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Stephan Lohse: Ein fauler Gott

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Ein fauler Gott Stephan Lohse Suhrkamp Erschienen am: 06.03.2017 Seiten: 330 ISBN: 978-3-518-42587-0

Inhalt:

Sommer 1972. Benjamin ist vor einigen Wochen elf geworden. Im nächsten Schuljahr wird er ein Herrenrad bekommen, eine Freundin und vielleicht eine tiefe Stimme. Doch dann stirbt sein kleiner Bruder Jonas. Nachts sitzt Bens Mutter auf einer Heizdecke und weint.

Ben kommt nun extra pünktlich nach Hause, er spielt ihr auf der C-Flöte vor und unterhält sich mit ihr über den Archaeopteryx. An Jonas denkt er immer seltener. Ben hat mit dem Leben zu tun, er muss für das Fußballtor wachsen, sein bester Freund erklärt ihm die Eierstöcke, und sein erster Kuss schmeckt nach Regenwurm. Mit seiner neuen Armbanduhr berechnet er die Zeit. (Umschlagtext)

Rezension:

Ben ist ein ganz normaler Junge mit den üblichen vorpubertären Problemen. Nicht der beliebteste Junge der Klasse, aber eben auch nicht der unbeliebteste, freundet er sich mit den neuen Mitschüler, den Sohn der neuen Französischlehrerin an, und wandelt mit seinen Klassenkameraden durch die Tage.

Mit einem alten Herren in der Nachbarschaft freunden er und sein kleiner Bruder sich an, und auch sonst ist das Leben in Ordnung, er, sein Bruder und seine alleinerziehende Mutter. Doch, nach einem Schwimmbadunfall, verstirbt Jonas und die heile Welt gerät aus den Fugen. Nichts ist so, wie es mal war. Dennoch geht das Leben weiter. Ben ist plötzlich Einzelkind.

Er und seine Mutter müssen das Trauern lernen.

Es ist ein an vielen Stellen nachdenklicher Roman, den uns Stephan Lohse hier vorsetzt, der gespickt mit der tragischen Komik des Beginns der Pubertät, trotzdem zum einen oder anderen Lacher führt.

Natürlich ist der Tod Dreh- und Angelpunkt, die Botschaft Lohses ist jedoch eine andere. Das Leben geht weiter, auch mit positiven Momenten, die nicht aufhören und trotzdem ist es erlaubt, ja wichtig, zu trauern.

Der Autor beschreibt wunderbare Alltagsmomente, die zwar hier in der Zeit der 1970er Jahre angelegt sind, ansonsten in jedem Jahrzehnt hätten statfinden können, und so nachvollziehbar für auch jüngere Leser werden können.

So liegt das Buch zumeist bei den Erwachsenenbüchern in den Buchhandlungen aus, hat aber durchaus auch eine Berechtigung im Jugendbuchbereich. Schließlich sind Tod und Krankheit etwa, aber eben auch das Leben, wichtige Themen, mit denen man sich schon sehr früh ernsthaft auseinandersetzt.

Stephan Lohse tut dies in kurzweiligen Kapiteln, in denen sich die Erzählperspektive zwischen den zwei Hauptprotagonisten Mutter und Sohn ständig abwechselt, in klarer und einfacher Sprache, die zu vielen witzigen Momenten führt. So ist es von der dänischen Königin bis zur Kommunistin oft nur eine Seitenlänge, herrlich die Beschreibungen von kuriosen Situationen, in denen wortwörtlich alles in Butter ist, oder eben auch nicht.

Die Stärke des Romans liegt in den stillen Momenten, wenn die Figuren um sich selbst kreisen und versuchen, mit der Trauer um den Verlust umzugehen. Nach und nach finden die Protagonisten, zumindest die beiden hauptfiguren sehr tief ausgestaltet, wieder ins normale Leben zurück.

So ist dieses Werk ein positiver, trauriger, aber vor allem schöner Roman über den Tod und das Leben, welcher sich zu lesen lohnt. Eine klare Empfehlung.

Autor:

Stephan Lohse wurde 1964 in Hamburg geboren und studierte am Max-Reinhardt-Seminar in Wien. Er war am Thalia Theater Hamburg tätig, an der Schaubühne Berlin und im Schauspielhaus Wien. 2017 erschien mit „Ein fauler Gott“ sein Debütroman. Der Autor lebt in Berlin.

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Marian Grau: Bruderherz

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Bruderherz Marian Grau Eden Books Erschienen am: 09.04.2018 Seiten: 208 ISBN: 978-3-95910-143-1

Inhalt:

Neun Jahre lang ist Marian der kleine Bruder vom schwerbehinderten Marlon. Neun Jahre lang gibt es nur Familienurlaube im Hospiz und das ständige Bangen um Marlons Leben. Trotzdem – Marian liebt jede Minute mit seinem Bruder. Als Marlon plötzlich stirbt, bricht für die Familie eine Welt zusammen.

Marian beschließt, aus der Trauer das Beste zu machen. Er will die Welt entdecken – für sich und seinen Bruder. Denn gerade durch das Leben mit Marlon weiß er, dass man das Leben schätzen und jede Sekunde genießen muss. Eine bewegende Geschichte darüber, wie wichtig es ist, für sich selbst die Welt zu erobern. (Klappentext)

Rezension:

Auf Portalen, wo Rezensionen veröffentlicht werden, wird oft zusätzlich nach einer Bewertung in Sternen oder Punkten verlangt. Doch, wie soll das gehen, insbesondere bei Erfahrungsberichten? Stellt man damit nicht eine gewisse Wertigkeit dar, und die eine Erfahrung, ein Leben über ein anderes?

Wer entscheidet, ob diese Erfahrungen relevant sind, erzählt zu werden und interessant genug, so dass sie breites Gehör finden? Ein Dilemma, welches ich dort umgehen möchte, wo keine Bewertungen verlangt werden. Da lasse ich den Text selbst sprechen. Überall woanders vergebe ich die höchste Punktzahl.

Warum eigentlich? Marian Grau schreibt in seinem Bericht „Bruderherz – Ich hätte dir so gern die ganze Welt gezeigt“, über seine Ausflüge rund um den globus, mit Tante oder Eltern in wechselnder Besetzung. Auf der Suche nach sich selbst, und der Nähe zu seinem älteren Bruder.

