Leben

Peter Balko: Zusammen sind wir unbesiegbar

Zusammen sind wir unbesiegbar Book Cover
Zusammen sind wir unbesiegbar Peter Balko Hanser/Zsolnay Verlag Erschienen am: 17.02.2020 Seiten: 157 ISBN: 978-3-552-05974-0 Übersetzerin: Zorka Ciklaminy

Inhalt:

Nichts kann sie auseinander-bringen, davon sind Leviathan und Kapia überzeugt. Bis eines Tages die Ereignisse rund um einen harmlosen Kuss ihre Freundschaft doch gefährden… Peter Balko erzählt unterhaltsam und sehr warmherzig die Geschichte von Tom Sawyer und Huckleberry Finn an der ungarisch-slowakischen Grenze. (Klappentext)

Rezension:

Eine Geschichte wie ein Knall und eine Erzählung, die ihre Leser fordert. So kommt Peter Balkos Kurzroman, gleichsam Novelle, „Zusammen sind wir unbesiegbar“ daher, die kürzlich aus dem Slowakischen übersetzt wird.

Das Autorendebüt nimmt sich den Zusammenhalt, oder auch nicht, einer Kinderfreundschaft vor, die zumindest auf den ersten Blick ungewöhnlicher nicht sein könnte. Gegensätze ziehen sich ja bekanntlich an und gleichen sich zuweilen aus.

Eine Kleinstadt an der slowakischen ungarischen Grenze, lebendig durch die Beschreibung ihrer schrulligen Protagonisten, erlebt durch die zwei Hauptfiguren, die dies zu ihrem Kindheitsparadies machen. Erzähler ist der etwa achtjährige Leviathan, Anspielungen an die mysthische Figur aus antiker Zeit sind durchaus gewollt, der ungelenk und schüchtern seinen Platz in der Familie, der Klasse und seiner Umgebung sucht.

Sein Blick ist es, an dem die Leser sich heften und die Geschichte verfolgen werden, auch auf den gegensätzlichen Freund Kapia schauen, der grob, brutal, doch voller Phantasie und loyal gegenüber Leviathan ist. Beide schließen ob der Ereignisse um ihnen herum eine scheinbar unüberbrückbare Freundschaft.

Erzählt wird vom rauen und nicht einfachen Leben in einer Kleinstadt, in der jeder jeden kennt und die einzelnen Marotten ihrer Bewohner den Verlauf der Geschichte bestimmt. Schule, Kinderstreiche und -ängste bestimmen den Alltag, bei genauerer Sicht auch das Schicksal zerüttelter Familien und die Nachwirkungen der Zeit.

Die heilt, zumindest hier, nicht alle Wunden. Die erste Liebe wird ebenso thematisiert, wie der Tod, dies alles mit einem humorigen Blick, den der Autor behutsam einfließen lässt. Wie käme man sonst dazu, ein Meerschwein Ivan den Schrecklichen zu nennen?

Die Mischung wird nicht jedem liegen. Über Strecken ergeben sich Längen, die die Erzählung nicht schnell konsumieren lassen. Doch insgesamt funktioniert die Vielfalt gut, wenn Peter Balko auch gut daran getan hätte, hier und da zu kürzen, zu verdichten, an anderer Stelle widerum mehrere Seiten hinzuzufügen.

Das Ende der Geschichte geben Klappentext und die Namen der Protagonisten vor. Der Knall könnte kaum größer sein. Der Autor scheint überhaupt eine Vorliebe für scharfe Brüche zu haben. Hier passt es mal.

Wer schwierige flirrende Novellen nicht scheut, ist mit dieser Geschichte gut bedient. Für alle anderen braucht’s schon eine besondere Stimmung, sich diese Erzählung zu Gemüte zu führen, zumal der Autor sich nicht ganz einfacher Elemente seiner Biografie bedient. Als wäre alles andere nicht schon Stoff genug.

Autor:

Peter Balko wurde 1988 in Lucenec geboren und ist ein slowakischer Schriftsteller und Drehbuchautor. „Zusammen sind wir unbesiegbar“, ist sein Autorendebüt, für das er bereits zahlreiche Preise erworben hat. Sein Werk wurde 2020 erstmalig ins Deutsche übersetz

Peter Balko: Zusammen sind wir unbesiegbar Weiterlesen »

Jasmin Schreiber: Marianengraben

Marianengraben Book Cover
Marianengraben Jasmin Schreiber eichborn Verlag Erschienen am: 28.02.2020 Seiten: 254 ISBN: 978-3-8479-0042-9

Inhalt:
Paula braucht nicht viel zum Leben: ihre Wohnung, ein bisschen Geld für Essen und ihren kleinen Bruder Tim, den sie mehr liebt als alles andere auf der Welt. Doch dann geschieht ein schrecklicher Unfall, der sie in eine tiefe Depression stürzt.

Erst die merkwürdige Begegnung mit Helmut, einem schrulligen alten Herrn, erweckt wieder einen Funken Lebenswillen in ihr. Und schließlich begibt Paula sich zusammen mit Helmut auf eine abenteuerliche Reise, die sie Beide zu sich selbst zurückbringt – auf die eine oder andere Weise. (Klappentext)

Rezension:
Es passiert eigentlich nicht viel im neuesten Roman von Jasmin Schreiber und doch eine ganze Menge, lesen so einen wunderbar schmerzhaften, bedrückenden und dennoch lebensbejahenden Roman. Wie das zusammenpasst? Zu Beginn steht die Trauer der Hauptprotagonistin, der ein Leser sofort in sein Herz schließen wird.

