancholische und kühl strukturierte Krimis, immer öfter jedoch auch für die großen Romane. Einen solchen hat Augustin Erba mit “Die auffällige Merkwürdigkeit des Lebens” vorgelegt und erzählt autobiografisch gefärbt die Geschichte seiner Familie. Perspektivisch wechselnd lernt der Leser den Hauptprotagonisten zunächst als Kind und später als Erwachsenen kennen, in jeder Phase des Lebens vor einem wahrhaften Geröll von Problemen stehend.

Detailliert ausgearbeitet, durchlebt Amadeus die Hölle einer Kindheit zwischen dysfunktionalen Eltern; die Krankheit der Mutter und die Wut des Vaters, der den Sohn seinen Unmut durch Schläge spüren lässt, machen ihn ebenso zu schaffen, wie das hemmungslose Mobbing seiner Mitschüler. Später, schon längst erwachsen und ein erfolgreicher Journalist, hat er immer noch mit den Folgen zu kämpfen, die scheinbar unaufhaltsam ihn in eine Katastrophe steuern lassen.

So viel zum Inhalt, der zwar auf leisen Sohlen daher kommt, egal, welche Perspektive man betrachtet, aber handlungstechnisch einen kontinuierlichen Spannungsbogen entstehen lässt, dessen Wirkung man sich kaum entziehen kann.

Zu stark lässt der Autor seinen Protagonisten unter den eigenen Erfahrungen leiden. Schließlich ist dies ein autobiografisch gefärbter Roman, der zeigt, dass es hinter den Fassaden eines durchschnittlichen Familienhaushaltes nicht immer so zugeht, wie es scheint. Der Leser fiebert mit, zuckt zusammen, atmet auf, nur um dann wieder gleichsam eines Kleidungsstückes in einer Wäschetrommel hin und her geworfen zu werden.

Kaum jemand hat das Glück, nicht irgendwann in seinem Leben mit Mobbing in Berührung zu kommen und Familiengeschichten sind auch nicht selten ohne Tragödien zu erzählen. Dies zu verbindend zu erzählen, ist Erba gelungen. Nachhall garantiert.

Die raue Fassade des Erlebten kommt sehr schnell zum Vorschein, der eine oder andere Leser wird vielleicht irgendwann erahnen, worauf das alles hinausläuft, stört jedoch nicht beim Lesen selbst. Ruhig und behutsam zeigt der Autor, wie schnell uns unsere Vergangenheit zu fesseln vermag und wie wenig Verdrängung nützt. Erba stellt jedoch anhand seines Protagonisten dar, dass niemand gezwungen ist, so zu werden, wie die Eltern und selbst schlimm Erlebtes zwar nicht vergessen, aber überwunden werden kann.

Wenn dies die Quintessenz des Romans ist, dann ist schon viel gewonnen. Eine berührende Geschichte, die uns im Innersten trifft.

Autor:

Augustin Erba wurde 1968 geboren und ist ein schwedischer Journalist und Autor. Sein Vater stammt aus Ägypten, seine Mutter aus dem österreichischen Haus Habsburg-Lothringen. Er arbeitet derzeit für einen schwedischen Radiosender. “Die auffällige Merkwürdigkeit des Lebens” ist sein zweiter Roman.

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