Inhalt:
Oliver »Boo« Dalrymple ist dreizehn Jahre alt, hochbegabt, wenig beliebt und vor allem tot. Gerade noch hat er an seinem Schulspind gestanden, in das Periodensystem vertieft, da findet er sich im Wiedergeburtsraum eines seltsamen Jenseits wieder.
Dort begrüßt ihn Thelma, ein schwarzes Mädchen, das in den sechziger Jahren gelyncht wurde, und erklärt ihm, was es damit auf sich hat: In einer von Mauern umgebenen Stadt leben ausschließlich verstorbene amerikanische Jugendliche seines Alters.
Quicklebendig verbringen sie ihre Zeit wie auf einem großen Schulhof, sausen auf Fahrrädern umher und werden von einem hippiehaften Gott namens Zig mit allem versorgt, was Dreizehnjährige zum Leben brauchen.
Boo hat gerade begonnen, sich an das Nachleben zu gewöhnen, als sein ehemaliger Klassenkamerad Johnny in der Stadt auftaucht und ein überraschendes neues Licht auf seine Vergangenheit wirft.
Auf der Suchenach der brutalen Wahrheit wird ihre gerade erst geschlossene Freundschaft ernsthaft auf die Probe gestellt. (Verlagstext)
Einordnung und Gestaltung:
Den Roman könnte man auch als Jugendbuch durchgehen lassen. In diesem Falle ist er ab 13-14 Jahren geeignet. Der Verlag differenziert hier nicht und vermarktet ihn auch als Roman.
Der Roman in der gebundenen Ausgabe, 1. Auflage, ist in elf unterschiedlichen Cover-Varianten erhältllich. Bei Online-Bestellungen ist es Zufall, welches man erhält, während man in größeren Buchhandlungen oft mehrere der Cover zur Auswahl hat.
Rezension:
Die Frage nach einem Leben nach dem Tod hat die Menschen seit jeher fasziniert. Was kommt nach unserem Sterben? Boo weiß die Antwort.
Eigentlich heißt er Oliver, doch seine Mitschüler nannten ihn, den Außenseiter so, der plötzlich im Wiederbelebungsraum einer Stadt aufwacht, die nur von 13-jährigen bewohnt wird.
Allen gemein ist, dass sie auf die eine oder andere Art ums Leben gekommen sind und nun 50 Jahre in ihrem dreizehnjährigen Ich verharren müssen, bevor sie entgültig ableben. Doch, Oliver weiß zwar, dass er tot ist, doch nicht, wie er gestorben ist.
Das letzte, an das er sich erinnern kann, ist, dass er an seinem Schulspind stand und die Elemente des Periodensystems aufgesagt hat. Doch, das zählt nicht mehr. Mit Hilfe neuer Freunde erkundet er seine „neue“ Welt, bis einer seiner Mitschüler das Reich der toten Jugendlichen betritt.
Johnny, der zuvor noch im Koma gelegen hatte, erklärt ihm, dass Boo und er bei einer Schulschießerei ums Leben gekommen sind. Der Attentäter auch. Der „Gunboy“ ist dabei ebenfalls gestorben. Und läuft wahrscheinlich nun in dieser neuen Welt frei herum.
Neil Smith schafft mit „Das Leben nach Boo“ ein wundervoll nachdenklich stimmendes Szenario, welches sich zu diskutieren lohnt. Es geht um wahrhaft existenzielle Fragen außerhalb unseres iridischen Lebens. Wo kommen wir hin, wenn wir nicht mehr sind?
Wie geht es weiter mit unserer Seele, zumal wenn sie früher gehen muss als üblich? Doch, nicht nur dafür verdient der Roman Aufmerksamkeit, lenkt er doch die Aufmerksamkeit auf ein vor allem US-amerikanisches Problem, ist es dort doch die USA selbst, die sich jedes Jahr auf’s Neue mehrfach der Frage stellen muss, wie mit Schulattentaten, -tätern und opfern umgehen, wenn auch die Probleme aus europäischer und kanadischer Sicht hausgemacht sein dürften.
Doch, Smith bleibt nicht bei diesen, sondern wirft weitere Fragen auf. Wie gehen wir mit Schuld und Schuldigen um? Was ist richtig und falsch?
Ja, sogar Fragen von gesellschaftlichen Grenzen werden aufgeworfen, wenn man das Szenario betrachtet, dass es einen Himmel getrennt nach Altersklassen und Nationalitäten gibt.
Genau, wie Oliver und Johnny so manches Mal an diesen Problemen zu zerbrechen drohen, der eine früher, der andere später, merkt auch der Leser schnell die Begrenztheit des Gedankenspiels des Autoren.
Smith möchte zu viel, fabriziert Längen, wo keine sein müssten, was bei den kurzen Kapiteln, die allesamt nach den Elementen des Periodensystems nummeriert sind, an sich schon eine Kunst ist und droht allenthalebn, seine Leser zu verlieren.
Nur gerade so, schaffen es dann folgende spannendere Kapitel, die mit zunehmender Seitenzahl an Tempo gewinnen, den Leser wieder mitzunehmen. Letztendlich das Ausschlaggebende dafür, den Roman bis zum Ende durchzulesen.
Die Protagonisten bleiben zudem, bis auf wenige der Hauptfiguren (da, auch nicht alle) farblos und entwickeln sich kaum weiter, wenn der Autor auch beschreibt, dass selbst in der Welt der Dauer-13-jährigen Entwicklung, wenn auch nur charakterlich, existiert.
Auch logische Fehler hat diese Welt, regiert von einer Übergestalt namens Zig, der eher wie ein verplanter Lebenskünstler agiert statt wie eine Gottheit.
Zum einen die Beschränktheit des himmlichen Daseins auf 50 Jahre, zum anderen in Zigs Gabe den Kindern z.B. nur Comics und vegetarisches Essen, nicht aber Lexika und Fleisch zukommen zu lassen.
Leider ist zu wenig bekannt als dass man Smith missionarischen Eifer unterstellen könnte aber es fühlt sich an manchen Stellen ebendoch wie ein erhobener Zeigefinger an, der inkonsequent mal in die eine, dann in die andere Richtung zeigt.
Schade, da sich der Autor damit viel Potential von seiner Geschichte einfach vergibt. Das Grundthema „Das Leben nach Boo“ ist trotzdem überlegens- und lesenswert. Und, wem das ganze dennoch abgeht, kann ja immer noch alle elf Cover der deutschen Ausgabe sammeln.
Autor:
Neil Smith lebt als Autor und Übersetzer in Montreal, Kanada. Sein Debüt „Bang Crunch“ wurde von der Washingtron Post zum Buch des Jahres gewählt. Mit diesem Erzählband gewann Smith zahlreiche Preise.
Sein zweiter Roman „Das Leben nach Boo“ wurde bishlang in sieben Sprachen übersetzt. Auch dafür wurde er mehrfach ausgezeichnet.