Die Studentin Paula hat vor ein paar Jahren ihren kleinen Bruder durch das Meer verloren und ist seit dem tief gefallen. Im übertragenen Sinne bis an den Grund des Marianengrabens, des tiefsten Punkt der Ozeane. Nur ist es hier Lethargie und Depression, unverarbeiteter Schmerz, der die Oberhand hat.

Aus ihrer Perspektive erlebt man nun einen Roadtrip und damit auch ein Auftauchen, beschwerliches Ankämpfen gegen die Schuldgefühle. Gegenpol bildet der zweite Hauptprotagonist. Helmut, ein älterer Herr, der ebenso eine Geschichte zu erzählen hat. Auf diese zwei Figuren ist die Geschichte reduziert. Völlig ausreichend ist das.

Feinfühlig beschreibt die Autorin diesen schmerzhaften Verarbeitungs-prozess. Gebannt wird man in die Geschichte eingesogen. Manch kalter Schauer wird einem bei diesen Zeilen über den Rücken laufen, nur um dann wieder grinsen, manchmal laut auflachen zu müssen.

Diese Kontraste zu schaffen, ist Jasmin Schreiber hervorragend gelungen. Dies lässt in der Geschichte die Protagonisten durchhalten, ebenso fordert dies die Leser dieses gelungen Werks.

Auf Trauer folgt Verarbeitung. Diesen Prozess begleiten die Leser, die nach und nach die Puzzleteile der Geschichten beider Protagonisten erfahren, wenn Paula und Helmut so langsam aus dem sprichwörtlichen Meer auftauchen. Interessant dazu auch die Titelüberschriften.

Jasmin Schreiber hat nicht nur ihr Biologie-Studium der Protagonistin „umgehängt“. Viel steckt von der Autorin in Paula. Jede Zeile so gemeint. Jede Zeile ehrlich.

Dies alles ist die große Stärke von „Marianengraben“. Definitiv ein Highlight für alle, die ihn lesen werden und eine Mahnung, Menschen mit Depression die Hand zu reichen, niemals allein zu lassen, im übertragenen und wörtlichen Sinne, schwimmen zu lernen.

Autorin:

Jasmin Schreiber wurde 1988 geboren und ist studierte Biologin, arbeitet als Kommunikationsexepertin und Autorin. 2018 wurde sie als Bloggerin des Jahres ausgezeichnet. Sie arbeitet ehrenamtlich als Sterbebegleiterin und Sternenkinder-Fotografin. Die Autorin lebt in Frankfurt/Main.

Jasmin Schreiber: Marianengraben Weiterlesen »

Sasha Filipenko: Rote Kreuze

Rote Kreuze Book Cover
Rote Kreuze Autor: Sasha Filipenko Diogenes Erschienen am: 26.02.2020 Seiten: 288 ISBN: 978-3-257-07124-5 Übersetzerin: Ruth Altenhofer

Inhalt:

Alexander ist ein junger Mann, dessen Leben brutal entzwei- gerisssen wurde. Tatjana Alexejewna ist über neunzig und immer vergesslicher. Die alte Dame erzählt ihrem neuen Nachbarn ihre Lebensgeschichte, die das ganze russische 20. Jahrhundert mit all seinen Schrecken umspannt.

Nach und nach erkennen die Beiden ineinander das eigene gebrochene Herz wieder und schließen eine unerwartete Freundschaft, einen Pakt gegen das Vergessen. (Klappentext)

Rezension:

Nach Tolstoi und Dostojewskij darf man sich die Frage stellen, wie geht russische Literatur eigentlich heute? Zumal der Blogschreiber kaum etwas anderes kennt als Lukianenko oder Glukhovsky, vom letzteren Schreiberling nicht ganz so begeistert war, wie vom ersteren. Wobei, Viktor Jerofejew vermochte zu faszinieren. Nun, also Sasha Filipenko.

Erstmals ins Deutsche übersetzt erzählt der weißrussische Schriftsteller, der auf russisch veröffentlicht und heute in St. Petersburg lebt, von der Begegnung zweier Menschen, die sich nach und nach das Trauma ihrer jeweiligen Leben von der Seele sprechen, dabei nach und nach Vertrauen zueinander finden.

Der zweiperspektivische Roman fokussiert sich ganz auf die beiden protagonisten. Die Eine, über neunzig Jahre alt, erzählt von der Angst, innerhalb eines Regimes zu leben und ein Leben lang auf der Suche zu sein, der andere muss gleichsam ein Drama in seinem noch jungen Leben verarbeiten.

Das Aufeinandertreffen der Beiden ist für die Eine ein Abschluss, für den Anderen der Punkt, über den Sinn des Lebens nachzudenken. So viel zum Inhalt. Mehr sei nicht verraten.

Wie oft begegnen wir einander im Treppenhaus und wissen doch so gut wie nichts, voneinander? Einerseits schön, man kann praktisch überall von Neuem an beginnen, andererseits fehlt die Gemeinschaft in einer immer mehr vereinsamten Gesellschaft.

