Bill McGuire: Treibhaus Erde

Inhalt:

Die Erde schwebt in akuter Gefahr. Unser einst lebensfreundlicher Planet ist auf dem besten Weg, zu einem sich selbst erhitzenden Treibhaus zu werden. Dieses Buch bietet eine fundierte Perspektive auf den Klimanotstand und zeigt, dass es praktisch unmöglich ist, die kritische 1,5°C-Marke noch zu halten.

Das Resultat: Der Kollaps unserer Ökosysteme lässt sich nicht mehr abwenden. Er wird unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft in den kommenden Jahrzehnten komplett auf den Kopf stellen. Bill McGuire, Professor für Geophysik und Klimafolgen, erklärt die wissenschaftlichen Hintergründe der Klimakrise und zeichnet ein unverblümtes, aber realistisches Bild der Welt, in der unsere Kinder alt werden.

Überschwemmungen, Dürren, Konflikte – so düster das Szenario auch sein mag, wir müssen uns damit auseinandersetzen. Damit aus einer besorgniserregenden Zukunft keine katastrophale wird. (Klappentext)

Rezension:

Verdrängung und falscher Optimismus sind es, die den wissenschaftlichen Konsens seit Jahrzehnten nicht an die Oberfläche drängen lassen und die Luft zum Atmen nehmen. Dabei begegnen wir überall auf unserem Planeten immer sichtbareren Folgen der Klimakrise, welche sich in häufiger und ausufernden Extrem-Wetterereignissen äußert, die längst in verschiedenen Teilen der Welt dazu führt, dass unser Planet in einen Zustand gerät, in dem der Mensch keinen Platz finden wird.

Doch wie sehen sie aus, die Klimaänderung, mit denen wir in Zukunft zu rechnen haben und wie müssen wir ihr begegnen. Der britische Klimato- und Vulkanologie Bill McGuire beschreibt in seinem Werk ein ungeschöntes wissenschaftlich abgesichertes Szenario, welches zeigt, dass es längst nicht mehr darum gehen muss, dessen Folgen abzuwenden, sondern ihnen zu begegnen.

Gletscher verschwinden und Eisschilde sind instabil, der steigende Meeresspiegel bedroht schon jetzt verschiedene Inselstaaten, Permafrostböden tauen auf und geben Methan frei, während Dürren und Überschwemmungen zu Ernteausfällen, damit zu politischen Unruhen führen. Dies ist erst der Anfang, einer sich immer schneller drehenden Abwärtsspirale, in der wir uns gerade befinden. In diesem sehr kompakt gehaltenen Sachbuch werden wissenschaftliche Fakten für Laien verständlich aufgeschlüsselt, was vor allem heißt, genau erklärt, wie sich Veränderungen etwa das Überschreiten bestimmter Klima-Kipppunkte konkret auswirken.

Zunächst beschreibt der Autor den Istzustand, bevor er auf die Geschichte klimatischer Veränderungen zu sprechen kommt und zeigt, wie schon jetzt und auch in Zukunft wir zum Spielball derer Geister werden, die wir einst gerufen haben. Eindrücklich warnt McGuire dabei vor Schwachstellen unserer menschlichen Zivilisation und schildert wie Klimakriege unser Zusammenleben, Gesundheit und Lebensqualität auf einem überhitzten Planeten sein werden, den wir unseren Kindern und Kindeskindern überlassen, aber auch selbst in naher Zukunft gegenüber stehen.

Einen Blick fürs Zuversicht verbietet sich da. Man möchte diese Denkschrift allen Klimaleugnern um die Ohren hauen, die politischen Eliten als verdammten Arbeitsauftrag zur klimagerechten Politik verpflichten, wie sie große Teile der Gesellschaft inzwischen fordern. Dieser Warnschuss ist nicht mehr der vor dem Bug. Längst sind zu viele Baustellen entstanden, die nicht mehr behoben werden können, doch zeigt McGuire, wie wir damit umgehen müssen. Die Zeit für Alternativen sind längst vorbei.

Dieses kompakt gehaltene, gut erklärende Sachbuch, mehr braucht man nicht, um zu verstehen, in welcher Welt wir uns befinden und schon bald befinden werden.

Autor:
Bill (William J.) McGuire wurde 1954 geboren und ist ein britischer Vulkanologe und emeritierter Professor für Geophysik und Klimagefahren am University College London. Er studierte zunächst Geologie, welche er später lehrte und beschäftigte sich in verschiedenen Forschungsgruppen mit Naturgewalten und Extremwetterereignissen. Zu seinen Forschungsgebieten gehört die Instabilität von Vulkanen, sowie die Art und Auswirkung geophysikalischer Ereignisse, sowie der Klimawandel und dessen Auswirkungen auf geologische Gefahren.

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Gina Louise Hunter: Essbare Insekten

Inhalt:
Von Anbeginn unserer prähistorischen Vergangenheit bis hin zu modernen Ernährungstrends spielen Insekten eine bedeutende Rolle. Heute ernähren sich schätzungsweise zwei Milliarden Menschen von ihnen, doch im Westen werden sie nur selten gegessen. Woran liegt es, wo doch unsere Vorfahren ebenso Insekten gegessen haben? Was können wir von ihnen und den Menschen, die diese heute noch auf den Speiseplan haben, lernen? Weshalb sind Insekten die Lebensmittel der Zukunft und welche Fragestellungen bringt dies mit sich? Die Anthropologin Gina Louise Hunter nimmt uns mit auf eine besondere kulinarische Reise.

Rezension:

Hierzulande eher auf Street Food Märkten oder in Szenerestaurants effektvoll serviert, spielen Käfer, Larven oder Heuschrecken eine eher untergeordnete Rolle, doch auch hier wächst die Anzahl der Interessenten, ein Markt, der andernorts auf der Welt riesig ist. Über 20.000 Familien in Thailand etwa betreiben Grillenfarmen. Längst sind auch große amerikanische Food-Konzerne auf das Potenzial der Krabbeltiere aufmerksam geworden. Warum, liegt auf der Hand. Schon in prähistorischen Zeiten haben wir Menschen uns von Insekten ernährt, die stets einfacher zu fangen waren als größere Säugetiere und die stetig wachsende Weltbevölkerung ist hungrig.