Der ist im Alter von zwölf Jahren an einer schweren Stoffwechselerkrankung verstorben, die ihm Zeit seines Lebens behinderte. Marlons Tod riss eine Lücke in Marians Leben, lenkte dieses aber auch in eine besondere Richtung. Alles nur Schicksal?

Das weiß Marian Grau nicht, wird die Antwort darauf wohl auch nicht finden, doch erzählt er sehr warmherzig von der Zeit, die er mit seinem Bruder verbringen durfte. Voller Empathie zu ihn und seiner Familie beschreibt der Schüler sowohl schwierige Tage als auch rare und kostbare Momente des Glücks.

Förmlich von der Seele hat er sich seine Gedanken geschrieben, die egal ob in Bangkok oder Moskau, immer auch bei seinem Bruder sind. Herausgekommen dabei ist ein faszinierendes Portrait, welches zeigt, dass materielle Werte für ihn zweitrangig sind, die Erfahrungen, die er machen durfte, sowohl hart waren, aber auch bereichernd.

Wie ist ein Leben an der Seite eines engen Familienmitgliedes, welches rund um die Uhr immer mehr Aufmerksamkeit bekommen muss, als man selbst? Welche Stärken zieht man aus den gemeinsamen Kampf ums Leben. Gibt es ein „weiter“ nach dem Tod?

Diese Fragen stellt sich Marian und findet für sich Antworten, die einen sehr reflektierten Jugendlichen zeigen, der das Leben als kostbares Geschenk betrachtet und das Beste daraus ziehen möchte. Über die Reisen bewältigt er den schmerzvollen Verlust und spürt noch heute diese enge Verbundenheit, dieser besonderen Geschwisterbeziehung.

Ein Bericht über die Reise durch Städte, Länder und Kontinente, auf der Suche nach Antworten auf Fragen, auf die es keine Antwort geben kann. Über eine ganz besondere Geschwisterbeziehung, und wie Trauer Horizonte erweitern kann. Ein ganz besonderes Reisebuch.

Autor:

Marian Grau wurde 2002 geboren und lebt mit seinen Eltern bei Stuttgart. Als er neun Jahre alt war, stirbt sein älterer Bruder Marlon, der an der Stoffwechselkrankheit Morbus Leigh erkrankt war. Ein Weg dies zu verarbeiten ist für Marian das Reisen, um Städte, Länder und Kontinente für sich und Marlon zu erschließen.

Mit 17 ist er Deutschlands jüngster Reiseblogger, der auf www.geomarian.de von seinen Abenteuern rund um den Globus berichtet. Der Schüler erliegt der Faszination der Moskauer Metro und thailändischen Kuriositäten. Seinen Bruder weiß er dabei immer an seiner Seite.

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Sergej Lukianenko: Quazi

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Quazi Sergej Lukianenko Heyne Erschienen am: 13.11.2017 Seiten: 397 ISBN: 978-3-453-31852-6

Inhalt:

Russland in naher Zukunft. Nach einer mysteriösen Katastrophe hat sich die Welt auf dramatische Weise verändert: Auferstandene, sogenannte Quazis, leben nun Seite an Seite mit den Menschen.

Eine Tatsache, mit der sich der Moskauer Polizeibeamte Denis Simonow nicht abfinden kann, denn er hegt einen ganz privaten Hass auf die Quazis. Doch dann wird ihm einer der Auferstandenen als Partner zugeteilt – in einem Fall, der tief in das Geheimnis um die Quazis führt… (Klappentext)

Rezension:

Das Spiel um die Zukunft der Menschen beginnt harmlos. Der russische Polizeibeamte Denis Simonow bekommt einen Quazi zugeteilt, um in einem Kriminalfall zu ermitteln. Es gibt nur ein Problem, Quazis sind anders als normale Menschen und Simonow zutiefst verhasst.

Bald stoßen die beiden ungleichen Ermittler in Geheimnisse vor, die zutiefst beunruhigen. Steht den Menschen nach der nicht näher definierten großen Katastrophe ein weiteres Unglück bevor, welches sie entgültig zu vernichten und die Quatzi zum Herrscher über den Planeten zu werden droht? Oder ist friedliche Koexistenz möglich?

Dazu müssen Denis und der Quazi Michael ihre Vorurteile über Bord werfen und zusammenarbeiten. Doch, können sie einander trauen?

Sergej Lukianenko schickt seine Leser mit dem Roman „Quazi“ wieder einmal auf eine phantastische Reise durch ein düsteres Zukunftsszenario für Russland, welches auch hierzulande zum Bestseller asvancieren dürfen.

Klar und spannend geschrieben, legt die Geschichte ein rasantes Tempo vor und behandelt die großen Themen: Sind die Menschen wirklich die Krone der Schöpfung? Gibt es Leben nach dem Tod und wenn ja, zu welchen Preis könnte dies möglich sein?

Ist dies überhauopt erstrebenswert und wie weit würde man gehen, um praktisch Unsterblichkeit zu erlangen? Selbst, wenn das Zwischenstadium eine Art Höllendasein (Nein, kein Schreibfehler.) wäre.

Der Leser wird in die Geschichte hinein geworfen, direkt ins kalte Wasser. So, wie der Beginn, sind auch die Protagonisten. Scharfkantig und nicht immer sympathisch, werden am Rande moralische Fragen in die Handlung eingewoben.

Zudem merkt man auch diesem Monumentalwerk der Fantasy wieder an, dass der Autor ein Psychologiestudium hinter sich hat. So schnell gelingt es kaum einen anderen seine Leser in den Bann zu ziehen und in den Strudel dicht aufeinander folgender Ereignisse hinen zu ziehen.

Die Geschichte selbst, sie wirkt. Als Einzelband, wie auch als Reihenauftakt, was bei Lukianenko durchaus möglich wäre. Allein, sicher ist dies nicht.

Stetiger Spannungsaufbau und ein rasantes Erzähltempo sorgen für gute Unterhaltung, welche man bei dem Autor auch erwarten darf. Nicht mehr und nicht weniger. Hohe Literatur ist dies nicht, jedoch gibt es im Fantasy nur weniges was auf vergleichbarer Höhe agieren kann.