Dieses Thema als oberflächlicher Aufhänger, nutzt Filipenko geschickt, um ein anderes aufzugreifen, was weder in seiner Geburtsstadt Minsk einfach sein dürfte, noch in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er übt Kritik am Geschichtsverständnis beider Länder, deren obere Zehntausend stetig versuchen, die Deutungshoheit zu gewinnen und umzukehren, und rüttelt dabei an Grundfeste.

Während in den Neunziger Jahren noch Archive geöffnet wurden, von Behörden, Geheimdiensten und anderen Institutionen, stehen Recherchierende heute oftmals vor verschlossenen Türen.

Subtil arbeitet sich der Autor daran ab, zumindest seine Leser mitzunehmenund einem Funken der Geschichte aufzugreifen, der heute in Teilen Russlands zu gerne umgedeutet wird. Kritik ist nicht gerne gesehen, doch sowohl Filipenko als auch seine Hauptprotagonistin Tatjana Alexejewna legen ihre Finger in noch nicht längst geschlossene Wunden.

Erzählerisch nimmt der stetige Perspektivwechsel die Position zweier unterschiedlicher Pole ein, die zum Einen Spannung verursachen, im passenden Moment wieder beruhigen.

Das ist notwendig, um nicht in der Falle der Übertreibung zu gelangen und doch einen Spannungsbogen zu schaffen, der einem den Atem gefrieren lässt. Und dies auf, um den Bogen zur klassischen russischen Literatur a la Tolstoi wieder zu schaffen, vergleichsweise wenigen Seiten.

Wenn es überhaupt einen Kritikpunkt gibt, ist diese Stärke zugleich die Schwäche seines Romans. Beim Lesen würde man vielleicht gerne mehr erfahren über die beiden Protagonisten, die einem Seite für seite ans Herz wachsen. Sasha Filipenko beschränkt sich jedoch auf’s Wesentliche.

Auch gut.

Autor:

Sasha Filipenko wurde 1984 in Minsk geboren und ist ein weißrussischer Schriftsteller der auf Russisch schreibt. In seiner Wahlheimat St. petersburg studierte er nach einer abgebrochenen Musikausbildung Literatur und widmete sich der journalistischen Arbeit, war Drehbuch-Autor, Gag-Schreiber für eine satire-Show und Fernsehmoderator.

Dies ist sein erster Roman, der ins Deutsche übersetzt wurde.

Sasha Filipenko: Rote Kreuze Weiterlesen »

Mattias Berg: Der Carrier

Der Carrier Book Cover
Der Carrier Autor: Mattias Berg Atrium Verlag Erschienen am: 21.02.2020 Seiten: 575 ISBN: 978-385535-039-1 Übersetzer: Steffen Jacobs

Inhalt:

Erasmus Levine hat einen Beruf, den es nur einmal gibt. Er trägt den Koffer mit den Codes, die es dem Präsidenten der USA ermöglichen, Atombomben zu zünden.

Levine gehört einer geheimdienstlichen Abteilung an, die nach 9/11 gegründet wurde, von einem Unbekannten namens „Alpha“ geführt. Auf einer Reise des Präsidenten nach Stockholm kommt es zu einem Zwischenfall und Levine trifft auf Alpha. Der hat eine ganz eigene Mission. (eigene Inhaltsangabe)

Rezension:

Wenn schwedische Krimikunst auf amerikanischen Thrill-Faktor trifft, kommt unter Umständen so etwas heraus, wie das vorliegende Werk von Mattias Berg. Doch, funktioniert die Kombination von schwedischer Gelassenheit und amerikanischer Spannungslektüre überhaupt? Der neue Roman „Der Carrier“ zeigt es uns.

Worum geht’s? Der Hauptprotagonist sticht zunächst durch seine ungewöhnliche Tätigkeit hervor, die dem Autoren hier als Dreh- und Angelpunkt seiner Geschichte dient. Levine ist Kofferträger des amerikanischen Präsidenten.

Nicht irgendein Koffer freilich, sondern gleich der mit den Codes, mit deren Hilfe der US-Präsident die volle Kontrolle über das Atomwaffen-Arsenal seines Landes erlangt. Was passiert aber, wenn der Kofferträger in ein Doppelspiel verschiedener Interessen gerät, selbst zur Tarnung seiner Tätigkeit ein solches betrieben hat und plötzlich nicht mehr entscheiden kann, zwischen Fremdbestimmung und eigenem Willen?

Explosiver Stoff ist die Geschichte, deren Erzählperspektive die des Hauptprotagonisten einnimmt, der lange einziger Sympathieträger der Geschichte bleiben wird. Nur hat auch der, wie die anderen eingewobenen Figuren, seine Ecken und Kanten. Zwielicht zieht sich quer durch die Zeilen.

Recht schnell entwickelt sich die Handlung, die von Beginn mehrere Stränge durchziehen, die der Leser bis zuletzt zu entwirren versuchen wird. Erst gegen Ende wird klar, wohin sich die Geschichte entwickeln wird, nachdem mehrere große Längen beim Lesen überwunden wurden.