Doch in der westlichen Welt überwiegt der Ekel, dem sich eine noch kleine Anzahl von Pionieren zur Aufgabe gemacht hat, ihn zu überwinden. Die Anthropologin Gina Louise Hunter ist eine davon. In ihrem neuen Buch beschäftigt sie sich mit diesem Teil globaler Ernährungsgeschichte, wirft zunächst einen Blick in unsere Vergangenheit und schaut anschließend, wie mit der Thematik in anderen Teilen des Erdballs umgegangen wird, sowie was wir daraus lernen können.

Aufgelockert mit Fotos zeigt der sehr emphatisch gehaltene Bericht, worauf geachtet werden muss, wenn wir Insekten als eine Art globales Superfood begreifen und unserer Küche zugänglich machen, Vorteile und Nachteile dieser Art von Lebensmittel, z. B. auch als potenzielle Einnahmequelle von Menschen derzeit armer Regionen, bei richtiger Handhabung. Gut recherchiert schwankt dieses Sachbuch zwischen gesellschaftlichen Zustandsbericht und historischen Abriss, endet dann in eine Art historischen Kochbuch, in dem etwa österreichische Kipferl eine ganz neue Grundzutat aufweisen.

Jetzt immer noch skeptisch? Bitte zu diesem Werk greifen und zumindest mal auf dem nächsten Streetfood-Markt probieren, wenn etwa gebratene Mehlwürmer oder Heuschrecken angeboten werden. Oder gar Lebensmittel auf Mehlwurmmehlbasis, in denen man das verarbeitete Insekt nicht sieht. Wenn der Hunger auf der Welt nicht weiter wachsen soll, muss auch hierzulande über eine Erweiterung des Speiseplans nachgedacht werden. Gina Louise Hunters Buch ist ein Anfang.

Autorin:

Gina Louise Hunter ist Professorin für Anthropologie an der Illinois State University.

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Matthias Egeler: Elfen und Feen

Inhalt:

Dieser Band bietet kompetent und unterhaltsam einen Überblick über Geschichte und Geschichten der Elfen und Feen von ihren Ursprüngen in keltischen und nordischen Mythen bis in die Welt der isländischen „Elfenbeauftragten“ und von Harry Potter. Mal verstörende, mal zauberhafte Begegnungen mit Naturgeistern oder Gestalten wie etwa den Herrinnen von Avalon (Artussage), mit Elrond und Galandriel (Herr der Ringe), Titania und Oberon (Mittsommernachtstraum) oder auch Peter Pan verheißen Abenteuer und Lesevergnügen.

Zugleich wird deutlich, wie jede Epoche ihre eigenen Feen und Elfen hervorgebracht hat – und in den sich wandelnden Vorstellungen vom Übernatürlichen erkennen wir die Ängste und Sehnsüchte der jeweiligen Zeiten bis in unsere Tage. (Klappentext)

Rezension:

Heute ein fester Bestandteil der westlichen Populärkultur, haben seit ihrem Ursprung in der nordischen und keltischen Mythologie Elfen und Feenfiguren einen Wandel durchgemacht, der auf uns blicken lässt, die wir von ihnen erzählen. Dies gilt für ihre Gestalt, ebenso für ihre Fähigkeiten oder auch Rolle in unseren Gesellschaften. Jede Epoche hat eine eigene Anderwelt. Auf eine Reise durch die Geschichte bis zur Gegenwart nimmt uns der Autor Matthias Egeler mit und wirft damit auch einen Blick auf uns selbst.

Wenn es um Mythen und Legendengestalten geht, muss ein Rahmen abgesteckt werden, innerhalb dessen man sich orientiert, sonst ist die Gefahr sich zu verzetteln zu groß, gibt es doch von allen Geschichten regionale oder zeitlich zu verortende Varianten, weshalb sich der Experte für Altskandinavistik auf sein Fachgebiet konzentriert. Viele andere Figuren, mit denen man sich etwa im Mittelalter oder noch früher Naturphänomene oder Schicksalsschläge wie Krankheiten erklärt hat, hier nicht behandelt werden. Diese Beschränkung tut dem kompakt gehaltenen Sachbuch gut, gibt es doch immer noch genug Stoff zu erzählen.

Zwei Themenkomplexe werden hier abgebildet, zum einen der geschichtliche Wandel des Feenmythos im keltischen Raum, zum anderen der Bogen von den Gehöft ansässigen Elfengestalten im nordischen Island bis hin zur „Elfenbeauftragten“, die ursprünglich nur für den Tourismus eine Karte der verorteten historischen Plätze, derer man diesen Figuren auf dieser Insel zuspricht, zeichnen sollte.

Spannend wird hier beschrieben, wie Mythengestalten früher genutzt wurden, sich Krankheiten oder Kindersterblichkeit zu erklären, aber auch wie deren Rollen sich im Laufe der Zeit verändert haben. Mit zunehmender Modernisierung nahmen Kunst und Kultur der Anderwelt Macht und Einfluss, erst viel später etwa kam es zur Rückbesinnung auf die alten Geschichten.

Matthias Egeler räumt dabei auch Nebenkriegsschauplätze populärer Diskussionen auf Social Media auf, wenn es etwa um die Gestalt von Elfen und Kobolden der Harry Potter Filme und Bücher geht, ohne diese Auseinandersetzung explizit zu erwähnen, zeigt aber auch was Tolkin und andere bewirkt haben, aber auch wie die Theosophie ihre Zeichen gesetzt hat, bis hin zu gefälschten Fotos und Träumereien.

Zumindest letztere haben ein längeres Leben und so wird die Geschichte, wie sie Matthias Egeler zu erzählen weiß, wohl auch künftig fortgesetzt werden können. Dieses durchaus für den Verlag ungewöhnliche, jedoch gut recherchierte Sachbuch ist ein guter Einstieg in diese Welt.