Der Leser erlebt die Berg- und Talfahrt aus der Sicht des Hauptprotagonisten und betet darum, dass es nie so sein wird, wie in diesen Zeilen beschrieben. Die Story jedoch weiterzuverfolgen, wäre wünschenswert.

Auch um der Anspielungen auf den Alltag und große politische Fragen unserer Zeit willens. Dies macht Lukianenko hier wieder sehr geschickt, dass es förmlich zur Suche danach einlädt. Für alle anderen, die nicht danach fahnden, ergibt sich dennoch ein spannendes Abenteuer, gespickt mit den großen Fragen der Menschen.

Was wäre wenn..? Die Antwort (z.B. nach einem Leben nach dem Tod, zum Preis des Verlusts bestimmter Eigenschaften aus dem vorherigen Leben) muss der Leser selbst finden. Ein großer Fantasy-Roman aus der Feder des russischen Meister-Autoren über Toleranz, Freundschaft, Mut, Zusammenhalt, Leben, Tod und eine Gesellschaft der Zukunft, die es zu entdecken gilt.

Unbedingte Leseempfehlung.

Autor:

Sergej Lukianenko wurde 1968 in Karatau/heutiges Kasachstan geboren und ist ein erfolgreicher Science-Fiction- und Fantasy-Schriftsteller. Er studierte nach der Schule zunächst Medizin in Alma-Ata und arbeitete als Psychiater.

Anfang der 1980er Jahre begann er Kurzgeschichten zu bveröffentlichen und etablierte sich sehr bald als erfolgreicher Autor. Heute lebt er in Moskau. International bekannt wurde er durch seine Science-Fiction-Reihe „Die Wächter“, deren erste Bücher verfilmt wurden.

2005 lief der Film, der in Russland mehr als 15 Million Dollar einspielte, in Deutschland an. Lukianenko erhielt zahlreiche russische und internationale Preise, darunter den Deutschen Phantastik-Preis 2010. Zahlreiche Werke von ihm sind noch nicht übersetzt.

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Tim Krohn: Menschliche Regungen 2 – Erich Wyss übt den freien Fall

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Erich Wyss übt den freien Fall Reihe: Menschliche Regungen – 2 Rezensionsexemplar/Roman Galiani Berlin Hardcover Seiten: 496 ISBN: 978-3-86971-151-5

Inhalt:

Es ist heiß in der Stadt im Sommer 2001. Der Besuch von Efgenia Costas Familie sorgt für viel Fischgeruch, Trubel und Ärger im Treppenhaus. Doch dann wird es wirklich ernst: Ein plötzlicher Todesfall und die Nachricht vom Anschlag auf das World Trade Center haben für die 11 Bewohnerinnen und Bewohner eines Zürcher Mietshauses überraschende Folgen:

Die Schauspielerin Selina May erfährt, dass ihr Filmprojekt vertagt wird, Julia gehen Aufträge verloren, Pit macht wieder Musik. Moritz reist nicht wie geplant nach New York, dafür Hubert Brechbühl spontan nach Istanbul. (Verlagsangabe)

Reihenfolge der Bücher:

Tim Krohn: Menschliche Regungen 1 – Herr Brechbühl sucht eine Katze

Tim Krohn: Menschliche Regungen 2 – Erich Wyss übt den freien Fall

Tim Krohn: Menschliche Regungen 3 – Julia Sommer sät aus

[Einklappen]

Rezension:
Hinter jeder Geschichte steckt eine Geschichte. Diese Aussage kann man so treffen und fast immer liegt man damit richtig. So auch und besonders hier. Tim krohns Projekt „Menschliche Regungen“, geht in die zweite Runde.

Nachdem „Hubert Brechbühl sucht eine Katze“ sich nach Veröffentlichung auf den Schweizer Bestsellerlisten wiederfand, hat auch der Nachfolge-Band gute Chancen genau so erfolgreich zu werden. Dabei ist die Handlung verhältnismäßig ruhig und unaufregt.

Abgesehen von den Ereignissen des 11. September, die auch hier die Denk- und Handlungsweise der Protagonisten zwangsläufig beeinflussen, kaum ein Autor kann sich bei Geschichten, die in dieser Zeit angesiedelt sind, diesem entziehen, geht das Leben von Erich Wyss, Hubert Brechbühl und den anderen Bewohnern des Miethauses weiter.

Wenn auch für ersteren mit entscheidendem. Einschnitt. Die Figuren, durch den ersten Band eingeführt, lernt der Leser näher kennen. Kein Gefühl des Holperns mehr, vielmehr fließt die Handlung schon mit Beginn der Erzählung nur so dahin. Lagatmig wird’s dennoch nicht.

Interessant ist auch hier wieder das Projekt hinter dem Werk. Tim Krohn schreibt nicht für sich, still im Kämmerlein, sondern lässt Leser an der Entstehung dieser Buchreihe, Band 3 ist gerade in der Endphase der Produktion, teilhaben.

Als Ideen- und Stichwortgeber. Die Idee des Crowdfunding wird hier fortgesetzt. Was im Bereich von kleineren Bands oder jungen Start-up-Projekten funktioniert, hat der Schriftsteller für die Literatur ausprobiert.

Jeder, der möchte, kann für eine dem Kapitel titelgebende Gefühlsregung oder einem menschlichen Zustand spenden, wobei jede Eigenschaft nur einmal vergeben wird.

Dazu drei Stichworte, die unbedingt im Text mit einfließen müssen, so sind die Vorgaben für Tim Krohn gelegt, der in der Reiehenfolge des Eingangs die Kapitel verfasst und darum herum die Romanhandlung spinnt. So wird der Leser zum Co-Autor und bestimmt ein wenig auch den Verlauf, die Weiterführung eines Projektes, welches Endloscharakter haben wird.

Die Liste menschlicher Regungen wird ständig erweitert. Schön wäre es, die Zahl 1000 voll zu bekommen. So, die inoffiziell gesetzte Marke. Ob Autor und Verlag das schaffen, liegt am Leser selbst, der als Spender am Ende des Buches, welches je 60-70 Gefühls-Kapitel umfasst, erwähnt wird.

