Immer wieder stelle ich fest, dass gerade in, sagen wir, fordernden Zeiten, mir Bücher einen besonderen Halt geben. Mit dem Lesen einiger Seiten auf den Weg zur Arbeit oder vor Hochfahren des Büro-Laptops im Home Office starte ich in den Tag, abends auf den Nachhauseweg in der U-Bahn schaufel ich mir mit Büchern den Kopf frei und komme auf andere Gedanken. So habe ich dieses Jahr viele Bücher für mich entdecken können, mehr gelesen als etwa im Jahr 2020, erstaunlicherweise mit vergleichsweise wenigen Totalausfällen. Nur einen Abbruch hatte ich auf den Zähler. Darum soll es heute aber nicht gehen. 2021 war für uns alle anstrengend genug. daher habe ich mich dazu entschlossen, meinen Rückblick auf die Lese-Highlights des Jahres zu beschränken und die anderen Werke aus meinem Gedächtnis zu verdrängen. Wer diese sich noch einmal zu Gemüte führen möchte, den bleibt nichts übrig, als die Rezensionen zu durchstöbern. Hier soll es heute nur um die Highlights gehen. Über die Flops sprechen wir zu oft.
Eine Top 10 auszuwählen, ist mir dabei nicht gelungen, so zeige ich ganze zwanzig Bücher, die ich in positiver Erinnerung habe. Von der Belletristik bis zum Sachbuch, von der Neuerscheinung bis zur Backlistliteratur ist alles dabei. Natürlich könnte ich noch viel mehr Werke nennen, aber ihr kennt den Ausdruck: „Das sprengt den Rahmen!“. 🙂
Esther Horvath: Expedition ArktisStephan Orth: Couchsurfing in Saudi ArabienBjörn Stephan: Nur vom Weltraum aus ist die Erde blau
Während Björn Stephan mich mit seinem Schreibdebüt, einem sensiblen Coming of Age Roman, überraschen konnte, entführte mich Esther Horvath gleich zu Beginn des Jahres in die eisigen Gefilde der Arktis. Sie begleitete die bis dato größte von den Forschern des deutschen Alfred-Wegner-Instituts angeführte Polarexpedition, auf dem Eisbrecher „Polarstern“ und brachte beeindruckende Fotos mit nach Hause, die sie in diesem Bildband versammelt hat. Stephan Orth nahm seine LeserInnen dagegen in ein nahezu noch unbekanntes Land. Saudi-Arabien. Immer, Auge und Auge mit Scheichs und Kamelen. Unvergessen natürlich, das Interview, welches ich mit ihm führen durfte.
Christa von Bernuth: Tief in der ErdeSasha filipenko: Der ehemalige SohnOlga Grjasnowa: Die Macht der Mehrsprachigkeit, Duden-Verlag.
Christa von Bernuths Kriminalroman „Tief in der Erde“, der auf wahre Begebenheiten eines spekatkulären Falls der bundesdeutschen Kriminalgeschichte beruht, gehört im Bereich True Crime zu meinen Highlights, wie auch Sasha Filipenko, der mit seinem Roman „Der ehemalige Sohn“ tief in die belarussische Gesellschaft Einblick nehmen lässt. Noch nie habe ich einen, über weite Strecken, so deprimierenden Roman gelesen, der jedoch sehr eindrucksvoll zu lesen ist und deshalb definitiv zu meinen Highlights zählt. Olga Grjasnowas Essay über den Nutzen von Mehrsprachigkeit war nichtminder aufschlussreich.
Natasha A. Kelly: Rassismus – Strukturelle Probleme brauchen strukturelle Lösungen, Atrium Verlag.Stefanie vor Schulte: Junge mit schwarzem HahnKhue Pham: Wo auch immer ihr seid
Genau so wie ich Olga Grjasnowas Ausführungen zur Mehrsprachigkeit empfehlen kann, möchte ich allen Natasha A. Kellys Essay über Rassismus ans Herz legen. Hier beschreibt sie, woher Rassismus kommt, wie das wirkt und wie wir dieses strukturelle Problem lösen können. Ihr Werk hatte in jedem Fall den Preis für die am schwersten zu schreibende Rezension gewonnen. So oft habe ich, glaube ich, selten, nach den richtigen Worten gesucht. Khue Pham beeindruckte mit ihrem halbbiografischen Roman einer über die Welt verstreuten, ursprünglich aus Vietnam stammenden Familie und Stefanie vor Schulte mit einer sprachlich so anspruchsvollen erzählung, die ihres Gleichen sucht.
Ariel Magnus: Das zweite Leben des Adolf EichmannJanina Hecht: In diesen SommernAlex Schulman: Die Überlebenden
Familiengeschichten oder Coming of Age dominierten bei mir im Bereich der Belletristik und so kann ich auch Alex Schulman „Die Überlebenden“, wie auch das Debüt von janina Hecht „In diesen Sommern“ zu meinen Highlights zählen. In beiden Romanen geht es um Kindheiten und den nicht ganz so einfachen Umgang damit, im Erwachsenenalter, während Ariel Magnus in seinem Roman „Das zweite Leben des Adolf Eichmanns“, den eben genannten wieder lebendig werden lässt, bis zu seiner Entführung und Verhaftung durch Agenten des israelischen Geheimdiensts Mossad. Spannend und erschreckend zugleich , einmal diese Perspektive einzunehmen.
David Gutensohn: Pflege in der KriseFrank Vorpahl: Schliemann und das Gold von TrojaXose Neira Vilas: Tagebuch einer Kindheit in Galicien
Wie bekommen wir die Fragestellungen und Probleme, die sich gerade jetzt klar und deutlich zeigen, in den Griff? Wo liegen die Stellschrauben im Gesundheitssystem und unserer Gesellschaft? Was muss sich ändern, da Applaus nicht genug ist? Diese Fragen stellt der Journalist David Gutensohn und zeigt, wie Lösungen aussehen können und was in winzigkleinen Schritten schon jetzt passiert oder, wo es noch viel zu tun gibt. Frank Vorpahl entwirrt derweil Mythos und Wirklichkeit um Heinrich Schliemann und Xose Neira Vilas‘ Novelle „Tagebuch einer Kindheit in Galicien“ war genau so erschreckend, wie düster, wie hoffnungsvoll.
Douglas Stuart: Shuggie BainUwe Wittstock: Februar 33
Der Historiker Uwe Wittstock zeigt in seinem romanhaft anmutenden Sachbuch „Februar 33 – Der Winter der Literatur“, wie schnell Kunst und Kultur von den Nationalsozialisten nach ihrer Machtübernahme vereinnahmt wurden und Schriftsteller, wie Künstler, ins Abseits gedrängt oder für ideologische Zwecke ausgenutzt wurden. Das Werk zählt wohl bei so Einigen zu den Highlights, wie vielleicht auch „Shuggie Bain“ von Douglas Stuart, eine traurigere und trostlosere Version und Mischung aus „Billie Elliott“ oder Frank McCourts „Die Asche meiner Mutter“. Fast möchte man die Hauptfigur aus den Roman herausziehen, und sie vor allem Übel der Welt beschützen.
Krogmann/Seng: Der TodespflegerDeininger/Ritzer: Die spiele des JahrhundertsMieko Kawakami: Heaven
Last, but not least. Karsten Krogmann und Marco Seng konstruierten in ihrem Sachbuch „Der Todespfleger“ die Geschichte des Krankenpflegers Niels Högel, der zum größten Serienmörder der deutschen Nachkriegsgeschichte avancieren sollte, zeigen die Mühlen der Justiz auf, eben so wie deren Schlagkraft, während Roman Deininger und Uwe Ritzer noch einmal Olympia 1972 aufleben lassen, welches so anders werden sollte, als die Spiele der Nazis 1936, und dann doch durch einen Terroranschlag in ihren Grudnfesten erschüttert wurden. Nach zwei Sachbüchern, zu guter Letzt ein wunderschöner Roman, „Heaven“, von Mieko Kawakami, über Mobbing und zarter Freundschaft.
Das waren sie nun, meine zwanzig Highlights des Jahres, die ich um noch weitere Werke hätte ergänzen können, doch lade ich euch natürlich ein, im Rezensionsverzeichnis nach Herzenslust zu stöbern, nach diesen oder nach anderen Werken, nicht nur Highlights, aber eben auch. Es hat mir wieder großen Spaß gemacht, so vielschichtig, auch für euch, zu lesen und ich freue mich auf das kommende Lesejahr, was hoffentlich genau so abwechslungsreich und spannend werden wird.