Autor:
Matthias Egeler studierte zunächst Indologie, Nordistik und Indogermanistik, bevor er verschiedene Stationen in Oxford, Cambridge und München durchlief. An der Goethe-Universität Frankfurt/Main lehrt er als Professor für Altskandinavistik. Zu seinen Forschungsgebieten zählen die altnordische Literatur- und Kulturgeschichte, sowie des mittelalterlichen Irlands.

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Manfred Kühn: Kant – Eine Biographie

Inhalt:
Heinrich Heine hat gespottet, von Immanuel Kant könne niemand eine Lebensgeschichte schreiben, denn Kant habe weder ein Leben noch eine Geschichte gehabt. In seiner mittlerweile zum Klassiker avancierten Biographie des größten deutschen Philosophen räumt Manfred Kühn mit der Legende von Kants ereignislosem Professorenleben gründlich auf. Er zeichnet das Bild eines eleganten und geistreichen Gentlemans, der eine wichtige Rolle im gesellschaftlichen Leben seiner Heimatstadt Königsberg spielte. (Klappentext)

Rezension:
Im Wesentlichen auf drei Biografien, geschrieben von drei Herren, die Kant zu unterschiedlichen Zeitpunkten seines Lebens gekannt haben, stützt sich unser Wissen um den vielschichtigen Philosophen aus Königsberg, geschrieben, auf eine bestimmte Deutung aufgelegt, sind sie jede für sich nur Puzzleteile, die sich vor allem auf die Person und Ansichten in ihren letzten Lebensjahren bezieht, doch wie haben sich Kants Sichtweisen auf die Rolle des Menschen, seinen Wirkungsgrad im Spannungsfeld zwischen Philosophie und Religion entwickelt?

Der amerikanische Philosoph Manfred Kühn wirft, um diese Fragen zu beantworten, mit dieser Biografie einen neuen Blick auf das Werden Kants, dessen jungen Jahre, um die Entwicklung der Kantschen Philosophie nachzuverfolgen und schafft so ein differenziertes Bild dessen Lebens, seinem Denken und seiner Zeit.

Bevor der Lebensweg Kants verfolgt und detailliert geschildert wird, ist eine Personenübersicht dem sehr ausführlich gehaltenen Text vorangestellt, in dem die einzelnen Protagonisten, die einst die Wege des Königsberger Philosophen kreuzten, vorgestellt und in ihrer Beziehung zu diesem eingeordnet werden. Erst danach erfolgt eine Erklärung Manfred Kühns zu dessen Herangehensweise in seiner Betrachtung, die philosophische Theorien und Werke in Bezug setzt zu Kants Lebensabschnitten, in denen sie entstanden und schließlich veröffentlicht wurden.

Die philosophischen Überlegungen sind dabei stilistisch hervorgehoben, werden überdies auch ausführlich erklärt, ebenso wie Meinungsstreite und Auseinandersetzungen der damaligen Zeit. Diese Vorgehensweise führt zu einer sehr komplexen Art von Biografie, die zwar erhellend, dennoch nicht immer leichtgängig zu lesen ist. Das war zwar eines der Ziele Kühns, wobei dieses schnell an seine Grenzen gerät, wie selbst der Autor in seinem vorangestellten Prolog zugeben muss. Konzentration und vielleicht der eine oder andere Notizzettel sind also erforderlich, um Immanuel Kants Überlegungen Folge leisten zu können und Längen in der Lektüre zu überstehen.

Außerhalb der durchaus nüchternen Theorie hat es Kühn geschaffen, einen großen Denker aufleben zu lassen. Das historische Königsberg, seine gesellschaftlichen Strukturen und sein Gefüge innerhalb Preußens werden sehr anschaulich dargestellt, sowie die Auseinandersetzungen mit Kants Werken zu dessen Lebzeiten, schon für die Zeitgenossen von nicht ganz einfacher Natur. Hier ist dem Autoren eine sehr facettenreiche Schilderung gelungen, die viele Darstellungen Kants und die seiner Gegenüber zu einander neu in Beziehung setzt und einordnet.

Gänzlich unvertraut mit Kant sollte man nicht an die Lektüre dieser Biografie herangehen. Vorwissen ist zwar nicht unbedingt notwendig, aber vom Vorteil, um besonders komplexe, daher verschachtelte Textstrecken verfolgen zu können, derer man sonst geneigt ist, diese zu überfliegen. Das Werk Kühns soll zwar populärwissenschaftlich sein, geht jedoch einen Schritt weiter und ist eher geeignet, von Fachkundigen gelesen zu werden. Zuletzt rundet ein Zeitstrahl, ein ausführliches bibliografisches und Anmerkungsverzeichnis diese Biografie ab.

Autor:
Manfred Kühn ist em. Professor für Philosophie an der Boston University. Zuvor lehrte er an der Purdue University, USA, sowie in Marburg. Neben vielen Arbeiten über Kant, beschäftigte er sich mit Hume und Payne, die Aufklärung in Schottland, Frankreich und Deutschland, u. a. mit Johann Gottlieb Fichte.

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Christiane Wagler (Übers.): Das ist Kunst!

Inhalt:

Wie lebten und malten Vincent van Gogh oder Frida Kahlo? Was genau ist Impressionismus? Und wieso ist Pop-Art so bunt?

Vor Tausenden von Jahren wandten sich die ersten Menschen der Höhlenmalerei zu, in der Renaissance lebte die Antike wieder auf und im Action Painting wird das Malen selbst zur Kunst.