Und Tim Krohn selbst wird dabei als Autor immer besser. Nun ist er kein Neuling in der Schweizer Literatur-Szene, jedoch merkt man dem Nachfolgeband leichte Verbesserungen im Erzählstil und -fluss, sowie in der Spannung an, gegenüber zu: „Herr Brechbühl sucht eine Katze“.

Ein Fortschritt, den es sich zu lesen lohnt.

Autor:
Tim Krohn wurde 1965 in Wiedenbrück geboren und lebt in der Schweiz. In Glarus aufgewachsen, studierte er Germanistik, Philosophie und Politikwissenschaft, arbeitet er heute als freier Schriftsteller und Verfasser von Prosatexten, Dramen und Hörspielen.

Er ist Mitglied des Verbands der Autorinnen und Autoren der Schweiz und war von 1998 bis 2001 Präsident der Vorgängerorganisation des Schweizerischen Schriftstellerverbandes. 1993 erhielt er den UNDA-Radiopreis, den Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis 1994, 2007 erhielt er den Preis für das beste Schweizer Buch.

Weitere Preise folgten. Krohn schrieb die Bühnenvorlage für das Einsiedler Welttheater, 2013. Der Auftaktband seines „Menschliche Regungen“-Projektes stand 2017 in den Schweizer Bestsellerlisten.

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Gavin Extence: Das unerhörte Leben des Alex Woods

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Das unerhörte Leben des Alex Woods Gavin Extence Blanvalet Verlag Erschienen am: Seiten: 477 ISBN: 978-3-7341-0098-7

Inhalt:

Alex Woods ist zehn Jahre alt, und er weiß, dass man sich mit einer hellseherisch begabten Mutter bei den Mitschülern nicht beliebt macht. Und dass die unwahrscheinlichsten Ereignisse eintreten können – er trägt Narben, die das beweisen. Was Alex noch nicht weiß, ist, dass er in dem übellaunigen Mr. Peterson einen ungleichen Freund finden wird. Der ihm sagt, dass man nur ein einziges leben hat und immer die bestmöglichen Entscheidungen treffen sollte. Darum ist Alex, als er sieben Jahre später mit 113 Gramm Marihuana und einer Urne voller Asche in Dover gestoppt wird, einigermaßen sicher, dass er das Richtige getan hat… (Klappentext)

Rezension:

An sich ist es eine Geschichte, die ähnlich schon hundertfach erzählt sein dürfte. Eine sich langsam entwickelnde Freundschaft zwischen zwei Personen, die eigentlich nichts miteinander gemeinsam haben aber feststellen, dass sie einander brauchen und das Leben des jeweils Anderen mit Sinn erfüllen. So auch hier. Gavin Extence stützt sich auf dieses altbekannte Konstrukt, entwickelt daraus jedoch gleich auf den ersten Seiten eine Geschichte, die die Leser in ihren Bann zieht.

Zunächst liegt das an den unheimlich symphatischen Protagonisten, den wir zu Beginn des Romans am Ende der Geschichte treffen und der diese dann gedanklich aufrollt aber auch an die verqueren Gegenparts von Alex Woods, der für sein Alter immer ein wenig zu altklug und sonderbar wirkt, den aber ein Naturphänomen entgültig zur lokalen Berühmtheit, zumindest zeitweilig, und zum Sonderling unter seinen Mitschülern macht.

Und, es ist nicht der Himmel, der ihm auf den Kopf fällt.

Einfühlsam beschreibt der Autor den nicht so ganz gewöhnlichen Alltag seines Protagonisten aus der Ich-Perspektive, welche eine Nähe zum Leser herstellt, die zweifelsfrei funktioniert. Fast hat man das Gefühl, daneben zu stehen und Alex‘ Erzählungen zu lauschen. Noch realistischer dadurch, dass keine der Figuren aalglatt wirkt, viele nicht gerade gesellschaftskonform. Ecken udn Kanten, die sich jedoch im Zeitraum von sieben Jahren, in dem die Geschichte spielt, weiterentwickeln dürfen, was extence behutsam, jedoch mit immer schnelleren Erzähltempo, vorantreibt.

Dabei klingt der Plot der Geschichte in Form eines Himmelsobjektes zun#ächst einmal unglaubwürdig, doch gibt es ihn tatsächlich. Der deutsche Alex Woods heißt Gerry Blank und wurde als 14-jähriger 2009 von einem Meteoriten auf den Schulweg getroffen. Man darf also streiten, ob alles Gute wirklich von Oben kommt.

Für andere, die sich weniger Gedanken darüber machen möchten, bleibt dieser feinfühlige Roman über einen sympathischen Nerd und seine Mitmenschen, die einem schnell ans Herz wachsen werden. Fast ist man traurig darüber, wenn man die letzte Seite umgeschlagen hat, doch ein wenig glücklicher als vor dem Lesen.

Dieses Kleinod hat es nicht verdient, auf den Stapeln ungelesener Bücher dieser Welt auf seine Leser zu warten und sollte sofort hervorgeholt werden. Ein Meteoriteneinschlag kann schließlich dein Leben verändern. Für den Protagonisten Alex Woods tut er das ganz wundersam.

Und als Leser bekommen wir eine wunderschöne Geschichte über Freundschaft, Halt und Familie. Darüber, dass es oft die Quer- und Andersdenkenden sind, die in der Gesellschaft vielleicht schief angesehen werden, aber insgesamt ihren Weg ohne größere Fehlschläge gehen und oft die für sie richtigen Entscheidungen treffen. Alex Woods macht dies so wunderbar, wie Gavin Extence, dem mit seinem Debütroman ein großartiger Wurf gelungen ist.

Autor:

Gavin Extence wurde 1982 geboren und wuchs in der englischen Grafschaft Lincolnshire auf. 2013 veröffentlichte er seinen ersten Roman, der mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde. 2015 veröffentlichte er seinen zweiten Roman, der 2016 ins Deutsche übersetzt wurde. Der Autor lebt mit seiner Familie in Sheffield.