Vielleicht ist ja das eine oder andere Werk, auch für euch, dabei?
Bis zum nächsten Jahr. Nicht vergessen, wir lesen uns.
Viele Grüße,
findo.
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Hitlers letztes Aufgebot war minderjährig. Aufgepeitscht durch Kriegspropaganda glaubten viele Hitlerjungen, sie könnten den Endsieg noch herbeiführen und Deutschland vor dem Untergang bewahren. Als Luftwaffenhelfer, im Volkssturm und in Panzervernichtungstrupps kämpften zuletzt selbst 14-jährige als Lückenfüller und Kanonenfutter. Alleine in den letzten Kriegswochen fielen über 60.000 Kindersoldaten. Die Überlebendenden leiden bis heute an verdrängten Kriegstraumata und konnten oder wollten nie darüber sprechen. Am Ende ihres Lebens berichten dreizehn Zeitzeugen von ihren Kindheitserlebnissen während erbarmungsloser Kämpfe oder zermürbender Gefangenschaft. (abgewandelter Klappentext)
Rezension:
In den Trümmern des Dritten Reiches kämpften zuletzt nur noch die Jüngsten, zumeist ums nackte Überleben. Noch halbe Kinder, waren sie das letzte Aufgebot des NS-Regimes, chancenlos und auf verlorenen Posten. Die auf zerstörung getrimmte Kriegspropaganda gepaart mit der teilweise naiven Sicht Pubertierender, die sich für unverwundbar hielten, führte dazu, dass diese sowjetischen oder amerikanischen Soldaten mitunter schmerzliche Verluste zufügten.
Am Ende mussten diese entscheiden, was mit den Halbwüchsigen, die in Fantasieuniformen mit viel zu großen Stahlhelmen steckten, geschehen sollte. Nicht wenige kamen in Kriegsgefangenschaft, wo für viele sich das Grauen fortsetzte. Der Historiker Christian Hardinghaus hat sich, nach den Soldaten und Frauen im Zweiten Weltkrieg nun der dritten Gruppe, der als Kindersoldaten eingebundenen Minderjährigen angenommen. Die Geschichten dreizehn von ihnen, sind nun für die Nachwelt festgehalten.
Ein wichtiger Bestandteil der Erforschung von Zeitgeschichte ist das Festhalten von Erlebnisberichten, das Recherchieren von Tagebüchern und das Führen von Interviews. Lange war dies bei den Kindersoldaten des Zweiten Weltkriegs nicht möglich, zum Einen, da Aufarbeitungsprozesse zu weilen einseitig verlaufen, zum anderen da Verarbeitungsprozesse mitunter langwierig verlaufen. erst in jüngster Zeit wird aufgearbeitet und zugehört.
Viele Veröffentlichungen, etwa von Tagebüchern aus Kriegskindertagen, gab es in den letzten Jahren und doch wird der Gruppe, die das NS-Regime für seine Zwecke ganz zuletzt noch missbrauchte, kaum Beachtung geschenkt. Die Kinder und Jugendlichen nämlich, die im Rahmen willkürlich zusammengewürfelter Volkssturm-Einheiten gegen die Übermacht alliierter Soldaten ankämpfen musste, während um ihnen herum der Staat in seine Bestandteile zerfiel. Die Wahrnehmung der Zeitzeugen darüber, unterscheidet sich dabei zuweilen deutlich von der nachfolgender Generationen.
Christian Hardinghaus hat daher vor allem eines, Gespräche geführt, zugehört und nachgefragt. Wie in seinen anderen Werken zuvor hinterfragt er zunächst die Erinnerungskultur und wie eine Annäherung, hier an die ehemaligen deutschen Jugendlichen im Zweiten Weltkrieg gelingen kann, welche Bandbreite vor allem jahrgangsmäßig dies umfassen muss und welche Nachfragen nicht außen vor gelassen werden können.
Diese stellt er jeweils am Ende dieser so entstandenen Kurzbiografien, die vor allem die Jugendzeit der Befragten ausführlich behandeln. Eingeführt werden ihre Geschichten durch die Darstellung der jetzigen Lebenssituation, um so Zugang dazu zu finden.
Der Autor wertet dabei nicht oder hält sich zumindest großteils damit zurück, zeigt die Dynamik des NS-Terrors in Form ihrer Propaganda und jahrelanger Indoktrination, aber auch, was die Haltung der sie umgebenden Erwachsenen, ob nun Eltern, Lehrer oder Soldaten ausmachen konnte, wie zuweilen ein Schritt zur Seite Leben oder Tod bedeutete. Hardinghaus lässt die Zeitzeugen erzählen, ungeschönt nehmen diese kein Blatt vor den Mund und sprechen auch dabei die weniger bekannten Kapitel an, etwa von den Zuständen im Rheinwiesenlager für Kriegsgefangene der Alliierten.
Sachlich und konzentriert wirken die mit Fotos durchsetzten Berichte, zuweilen erstaunlich nüchtern, dann wieder ins Emotionale kippend, was vielleicht dem zeitlichen Verarbeitungsprozess geschuldet ist. Auch dieser wird immer kurz dargestellt. Die Wertung, wenn eine solche denn möglich ist, erfolgt dann durch die Lesenden, die mit Informationsgewinn aus der Lektüre gehen werden. Mit diesem Band, der aus dem Pool ausgewählter Zeitzeugenberichte entstanden ist, denen sich Hardinghaus bedienen konnte, ist das Bild abgerundet und sollte auch gelesen werden.
Ein wichtiger und zur weiteren Diskussion anregender Beitrag zur Aufarbeitung ist das, der herausgestellt werden kann, jedoch nicht für sich alleine stehen sollte. Für mein Interesse an der Thematik hätten es jedoch ruhig noch mehr Berichte sein können. Vielleicht wird ja das Bild noch durch kommende Lektüre ergänzt werden?
Autor:
Christian Hardinghaus wurde 1978 in Osnabrück geboren und ist ein deutscher Historiker, Schriftsteller und Fachjournalist. Nach seinem Studium der Geschichte, Literatur- und Medienwissenschaft (Film und TV) promovierte er an der Universität Osnabrück im Bereich Propaganda- und Antisemitismusforschung. Im gleichen Jahr absolvierte er den Lehrgang Fachjournalismus an der Freien Journalismusschule. 2016 erwarb er zudem den Abschluss für das gymnasiale Lehramt in den Fächern Deutsch und Geschichte. Er ist Autor zahlreicher Sachbücher und Romane. Hardinghaus lebt in Osnabrück.
Sie sind jung, neugierig und hoch motiviert. Über Jahre hinweg engagieren sich Nicolai Boudaghi und Alexander Leschik in der AfD. Schnell steigen sie auf. Dabei stehen sie auf der Seite der gemäßigten. Doch irgendwann müssen sie sich eingestehen, dass der radikale Flügel der Partei nicht zu stoppen ist. In diesem verstörenden Insider-Bericht schildern sie ihre Wege und Fehler in der AfD-Jugendorganisation und der Mutterpartei.
Anhand von Chats, Sitzungsprotokollen und vertraulicher Untelagen geben sie einen Einblick in die rechte Partei, deren Weg und wie Spitzenfunktionäre diesen beurteilen, sowie einen Ausblick auf das Kommende. (abgewandelter Klappentext)
Rezension:
Vor Gründung der AfD hielt man eine Partei von derartiger Ausrichtung kaum für möglich und dauerhaft erfolgreich in Deutschland, doch ist diese seit 2013 in sämtliche Landesparlamente und schließlich in den Deutschen Bundestag eingezogen. Eine Alternative zur etablierten Politik wollten ihre Gründer einst schaffen, vieles anders oder besser machen. Seit dem hat sich viel verändert. Mit zunehmenden Erfolg veränderte sich, zunächst schleichend die Zusammensetzung der Mitglieder, mit ihnen die Tonalität innerhalb der Partei und schließlich den Parlamenten. Heute ist die AfD kaum mehr wiederzuerkennen, geben extreme Kräfte den Ton an.
Wie konnte es dazu kommen? Die Autoren Alexander Leschik und Nicolai Boudaghi zeichnen ihren Weg nach, von den zunächst politikinteressierten Jugendlichen, die sie waren, hin zu engagierten mitgliedern, die nach und nach mit ansehen mussten, wie die vernetzte Rechte nach und nach ihre Partei in eine Richtung dreht, die heute nur mehr als gefährlich und abstoßend zu bezeichnen ist.