Diese umfassende Einführung in die Kunstgeschichte führt durch bedeutsame Stilepochen, stellt berühmte Maler und Malerinnen sowie ihre Werke vor, erklärt ihre Bedeutung, zeigt verschiedene Techniken und lädt dazu ein, selbst künstlerisch tätig zu werden. (Klappentext)

Rezension:

Mit Kunst kann man Bilder assoziieren, aufgehängt in Galerien, Räume mit staubtrockener Luft in altehrwürdigen Museen, doch künstlerische Arbeiten sind überall zu finden, um uns herum und auch ihre Geschichte kann so spannend erzählt werden, wie ihre Wirkung auf uns ist. Diese Welt den Kleinsten zugänglich zu machen, kann mit diesem neuen Werk, schon für sich genommen Kunst, gelingen, aus dem Hause Dorling Kindersley, dem es wie kein anderer Verlag gelingt, die Brücke zwischen gelungener Sachbuchliteratur für Kinder und Erwachsene zu schlagen.

In „Das ist Kunst!“ reisen wir durch die Kunstgeschichte, ihre Epochen und lernen die Menschen kennen, die einige ihrer bedeutendsten Werke geschaffen haben. Von der Höhlenmalerei bis zur modernen Kunst des Pop-Art, von Vincent van Gogh und Frida Kahlo bis zu Damien Hirst, der einen Banksy, afrikanischen Künstlern oder Damien Hirst, der einen Schädel ganz aus Diamanten konstruierte, 50 Millionen Pfund wert.

Es ist eine Art Lexikon, selbst ein Kunstwerk, welches die zeitgeschichtliche Entwicklung ebenso im Blick hat, wie einzelne Vertretende und zahlreiche Werke abgebildet zeigt, die die erklärenden Texte illustrieren. Die hochwertige Ausstattung lädt zum Mitmachen ein, Techniken werden erklärt und zeigen, wie u. a. Rembrandt oder William Turner Meisterwerke erschufen. Die Welt der Kunst ist groß und schillernd, nach der Lektüre sollte daran keine Zweifel mehr bestehen.

Dieses informative Sachbuch lädt ein zum Stöbern, egal ob man sich festliest, in die Betrachtung einzelner Kunstwerke versinkt oder gleich darauf hin selbst kreativ werden möchte und schlägt damit oben genannte Brücke. Zwar für Kinder gedacht, wirkt dieses Lexikon auch über die Zielgruppe hinaus. So verständlich, ohne staubtrockenen Überbauch und Interpretationsebenen, gelangt man nur selten zu einem Überblick.

Das funktioniert, ohne Wichtiges aus den Augen zu verlieren. Zeitrahl-Übersichten schlagen die Brücke zu den Historien-Büchern des Verlags, die Erklärungen zu verschiedenen Techniken zu den Selfmade-Werken, wobei die Zielgruppe die Art und Aufmachung durch verschiedene Tier- und Naturübersichten kennen dürften, die ebenfalls in gleicher Weise aufgebaut sind.

Ich kann hier nur meine Bewunderung zum Ausdruck bringen, dass es den Verlag hier wieder einmal gelungen ist, etwas Hochwertiges herauszugeben, welches auch die kleinsten Lesenden ernst nimmt und echtes Interesse zu wecken vermag. Vielleicht sind genau solche Werke jene, die Hoffnung machen können, dass es auch künftig gelingen kann, die Kleinsten in dieser schnelllebigen Welt das Innehalten und Versinken in der Betrachtung nahe bringen zu können. Mit „Das ist Kunst!“ ist wieder ein entsprechender Baustein dazu gesetzt.

Übersetzerin:
Christiane Wagler studierte Übersetzungswissenschaft in Leipzig, Edinburgh und Bilbao. Sie hat zahlreiche Bücher für Kinder, Jugendliche und Erwachsene aus dem Englischen ins Deutsche übertragen und ist zudem als Filmuntertitlerin, Dozentin und im redaktionellen Bereich tätig. Neben dem Übersetzen widmet sie sich verschiedenen Formen der Druckgrafik.

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Lisa Kaltenegger: Sind wir allein im Universum?

Inhalt:

Haben Sie gewusst, dass es in unserer Galaxie Milliarden potenziell lebensfreundliche Planeten gibt? Die Wissenschaft ist näher dran als je zuvor, das Rätsel um Leben im All zu lösen. Lisa Kaltenegger, die international gefragte Astrophysikerin und Astronomin aus Österreich, begibt sich in diesem Buch auf Spurensuche nach Super-Erden, Felsplaneten und Habitablen Zonen. Sie präsentiert Ergebnisse aktueller Forschung auf unterhaltsame Weise und erklärt, unter welchen Umständen außerirdisches Leben möglich ist. (Klappentext)

Rezension:

Unendliche Weiten, faszinierende Tiefen. Der Blick ins All vermag zu faszinieren. Mit immer größeren Teleskopen gelingen immer detailreichere Einblicke und atemraubende Entdeckungen. Viele Geheimnisse des Weltraums beginnen wir gerade erst zu entschlüsseln. Die Antwort auf die spannendste Frage jedoch, die zum ersten Mal vor mehr als eintausend Jahren dokumentiert wurde, steht noch aus. Sind wir allein im Universum? Gibt es Leben außerhalb der Erde? Der beste Beweis für Leben im All sind schließlich wir. Grund genug für die österreichische Astrophysikerin Lisa Kaltenegger, sich auf Spurensuche zu begeben. Von dieser erzählt sie in ihrem nun aktualisiert vorliegenden und vielschichtigen Sachbuch.

Und sie beginnt vor unserer eigenen Haustür, mit der Entstehung unseres Sonnensystems und der Erde, die als Vergleichsmaterial für ernsthafte Forschungen dienen, fernab aller Verschwörungstheorien. Dabei kommt unser Platz im Weltall zur Sprache, ebenso die Rolle von Licht und die Kategorisierung von Planeten, welche zusammen die Faktoren festlegen, nachdem eine Suche nach wie auch immer gearteten Leben überhaupt beginnen kann.

Hoch komplexe Themen erläutert die Autorin sehr anschaulich, so dass dies auch ohne Vorwissen zu begreifen ist, immer wieder aufgelockert durch beinahe comichafte, jedoch dadurch leichtgängige, die Sachverhalte verdeutlichende Zeichnungen. Vom Kleinen angefangen wagt sich die Autorin dabei mit uns Lesenden immer weiter in das Weltall hervor und zeigt, wie dieses Wissen den Wissenschaftler:innen heute hilft, Suchmethoden nach Planeten zu entwickeln und anzuwenden, auf denen Leben möglich sein könnte.