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Susann Pasztor: Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster

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Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster Susann Pasztor Kiepenheuer & Witsch Erschienen am: 16.02.2017 Seiten: 286 ISBN: 978-3-462-04870-4

Inhalt:

Fred, alleinerziehender Vater, Angestellter, seit Neuestem Sterbebegleiter, möchte bei seinem ersten Einsatz alles richtig machen. Karla, reserviert und eigensinnig, hat nur noch wenige Monate zu leben. Phil ist Freds 13-jähriger Sohn und bekommt eine besondere Aufgabe von Karla.

Eine spannungsreiche und spannende Beziehungsdynamik entsteht, als sich diese drei ganz unterschiedlichen Menschen auf einen gemeinsamen Weg machen. Eine berührende Geschichte über die Schönheit des Lebens und die erstaunliche Entwicklung einer Vater-Sohn-Beziehung. (Klappentext)

Rezension:

Erzählungen können Fußabdrücke hinterlassen und manche dieser Eindrücke bleiben dann auch. Für den Rest des Lebens. Susann Pasztors Geschichte „Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster“ gehört in jedem Fall dazu.

Die Autorin erzählt die Geschichte von Fred, der den Sinn des Lebens im Begleiten sterbender Menschen sucht, von Karla, die nur noch wenige Monate zu leben hat und ihr bevorstehendes Ende stoisch akzeptiert hat und von Phil, der an der Schwelle zur Pubertät sein ganzes Leben noch vor sich hat.

An sich eine explosive Mischung, doch der Erzählstil der Autorin ist ruhig. Der Tod kommt auf leisen Sohlen, Karla wird immer weniger, wobei sie ein Geheimnis mit sich trägt, während Fred und sein Sohn immer mehr werden, daran wachsen.

Allein, es ist ein Roman, in dem eigentlich nicht viel passiert. Nur die Figuren machen große Sprünge in ihrer Entwicklung, merken dies selbst nicht und wachsen einem als Leser so ans Herz, dass man sie gar nicht loslassen möchte. Natürlich, die unheilbar an Krebs erkrankte Karla soll nicht leiden und sanft einschlafen, doch ihr Doppel-Gegenpart geht einem nahe. Ihre Gedanken und Gefühle, sanft und ehrlich, wie Karlas, unberechenbar und ebenso ehrlich. Dabei, bis auf eine Szene, niemals laut.

Der Fokus auf die Hauptpersonen verändert sich im Laufe der Geschichte. Stehen zunächst die Erwachsenen im Vordergrund ist es später die Dynamik zwischen Karla und Phil, dem 13-jährigen, die Tempo hineinbringt. Das tut der Geschichte gut und gibt neue Perspektiven, die sich lohnen.

Kurze klare Kapitel wechseln sich ab, sind flüssig zu lesen und tragen ebenso zum Gelingen der Geschichte bei, von der man weiß, von Anfang an, wie sie ausgeht, und doch überrascht wird. Das Ende lässt einem friedlich gestimmt zurück.

Gewöhnungsbedürftig war gegen Ende nur ein Kapitel, welches ich aber als künstlerische und gedankliche Freiheit akzeptiere und sich dennoch in die Gesamtheit des Romans passend eingefügt hat. Sei’s drum. Pasztor hat gut geschrieben. Eine schöne Sprache, die hier auch mal, in gegensatz zu vielen anderen schönsprachlichen Geschichten, zu einer gut lesbaren Erzählung geführt hat.

Der Respekt vor der oft ehrenamtlich geführten Hospizarbeit und Sterbebegleitung ist nach dem Lesen von „Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster“ auf jeden Fall gewachsen, was nicht zuletzt daran liegt, dass die Autorin ihre eigenen Erfahrungen in diesem Bereich eingebracht hat.

Susann Pasztor mit einem großartigen Roman, den man nicht aus den Augen verlieren sollte.

Autorin:

Susann Pasztor wurde 1957 in Soltau geboren und lebt als freie Autorin und Übersetzerin in Berlin. Ihr Debütroman erschien 2010 bei Kiepenheuer & Witsch und wurde in mehreren Sprachen übersetzt.

Für den Verlag ist sie inzwischen eine der „Hausautorinnen“ und veröffentlichte 2013 einen weiteren Roman. Sie hat die Ausbildung zur Sterbebegleiterin abgeschlossen und ist seit mehreren Jahren ehrenamtlich tätig.

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Kristina Ohlsson: Fredrika Bergmann 1 – Aschenputtel

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Aschenputtel Kristina Ohlsson Krimi blanvalet Taschenbuch Seiten: 477 ISBN: 978-3-8090-2591-7

Inhalt:

Hochsommer in Schweden. Es regnet Bindfäden. Der voll besetzte Schnellzug nach Stockholm muaa außerplanmäßig halten. Eine junge Frau tritt hinaus aufs Bahngleis, um ungestört zu telefonieren – und wird von ihrer Tochter getrennt, als der Zug ohne Vorwarnung weiterfährt.

Der Schaffner wird alarmiert, doch als er das kleine Mädchen abholen will, ist es spurlos verschwunden. Und Dutzende potentieller Zeugen haben nichts gesehen.

Das Ermittlerteam um Kommissar Alex Recht und Fahndungsspezialistin Fredrika Bergman wird auf den Fall angesetzt. Zunächst sieht es so aus, als stecke der Vater des Mädchens dahinter. Doch dann wird das Kind tot in Nordschweden gefunden.

Wenig später wird ein zweites Kind verschleppt, und der Fall entwickelt sich zu einem Albtraum – denn der Mörder ist nicht nur skrupellos, sondern geradezu brilliant in seinem Tun. Und er ist nicht allein… (Klappentext)

Reihenfolge der Bücher:

Kristina Ohlsson: Fredrika Bergmann 1 – Aschenputtel

Kristina Ohlsson: Fredrika Bergmann 2 – Tausendschön

Kristina Ohlsson: Fredrika Bergmann 3 – Sterntaler

Kristina Ohlsson: Fredrika Bergmann 4 – Himmelschlüssel

Kristina Ohlsson: Fredrika Bergmann 5 – Papierjunge

Kristina Ohlsson: Fredrika Bergmann 6 – Sündengräber

[Einklappen]

Rezension:

Es sollte eine ganz normale Zugfahrt werden, doch am Ende verschwindet das Kind spurlos. Die Mutter völlig aufgelöst, dass Ermittlerteam um den erfahrenen Kommissar Alex Recht neu zusammengestellt, noch in der Findungsphase. Klar, dass dort erst einmal Kompetenzen ausgelotet werden.