Dabei ist der Mittelteil richtig gut geschrieben, während man zu Beginn des Buches natürlich nicht ahnen kann, worauf der Autor mit seinem Protagonisten hinaus will. Das Ende hingegen wirkt leider etwas unausgereift. Hier wäre eine Überarbeitung angebracht gewesen, wobei ich selbst mir noch im Unklaren darüber bin, wie diese auszusehen hätte.

Das Werk funktioniert als Mahnung, wie Manipulation wirken kann und welche Kraft einzelne Personen besitzen, wenn sie nur die richtigen „Hebel“ bedienen. Die Geschichte gibt jedoch auch Anlass über Atomwaffen und deren Sinnhaftigkeit nachzudenken, zumal, wenn deren Kontrolle in falsche Hände gerät oder überhaupt infrage gestellt wird.

In diesem Punkt widerum ist Mattias Bergs Schreiben sehr stark.

Das Zusammenspiel zwischen skandinavischer Kriminalliteratur und amerikanischen Thrill wirkt etwas holprig, funktioniert jedoch im großen und Ganzen. Ein gelungenes Debüt, mit Potenzial nach Oben. Den journalistischen Hintergrund des Autoren merkt man besonders dann, wenn Fakten eine Rolle spielen. Und so dürfen wir gespannt sein, welche Geschichte uns der Autor als nächstes erzählt.

Autor:

Mattias Berg wurde 1962 in Stockholm geboren und ist ein schwedischer Journalist, Reporter und Schriftsteller. Für die großen schwedischen Tageszeitungen arbeitete er als investigativer Journalist. Heute leitet er die Kulturredaktion des schwedischen Radios. Mit seiner Familie lebt er in Stockholm. Dies ist sein erster Roman.

Mattias Berg: Der Carrier Weiterlesen »

Sasa Stanisic: Herkunft

Autor: Sasa Stanisic

Titel: Herkunft

Seiten: 366

Genre: Biografie/Rezensionsexemplar

Format: Hardcover

ISBN: 978-3-630-87473-9

Verlag: Luchterhand

Es ist der 7. März 2018 in Visegrad, Bosnien und Herzegowina. Großmutter ist siebenundachtzig Jahre alt und elf Jahre alt.

Sasa Stanisic: „Herkunft“

Wer die dadurch entstandenen Hürden überwindet, entdeckt eine wunderbare Erzählung, zieht Parallelen zur heutigen Zeit. Wie mag es den hunderten Flüchtlingen heute gehen, die natürlich eine Herkunft haben, eine Heimat verloren haben und eine neue suchen?

Was ist das überhaupt, Heimat? Essentielle Fragen, auf die es keine einfache, keine eindeutige Antwort geben kann. Dies zu verdeutlichen, ist Stanisics Stärke, natürlich im Zusammenhang mit dem Spiel der Sprache.

Die Stile vermischen sich. Mal biografische Erzählung, mal Aufsatz, mal Roman und am Ende gar Spielbuch. Entscheide du, wie das Geschriebene endet. Als loses Puzzle, also so, wie „Herkunft“ begann, als Phantasiegeschichte des Enkels, der Großmutter oder eben als schlüssiger Roman, der es in sich hat.

Je nach Stimmung, kann man probieren, was für sich funktioniert. Toll. In Bezugnahme auf frühere Texte Stanisics, Reden, Kapitel aus anderen Büchern, zeigt dieses Werk, was so vieles sein soll, so vieles ist, dass hier ein Schriftsteller Träger des deutschen Buchpreises zurecht ist.

Der Lesende wird aus der Lektüre mit mehr Fragen entlassen, als Antworten zu bekommen. In diesem Falle, eine große Stärke.

Autor:

Sasa Stanisic wurde 1978 in Visegrad, Jugoslawien, geboren und ist ein deutschsprachiger Schriftsteller. 1992 flüchtete er mit seiner Familie nach Deutschland und studierte nachder Schule Literatur.

Für Erzählungen und Romane, erhielt er u.a. den Preis der Leipziger Buchmesse, sowie zuletzt den Deutschen Buchpreis. 2019 kritisierte er die Vergabe des Literaturnobelpreises an Peter Handke.

Er ist Mitglied der Freien Akademie der Künste in Hamburg und des PEN-Zentrums Deutschland. Stanisic lebt mit seiner Familie in Hamburg. Seit 2013 ist er deutscher Staatsbürger.

Sasa Stanisic: Herkunft Weiterlesen »

Alexandra Endres: Niemand liebt das Leben mehr als wir

Niemand liebt das Leben mehr als wir Book Cover
Niemand liebt das Leben mehr als wir Alexandra Endres Verlag: mairdumont Erschienen am: 08.10.2019 Seiten: 330 ISBN: 978-3-7701-8249-7

Inhalt:
Mexiko – ein unglaublich vielfältiges Land, landschaftlich und kulturell. Und vom Drogenkrieg gezeichnet. Alexandra Endres durchquert das Land, welches oft für viele nur eine Durchgangsstation ist.

Ein Land voller Gewalt, in dem täglich Menschen spurlos verschwinden, aber auch ums Überleben kämpfen, um die Natur und ihr kulturelles Erbe. Alexandra Endres trifft auf das indigene Erbe der Maya ebenso, wie auf traditionelle Mezcal-Brenner und engagierte Umweltschützer.