Welche Position nahmen sie dazu ein, welche Fehler machten sie und wo eigentlich liegt der Kipppunkt in der bisherigen Geschichte einer Partei, die in Gefahr läuft als Gesamtes vom Verfassungsschutz unter Beobachtung gestellt zu werden, deren Landesverbände zerstritten sind und schon mehrere Metamorphosen hinter sich hat, im Laufe derer nur immer noch radikalere Mitglieder die Zügel an sich gerissen haben.
Ungeschönt erzählen die beiden Autoren von Parteiveranstaltungen und Versammlungen, zitieren aus Chatgruppen und internen Dokumenten, wie rechte Netzwerker im Laufe der Jahre immer mehr den Ton vorgaben, von Taschenspielertricks, die die AfD den etablierten Parteien vorwirft, jedoch selbst bis auf die Spitze treibt und von psychologischer Kriegsführung und Tauziehen um Machtpositionen innerhalb der Parteiebenen, welches irgendwann auch die letzten gemäßigten Mitglieder vertreiben oder mit in den Abrgund reißen wird.
Die Autoren zeigen ihren Weg in der Partei auf, verdeutlichen Beweggründe von Beitritt bis zum Austritt aus der AfD, verdeutlichen Kipppunkte, ihre eigenen Fehler und auch, weshalb sich die AfD so schnell radikalisiert hat. Anhand von Chatprotokollen und internen Dokumenten, Zitaten aus der Führungsebene zeigen Boudaghi und Leschik wie die Partei in ihrem Inneren funktioniert, wie sehr sich Innen- und Außenwirkung unterscheiden. Wie radikal ist die AfD heute, whin wird dieser Weg führen? Wer sind die bestimmenden Personen in der Partei heute? Haben die demokratischen Parteien dagegen eine Chance? Wie sieht diese aus?
Das alles ließt sich schwergängig. Man blättert durch die Seiten mit offenen Mund, erlebt die Zeit seit 2013 im Schnelldurchlauf, in der eine Unerhörtheit der nächsten Absurdität folgt. Zu oft kann man nicht fassen, was da in und zwischen den Zeilen steht. Und, Boughadi und Leschik? Ja, es ist wieder ein Buch von Aussteigern und natürlich mit einer gewissen Intension geschrieben, die man beiden jedoch auch abnimmt, zumal wenn man das Verhalten von Abgeordneten der AfD, deren Aussagen betrachtet und all jenen Verknüpfungen, die es in andere radikale Netzwerke hinein gibt, zudem jene Ereignisse vor Augen führt, auf die gewisse Reaktionen folgten.
Dieses Buch dürfte hoffentlich, ja es muss hohe Wellen schlagen. Unbedingt.
Nicolai Boudaghi wurde 1991 geboren und trat 2013 der AfD bei. Er arbeitetet im Vorstand des Bezirksverbands Düsseldorf und arbeitete für die Partei im Landtag, sowie in der Nachwuchsorganisation „Junge Alternative“ als stellvertretender Bundesvorsitzender. Er studierte Sozialwissenschaften und trat 2020 aus der AfD aus.
Alexander Leschik wurde 2000 geboren und schloss sich mit 15 Jahren der AfD-Nachwuchsorganisation an, bewährte sich als Vize-Kreissprecher in Münster und wurde 2021 in die Arbeitsgruppe Verfassungsschutz vom Bundesvorstand berufen. Er studiert Rechtswissenschaften und verließ 2021 die AfD.
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Die kleine Inselwelt Kiribati – 1777 von James Cook zwischen Australien und Hawaii entdeckt – versinkt infolge des Klimawandels allmählich im weiten Blau des Pazifischen Ozeans. Mit einem reich illustrierten Reisetagebuch wollen Alice Piciocchi und Andrea Angeli diese Welt ein Stück weit bewahren.
Hier sind Familien seit Generationen zu Hause, werden alte Traditionen gelebt und sind magische Rituale genauso Teil des alltags wie Satellitenfernsehen und das Internet. Das Buch erzählt von einer Reise ans andere Ende der Welt, ist ein buntes Mosaik aus Anekdoten und Erlebnissen, aufwendig gestalteten Karten, Zeichnungen und Infografiken. Ein Buch, das unsere Sehnsucht weckt und die Hoffnung, dass dieser besondere Ort auch zukünftig bestehen bleibt. (Klappentext)
Rezension:
Mehrere Atolle entlang der Datumsgrenze, die bis zu ihrer Verschiebung den Tag in zwei Teile teilte, bilden eines der letzten Paradiese dieser Erde. Noch leben dort, auf den Inseln des Südseestaates Kiribati, Menschen. Die Frage ist nur, wie lange noch? Die Welt, die einst James Cook entdeckte, zuvor jedoch bereits tausende Jahre besiedelt war, wird untergehen. Für die Umsiedlung der Bevölkerung gibt es bereits einen Plan der dortigen Regierung.
Kiribati – Eine Inselwelt versinkt im Meer (Andrea Angeli)
Doch, wie leben die Menschen dort auf den Inseln, von denen keine eine höhere erhebung hat als fünf Meter über den Meeresspiegel? Mit welchen Problemen haben sie bereits heute zu kämpfen? Was bedeutet es, isoliert und doch verbunden zu sein? Die Autorinnen Alice Piciocchi und Andrea Angeli haben eine Reise um den halben Erdball unternommen, um dies zu ergründen. Herausgekommen dabei ist ein besonderer Bericht über eine entschwindende Welt.
Der besteht aus Elemeneten verschiedener Genre. Beinahe Graphic Novel, nicht ganz Lexikon mit Elementen einer statistischen Sammlung, natürlich Reisebericht findet alle Lesenden etwas, was sie faszinieren wird. Kapitelweise werden die unterschiedlichen Fascetten des Insellebens beleuchtet, aufgelockert durch großflächige Grafiken und liebevollen Zeichnungen. Jeder beobachtung, jedem Atoll setzen die Autorinnen damit ein Denkmal und schaffen es, ohne mahnenden Zeigefinger zu beschreiben, was wir zu verlieren drohen, wenn wir nicht aufpassen.
Dabei befinden sich Piciocchi und Angeli nicht permament im Krisenmodus. Viel Zeit haben sich die beiden genommen, wenn es um die Traditionen, Flora und Faune etwa geht. Neben den Problemen wird vor allem die Schönheit und Verletzlichkeit Kiribatis in den Vordergrund gestellt. Ein Glossar der wichtigsten begriffe ergänzt dieses Werk, zudem ein Zeitstrahl um die historische Komponente. Vielleicht ist dieses Buch so, wie der Inselstaat selbst. Vielfältig, geheimnisvoll und einzigartig.
Vom Gestalterischen hat das Werk ebenso viel Wert, wie von den Informationen her, die man diesem entnehmen kann. Fortwährend kann man das lesen, ebenso umblättern, zurück schauen, innehalten, überfliegen. Zeit wird auf den Inseln Kiribatis in gewissen sinne mit anderen Maßstäben gemessen. Gleiches gilt für dieses Buch.
Kiribati – Eine Inselwelt versinkt im Meer
Kiribati – Eine Inselwelt versinkt im Meer
Kiribati – Eine Inselwelt versinkt im Meer
Kiribati – Eine Inselwelt versinkt im Meer
Kiribati – Eine Inselwelt versinkt im Meer
Kiribati – Eine Inselwelt versinkt im Meer
Alice Piciocchi: Kiribati – Eine Inselwelt versinkt im Meer, mit Illustrationen von Andrea Angeli, Sieveking Verlag.
Autorinnen:
Andrea Angeli wurde 1984 in Brescia geboren und ist ein italienischer architekt. Seit Studium absolvierte er in Mailand, bevor er über verschiedene Stationen schließlich im Verlagswesen landete. Im Zeichnen entdeckte er das Konstruieren von Geschichten.