Wie diese funktionieren wird danach ebenfalls erläutert, bevor danach der Themenkomplex eröffnet wird, wie Leben überhaupt beginnen kann und welche Welten die Forschung bisher ins Auge hat fassen können. Entgegen der hoch komplexen Inhalte, sind die Kapitel sehr kurzweilig und kompakt aufgemacht, ohne wichtige Faktoren dieser hochspannenden Suche zu unterschlagen. Lisa Kaltenegger ist es gelungen, nicht allzu viel Fachsprache zu verwenden, ihre Leserschaft dennoch ernst zunehmen.

So wird der neueste Stand der Forschung auch Laien verständlich gemacht, im inneren des Buchrückens findet sich zudem eine der Thematik zu Grunde liegenden Sternenkarte und illustriert die bisherigen Forschungsergebnisse. Rundum ein gelungenes Sachbuch, welches allen Sternen-Fans zu empfehlen ist, die eine Aneinanderreihung von Fakten zugänglich aufbereitet vorfinden werden, ohne ins allzu Trockene abzurutschen oder schlimmer, von einem Schwarzen Loch verschlungen zu werden. Abzüge in der B-Note bringt allerhöchstens das Lektorat, welches den einen oder anderen Tippfehler übersehen hat. Eventuell werden diese jedoch bis zur nächsten Auflage entdeckt, genau so wie Lisa Kaltenegger und ihrem Team noch die Entdeckung vieler möglicher Erden zu wünschen ist.

Autorin:

Lisa Kaltenegger wurde 1977 in Kuchl bei Salzburg geboren und ist eine österreichische Astronomin und Astrophysikerin. Ihr Forschungsgebiet ist die Entdeckung von Exoplaneten, Exomonden und Supererden. Zunächst studierte sie u. a. Technische Physik, Astronomie und Japanisch, arbeitete als Übersetzung, bevor sie das Studium der Astronomie mit Diplom abschloss. 2002 schloss sie ebenfalls das Studium der Technischen Physik mit Spezialisierung auf Biophysik und Biomedizin ab, bevor sie 2004 in Graz promovierte.

Kaltenegger arbeitete zunächst für die Europäische Weltraumorganisation ESA, bevor sie an die Harvard University wechselte und war zudem an verschiedenen Instituten als wissenschaftliche Mitarbeiterin oder Leiterin tätig. Seit 2009 arbeitet sie für die NASA und ist außerdem außerordentliche Professorin an der Cornell University. Sie ist Mitgründerin des dortigen Carl Sagan Institute. Lisa Kaltenegger beschäftigt sich mit der Modellierung und Charakterisierung von Atmosphären um erdähnliche Planeten und deren Wechselwirkungen mit der Planetenoberfläche und war an der Entdeckung mehrerer Planeten beteiligt, die sich in der habitablen Zone befinden.

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Sebastian Pertsch (Hrsg.): Vielfalt – Das andere Wörterbuch

Inhalt:

Diversität spiegelt sich in einer großen Anzahl von neuen Wörtern. Sie begegnen uns in Gesprächen, Diskussionen, in den Medien und sind Ausdruck unserer sich dynamisch verändernden Gesellschaft. Woher kommen diese Begriffe und wie werden sie verwendet?

Anhand von 100 Wörtern gibt dieses Buch nicht nur Auskunft über ihre Schreibung und Bedeutung. Es versteht sich als „anderes Wörterbuch“, indem es 100 namhafte Persönlichkeiten mit Diskussionsbeiträgen zu Wort kommen lässt.

Zusätzlich Orientierung und Hintergrundwissen bieten 29 Infografiken sowie mehr als 1100 Quellen und Medienhinweise. (Klappentext)

Rezension:

Entwicklung und Gebrauch der deutschen Sprache festzuhalten, dafür Hilfestellungen zu geben ist die große Aufgabe der Dudenredaktion. Dabei verändern sich die an sie gestellten Anforderungen, da Einflüsse auf das Deutsche immer vielfältiger werden, ebenso wie diejenigen, die es sprechen, andere Ansprüche an sie stellen.

Grund genug für eine Sammlung von Begriffen und Wörtern, die repräsentativ für diese, vielleicht nicht in allen Facetten, aber eben auch, neue Vielfalt stehen. Einhundert Menschen wurden für dieses Projekt ins Boot geholt, um eben dieser Rechnung zu tragen. Entstanden dabei ist, wie der Untertitel es schon benennt, ein etwas anderes Wörterbuch.

Wie ein thematisches Lexikon soll sich dieses Büchlein lesen und lädt in seiner kompakten Form zum stöbern ein. Nicht mehr als zwei Seiten pro Begriff sind es, die so eine größere Sammlung zu ermöglichen, die man hintereinanderweg lesen oder gezielt nach einzelnen Wörtern suchen kann.

Immer vorangestellt ist die eigentliche Begriffsdefinition des Duden oder seiner Online-Variante, danach haben die Schreibenden Gelegenheit zur Erklärung gehabt , sprachgeschichtlichen und gesellschaftlichen Hintergrund zu erläutern, ebenso ihren Standpunkt einzubringen.

Dieser Freiraum bringt, abgesehen davon, wie man überhaupt eine Auswahl treffen kann, die zwangsläufig nie vollständig sein kann, eines der zentralen Schwachstellen des Werks mit. Lesenswert sind immer die Beiträge, die sich auf den gesellschaftlichen und geschichtlichen Kontext, sowie die Definition beschränken, bei Standpunkttexten schwingt allzu oft der erhobene Zeigefinger mit.