Sie lernt Menschen kennen, die sich unerschütterlich für ihr Heimatland einsetzen und von einer besseren Zukunft träumen. (abgewandelter Klappentext)

Rezension:

Niemand liebt das Leben mehr als wir, weil für uns der Tod so sehr präsent ist.

Guillermo del Toro

Der mexikanische Regisseur Guillermo del Toro fand einst diese Worte, um das Lebensgefühl seiner Landsleute zu umschreiben. Doch, wie sieht es aus, das heutige Mexiko, welches, wenn überhaupt, hierzulande nur in die Schlagzeilen gerät, wenn mal wieder ein hochrangiger Drogenboss den Behörden ins Netz geht oder die Dramen an der Grenze zu den USA nicht mehr von den Nachrichten-agenturen ignoriert werden könne?

Alexandra Endres, Redakteurin, u.a. von ZEIT Online, hat sich aufgemacht, auf Spurensuche durch ein faszinierendes und vielfältiges Land.

Von Süd nach Nord hat die Autorin den mittelamerikanischen Staat durchquert, der für so viele nur eine Durchgangsstation zum Traum von einem besseren Leben sein soll, der jedoch spätestens im Norden für allzu viele zerplatzt.

Endres nimmt sich Zeit für die Begegnungen mit Menschen, denen ihre Heimat nicht egal ist, die etwas für sich und Andere bewegen wollen, die Abwärtsspirale aus Korruption und Drogenhandel, Umweltverbrechen, nicht akzeptieren.

Aufgrund vermittelter Kontakte begab sie sich auf eine Reise, die ihres Gleichen sucht, zumal als Frau alleine in dieser Gegend zuweilen nicht ganz ungefährdet. Der Blick geschärft für Details schildert sie lebendig das Leben der Menschen, die sie daran teilhaben lassen und zeichnet so ein vielschichtiges Bild.

Kurzweilig sind die Kapitel, immer entsprechend ihrer gewesenen Reiseabschnitte gegliedert, doch beginnt die kurzweilige Reisereportage mit einer Beobachtung, die fast gegen Ende der Reise selbst stattfand. Um so beeindruckender sind die nachfolgenden Schilderungen.

Die Autroin schafft es ihre Bedenken, ihre Zweifel, vor allem aber auch ihre Neugier auf das Unbekannte und ihre Zugewandtheit den Menschen gegenüber lebendig werden zu lassen. Ein Reisebericht kann dabei immer nur einen Ausschnitt aus einem Land zeigen, dessen ist sich die Autorin bewusst.

Sie versucht dennoch einen Rundumblick zu bekommen. Wo stehen Mexiko und seine Menschen heute? Mit welchen Problemen haben sie zu kämpfen und was heißt es, dort zu überleben, wo einem der Tod so nahe ist?

Alexandra Endres schildert all dies nicht nüchtern. In lebendigen Farben gibt sie wieder, was sie gesehen hat und herausgekommen ist der nachhallende Zustandsbericht eines Landes, welches mit keinem anderen zu vergleichen ist.

Durchgangsstation und Endpunkt langer, beschwerlicher Reisen, unfreiwilliger Schmelztigel und indigene Völker auf der Suche nach ihrer Identität, vermischt mit christlichen Traditionen. All dies zusammen führt zu einer besonderen Mischung, die man mit Zeile zu Zeile als Lesender zu verstehen versucht, jedoch immer noch mehr Fragen bekommt.

Aufgelockert durch zahlreiche Skizzen, die Wege markieren, Kartenmaterial im Inneren der Umschlagseiten, sowie einem Fototeil, zeigt die Autorin die Vielfältigkeit dessen, was sonst nur einseitig in unseren Medien dargestellt wird.

Mit jedem Wort wird klarer, wie nah Freude, Zuversicht, Mut und Verzweiflung beieinander liegen, gerade wenn sie mit Umweltschützern, Frauenrechtlerinnen oder Indigenen spricht, die sich für ihre Interessen, nicht ohne Gefahr für sich selbst, einsetzen. Beeindruckend, um nur ein Wort zu nutzen. Bewundernswert in jedem Fall.

Mexiko, so bleibt festzustellen, ist ein unerschrocken unermüdliches Land mit Menschen, die an sich glauben, an ihr Leben hängen. Es lohnt sich, dies zu beobachten und zu verfolgen. Alexandra Endres ist dies im Rahmen ihrer Möglichkeiten gelungen. Wünschenswert, wenn es in Zukunft noch mehr Aufmerksamkeit für die Menschen gibt, die das Leben so sehr lieben.

Autorin:

Nachd er Schule studierte Alexandra Endres in Köln Volkswirtschaft in Kombination mit Realpolitik, bevor sie Redakteurin bei der FAZ wurde und wissenschaftliche Mitarbeiterin des Wirtschaftsgeographischen Institutes der Uni Köln. Seit 2006 arbeitet sie für ZEIT Online und unternimmt immer wieder Reisen nach Südamerika.