Alice Piciocchi wurde 1985 in Mailand geboren und studierte zunächst Industriedesign, bevor sie zu Architektur und Design verschiedene Forschungsarbeiten verfasste. Schon früh entwickelte sie eine Begeisterung für Landkarten und studierte schließlich Geografie. Ihre Beiträge erscheinen regeömäßig in diversen italienischen Zeitungen und Magazinen
Timo Peters hat kein Boot, so gut wie keine Segelerfahrung und kaum Geld – aber den Traum, auf einem Segelboot den Atlantik zu überqueren: Mit leichtem Gepäck macht er sich auf die Suche nach einem Kapitän, bei dem er anheuern kann. In mehreren Etappen und auf verschiedenen Schiffen geht es über den Ozean – unterwegs erwarten ihn überraschende Herausforderungen, Grenzerfahrungen und wunderliche Begegnungen. Eine unvergessliche Reise, ein unglaubliches Abenteuer! (Klappentext)
Rezension:
Spätestens seit Stephan Orth dürfte vielen der Begriff Couchsourfing geläufig sein, doch funktioniert diese Form des Reisens auch auf hoher See? Ein Platz in einer Koje gegen eine helfende Hand an Bord? Mit nur wenig Segelerfahrung, wenn man diese überhaupt so bezeichnen mag, macht sich Timo Peters auf die Suche, dies herauszufinden. Am Ende steht ein neues Leben, ein großes Abenteuer und ein Bericht über die eigentümliche Welt der Segler.
Kennzeichnend für Reiseberichte sind vor allem ausführliche Schilderungen von Begegnungen und die Beschreibung von Landschaften. Letztere beschränken sich hier zwangsläufig fast nur auf die Hafenanlagen für Segelschiffe und die Boote selbst, stellen diese doch für Wochen die ganze Welt dar. Ansonsten ist man der Natur ausgeliefert, der Willkür von Wind, Wasser und Wetter. Anfangs noch fasziniert davon, schenkt dem der Autor nach einer gewissen Zeit kaum mehr Aufmerksamkeit als er muss.
Gerade nur so viel wird zur Kenntnis genommen, wie es für den Trip über den Atlantik von Nöten ist, um so mehr fokussiert sich Peters auf die Schilderungen der Menschen um ihn herum. Schließlich stelklen diese für Wochen seine einzigen Kontakte dar. Im Notfall ist man aufeinander angewiesen. Aus dem Weg gehen kann man sich nach dem Ablegen ohnehin nicht.
Kurzweilig schreibt Timo Peters von seiner Reise, die ihm unbekannte Sichtweisen auf eine teilweise sehr eigentümliche Welt zeigt. Was macht das mit Einem, wenn man der Natur ausgeliefert ist und Menschen, denen man nie zu vor begegnet ist? Welche Schicksale kreuzen sich in den Anlagen der Marinas? Was treibt die Glücksritter, Abenteuerlustigen, Sportsegler und Sinnsuchende an, für Wochen den schwankenden Boden unter den Füßen zu suchen?
Der Autor erzählt von den kleinen Momenten des Glücks, mehr Augenblicken des Zweifels und auch jenen, in denen man nur noch funktionieren und in Bruchteilen von Sekunden die richtigen Entscheidungen treffen muss. Zu Beginn vielleicht noch etwas blauäugig, an manchen Stellen färbt zudem die rosarote Brille im Nachhinein, findet Peters dann doch immer wieder den Ausgleich, so dass auch Konflikte und Gefahren zur Sprache kommen, auf die er reagieren musste.
Für all jene, die jetzt überlegen, eine solche Reise anzutreten, es ist kein Ratgeber, aber der Autor zeigt, was ein solcher Trip mit einem macht. Wenn man daraus etwas für sich ziehen kann, ist es gut. Für alle anderen bleibt die Erkenntnis, das große Abenteuer auch heute noch möglich sind.
Autor:
Timo Peters lebt und arbeitet als freiberuflicher Journalist für diverse Zeitungen und Magazine in Norwegen. Nebenbei betreibt er den Abenteuerblog »bruderleichtfuss.com« und das Onlinemagazin „Fjordwelten„.
August ist sieben Jahre alt, als sein Vater Torbjorn Ekelund ihn auf eine erste große Tour in die Natur mitnimmt. Mit Rucksack und Zelt wandern sie durch magische Kiefernwälder und über felsige Pfade. Ihr Ziel: ein Berggipfel südwestlich von Oslo.
Dabei folgen sie den Spuren eines kleinen Jungen, der 122 Jahre zuvor auf der Route verschwunden ist. Ekelund sucht nach einer Erklärung, was damals passiert sein könnte und beobachtet fasziniert, wie spielerisch sein Sohn sich durch die Landschaft bewegt. Ein zärtlicher Text über unsere Verbundenheit mit den Elementen und die Beziehung zwischen Vater und Sohn. (Klappentext)
Rezension:
In der Nähe von Norwegens Hauptstadt Oslo liegt die kleine, aber doch zerklüftete und immer wieder Überraschungen bereithaltende Gebirgslandschaft des Skrim. Es ist nicht die größte unter den skandinavischen Naturlandschaften, doch betritt man sie, ist man in mitten einer der letzten ursprünglichen Gegenden Nordeuropas. Vor mehr als hundert Jahren spielte sich dort eine der schlimmsten Katastrophen ab, denen Eltern ausgesetzt sein können. Der norwegische Journalist Torbjorn Ekelund begab sich nun auf Spurensuche.
Es ist der Bericht einer faszinierenden Wanderung, die Beschreibung einer Vater-Sohn-Erfahrung und ein Stück nahezu unbekannter Geschichte, die uns hier erzählt wird. Einfühlsam nimmt der Autor seine Leserschaft mit auf eine Reise, die doch nur ein paar Tage andauert, doch deren Strapazen man beim Lesen förmlich selbst in den Knochen spüren wird.
Torbjorn Ekelund lässt sowohl die zuweilen unbarmherzige Natur des Skrim vor den Augen entstehen, nimmt uns zugleich jedoch mit, wenn er die Geschichte des kleinen Hans Torske erzählt, dabei selbst immer auf seinem Sohn ein wachsames Auge hat, der ihn auf die Reise begleitet und die Welt durch Kinderaugen erleben lässt. Für diesen ist es ein Abenteuer zwischen Vater und Sohn, mitten in der Natur. Jeder Stein wird umgedreht, jeder Stock inspiziert. Für den Vater geht es auch um die Erfahrung? Was geschah mit dem Jungen, in dem Alter seines Sohnes? Warum verirrte er sich? Was macht die Natur mit den Menschen?
Es ist ein liebevoller Bericht ohne mahnende Zeigefinger, wenn es um die Schönheit des Naturerlebnisses oder das Aufwachsen von Kindern in heutiger Zeit geht, gleichzeitig natürlich ein Gedenken an ein Stück Geschichte, welche sonst auch innerhalb der Region vor den Toren Oslos verloren ginge. Diese kleinen Erfahrungs-, Reisebericht wird man gerne lesen, nicht unbedingt erforderlich zwar, aber es schadet zumindest nicht. Nur ein Wermutstropfen bleibt. Eine Karte der Wanderung oder zumindest der Landschaft hätte gut als Ergänzung gewirkt.
Autor:
Torbjorn Ekelund wurde 1971 geboren und ist ein norwegischer Journalist und Autor. Er schreibt u. a. für die norwegische Zeitung Dagbladet und ist Mitherausgeber eines kleinen unabhängigen Buchverlags. Er begründete ein Onlinemagazin mit und veröffentlichte mehrere Bücher, die bereits in mehreren Sprachen erschienen sind.
Das Interview mit Stephan Orth über seine Reise durch das Land der Scheichs und seinem Bericht „Couchsurfing in Saudi-Arabien“
Kurz vor Beginn der Pandemie öffnet eines der bisher verschlossensten Länder der Erde die Tore für Privatreisende. Stephan Orth beginnt sofort zu planen und zu organisieren, packt schließlich seinen Rucksack. Sightseeing interessiert ihn wenig, die Menschen um so mehr. In seinem Reisebericht „Couchsurfing in Saudi-Arabien – Meine Reise durch ein Land zwischen Mittelalter und Zukunft“ berichtet er von seinem ereignisreichen Trip. Ihn eröffnet sich ein Land voller Widersprüche. Ich (NH) konnte mit ihm (SO) darüber sprechen.
