Eltern

Rene Marik: Wie einmal ein Bagger auf mich fiel

Wie einmal ein Bagger auf mich fiel - Eine Provinzjugend Book Cover
Wie einmal ein Bagger auf mich fiel – Eine Provinzjugend Autor: Rene Marik Droemer Taschenbuch Seiten: 239 ISBN: 978-3-426-30221-7

Inhalt:
Westerwald, Kasernen, Bratensoßengeruch: Rene Marik verbringt seine Kindheit in einem Bundeswehrlager, dessen kantine von seinen Eltern betrieben wird. Während die “Grünen” draußen im Feld zelten und rumballern üben, versucht er dem seltsamen Verhalten der Erwachsenen einen Sinn abzuringen.

Auf der Suche nach Freiheit vom piefigen Alltag stürzt sich Rene gemeinsam mit der bis zur Besinnungslosigkeit gelangweilten Dorfjugend in immer verwegenere Abenteuer, bis es eines Nachts zur Katatrophe kommt, in der ein Bagger die Hauptrolle spielt… (Klappentext)

Rezension:
Alles Gute kommt von Oben. Ob dies der Fall ist, wenn man den Titel wahr werden lässt, sei dahingestellt, den bekannten Puppenspieler Rene Marik scheint es jedoch nicht geschadet zu haben. Und so nimmt uns der Komödiant mit, in seine doch recht sonderbare Kindheit, die zunächst einmal geprägt ist von Kommandoton und ständigen Geballer, wenn die “Grünen” nmal wieder ihre Feldübungen abhalten.

Die “Grünen” sind in diesem Fall die in einer Kaserne stationierten Soldaten, deren Kantine durch Mariks Eltern betrieben wird und so fühlt sich der Junge, der dem ganzen nichtsw abgewinnen und sich auf die Erwachsenen auch keinen Reim machen kann, oft genug wie ein Außerirrdirscher. Die Schule fällt ohnehin hinten runter.

Rene Marik beschreibt mit seinem eigenwilligen Humor das Aufwachsen zwischen Uniformen, kleineren und oft größeren familiären Katastrophen. Kurzweilig, slapstickhaft sind die Kapitel. Diesen stil muss man mögen, sonst funktioniert diese amüsante Biografie nicht, in der es nie geradlinig zugeht, sondern immer kurvenreiche Wege genommen werden.

Man durchlebt mit dem Autoren Tagträume in langatmigen Schulstunden, derer gibt es viele, oder die Flucht vor dem Schlägertypen im angrenzenden Dorf, der noch ganz andere Seiten hat. Der Ich-Erzähler versetzt sich zurück in seine Kindheit und lässt die Erinnerungen lebendig werden, um dann doch gegen Ende unverhofft ins kalte Wasser geworfen zu werden.

Dieses Stilmittel der Wendung ist hier angebracht, da der Bruch zwischen Kindheit und Jugend mit rosaroter Brille und vollkommenen Erkennen der Realität sehr abrupt erfolgt und zu einem notwendigerweisen nachdenklichen Ende führt, welches sich schon für sich lohnt, gelesen zu werden. Mit einem Appell, worauf wird nicht verraten, endet diese Kindheitsbiografie und man gelangt schon als Leser zu der Erkenntnis, dass humorvolle Menschen im Grunde ernst sind.

Oder umgekehrt? Das bleibt Mariks Geheimnis, der nicht nur mit seinem Puppenspiel die Menschen zum Schmunzeln und Lachen bringt, sondern dies auch in Textform schafft. Einige Längen gibt es im Handlungsverlauf, was den Erinnerungen geschuldet sein mag, dennoch hätte ich mir manche Ereignisse etwas ausführlicher geschildert gewünscht. Das ist dann jedoch Freiheit des Schreibenden, wie viel man von sich preiszugeben bereit ist oder wie viel man seinen Lesern zumuten mag.

Rene Marik hat, zumindest meistens, die richtige Balance gefunden.