2014 arbeitete sie als Gastredaktuerin für eine kolumbianische Zeitung. Die südamerikanischen Länder (die sie immer wieder bereist), ihre Rohstoffe und Ressourcen, sowie Entwicklung und Menschenrechte gehören zu ihren Hauptthemen. 2016 bereiste sie Kolumbien erneut. Ihre Erlebnisse veröffentlichte sie auf ihren Blog und ausführlich in Buchform.

Alexandra Endres: Niemand liebt das Leben mehr als wir Weiterlesen »

Hans Richard Fischer: Unter den Armen und Elenden Berlins

Unter den Armen und Elenden Berlins Book Cover
Unter den Armen und Elenden Berlins Hans Richard Fischer Verlag: Walde+Graf Seiten: 128 Hardcover ISBN: 978-3-946896-44-9

Inhalt:
Ende des 19. Jahrhunderts sorgte ein schmales Büchlein für Aufsehen unter der bevölkerung. darin beschrieben, das Leben der untersten Schichten der Berliner Bevölkerung, der Ärmsten der Armen.

Ein junger Journalist erkundet verdeckt das Obdachlosenasyl, besichtigt Waisen- und Siechenhäuser, schreibt darüber beinahe wertfrei und begründet einen neuen Reportagestil, wie es ihn vorher noch nicht gegeben hat. Hans Richard Fischer lenkte damit das Interesse der Öffentlichkeit auf die Menschen am Rande der Gesellschaft. Nun wurde sein Buch wieder neu aufgelegt. (eigene Inhaltsangabe)

Rezension:
Jede neue Sozialstudie warnt heute davor, dass die sprichwörtliche Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander klappt, und das in einem so reichen Land, wie Deutschland.

Um so beeindruckender, um so wichtiger sind Dokumente, wie dieses Werk, welchs, so unscheinbar daher kommt und um so größer der Verdienst eines kleinen Verlages, der es sich getraut, den sprichwörtlichen Finger in die Wunde zu legen.

In einfachen, fast schmucklosen Einband wird den Lesern hier „Unter den Armen und Elenden Berlins – Streifzüge durch die Tiefen einer Weltstadt“ vorgelegt, der genau das ist, was der Titel verrät. Eine investigative Reportagereihe, die es in sich hat und es schon einmal gab.

Das Buch selbst, sorgte 1887 für Aufsehen, als Deutschland noch ein Kaiserreich war und sich inmitten der Industrialisierung befand. Mit all seinen Auswirkungen für die Ober-, die Mittelschicht, getragen auf den Rücken der Ärmsten der Bevölkerung.

Über diese wollte der Journalist Hans Richard Fischer berichten, seinen Lesern die Augen für die jenigen öffnen, die ganz am Rande der gesellschaft standen. Er tat dies beinahe wertfrei, behutsam und mit den Blick für besondere Momente, begründete damit einen unpolitischen und unaufgeregten Reportagestil, wie man ihn sich heute oft genug wünschen würde, der jedoch nur von wenigen Journalisten beherrscht wird.

Kurzweilig sind seine Reportagen, trotz der zeitlichen Distanz immer noch gut zu lesen. Ergänzt werden sie durch vom Verlag ergänzte Fußnoten, die den heutigen Lesern es erleichtern, den Ausführungen des Autoren zu folgen. der Streifzug durch Berlin ist auch in heutiger zeit nachvollziehbar, das beschriebene Elend erschreckend nah geschildert, ohne die unfreiwilligen Protagonisten vorzuführen.

Natürlich, das Frauenbild von Fischer ist nicht modern im heutigen Sinne, jedoch gefälliger als das der meisten seiner Zeitgenossen und so ist die Neuauflage vor allem als eindrückliches zeithistorisches Dokument zu verstehen, welches leicht die Zustände der Unterschichten Berlins zu Zeiten der Industrialisierung vor Augen führt.

Was bleibt ist ein geschärfter Blick auf das, was damals schon für die Ärmsten der Armen getan wurde und wie froh wir heutzutage sein können, über das soziale netz, welches auch durch solche aufmerksamen Reportagen mit geschaffen wurde.

Die Neuauflage zeigt aber auch die Wirkung eines ruhigen Reportagestils, der heute wahrscheinlich vielfach im Geschrei der Revolverblätter untergehen würde, den sich heute nur noch die großen Zeitungen und Zeitschriften erlauben können, es jedoch viel zu selten tun.

Nicht zuletzt ist „Unter den Armen und Elenden Berlins“ ein zustandsbericht aus vergangener Zeit, welches sonst in Vergessenheit geraten wäre und alleine deshalb schon lesenswert ist. So weit entfernt von den Dramen und Ängsten der Ärmsten heute, ist es schließlich nicht.

Autor:
Hans Richard Fischer wurde 1863 geboren und war ein deutscher Journalist und Schriftsteller. Selbst als Waise in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, schrieb er später für verschiedene Zeitungen über die ärmlichen Verhältnisse Berliner Bevölkerungsschichten und begründete dabei einen, damals völlig neuen, investigativen Reportagestil.

Drei Bücher veröffentlichte er, gefüllt mit den Inhalten seiner Zeitungsartikel, die er u.a. für den Hannoverschen Kurier und den Westfälischen Anzeiger schrieb. Als Chefredakteur leitete er einige Zeit die Westfälischen Volksblätter. Zudem arbeitete er als freier Autor.