Stephan Orth im Gespräch mit Einheimischen. Tee und Kaffee werden meist aufeinander folgend gereicht. (Foto: Christoph Jorda)
Was ist und wie funktioniert Couchsurfing? Hier klicken:
Couchsurfing.com ist ein internetbassierendes Netzwerk, deren Mitglieder dieses nutzen, um eine kostenfreie Unterkunft zu finden, selbst eine Unterkunft anzubieten oder ähnliches, wie z. B. Stadtführungen anzubieten. Dies funktioniert über das Anlegen und Bewerten von Nutzerprofilen, sowie Absprachen zwischen den Beteiligten. Die Plattform hat nach eigenen Angaben mehr als zwölf Millionen Mitglieder weltweit. (Wikipedia)
[Einklappen]
NH:
Wenn man solche Länder bereisen möchte, wie viel Vorbereitung ist notwendig oder überhaupt möglich?
SO:
Das ist ein ganz wesentlicher Teil einer solchen Reise. Ich verbringe Monate damit, mich mit dem Thema zu beschäftigen, alles zu lesen, was ich in die Finger bekomme. Bücher, Magazin- und Zeitungsartikel. Ein wesentlicher Teil ist auch, dass ich mir die Couchsurfing-Profile von hunderten von Leuten anschaue, eine Vorauswahl treffe.
Wer könnte irgendwie interessant sein, wer hat vielleicht ein ungewöhnliches Hobby, präsentiert sich online in einer etwas verrückten Art, dass ich Menschen finde, bei denen ich das Gefühl habe, da gibt es eine Geschichte zu erzählen. Das ist nachher in den Büchern das ganz Wesentliche.
Es geht ja um die Menschen in dem Land. Das heißt diese Art von Casting ist sehr wichtig, auch wenn es manchmal sehr anstrengend ist, wenn man hunderte von Profilen durchgeht.
Couchsurfing auf (f)liegenden Teppichen? (Foto: Christoph Jorda)
NH:
Für Hotels gibt es Hotelbewertungen, beim Couchsurfing die Bewertungen ehemaliger Gäste. Privatreisen sind aber in Saudi-Arabien noch nicht lange möglich gewesen. Wie gestaltet sich das da? Wie aussagekräftig sind solche Profile?
SO:
Tatsächlich gibt es wenige Profile von Menschen, die schon sehr viele Bewertungen haben, was normalerweise eine gute Orientierungshilfe ist. Die meisten sind seit maximal zwei Jahren Mitglied. In vielen Großstädten gibt es nur ein paar aktive User.
Es ist definitiv schwieriger, dort Gastgeber zu finden als in anderen Ländern, in denen das schon seit zehn oder fünfzehn Jahren verbreitet ist. Tourismus ist dort noch ganz neu, gerade Individualtourismus mit Rucksack. Dementsprechend war ich oft auch der allererste Gast.
Stephan Orth, Rucksacktourist und Couchsurfer, sucht immer den direkten Kontakt zu den Einheimischen. (Foto: Christoph Jorda)
NH;
Die touristischen Infrastrukturen dort sind gerade im Aufbau. Hatten Sie eine Art Back-up im Hintergrund, „Sicherheitsmechanismus“ für ihre Reise, jemanden, der die Zeit über Ihre Kontaktdaten hatte?
SO:
Ich schaue immer, dass ich weiß, wie ich das Konsulat erreiche und dass zu Hause ein, zwei Leute informiert sind, wo ich mich befinde. Das ist es dann aber in der Praxis auch schon. Bei Saudi-Arabien waren die Risiken vorab schwer einzuschätzen, da es so wenig Reiseberichte gibt und da ich auch keine Reisen vorher in dieses Land gemacht hatte.
In meinen anderen drei „Buch-Ländern“ war ich vorher schon einmal gewesen, konnte mir schon einmal einen Eindruck machen. Das war jetzt alles so neu, dass es dann auch die erste Reise war.
Vier Länder haben Sie auf diese Art und Weise bereist und Bücher darüber geschrieben. Haben Sie vorher schon Couchsurfing-Erfahrungen gesammelt?
SO:
Ich nutze das schon seit inzwischen achtzehn Jahren, vorher mit dem Vorgänger Hospitality-Club. Das war eine Seite, die von zwei deutschen Brüdern gegründet wurde, die eine Zeit lang sehr erfolgreich war, aber dann abgelöst wurde durch Couchsurfing, da die einfach mehr in die Seite gesteckt und das schöner und „lifestyliger“ aufgemacht hatten.
Auf jeder meiner eigenen Reisen habe ich es genutzt. Ich hatte auch viele Gäste bei mir zu Hause. Deswegen war es ganz natürlich für mich, darüber zu schreiben. Im Iran war es die beste Art, an die Geschichten der Einheimischen heranzukommen, um über diesen extremen Unterschied zwischen privatem und öffentlichem Leben erzählen zu können.
NH:
Gab es einen Moment in Saudi-Arabien, in dem Sie vielleicht dachten: „Ist das richtig hier zu reisen? War das jetzt ein Fehler?“
SO:
Diesen Moment gab es nicht, da mir von Anfang an klar war als Journalist, von Beginn September an, als es zum ersten Mal diese Möglichkeit gab, das Land zu bereisen, es wäre gut, das schnell zu tun, der Erste zu sein, der darüber schreibt. Deshalb hatte ich während der Reise an sich nie Zweifel an dem Projekt und Thema.
Es ist dann eher im Mikrobereich so, dass ich ständig bewerte. Wie läuft es gerade, was bekomme ich zusammen, was erlebe ich? Was erfahre ich über das Land von den Leuten? Natürlich gibt es immer wieder zwei drei Tage, an denen ich denke, jetzt ist nicht so viel passiert, dass ich jetzt nochmals umdenken muss?
NH:
Auf der Reise gab es immer wieder Momente des Grübelns. Sie beschreiben, dass Führung und Politik des Landes, wenn überhaupt, nur unterschwellig kritisiert werden, zwischen den Zeilen. Hatten Sie den Eindruck, dass die Menschen eher viel oder dann doch sehr wenig preisgaben?
SO:
Das kommt sehr auf das Thema an. Bei allen Smalltalk- oder einfacheren Themen, war es kein Problem, zu sprechen aber sehr häufig habe ich die Erfahrung gemacht, sobald es in Richtung Politik geht, sobald die kleinste Gefahr besteht, sich irgendwie kritisch über die Regierung zu äußern, da blocken die Menschen ab.
Sie wechseln das Gesprächsthema, wollen nichts sagen, da sie ganz genau wissen, wie brutal das Regime gegen Kritiker durchgreift. Diese Angst spürt man sehr häufig. Man hat in Saudi-Arabien als Reisender oft das Gefühl, nur an der Oberfläche zu kratzen, da man doch merkt, dass Einem vieles im besten Licht präsentiert werden soll.
Wenn man z. B. Kritikpunkte, gerade an diese besonders konservative Form des Islams anbringt, haben die Menschen gleich sehr feingeschliffene Antworten parat, Sie wissen genau, was es für Streitpunkte gibt. Sie sind sehr gut darin, Dinge auch positiv darzustellen. Man hat auf solch einer Reise oft das Gefühl, man bleibt stark an der Oberfläche und kommt nicht so ganz dahinter, erfährt nicht wirklich, was in den Leuten vorgeht. Das blitzt in einigen Momenten auf.
Auf Wüstentour im Wüstenstaat. Das Buch von Stephan Orth enthält Kamele. (Foto: Christoph Jorda)
NH:
Es ist ja schon beeindruckend zu lesen, wie einfach das Beantragen der Visa gewesen ist. Nach den letzten Büchern hätte mich nicht die Frage überrascht, ob Sie darüber dann auch eines schreiben.
SO:
Im Falle von China war es auch so, als ich im Konsulat gewesen bin, dass ich gefragt wurde, ob ich ein Buch darüber schreiben werde, was ich dann eiskalt verneint habe.
Bei Saudi-Arabien war es anscheinend ohnehin eine automatische Erstellung dieses Visums. Das kam fünf Minuten, nachdem ich es abgeschickt hatte, per PDF an mich, mit neunzig Tagen Reisedauer, beliebig vieler Einreisen. Ein sehr gutes Visum. Das war verblüffend. Ich glaube, Saudi-Arabien hat anders als China, Russland und auch Iran noch wenig Erfahrungen mit ausländischen Journalisten. Es gab nie viele Korrespondenten, die dort fest stationiert waren. Vielleicht hat man dort noch nicht den Umgang damit entwickelt?
NH:
Gleichzeitig ist das ein Garant für teilweise kuriose Begegnungen. Welche sind Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben? Haben Sie noch Kontakt zu einigen Menschen dort?