Insbesondere die neu hinzugekommene Analytikerin Fredrika Bergmann wird von den ausgebildeten Polizisten im Team kritisch beäugt. Das tut der Arbeit nicht gut und so kommt das Team nicht voran. Die Ermittlungen fahren sich fest.

Fredrika, noch nicht „betriebsblind“ lotet alle Möglichkeiten aus, wogegen die Kollegen sich auf eine allzu offensichtliche Spur konzentrieren.

Doch, auch der Täter selbst bleibt nicht untätig. Allen wird schließlich klar, dass die Zeit davonrennt als ein zweites Kind tot aufgefunden wird. Doch zwischen den zwei Leichen gibt es kaum Verbindungen.

Wo ansetzen? Als man sich schließlich zusammenrauft, schließen sich die Lücken. Bald hat man eine Vorstellung, doch die Wirklichkeit ist grausamer denn je.

Beim Blick in manchen Bücherregalen könnte man meinen, dass die Schweden ein gewalttätiges mordendes Volk wären, doch in Wahrheit schreiben sie nur gute Krimis. So auch Kristina Ohlsson, die mit ihrem Debüt „Aschenputtel“ einen fulminanten Auftakt liefert, der einem das Blut in den Adern gefrieren lässt.

Zwar verzichtet die Autorin auf detaillierte Beschreibungen von Gewalt, der Schrecken spielt sich im Kopf des Lesers ab, doch psychisch vermag die Autorin um so mehr zu überraschen.

Dahinplätschernd beginnt die Geschichte um das charismatische Ermittlerteam, dessen Mitglieder alle ihre Eigenheiten haben und an Vielschichtigkeit in den einzelnen Kapiteln gewinnen.

Der Leser lernt jeden aus Alex Rechts Team kennen, sein Privatleben und Arbeitsauffassung und nach und nach die Sympathie für die Protagonisten. Auch die Täterpersonen bleiben nicht blaß.

Das zumindest hat der Leser Recht und Bergman voraus. Das tempo derweil zieht spätestens zur Mitte der Handlung an. Stockholm ist selten so spannend wie hier.

Ein Schweden-Krimi ohne die sonst übliche Melancholie. Der Auftakt ist gelungen, die Geschichte spannend und glaubwürdig und vor allem in sich abgeschlossen. zwar iost es schön, die Bücher in ihrer Reiehenfolge zu lesen, alleine wegen den Entwicklungen des Privatlebens der Ermittler.

Man kommt aber auch so klar. Die Charaktere wachsen einem an’s Herz. Während sonst einsame eigenbrötelerische Ermittler, allenfalls Duos die Druckseiten füllen, hat Ohlsson gut daran getan, ein ganzes Team antreten zu lassen.

Ihren Fokus auf den Rand der schwedischen Gesellschaft, den Finger in die Wunde des nordischen Mustersozialstaates gelegt, ist es auch spannend verpackte Gesellschaftskritik, diese nicht aus den Augen zu verlieren.

Und wenn doch, darf man sich wenigstens auf weitere Krimis von Kristina Ohlsson freuen, die mit ihrem flüssigen Schreib- und Erzählstil, ständig wechselnden Perspektiven und einer interessanten Handlung zu fesseln vermag.

Autorin:

Kristina Ohlsson wurde 1979 in Kristianstad geboren und arbeitete nach ihrem Studium der Politikwissenschaften im schwedischen Außen- und Verteidigungsministerium als Expertin für EU-Außenpolitik und Nahostfragen. Bei der nationalen schwedischen Polizeibehörde ebenso und als Terrorismusexpertin bei der OSZE in Wien.

2009 veröffentlichte sie ihren Debütroman „Aschenputtel“, mit dem ihr der Durchbruch als Autorin gelang. Die Reihe um die Polizisten Alex Recht und Fredrika Bergman wurde ein internationaler Erfolg. 2013 schrieb sie ihr erstes Jugendbuch, welches ein Jahr später in Deutschland erschien.

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Neil Smith: Das Leben nach Boo

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Das Leben nach Boo Neil Smith Verlag: Schöffling & Co. Erschienen am: 08.02.2017 Seiten: 414 ISBN: 978-3-89561-496-5 Übersetzerin: Brigitte Walitzek

Inhalt:

Oliver »Boo« Dalrymple ist dreizehn Jahre alt, hochbegabt, wenig beliebt und vor allem tot. Gerade noch hat er an seinem Schulspind gestanden, in das Periodensystem vertieft, da findet er sich im Wiedergeburtsraum eines seltsamen Jenseits wieder.

Dort begrüßt ihn Thelma, ein schwarzes Mädchen, das in den sechziger Jahren gelyncht wurde, und erklärt ihm, was es damit auf sich hat: In einer von Mauern umgebenen Stadt leben ausschließlich verstorbene amerikanische Jugendliche seines Alters.

Quicklebendig verbringen sie ihre Zeit wie auf einem großen Schulhof, sausen auf Fahrrädern umher und werden von einem hippiehaften Gott namens Zig mit allem versorgt, was Dreizehnjährige zum Leben brauchen.

Boo hat gerade begonnen, sich an das Nachleben zu gewöhnen, als sein ehemaliger Klassenkamerad Johnny in der Stadt auftaucht und ein überraschendes neues Licht auf seine Vergangenheit wirft.

Auf der Suchenach der brutalen Wahrheit wird ihre gerade erst geschlossene Freundschaft ernsthaft auf die Probe gestellt. (Verlagstext)

Einordnung und Gestaltung:

Den Roman könnte man auch als Jugendbuch durchgehen lassen. In diesem Falle ist er ab 13-14 Jahren geeignet. Der Verlag differenziert hier nicht und vermarktet ihn auch als Roman.

Der Roman in der gebundenen Ausgabe, 1. Auflage, ist in elf unterschiedlichen Cover-Varianten erhältllich. Bei Online-Bestellungen ist es Zufall, welches man erhält, während man in größeren Buchhandlungen oft mehrere der Cover zur Auswahl hat.