Hans Richard Fischer: Unter den Armen und Elenden Berlins Weiterlesen »

Susanne Foitzik: Weltmacht auf sechs Beinen

Weltmacht auf sechs Beinen Book Cover
Weltmacht auf sechs Beinen Susanne Foitzik/Olaf Fritsche Rowohlt Erschienen am: 15.10.2019 Seiten: 319 ISBN: 978-3-498-02140-5

Inhalt:
Klein, aber oho! Sie sind faszinierend – und sie sind überall: AMEISEN. Die Alleskönner unter den Insekten haben eigene Formen der Arbeitsteilung, Kommunikation und Selbstorganisation entwickelt – und sind uns Menschen damit gar nicht so unähnlich.

Sie legen Gärten an und züchten Pilze, halten sich Blattläuse als Nutzvieh und verteidigen es gegen Räuber. Sie entwickeln Abwherstoffe gegen Krankheitserreger und nutzen sogar Antibiotika. Weitgehend unbemerkt hat die Weltmacht auf sechs Beinen ein Imperium errichtet, das sich rund um den Globus spannt. Eines ist sicher: Nach der Lektüre dieses Buches werden Sie Ameisen mit anderen Augen sehen. (Klappentext)

Rezension:
Auf dem ersten Blick klingt es nach einem Special-Interest-Titel, aber gerade dies ist das vorliegende, im Rowohlt Verlag erschiene Werk nun gerade nicht.

Tatsächlich gibt die Wissenschaftlerin Susanne Foitzik uns Lesern einen interessanten und spannenden Exkurs über das Leben der zunächst unscheinbar wirkenden kleinen Krabbeltiere, deren emsiges Treiben wir zuweilen in Wäldern, im Garten oder auch mal in der heimischen Küche beobachten dürfen, wenn es irgendwo eine undichte Stelle gibt und Nahrung für die Ameise nicht weit ist.

Doch, Ameisen sind so viel mehr als wir sie zu sehen bekommen. Tatsächlich reicht die Biomasse aller Tiere an die aller Menschen heran. Noch mehr spannende Fakten werden mit Augenzwinkern und viel Humor aneinander gereiht.

Die Biologin berichtet in kurzweiligen Kapiteln von ihrer Arbeit und darüber, welche Erkenntnisse wir bisher über das Leben und Sozialverhalten von Ameisen gewinnen konnten und wohin sich die Wissenschaft dahingehend gerade bewegt.

Im Fokus stehen dabei nicht nur unsere einheimischen Tiere, wir sprechen hier von um die hundert Arten, sondern auch die kuriosen Spielarten der Natur. Da gibt es spartanisch organisierte invasive Armeen, Ackerbauer und Viehzüchter sowie Sklavenhalter.

Susanne Foitzik nimmt uns mit in den Armeisenbau, der erstaunliche Ausmaße annehmen kann, mitunter jedoch auch in eine Eichel hineinpasst.

In kurzen und handlichen Kapiteln berichten die Autoren vom Leben im Ameisenstaate und versammeln dabei Fakten, die zum Staunen einladen und den Blick auf die kleinen Krabbeltiere verändern werden.

Ohne Ameisen, so viel steht nach wenigen Sätzen bereits fest, würde das ökologische Gleichgewicht unseres Planeten durcheinander geraten, gleichwohl sie es im Kleinen selbstständig ins Wanken bringen können. Auch Ameisen schaffen und bewirtschaften Monokulturen und übernehmen im Handstreich ganze Regionen, verdrängen dabei andere Tier- und natürlich Ameisenarten.

Der heimischen Waldameise geht es gut, aber wer wusste vorher schon, dass manch andere Arten sich im letzten Ausweg selbst in die Luft sprengen können, als Floße fungieren oder mit Antibiotika Krankheiten bekämpfen können, dass der Einzelne dem Untergang geweit und nur in der Masse das Überleben garantiert ist?

Wenn nicht ein anderes Ameisenvolk einen Blick auf Bau und Nahrungskonkurrenz wirft. Welcbe Erkenntnisse haben wir über das Leben dieser nur scheinbar unscheinbaren Tiere bereits gewonnen und welchen Weg geht die Wissenschaft mit den Ameisen derzeit?

Verhaltensbiologie ist seit Darwin kaum spannender gewesen. Abschließend bleibt nur die Erkenntnis, das nichts so ist, wie es scheint und auch kleine Tiere eine große Wirkung haben können.

Eben klein, aber oho!

Autoren:
Prof. Dr. Susanne Foitzik ist eine international renommierte Evolutionsbiologin und studierte zunächst Biologie und Zoologie in Würzburg und Regensburg.

Nach einem Aufenthalt in den USA arbeitete sie u.a. in München und hält aktuell einen Lehrstuhl am Institut für Molekularbiologie der Universität Mainz inne. Dort erforscht sie das Sozialverhalten von Ameisen und publizierte ihre Ergebnisse in über 100 Veröffentlichungen.

Dr. Olaf Fritsche ist Biophysiker und promovietrer Biologe. Als Redakteur für „Spektrum der Wissenschaften“, sowie als Autor oder freuer Journalist berichtet er über die neuesten Erkenntnisse aus Natur und Technik.