Der mag Diskussionen anstoßen können, Widerspruch herausfordern, ist jedoch nicht dienlich wenn andere Texte deutlich nüchterner gehalten sind. Entweder ein Debattenbuch als solches oder ein Lexikon, aufgrund der Vielzahl der Schreibenden fehlt hier jedoch diese klare Linie. Hier hätte eine Entscheidung zu Gunsten des Einen oder Anderen diesem Projekt gut getan.

Die neutral gehaltenen Texte in diesem Werk lassen sich dabei ungemein mit Gewinn lesen. Information und neues Wissen, auch Hintergründe, die man so gar nicht bisher erahnt hat, kommen da zum Tragen, doch sind von dieser Qualität eben nicht alle Beiträge, was die Lektüre so manches Mal schwergängig macht. Das ist schade. Hier wurde eine große Chance verpasst.

Davon abgesehen reicht natürlich die zwangsläufig sehr kurz gehaltene Information zu den jeweiligen Beitragsschreibenden nicht aus, um diese komplett einzuordnen, was auch hier eine gewisse Wertung schwierig macht. Das ist zwar immer Knackpunkt solcher Schreibkollektive, jedoch hier sehr auffällig.

Was bedeutet Experte, Creator oder Publizist? Was befähigt einen Aktionskünstler hier einen Beitrag zu schreiben? Sicher zu Recht ausgewählt, aber genaues weiß man eben hinterher nicht. Trotzdem ist eine Lanze zumindest für den Versuch zu brechen. Vieles ist erhellend.

Vielleicht macht dies aber auch die Beschäftigung mit der Thematik Vielfalt und vor allem der Sprachvielfalt aus? Streitbar, kontrovers und irgendwo findet man sich wieder. So auch in diesem Werk.

Herausgeber:

Sebastian Pertsch wurde 1981 geboren und ist ein freiberuflicher Journalist, Dozent, Autor und Sprecher. Er wurde mit dem Günter-Wallraff-Preis für Journalismuskritik und dem Deutschen Stifterpreis ausgezeichnet. Er engagiert sich im sozialpädagogischen Bereich und analysiert die deutschsprachigen Medien in den sozialen Netzwerken. Er ist Mitbegründer der „Floskelwolke“, einem Open-Data-Projekt.

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Kurt Tallert: Spur und Abweg

Inhalt:
Schon als Schüler muss Kurt Tallert erfahren: Was für weite Teile seiner Generation Schulbuchvergangenheit ist, ist für ihn lebendig, die Geschichte seines Vaters. Eines Vaters, der als „Halbjude“ von den Nazis verfolgt wird, der nach der Befreiung in Deutschland bleibt, Journalist wird und Mitglied des Bundestags. Und der doch ein Leben lang seinen Platz sucht. In „Spur und Abweg“ trifft Vergangenheit auf Gegenwart, Überliefertes auf Verdrängtes, Erlebtes auf Erinnertes, erzählt Kurt Tallert die Geschichte seines Vaters – und seine eigene. Ein Stück Gegenwartsliteratur, in dem die Scherben eines Lebens zu einem Spiegel der Gesellschaft zusammengelegt werden. (Klappentext)

Rezension:

Wie das Unfassbare begreifen? Diese Frage stellt sich Kurt Tallert und versucht die Geschichte seiner Familie, vor allem die seines Vaters, der viel zu früh verstarb, zu durchdringen und diese in Beziehung zu seinem eigenen Leben zu stellen, dessen Wahrnehmung schon in der Kindheit so ganz anders ist als die Gleichaltriger. An den brutalen Folgen der Nazi-Herrschaft leidend, vergeblich um Wiedergutmachung, Entschädigung kämpfend, geht die Vaterfigur zu Grunde als der Autor noch in der letzten Phase seiner Kindheit steckt, schon da hat die Spurensuche Tallerts nach dem Warum begonnen. Der Autor erzählt von ihr, tief in die Familiengeschichte eintauchend, um mehr über sie, nicht zuletzt auch über sich selbst zu erfahren. Kann dies gelingen?

Es ist eine besondere Art von Familien- oder Personenbiografie, die mit „Spur und Abweg“ hier vorliegt, die zugleich beinahe philosophisch die Frage nach der Verarbeitung vererbter Traumata aufgreift. Wissenschaftlich nachgewiesen, dass diese über mehrere Generationen hinweg unser Handeln und Leben beeinflussen können, weiß auch der Schreibende um diesen Fakt, möchte tiefgehender Ursachenforschung betreiben und begibt sich anhand von Dokumenten und Ortsbegehungen über die Jahre hinweg immer wieder in Konfrontation, nicht zuletzt zu sich selbst. Das Bild des Vaters, den er als Kind beinahe nur gebrochen kannte, bekommt dabei immer neue Facetten, Konturen, die eigentlich Klarheit bringen müssten, stattdessen immer mehr Fragen aufwerfen.

Das Puzzle, dessen Teile aus Briefen, Tagebuchaufzeichnungen oder Buchenwald-Besuchen bestehen entfaltet seine Wirkung, auf den Autoren selbst, der seine Erfahrungen in Bezug zu den Beobachtungen setzt, die er macht, wenn er seine Mitmenschen betrachtet. warum reagiert der Klassenkamerad während des Besuchs der Gedenkstätte anders als er, warum schießen Touristen später Selfies am Deportationsgleis, wo einst Familienmitglieder in ein ungewisses Schicksal blickten? Teile werden zusammengesetzt, allmählich wird die Familiengeschichte greifbar, der Autor gewinnt Sicherheit und wird zugleich unsicherer.

„Spur und Abweg“ ist die Art von Verarbeitungsliteratur, der Versuch zu verstehen, die man mit einer gewissen Konzentration konsumieren muss, nichts für schwache Nerven oder jene, die sich nicht auf philosophische Betrachtungen einlassen wollen. Dem Autor verschaffen sie einen Abstand, der die Betrachtung erst möglich macht, lesend begibt man sich auf Spuren eines Prozesses, der mehrere Leben reichen wird. Was machen die Erfahrungen vorangegangener Generationen mit uns, zudem wenn deren Leid von Gesellschaft und Politik nie wirklich anerkannt waren, wenn Protagonisten zwischen den Stühlen stehen und das Zugehörigkeitsgefühl zwangsläufig diffus bleiben muss?