Rezension:

Die Frage nach einem Leben nach dem Tod hat die Menschen seit jeher fasziniert. Was kommt nach unserem Sterben? Boo weiß die Antwort.

Eigentlich heißt er Oliver, doch seine Mitschüler nannten ihn, den Außenseiter so, der plötzlich im Wiederbelebungsraum einer Stadt aufwacht, die nur von 13-jährigen bewohnt wird.

Allen gemein ist, dass sie auf die eine oder andere Art ums Leben gekommen sind und nun 50 Jahre in ihrem dreizehnjährigen Ich verharren müssen, bevor sie entgültig ableben. Doch, Oliver weiß zwar, dass er tot ist, doch nicht, wie er gestorben ist.

Das letzte, an das er sich erinnern kann, ist, dass er an seinem Schulspind stand und die Elemente des Periodensystems aufgesagt hat. Doch, das zählt nicht mehr. Mit Hilfe neuer Freunde erkundet er seine „neue“ Welt, bis einer seiner Mitschüler das Reich der toten Jugendlichen betritt.

Johnny, der zuvor noch im Koma gelegen hatte, erklärt ihm, dass Boo und er bei einer Schulschießerei ums Leben gekommen sind. Der Attentäter auch. Der „Gunboy“ ist dabei ebenfalls gestorben. Und läuft wahrscheinlich nun in dieser neuen Welt frei herum.

Neil Smith schafft mit „Das Leben nach Boo“ ein wundervoll nachdenklich stimmendes Szenario, welches sich zu diskutieren lohnt. Es geht um wahrhaft existenzielle Fragen außerhalb unseres iridischen Lebens. Wo kommen wir hin, wenn wir nicht mehr sind?

Wie geht es weiter mit unserer Seele, zumal wenn sie früher gehen muss als üblich? Doch, nicht nur dafür verdient der Roman Aufmerksamkeit, lenkt er doch die Aufmerksamkeit auf ein vor allem US-amerikanisches Problem, ist es dort doch die USA selbst, die sich jedes Jahr auf’s Neue mehrfach der Frage stellen muss, wie mit Schulattentaten, -tätern und opfern umgehen, wenn auch die Probleme aus europäischer und kanadischer Sicht hausgemacht sein dürften.

Doch, Smith bleibt nicht bei diesen, sondern wirft weitere Fragen auf. Wie gehen wir mit Schuld und Schuldigen um? Was ist richtig und falsch?

Ja, sogar Fragen von gesellschaftlichen Grenzen werden aufgeworfen, wenn man das Szenario betrachtet, dass es einen Himmel getrennt nach Altersklassen und Nationalitäten gibt.

Genau, wie Oliver und Johnny so manches Mal an diesen Problemen zu zerbrechen drohen, der eine früher, der andere später, merkt auch der Leser schnell die Begrenztheit des Gedankenspiels des Autoren.

Smith möchte zu viel, fabriziert Längen, wo keine sein müssten, was bei den kurzen Kapiteln, die allesamt nach den Elementen des Periodensystems nummeriert sind, an sich schon eine Kunst ist und droht allenthalebn, seine Leser zu verlieren.

Nur gerade so, schaffen es dann folgende spannendere Kapitel, die mit zunehmender Seitenzahl an Tempo gewinnen, den Leser wieder mitzunehmen. Letztendlich das Ausschlaggebende dafür, den Roman bis zum Ende durchzulesen.

Die Protagonisten bleiben zudem, bis auf wenige der Hauptfiguren (da, auch nicht alle) farblos und entwickeln sich kaum weiter, wenn der Autor auch beschreibt, dass selbst in der Welt der Dauer-13-jährigen Entwicklung, wenn auch nur charakterlich, existiert.

Auch logische Fehler hat diese Welt, regiert von einer Übergestalt namens Zig, der eher wie ein verplanter Lebenskünstler agiert statt wie eine Gottheit.

Zum einen die Beschränktheit des himmlichen Daseins auf 50 Jahre, zum anderen in Zigs Gabe den Kindern z.B. nur Comics und vegetarisches Essen, nicht aber Lexika und Fleisch zukommen zu lassen.

Leider ist zu wenig bekannt als dass man Smith missionarischen Eifer unterstellen könnte aber es fühlt sich an manchen Stellen ebendoch wie ein erhobener Zeigefinger an, der inkonsequent mal in die eine, dann in die andere Richtung zeigt.

Schade, da sich der Autor damit viel Potential von seiner Geschichte einfach vergibt. Das Grundthema „Das Leben nach Boo“ ist trotzdem überlegens- und lesenswert. Und, wem das ganze dennoch abgeht, kann ja immer noch alle elf Cover der deutschen Ausgabe sammeln.

Autor:

Neil Smith lebt als Autor und Übersetzer in Montreal, Kanada. Sein Debüt „Bang Crunch“ wurde von der Washingtron Post zum Buch des Jahres gewählt. Mit diesem Erzählband gewann Smith zahlreiche Preise.

Sein zweiter Roman „Das Leben nach Boo“ wurde bishlang in sieben Sprachen übersetzt. Auch dafür wurde er mehrfach ausgezeichnet.

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Marie Fredriksson: Listen to my heart – Meine Liebe zum Leben

Listen to my heart - Meine Liebe zum Leben Book Cover
Listen to my heart – Meine Liebe zum Leben Marie Fredriksson/H. v. Zweigbergk Verlag: edel Erschienen am: 21.11.2016 Seiten: 239 ISBN: 978-3-8419-0488-1

Inhalt:

Mit Roxette hat Marie Fredriksson die Bühnen der ganzen Welt erobert, ein wahres Märchen, das ihr nach einer entbehrungsreichen Kindheit zuteil wurde. Doch dann stellt ein tödlicher Gehirntumor allen Erfolg in den Schatten und reduziert das Leben wieder auf das Wesentliche.

Seit nunmehr 15 Jahren kämpft Marie gegen den Krebs und vor allem gegen die Spätfolgen der Krankheit, die sie zuletzt zwangen sich für immer von der Bühne zu verabschieden.