SO:
Ja, teilweise schon. Es sind drei, vier Leute, mit denen ich noch regelmäßig Kontakt habe. Man fragt sich gegenseitig, wie es z. B. gerade mit Corona läuft? Wie ist die Situation gerade? Wie kommt man jeweils so zurecht in dem anderen Land?
Ein Erlebnis, das besonders hängen geblieben sind, war eine Wüstentour mit Einheimischen, mit Geländewagen. Abends wurde gezeltet. Diese Stimmung in der Wüste, diese Einsamkeit, der Sternenhimmel, die tollen Felsformationen, das war für mich als Reiseerlebnis das Highlight. Bei einem anderen Gastgeber in Nadschran, an der Grenze zu Jemen, habe ich eine besondere freundschaftliche Verbindung gespürt.
Er hat mir so viel von seiner Region gezeigt, den ganzen Freundeskreis vorgestellt. In einer Region, in der sonst kaum jemand reist, da es dort nicht sicher ist. Es war wahnsinnig spannend, einen solch authentischen Einblick in einen bislang völlig untouristischen Ort zu bekommen.
Beeindruckende Landschaften prägen das Bild des Wüstenstaates Saudi-Arabien. (Quelle: Christoph Jorda)
NH:
Sie beschreiben, wie Bombeneinschläge zu hören sind, wie nah der Konflikt dort ist. Wie sehr beeinflusst dies das Leben der Menschen hinter derern Fassade, die diese vielleicht versuchen aufrecht zu erhalten?
SO: Ich habe eine sehr starke Routine erlebt, da der Konflikt schon einige Jahre andauert. Zumindest ist es ein paar Monate her, dass es zu Zerstörungen in Nadschran kam. Irgendwie lebt man dort mit einem gewissen Fatalismus, aber auch Stolz.
Viele sagen: „Wir gehören zum Jam-Stamm und es ist eine Schande, aus Angst vor irgendwelchen Problemen zu gehen. Deswegen bleiben wir hier.“ Eine Mischung aus Stolz, dass man dort ausharrt und einer sehr starken Routine. Man weiß, dass von den Detonationen auf der anderen Seite, dass es nicht gefährlich ist, auf dieser, dass nichts herüberkommt und gewöhnt sich daran. Selbst ich habe mich nach drei Tagen daran gewöhnt.
Die Einschläge kamen so regelmäßig und es passierte nichts, sodass sie mich mit der Zeit gar nicht mehr aus der Bahn geworfen haben.
NH:
Die Härte des Landes, des Regimes ist ja das Eine. Haben Sie für sich Vorurteile, die es vielleicht gab, widerlegen können? Welche waren das und wie sah es am Ende aus?
SO:
Vielleicht hat man das Vorurteil, dass Saudi-Arabien im Alltag ein sehr abweisender Ort ist. Weil man – durchaus zurecht – so viel Negatives über gesellschaftliche Missstände oder Menschenrechtsverletzungen hört. Doch im Alltag, im Umgang mit den Menschen ist es ein ganz extrem gastfreundliches Land. Ich wurde ständig zu Kaffee, Tee und Datteln eingeladen.
Natürlich ist der Tourismus dort jetzt ein sehr neues Phänomen. Das möchte man jetzt auch. Man weiß auch, dass das ein Wirtschaftszweig der Zukunft ist.
NH:
Sie hatten zahlreiche Kontakte zu einheimischen Männern. Vergleichsweise rar war der Kontakt zu Frauen. Hätten Sie die Reise anders erlebt, wenn Sie als Frau unterwegs gewesen wären?
SO:
Ich glaube tatsächlich, es wäre eine komplett andere Reise gewesen und mindestens genauso interessant, da man dann natürlich in die Welt der Frauen viel stärker hineinkommt. Eine europäische Frau würde in allen Familien direkt in die „Frauen-Abteilung“ geschickt werden und könnte wahnsinnig viel erfahren, wie es dort zugeht und mit den Frauen viel mehr sprechen.
Sie kann aber gleichzeitig auch in der Männerwelt präsent sein. Man gilt dann ein wenig als „Außerirdische“. Da man nicht aus der gleichen Kultur kommt, darf man durchaus auch bei den Männer-Runden sitzen. Es wäre sicher hochinteressant, ein ähnliches Buch aus der Frauen-Perspektive zu lesen.
Kleine, vorsichtige Schritte der Änderungen prägen das Land seit Kurzem. Vor allem für die Frauen. Doch, noch immer ist Saudi-Arabien ein sehr konservativer und restriktiver Staat. (Quelle: Christoph Jorda)
NH:
Die Reise ging später anders zu Ende als gedacht, wegen Corona. Es wurde zum Schluss sehr hektisch.
SO:
Ich hatte dann den letzten möglichen Flug nach Europa gebucht. Der ging um 9:50 Uhr, um 11:00 Uhr hat der Flughafen in Riad zugemacht. Die Grenzen waren sowieso dicht. In dem Moment musste ich raus. Das war zwei Wochen früher als geplant.
Ich habe es natürlich realisiert, dass das die richtige Entscheidung war, da man in der Corona-Krise nicht mehr weiter reisen bzw. zu Gastgebern gehen konnte.
NH:
Die haben reihenweise abgesagt.
SO:
Das merkte ich schon, als die erste Absage kam. Natürlich weiß man in dem Moment, das war im März, noch nicht, dass der Flughafen für Monate gesperrt werden würde. Die erste Ansage war, wir sperren den Flughafen jetzt für zwei Wochen. Ich wusste in dem Moment schon genug über Corona, durch u. a. Drosten-Podcasts, dass es nicht dabei bleibt, aber natürlich nicht, dass es Monate dauert. Wie lange im Endeffekt Grenzen zu sind, war da noch nicht vorstellbar.
Mir war jedenfalls klar, es ist jetzt schlauer, den letzten Flug zu nehmen.
NH:
Beim Lesen hat man den Eindruck, zumindest davor haben die Menschen die vorsichtig Öffnung des Landes positiv bewertet. Ist das so?
SO:
Gerade junge Leute sind sehr froh darüber, besonders Menschen aus dem Mittelstand, die vielleicht selbst schon gereist sind, z. B. in Europa waren. Viele fuhren bisher nach Dubai, Abu Dhabi oder Bahrain, um Spaß zu haben, zu feiern, Konzerte und Events zu erleben.
Es war im eigenen Land einfach nicht möglich. Sie freuen sich sehr, dass jetzt auch einiges in Riad, Dschidda und Dammam passiert.
Privat zeigen sich die Menschen sehr offen und gastfreundlich. Kritik und Ängste gibt es nur zwischen den Zeilen zu hören. (Foto: Christoph Jorda)
NH: Sie beschreiben ein Konzert in der Wüste, eine Weihnachtsfeier, die nicht so heißen darf. Wie beständig ist so etwas? Wird es weitere Lockerungen geben? Oder können diese schnell wieder rückgängig gemacht werden?
SO:
Klar ist erst einmal, dass durch Corona die Öffnung unterbrochen wurde und vieles erst einmal zurückgedreht ist. Momentan werden keine Touristen-Visa ausgestellt, Groß-Events wie Konzerte oder Sportveranstaltungen mit Publikum finden nicht statt. Das ist jetzt erst einmal auf „Stand-by“ gesetzt. Aber ich glaube schon, dass nach der Corona-Krise diese Entwicklung weitergehen wird.
Das Königshaus versucht aber auch ganz klar zu zeigen, dass es wenig bringt für den Wandel, wenn die Menschen für Proteste auf die Straße gehen. Die Bürger sollen verstehen: Es bringt euch nur ins Gefängnis, wenn ihr mit Protesten etwas erreichen wollt.
Man hört von weiteren Reformen, dass z. B. Peitschenhiebe als Strafe abgeschafft wurden oder dass die Todesstrafe nicht mehr für diejenigen verhängt werden soll, die bei der Tat unter 18 Jahre alt waren.
Man muss aber ganz klar sehen, wo die Grenzen liegen, dass es nie Entwicklungen hin zu mehr Zivilgesellschaft, zu mehr Demokratie, mehr Mitbestimmung, mehr Pressefreiheit sind. Alles, was die Macht des Königshauses angreifen könnte, da gibt es keine Reform.
NH:
Man bekommt den Eindruck, dass immer nur so viel Veränderung geschieht, dass sich die Führung des Landes auch gegenüber den jungen Menschen Saudi-Arabiens rechtfertigen kann. Saudi-Arabien ist ein sehr junges Land.