Was macht es mit uns, wenn Identität verloren geht? Am Beispiel seines Vaters und nicht zuletzt sich selbst, erzählt Kurt Tallert davon. Gerade in heutiger Zeit wichtige Lektüre.

Autor:

Kurt Tallert wurde 1986 in Bad Honnef geboren und studierte Germanistik und Hispanistik in Aachen und Santiago de Chile. Unter den Künstlernamen „Retrogott“ prägt er als DJ, Rapper und Produzent, die deutsche Hip-Hop-Szene und veröffentlichte zahlreiche Alben. Dies ist sein schriftstellerisches Debüt.

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Vrouwkje Tuinman: Vorübergehender Aufenthalt

Inhalt:
Die Niederlande nach dem 2. Weltkrieg. Die boomende Industriestadt Eindhoven bietet Arbeit, Unterkunft und Vergnügen. Eine junge Witwe mit drei Kindern verwandelt ein heruntergekommenes Gästehaus in eine Pension, in der internationale Gäste aus der Unterhaltungsbranche gerne bleiben. Aber egal, wie hart sie arbeitet, sie kann dem unerbittlichen Schicksal nicht entrinnen, das über ihre Familie hereinbricht, in der nicht nur ein neuer Liebhaber eine mysteriöse Rolle spielt. Vrouwkje Tuinman zeichnet hintergründig das prägnante Sittenbild einer Stadt zwischen Vergangenheit und Hoffnung auf eine bessere Zukunft. (Inhalt lt. Verlag)

Rezension:

Dieser kleine Kurzroman, schwankend zwischen Novelle und literarischem True Crime hat es trotz oder gerade wegen seiner Kompaktheit in sich. Vrouwkje Tuinman, die niederländische Journalistin und Autorin, hat dafür einen Kriminalfall aus den 1950er Jahren adaptiert, der bis heute noch immer nicht ganz aufgelöst wurde. Dabei beginnt die Erzählung zunächst harmlos, in den nach den Krieg zerstörten Niederlanden herrscht Aufbruchstimmung, vor allem in größeren Städten. Chancen genug für eine verwitwete Frau, für ihren Lebensunterhalt und den ihrer Kinder zu sorgen. Zusammen mit ihrem Liebhaber übernimmt sie eine kleine Pension, die schon bald floriert, nicht ahnend, dass bald dunkle Wolken über das neue Familienglück aufziehen werden.

Aus dieser Ausgangssituation heraus entspinnt sich die Erzählung, die mit schnellen Schritten auf ein vielfaches Unheil zusteuert. Tatsächlich ist das Erzähltempo sehr hoch, ebenso wie die Figurenanzahl für den kompakten Text beachtlich ist, in dem die Autorin einen unbestimmten, aber kürzeren Zeitraum aufleben lässt. Das Lokalkolorit der Nachkriegszeit der Niederlande ist da ebenso beachtlich herausgearbeitet worden, wie auch die Figuren mit zunehmender Seitenzahl an Konturen gewinnen. Schnell wird man die Geschichte hineingesogen, gleichsam mit einem unguten Gefühl. Man ahnt sehr schnell, worauf die Novelle hinausläuft, wird aber gezwungen hinzuschauen, gleichwohl eine Auflösung bis zum Ende hin nicht zur Gänze erfolgen wird.

Trotzdem lohnt es sich, schon wegen der Protagonisten, wobei hauptsächlich zwei zu nennen sind, die später nicht zu den Antagonisten gehören werden, auch wenn man über die Beweggründe der einen nur den Kopf schütteln mag. Vor allem die Sicht der Mutter der Kinder und ihres Jüngsten, der irgendwann auch sein Schicksal zu ahnen beginnt, ihm aber nicht zu entrinnen vermag. Hier merkt man dann, das die Autorin zumindest zu einer Person, im Nachwort auch erwähnt, Kontakt gehabt haben muss, um tief hinein in diesen Kriminalfall eintauchen zu können. Eine Recherchearbeit, die sich definitiv gelohnt hat.

Die durchaus folgerichtige und in sich schlüssige Erzählung kommt ohne große Überraschungen aus. Erstaunlich ist allenfalls, in welchem Tempo der Verlauf sich abspielt, wobei einige Punkte bewusst der Phantasie der Lesenden überlassen werden. Und die ist ja bekanntlich grausamer als das, was jemand zu Papier bringen könnte. Für Auslassungen oder Rückblenden bleibt dabei keine Zeit, trotzdem kann man sich sowohl Schauplätze als auch Figuren gut vorstellen. Fans literarisch verarbeiteten True Crimes werden hier jedenfalls auf ihre Kosten kommen, zum Eindhovener Originalfall gibt es außerhalb dessen nicht unbedingt viel zu finden..

Hierzulande noch relativ unbekannt, ist es zu wünschen, dass Voruwkje Tuinmans Werke nach und nach übersetzt und so zugänglich gemacht werden. „Vorübergehender Aufenthalt“ als doppeldeutiger Titel steht einem interessanten und unter die Haut gehenden Text vor. Haben die anderen der Autorin auch nur ein Bruchteil davon über, darf man gespannt sein, was es da noch so alles zu lesen gibt. Dieses literarische True Crime war jedenfalls ungemein spannend zu lesen. Unbedingte Empfehlung.

Autorin:
Vrouwkje Tuinman wurde 1974 in den Niederlanden geboren und ist eine Dichterin, Autorin und Journalistin. Zunächst studierte sie Kultur- und Musikwissenschaften, bevor sie als freiberufliche Journalistin und Rezensentin zu arbeiten begann. Für Zeitungen und Zeitschriften schreibt sie seit dem und veröffentlichte 2004 ihren ersten Gedichtband, dem ein Roman folgte. Ebenfalls 2004 erhielt sie ein Literaturförderstipendium und wurde für den Libris Prijs nominiert. Tuinman saß in der Jury eines Gedichtwettbewerbes, wurde mehrfach ausgezeichnet, u. a. 2010 mit den Halewijnpreis der Stadt Roermond.