Susanne Foitzik: Weltmacht auf sechs Beinen Weiterlesen »

Michaela Küpper: Der Kinderzug

Der Kinderzug Book Cover
Der Kinderzug Rezensionsexemplar/Roman Droemer Hardcover Seiten: 348 ISBN: 978-3-426-28218-2

Inhalt:
Im jahr 1943 begleitet Barbara, Lehrerin, eine Gruppe Mädchen im Rahmen der sog. Kinderlandverschickung. Angst, gespannte Unruhe, begleitet die Gedanken der Kinder, die nicht wissen, was sie erwartet.

Eine Odyssee beginnt, die nicht nur die Kinder, sondern auch Barbara an ihre Grenzen führt. Immer mehr werden die Realität und die grausamen Methoden der Nationalsozialisten deutlicht. Schließlich verschwindet eines der Mädchen und ein polnischer Zwangsarbeiter wird verdächtigt. Barbara muss sich entscheiden. (eigene Inhaltsangabe)

Rezension:
Im Jahr 1943 bekamen die Deutschen entgültig die Auswirkungen des von ihnen verursachten Weltkrieges zu spüren. Städte wurden zerbombt, Lebensmittel waren schon längst rationiert, die Armeen an allen Fronten befanden sich auf den Rückzug.

Um Zugriff auf die Kleinsten zu haben, aber auch um sie zu schützen, wurden hunderte Kinder im Rahmen der sog. Kinderlandverschickung von ihren Eltern getrennt und beinahe schulklassenweise in vermeintlich sichere, zumeist ländliche, Gebiete verteilt. Ein großer Umbruch im Leben der Kinder und Jugendliche, die später diese als schönste oder schlimmste zeit ihres Lebens empfinden würde, ganz abhängig vom Erlebten.

So viel zur wahren Geschichte und zum Szenario, welches sich Michaela Küpper für ihren neuesten Roman „Der Kinderzug“ vorgenommen hat. Der Leser begleitet eine Gruppe von Kindern, doch vor allem eine ihr zugeteilte Lehrkraft quer durch die Lande und erlebt die Schrecken dieser Zeit praktisch hautnah mit.

Erzählt wird die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven, in Form der Draufschau eines Tagebucheintrages etwa oder und vor allem durch die Ich-Erzählerin, die junge Lehrerin, Barbara, die als Identifikationsfigur dient.

Zum Greifen nah ist die Spannung der Ungewissheit sonderbarer Zeit und das Abwiegen zwischen der Notwendigkeit, einen gewissen Alltag zu leben und sich der sonderbaren Lage anzupassen. Letzteres vor allem, wenn Erwachsene und Kinder mit den Auswirkungen der großen Politik konfrontiert und von deren schlimmster Sorte zum Spielball degradiert werden.

Wie weit darf, muss man mitgehen, wann Haltung bewahren oder Kompromisse machen, um sich selbst und seine Schutzbefohlenen zu schützen? Michaela Küpper hat sich diesen Spannungsbogen vorgenommen und erzählt, zunächst langsam, was auch beim Lesen einige Längen verursacht, dann in einem immer schnelleren Tempo, die Geschichte.

Erzählt wird von den Auswirkungen einer menschenverachtenden ideologie auf das Leben der Jüngsten, die später einmal unsere Groß- und Urgroßeltern werden sollten, in Romanform.

Zur Geltung kommt aber auch das Engagement vieler Lehrkräfte, die sich für die ihnen anvertrauten Kinder und Jugendliche bis hinein in den letzten Kriegstagen einsetzten. In kurzweiligen Kapiteln, nur anfangs stört ein etwas flacher Erzählstil das gesamte Bild, gibt sich dann jedoch später, orientiert sich Michaela Küpper am roten Faden der Geschichte und erzählt die von ihr gesponnene.

Mit zunehmender Seitenzahl findet die Autorin mittel und Wege zu beschreiben, Emotionen aufkeimen und wirken zu lassen und wird von Zeile zu Zeile stärker.

Die große Politik und die Auswirkungen des Krieges, die die Welt in eine Katastrophe stürzte, wird hier geschickt in eine gut nachvollziehbare Romanhandlung verpackt. In allen Perspektiven.

Unterstützt wird der Roman durch ein starkes Nachwort der Autorin, ebenso wie ein Quellenverzeichnis, welches in Auszügen die Recherchearbeit im Vorfeld des Schreibens verdeutlicht. Bitte mehr von solchen Romanen und auch von Michaela Küpper, von der ich gespannt wäre, noch mehr zu lesen.

Autorin:
Michaele Küpper ist eine deutsche Autorin. Nach einer Jugend in Bonn, studierte sie in Marburg Soziologie, Psychologie, Politik und Pädagogik. Nach einem Volontariat war sie als Projektmanagerin für einen Verlag tätig. Heute arbeitet sie als freie Autori und Illustratorin.

Im Jahr 2011 wurde sie für den NordMordAward nominiert, ein Jahr zuvor erhielt sie die Nominierung für den Krimipreis der Stadt Frauenfeld (Schweiz). Neben Kurzgeschichten schrieb sie bereits mehrere Romane. Heute lebt sie wieder mit ihrer Familie im Rheinland.

Michaela Küpper: Der Kinderzug Weiterlesen »