SO:
Das ist es auch. Rein demographisch sind ca. 60 % der Menschen unter 30 Jahre alt. Es ist ein sehr junges Land mit sehr kinderreichen Familien. Auch in dieser Generation. Von daher ist auch ein Druck auf das Königshaus vorhanden, auch für die jungen Menschen etwas zu ändern, dass man für sie das Leben ein wenig vereinfacht.
Die Grundidee von der „Vision 2030“ ist, die Kronprinz Mohammed bin Salman ausgegeben hat, dass man von den Öl-Einnahmen als einzigem, wesentlichen Wirtschaftsfaktor wegkommen muss.
Es geht damit nicht jahrzehntelang so weiter und da soll dann der Tourismus eine wesentliche Rolle spielen. Damit weiß man aber auch, dass man in diesem Falle nicht mehr so viel stärker konservativer sein kann als andere Länder, wenn man in der Weltwirtschaft eine Rolle spielen möchte.
Allgegenwärtig ist der Kontrast zwischen Tradition und Moderne. Immer unter den wachsamen Augen der Herrschenden. (Foto: Christoph Jorda)
NH:
Wenn Tourismus wieder möglich sein wird, kann man also dorthin reisen? Welches Fazit ziehen Sie?
SO:
Ich glaube, es kommt eher auf die Art des Reisens an. Ich finde es nicht richtig, einen 5-Sterne-Urlaub, um einmal richtig die Seele baumeln zu lassen, eine gute Zeit zu haben, in ein Land zu machen, wo man mit der Regierung nicht einverstanden ist oder nicht sein kann.
Aber eine Reise, die einfach zu den Menschen führt, in der es um Kommunikation und Kennenlernen geht, finde ich in jedem Land in Ordnung, da man damit nicht so viel Geld im Land lässt, wie der Luxus-Tourist und damit eine Regierung unterstützt.
Es ist ein moralisches Problem. Ich finde, es ist auch nicht richtig, in Dubai in Saus und Braus zu leben.
NH:
Wenn Reisen wieder möglich werden,wohin planen Sie Ihren nächsten Trip? Wohin führt uns Ihr nächstes Buch?
SO:
Ich habe eine lange Liste von Ländern, die infrage kommen. Es gibt viele davon, die gut in diese Reihe passen würden, die auch oft negativ in den Nachrichten vorkommen, die in Sachen Menschenrechte problematisch sind.
Da gibt es durchaus einige Kandidaten, die ich sehr gerne einmal aus der Alltagsperspektive heraus bereisen würde. Es steht noch nicht fest, welches das nächste Ziel sein wird. Man kann im Moment wahnsinnig schwer planen, von daher werde ich das vermutlich erst am Ende des Jahres entscheiden.
NH:
Dann bleiben wir gespannt. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
SO:
Vielen Dank ebenso.
Wer jetzt Lust zum Lesen bekommen hat, hier geht’s zur Rezension von Stephan Orths „Couchsurfing in Saudi-Arabien“.
Das Interview wurde über Zoom geführt. Den Inhalt verlinkter fremder Seiten, auf die hingewiesen wird, macht sich der Blog-Autor nicht zu eigen. Eine Haftung dafür wird nicht übernommen. Bildmaterial wurde freundlicherweise dem Blog-Inhaber seitens der literarischen Agentur Politicky & Partner zur Verfügung gestellt. Dieses darf nicht weiter verbreitet oder verändert werden und ist Eigentum der Rechteinhaber. Das Interview darf nur mit Genehmigung des Blog-Autoren, beteiligten Interview-Partnern, Verlags- und Agenturverantwortlichen weiterverbreitet, nicht verändert werden. Der Blog-Autor dankt allen Beteiligten für das Zustandekommen des Beitrags.
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Es ist offiziell verboten. Trotzdem reist Stephan Orth als Couchsurfer kreuz und quer durch den Iran, schläft auf Dutzenden von Perserteppichen, erlebt irrwitzige Abenteuer – und lernt dabei ein Land kennen, das so gar nicht zum Bild des Schurkenstaates passt. Denn die Iraner sind nicht nur Weltmeister in Sachen Gastfreundschaft, sondern auch darin, den Mullahs ein Schnippchen zu schlagen. (Klappentext)
Bücher der Reihe:
Stephan Orth: Couchsurfing 1 – Couchsurfing im Iran
In der westlichen Welt weiß man kaum mehr über den Iran als das, was die Hauptnachrichten berichten. Der Streit um die Nutzung von Kernenergie, das theokratisch-strenge Regime der Mullahs, Menschenrechtsverletzungen und das verbissene Durchsetzen streng religiös-bergündeter Vorschriften. Andere Themen kommen kaum bis gar nicht zur Sprache. Und so hat sich Stephan Orth aufgemacht in ein Land voller unbekannter Faktoren und muss gleich bei der ankunft am Flughafen erste Vorurteile revidieren. Er lässt sich auf die Menschen des Landes ein, fernab der Politik, die doch immer wieder in das Leben der Bevölkerung eingreift. Hinterverschlossenen Türen aber können die Iraner sie selbst sein. Und das ganz anders als es auf den ersten Blick scheint.
Mit „Couchsurfing im Iran“ hat der Autor hier keinen politischen Lagebericht geschrieben, sondern eine vielschichtige Sammlung der Eindrücke der Menschen in diesem Land. Stephan Orth zeigt auf, was selbst in einem Land möglich ist, welches von einer brutalen menschenverachtenden Diktatur beherrscht wird und wie die Bevölkerung sich wehrt. Momentan noch passiv im Privaten, doch Orth zeigt auf, dass die Vorstellungen der Iraner irgendwann dafür sorgen können, dass sich die Situation zu ihren Gunsten ändert. Der Anfang ist bereits gemacht, in winzigen Schritten.
Stephan Orth beschreibt das Leben der Menschen dort, ihren Alltag, ihre Vorstellungen und Ideen, Gedanken und die kleinen Rebellionen des Alltags, wenn sich eine Gruppe junger Iraner ewa zu Fesselspielen trifft oder Polizisten bestochen werden, damit keine Razzia der Sittenwächter wärend einer Hochzeitsfeier stattfindet, wenn Studenten von Amerika träumen oder das Kopftuch wie zufällig ein Stück verrutscht.
Es ist hier ein wunderbar positives Buch, was für ein unscheinbares düsteres Land Interesse wecken vermag. Fernab der nüchternen politischen Berichte. Der Iran ist ein relativ junges Land, die Mehrheit der Bevölkerung ist unter 40 Jahre alt und wartet nur auf eine sichere Chance aus den Zwängen und Vorgaben auszubrechen und ihr Leben und Land zu verändern. Orth zeigt, dass die Veränderung in den Köpfen bei vielen schon längst begonnen hat. Im gesamten Iran. Ein Buch über Vorurteile, die in sich zusammenfallen, ein Buch über Kontraste und vor allem über die Menschen, ihr Leben und ihre Träume.
Autor:
Stephan Orth wurde 1979 geboren und arbeitet als Redakteur im Reiseressort bei Spiegel Online. Seit 2003 ist er bereits als Couchsurfer unterwegs, hatte Besucher aus aller Welt und traf Gastgeber in mehr als dreißig Ländern. Orth ist Autor mehrerer Bücher und Reisereportagen, die mehrfach mit dem Columbus-Preis ausgezeichnet wurden.
Das erste Russland-Buch ohne Bären und Balalaikas! Was ist Propaganda, was ist echt? Über keinen Teil der Erde ist die Informationslage verwirrender als über Russland. da hilft nur: hinfahren und sich sein eigenes Bild machen. Zehn Wochen lang sucht Bestsellerautor Stephan Orth zwischen Moskau und Wladiwostok nach kleinen und großen Wahrheiten. Und entdeckt auf seiner Reise von Couch zu Couch ein Land, in dem sich hinter einer schroffen Fassade unendliche Herzlichkeit verbirgt. (Klappentext)
So riesig das Land, so stark seine Gegensätze. Stephan Orth macht sich auf, um fernab der Politik die russische Seele zu suchen, und den Vielvölkerstaat zu erkunden. Beginnend am „Arschloch der Welt“ quartiert er sich in Tschetschenien ein, erlebt den schwierigen Alltag der Menschen auf der Krim, bei Studenten in St. Petersburg und blickt nach Japan in Wladiwostok. Wie auch schon in seinem erfolgreichen Reisetagebuch über das „Couchsurfing im Iran“ macht sich der Spiegel-Online Reporter auf, um Vorurteile vor allem für sich selbst zu widerlegen. Entstanden ist dabei ein eindrucksvolles Portrait von den Menschen des Landes.