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Stephan Schmidt: Die Spiele

Inhalt:
Shanghai 2021. Der Mord an dem IOC-Funktionär Charles Murandi überschattet den Kongress zur Vergabe der Olympischen Sommerspiele. Schnell ist der mutmaßliche Täter gefasst. Die Aufnahmen einer Sicherheitskamera zeigen den Journalisten Thomas Gärtner beim Verlassen des Tatorts, unter dem Arm unbekannte Dokumente. Allerdings: Er will sich an nichts erinnern können. Ein brisanter Fall für die junge Konsulatsbeamtin Lena Hechfellner, denn sie weiß mehr, als sie preisgeben darf – und gerät mit einem Mal selbst ins Visier der chinesischen Behörden. (Klappentext)

Rezension:

Zwischen den Zeiten springt der Kriminalroman „Die Spiele“ des Schriftstellers Stephan Schmidt und bündelt seine Handlungsstränge in der temporeichen chinesischen Metropole Shanghai, in der selbst nichts ist, wie es scheint, aber dennoch brandgefährlich. Dreh- und Angelpunkt ist ein Mord, der am Rande der Vergabe der künftigen Sommerspiele zum Politikum werden droht. Das IOC-Mitglied Charles Murandi tot in seinem Hotelzimmer. Der Letzte, der ihn lebend gesehen hat, ist mutmaßlich ein Journalist, der das Opfer und dessen Geschichte schon Jahre lang folgt. Doch erinnern kann sich Thomas Gärtner angeblich nicht.

So entspannt sich die Handlung des Textes zunächst in seine Einzelteile, setzt dabei viel früher an, so dass der Autor ein Verwirrspiel entfesselt, welches eine gewisse Sogwirkung hat. Die Zeitebenen muss man so jedoch schon zu beginn konzentriert auseinanderhalten, wenngleich die einzelnen Abschnitte kompakt zueinander erzählt werden.

Dabei wechseln spannende Momente mit ruhigen, doch innerhalb der Jahrzehnte umspannenden Handlung kommt der Autor nicht umhin, mehr als unnötig Momente voller Klischees einzubauen und lässt zwischen den Zeilen durchscheinen, was im Verlauf die einzelnen Figuren in verschiedener Form einander vorwerfen, das Reich der Mitte, sein Denken, sein Handeln nicht zu verstehen.

Dieses Szenario ist es, welches das Motiv der einzelnen Protagonisten darstellt, eben den Moment der geglaubten Erkenntnis für sich zu nutzen, um dann vor Realitäten zu stehen, die sie nicht greifen können. Das trifft mehr oder weniger alle Figuren, die der Autor so kantenreich ausgearbeitet hat, wie es nur aufgrund verschiedener Handlungsstränge und Zeitebenen möglich war. Eine gewisse Dynamik wird zusätzlich eingeführt, da immer auch die Erzählperspektiven wechseln, wobei keine der Figuren durchgehend Sympathie auf sich zieht.

Stephan Schmidt erzählt eine Welt innerhalb einer Welt verschiedener Realitäten, die seine Protagonisten leben. Man kann sich durchaus dieses Spannungsverhältnis vorstellen. Hier merkt man ebenso, dass der Autor von eigener Erfahrung zehrt. Auch in China hat er schon gelebt. Manchmal fühlt es sich so an, als würde man neben den Figuren stehen, die jede auf ihrer Art und Weise befangen wirken. Im nächsten Moment dann jedoch wird dies schriftstellerisch zerstört, mit einzelnen Abschnitten, die einem förmlich die Augen rollen lassen. Sex sells, oder aber es wurde noch ein wenig Material gebraucht, um Seiten zu füllen. Wäre nicht nötig gewesen. Handels- und Denkweise einiger Figuren ist schmierig genug.

Zu Beginn sind auch die Handlungsstränge, die wie Puzzleteile zusammengeführt werden, ein großer Pluspunkt zu Beginn der Erzählung, gegen Ende des Romans merkt man jedoch dass hier der Autor zu viel wollte. Es sei denn, Schmidt wollte sich die Option auf eine Fortsetzung offen halten, nur dann wirkt es stimmig, ansonsten vor allem gegen Ende unförmig, geradezu holprig. Dieser Abzug in der B-Note wird zwar wettgemacht durch eine einzige überraschende Wendung, doch wird man lesend etwas unbefriedigt zurückgelassen. Hier hätte Konzentration gut getan.

Korruption, Lobbyismus, Großmacht- und Hegemonialmachtstreben im Spannungsfeld eines Überwachungsstaates, dem Kontrolle über alles geht. Elemente eines Politthrillers sind hier noch am spannendsten konsequent durchgeführt. Man fühlt das Gehetztsein, die Verunsicherung, den Angstschweiß, das Durchdenken von Szenarien so sehr, andere Elemente der Erzählung kommen da zu kurz, so dass es sie nicht unbedingt gebraucht hätte, trotz plastischer Beschreibungen, die das alles sehr gut vorstellbar macht.

Zu viele Punkte, die weder Fisch noch Fleisch sind ergeben einen durchwachsenen Roman mit guten Elementen in schlechter Ausführung. Wer sich dennoch für ein paar Aspekte des Textes von Stephan Schmidt begeistern kann, für den ist die Erzählung durchaus mit Gewinn zu lesen. Alle anderen sollten sich das überlegen.

Autor:
Stephan Schmidt wurde 1972 in Hessen geboren und ist ein deutscher Schriftsteller. Nach seiner Promotion in Philosophie folgten Aufenthalte als Mitarbeiter verschiedener Forschungseinrichtungen in China, Taiwan und Japan, Länder die er bereits als Student kennenlernte. Er veröffentlichte bereits mehrere Romane, und lebt derzeit in Taipeh.

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