„Listen to my heart“, ist eine Geschichte von großer Liebe, von Trauer, großen Erfolgen und Rache am Schicksal – der Liebe zum Leben sei Dank. (Klappentext)

Rezension:

Erfolgsstorys außerhalb der schwedischen Eurovisionsgeschichte kann man an einer Hand abzählen. Im musischen Bereich sind sie rar gesät, die Ausnahmetalente, die den Sprung nach Europa und den Rest der Welt schaffen.

Die schwedische Band Abba gehörte dazu und in jüngerer Zeit, inzwischen auch wieder mehrere Jahrzehnte her, schaffte Roxette den Sprung auf die internationale Bühne. Ein Leben zweier Musiker, ihrer Freunde und Familien für die Musik.

Immer skandalfrei, immer in Bewegung und immer mit neuen krativen Ideen für in Erinnerung bleibende Auftritte. Eine Band, auf die sich mehrere Generationen einigen können. Dreh- und Angelpunkt des Erfolgs war Marie Fredriksson, die sich von schwierigen finanziellen Familienverhältnissen ihren Traum erkämpfte, für die Musik und die Bühnen dieser Welt zu Leben.

Mit Hilfe der schwedischen Journalistin Helena von Zweigbringk veröffentlichte Fredriksson ihre Geschichte, deren schwerster Schicksalsschlag, ein Tumor im Jahr 2002 fast ihr Ende bedeutet hätte. Doch Marie Fredriksson nahm den Kampf auf und siegte. Aus Liebe zum Leben.

Künstlerbiografien, zumal von heutigen selbst ernannten Stars, haben oft genug keine tiefere Ebene und bleiben oberflächlich. Die meisten dieser Bücher bringen ein paar Anekdoten und kuriose Fakten hervor, zumehr lassen sich die Schreiber, ob nun der künstler selbst oder ein Ghostwriter nicht herab.

Das Buch von Marie Fredrikkson ist anders. Die Journalistin Helena von Zweigbergk hat die Sängerin mehrere Monate begleitet und Interviews geführt. Mit Marie, ihren Freunden und Bekannten, mit der Familie und Wegbegleitern einer schwedischen Erfolgsstory.

Herausgekommen ist ein beeindruckendes Portrait eines angeschlagenen aber nicht unbesiegten Menschen, welche nicht aufgegeben hat, in einer Situation, in der es jeder verstanden hätte. Nein, dass Bühnentalent kämpft für sich und ihre Freunde um ihr Leben als sie die schlimmste aller Diagnosen trifft. Ein Hirntumor, der fast das Ende bedeutet.

Natürlich ist dieses Büchlein vor allem für die Fans von Roxette, von Marie und Per, interessant, zumal wegen der Fakten und der Hintergrundgeschichte der Entstehung der Band. Aber es gibt auch Mut, für sich zu kämpfen, wenn alles aussichtslos erscheint und kaum Hoffnung mehr besteht.

Kurze Kapitel, in denen man den Eindruck hat, in denen die Sängerin aus ihrem Leben und vom Kampf gegen den Krebs erzählt wechseln sich ab mit den Eindrücken von Zweibringks, die ihr beim Niederschreiben und bei der Entstehung des Buches geholfen hat.

Für die Fans, die Marie Fredrikssons nur alles Gute und Glück wünschen können, dürfte so der Abschied von der Band leichter fallen. Alleine ihre Songs werden im Gedächtnis bleiben. Eine kleine großartige Biografie über ein beeindruckendes Leben.

Roxette „Listen to your heart“.

Autorinnen:
Helena von Zweigbergk wurde 1959 in Stockholm geboren und ist eine schwedische Autorin, Journalistin und Filmrezensentin. Nach der Schule studierte von Zweigbergk an der Universität Stockholm und erlangte erstmals in den 1990er Jahren Bekanntheit durch das schwedische Radioprogramm Spanama.

Ihr erstes Buch veröffentlichte sie 2001, welches vier Jahre später auch ins Deutsche übersetzt wurde. 1994 arbeitete sie zusammen mit der Journalistin Cecilia Bodström an einem Reportage-Buch über Prostitution. Zudem schrieb sie mehrere Filmrezensionen für eine schwedische Tageszeitung, sowie Kinderbücher.

Schwerpunkt ihrer schriftstellerischen Arbeit sind heite Menschen, die um ihre eigenen Standpunkte kämpfen. Als Journalistin arbeitete sie vor allem für die Zeitung Expressen und war von 2006-2007 als Programmleiterin einer schwedischen Fernsehshow. Sie lebt mit ihrer Familie in Stockholm.

Marie Fredriksson wurde 1958 in Össjö geboren und ist eine schwedische Musikerin. International bekannt wurde sie als Bandmitglied von Roxette. Nach dem Studium an der Musikhochschule Svalöv erhielt Fredriksson mit ihrer Band MaMas Barn einen Plattenvertrag, erzielte damit jedoch nur mäßige Erfolge.

1984 begann sie ihre Solokarriere und gründete zwei Jahre später mit Per Gessle die Band Roxette. Zunächst nur in Schweden erfolgreich, gelang 1989 der weltweite Durchbruch mit dem Hit „The Look“.

Mehrfach erhielt sie die goldene Schallplatte und wurde als beste Sängerin Schwedens ausgezeichnet. Mehrere Tourneen rund um den Globus folgten. Im September 2002 wurde bei Fredriksson ein Hirntumor diagnostiziert

Nach überstandener Krankheit feierte sie 2009 ihr Comeback. 2016 gab die Band entgültig ihren Abschied bekannt, mit der Begründung Fredriksson habe aufgrund der Spätfolgen nicht mehr die Kraft für die Auftritte. Sie starb am 9. Dezember 2019.

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S. K. Tremayne: Stiefkind

9120s951kxlAutor: S.K. Tremanye
Titel: Stiefkind
Seiten: 387
ISBN: 978-3-426-51662-1
Verlag: Knaur

Inhalt:
Ein traumhaftes Leben malt Rachel sich aus, als sie mit ihrem neuen Mann und dessen Sohn in deren Herrenhaus in Cornwall zieht. Doch der 9-jährige Jamie ist nicht wie andere Kinder: Er scheint zu sehen, was die nahe Zukunft bringt… und das ist Rachels Tod. (Klappentext)

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