Russische Politik und Propaganda a la RT sind das eine, die russische Bevölkerung ist das andere. Vor allem tief gespalten in ihrer Meinung zur Staatsführung. Je nach wirtschaftlicher Lage mal fern, mal näher zum Kreml. Ein Land zwischen Energie-Krise am Weltmarkt und Sanktionen aufgrund der Krim-Krise, versucht sich selbst zu finden. Stephan Orth beschreibt diesen Prozess aus nächster Nähe, reist mal hier und mal dort hin, revidiert viele seiner Vorurteile, sieht die Probleme des Landes, aber auch Menschen, die ins Gelingen verliebt sind. Mal mit, mal ohne Wodka. Aber immer mit dem Willen zum Leben. Denn, Moskau ist oft genug sehr fern. Korruption und Erfindungsreichtum dagegen nah.
Ein amüsanter Reisebericht der ganz anderen Art. Unterteilt in kurzweilige Kapitel, beschreibt der Autor seine Art zu Reisen, ihre Unwägbarkeiten und erstaunlichen Wendungen, vor allem aber die Geschichte der Menschen, die er trifft. So, dass man fast selbst geneigt ist, es ihm nachzutun. Stephan Orth erzählt, wie es ist, seine Vorurteile und bedenken über Bord zu werfen, manchmal alle Pläne kurzerhand umzuschmeißen und zu ändern und findet sie, die russische Seele, schon auf den ersten Stationen der Reise.
Und dringt immer tiefer in sie ein. Fernab der Politik zeichnet Orth auch hier wieder ein überaus positives Bild der Menschen und ihrer Trennlinie zu den Machthabern im Kreml. Die negativen Punkte a la Beeinflussung der Bevölkerung in allen Lebenslagen werden nicht ausgespart, Putin-Gegnern und Befürwortern auf den Zahn gefühlt. Privat entdeckt der Autor ein ganz anderes Russland als das, welches immer über die westlichen Nachrichtenbildschirme flimmert. Alleine dafür ist „Couchsurfing in Russland“ schon lesenswert. Und vielleicht findet ja auch der Leser die vielgerühmte russische Seele.
Autor:
Stephan Orth wurde 1979 geboren und arbeitete als Redakteur im Reiseressort bei Spiegel Online. Als Couchsurfer unterwegs, hatte er Besucher aus aller Welt und traf Gastgeber in mehr als dreißig Ländern. Orth ist Autor mehrerer Bücher und Reisereportagen, die mehrfach mit dem Columbus-Preis ausgezeichnet wurden. Für sein letztes Werk wurde er mit dem ITB-Buchaward ausgezeichnet. Er lebt und arbeitet in Hamburg.
Er reist mit Vorliebe durch Länder mit einem schlechten Ruf: Drei Monate lang erkundet Bestsellerautor Stephan Orth China, um herauszufinden, wie die neue Weltmacht tickt. Er besucht Metropolen, die mit totaler Überwachung experimentieren, und abgeschiedene Dörfer, in denen fürs Willkommensessen der Hund geschlachtet wird. Auf seiner Reise von Couch zu Couch versucht er sich als Wettkampf-Korbflechter, tanzender Englischlehrer und Casino-Glücksritter – und lernt, welche Träume und Ängste die Menschen bewegen. (Klappentext)
In Zeiten, in denen die Menschen immer mehr zusammenwachsen, Grenzen aufgrund der wirtschaftlichen Globalisierung aufweichen und alte Industrienationen zunehmend ins Hintertreffen geraten, kristallisiert sich im fernen Osten eine neue Weltmacht heraus. Das Reich der Mitte, einst billige Werkbank und berüchtigt für Raukopien und Ideenklau, zudem mit Klischees belegt, gibt in Politik und Wirtschaft immer öfter den Ton an und ist in einigen technologischen Bereichen schon heute führend. Der Rest der Welt reibt sich verwundert die Augen, doch wie erleben die Menschen dort den Wandel, der einem kaum Schritt halten lässt? Stephan Orth begab sich auf die Suche nach Antworten und kehrte mit Erkenntnissen und vielen Fragen zurück.
So weit zur Thematik, erzählt der Journalist und Autor in gewohnter Manier von seiner liebsten Form des Reisens. Couchsurfing. Man stelle sein Sofa oder eine andere Schlafmöglichkeit Menschen aus aller Welt zur Verfügung und bekommt im Gegenzug selbige ebenfalls in aller Welt. So erkundete Stephan Orth bereits den Iran und Russland, bekam dabei Perspektiven eröffnet, die normalen Touristen verschlossen bleiben. Wie lebt sich der Alltag abseits der großen und kleinen Plätze, für besucher hergerichtete Sehenswürdigkeiten und wie nehmen vor allem die Einheimischen ihr Land wahr? Ganz Journalist begab sich Orth nun nach China und reiste kreuz und quer durch ein Land voller Kontraste, die größer nirgendwo sonst ausfallen.
„Das wäre wirklich nicht nötig gewesen“, sage ich dann. Nie habe ich diesen Satz so ernst gemeint.
Stephan Orth: Couchsurfing in China
Stephan Orth zu einem seiner Gastgeber, nach der Erwähnung eines besonderen Mahls ihm zu Ehren.
In kurzweiligen Kapiteln, die jeweils nach Reiseetappen und Orten gegliedert sind, schildert er die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten und die Begegnungen mit Menschen, die so unterschiedlich wie vielfältig sind. Die chinesische Polizistin etwa, die die Vorteile einer überwachten Nation sieht, es jedoch mit den Regeln der politischen Indoktrination nicht so genau nimmt, die Künstlerin, die tagtäglich förmlich gezwungen ist, die Grenzen der freiheit bis zur Zensur auszutesten oder Kapitalismus im Kommunismus. Kasinos funktionieren auch im Reich der Mitte.
Mit genauen Blick schildert er Situationen, die man hierzulande nur als Kultrschock bezeichnen kann, aber auch den technologischen Fortschritt, der dort innerhalb weniger Monate Anlauf nimmt, in unsererheimat jedoch schon in der Planungsphase stecken bleibt. Das hat alles Vor- und Nachteile, Kritik bleibt nicht aus, jedoch überwiegt das Staunen, welches Orth immer wieder antreibt, um so den Menschen auf dem Zahn zu fühlen, eine Momentaufnahme dieses Landes zu erhaschen. Das ist nicht vollkommen, ein sehr subjektiver Einblick wird hier gezeigt. Gut möglich, dass ein jeder Andere diese Eindrücke anders werten kann. Das Land ist einfach zu groß, die Gesellschaft zu schnelllebig. Was heute aktuell ist, ist morgen veraltet. Hochspannend ist es allemal.
Stephan Ort ist ins Gelingen verliebt und zeigt die Unterschiede zwischen politischen System und einem Querschnitt der Gesellschaft. Die böse Weltmacht aus den Nachrichten gibt es eben nicht nur, sondern auch Menschen unterschiedlichster Couleur, die ihren Teil dazu beitragen und ansonsten ihren Alltag bewältigen. Selbstbewusst, unsicher, arm oder reich, Anhänger des Systems, Mitläufer oder Andersdenkende. Das Reich der Mitte, so die erkenntnis, ist wandelbar und vielfältig, trotz versuchter Gleichschaltung und allgegenwertiger Kontrolle. Wer aufmerksam liest, bekommt zudem mit, wem genau das Buch gewidmet ist. Alleine dies ist für Europäer schon aufregend genug und muss der Leser selbst herausfinden. Viel Glück.
Autor:
Stephan Orth wurde 1979 geboren und arbeitete als Redakteur im Reiseressort bei Spiegel Online. Als Couchsurfer unterwegs, hatte er Besucher aus aller Welt und traf Gastgeber in mehr als dreißig Ländern. Orth ist Autor mehrerer Bücher und Reisereportagen, die mehrfach mit dem Columbus-Preis ausgezeichnet wurden. Für sein letztes Werk wurde er mit dem ITB-Buchaward ausgezeichnet. Er lebt und arbeitet in Hamburg.
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