Autor:
Rene Marik wurde 1970 in Hildesheim geboren und ist ein deutscher Puppenspieler, Komiker, Gitarrist, Sänger und Schauspieler. Nach einer abgebrochenen Lehre als Kfz-Mechaniker holte er sein Abitur nach und studierte zunächst in Siegen Mathematik, bis er 1995 an die Hochschule für Schauspielkunst “Ernst Busch” in Berlin wechselte und das Fach “Puppenspiel” belegte.

1999 erhielt er sein Diplom und war in den Jahren darauf Mitglied des Ensembles am Theaterhaus Jena. Regelmäßige Auftritte im Quatsch Comedy Club und in “Bar jeder Vernunft” machten ihn bekannt. Seine Auftritte wurden mehrfach ausgezeichnet. Seine bekannteste Figur ist ein sprachbehindeter und blinder Maulwurf. Regelmäßig tourt er durch Deutschland. Marik lebt in Berlin.

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Fabio Genovesi: Wo man im Meer nicht mehr stehen kann

Wo man im Meer nicht mehr stehen kann Book Cover
Wo man im Meer nicht mehr stehen kann Autor: Fabio Genovesi C. Bertelsmann Verlag Erschienen am: 13.05.2019 ISBN: 978-3-570-10349-4 Übersetzerin: Mirjam Bitter

Inhalt:
Der sechsjährige Fabio ist der Mittelpunkt einer exzentrischen Großfamilie in der Toskana. Als Liebling seiner “zehn Großväter” – der schrulligen unverheirateten Brüdern seines Opas – wird er zu den kuriosesten Unternehmungen mitgenommen, die selten kindgerecht, aber dafür unvergesslich sind.

Dies wappnet den Jungen für die Abenteuer und Gefahren, mit denen er beim Heranwachsen zu kämpfen hat. Denn eine Lebensweisheit hat Fabio früh erkannt: Schwimmen lernt man nur dort, wo man im Meer nicht mehr stehen kann. (Klappentext)

Rezension:
Familie und andere Katastrophen. Ungefähr so könnte der Untertitel dieses großen Romans lauten, in dem Fabio Genovesi sein jüngeres Ich die Welt entdecken lässt. Aufgewachsen ist der Autor inmitten einer schrulligen Großfamilie, genauer gesagt, den Brüdern seines bereits früh verstorbenen Großvaters.

Getrieben von der Angst, dass ihm mit dem vierzigsten Lebensjahr der berüchtigte Familienfluch befällt, entdeckt er die Welt um sich herum, die sich anfangs nur auf den Straßenzug, den ausschließlich seine Familie bewohnt, später auf das Dorf und die Umgebung erstreckt. Alleine, zusammen mit seinen Eltern und noch viel mehr mit den zehn Großvätern, die Fabio unter sich per Wochenplan herumreichen. Ausgang, einer mehr als turbulenten Kindheit.

Der Leser begleitet den zu Beginn im Vorschulalter befindlichen Ich-Erzähler bis zu seinem dreizehnten Lebensjahr durch die Höhen und Tiefen des Heranwachsens. Genovesis Stärke ist es hier, die genaue Beobachtungsgabe des Kindes herauszustellen und diese den gesamten Roman tragen zu lassen.

Die anderen Protagonisten sind mehr oder weniger unwichtig, bleiben an manchen Stellen zu schwach gezeichnet, was eine Wohltat in dem Sinne ist, da besonders die antreibenden Großväter ein gewisses Nervpotenzial haben. Macht nichts, vieles macht der Sprachwitz wieder wett.

Formulierungen wie phantastische Titelüberschriften, wie “Die Regenwürmer des heiligen Fabio”, machen diesen Roman zu einem kleinen Juwel und so mag man sich an seine eigene Kindheit erinnern oder an Familiengeschichten, die als Anekdoten immer wieder erzählt werden und längst ein Eigenleben entwickelt haben.

Zwar kann auch Genovesi mit dem großen Knall einer Familientragödie aufwarten, doch tut er dies behutsam und lässt sein Vergangenheits-Ich daran wachsen. Erzählt werden die Bande unserer engsten Vertrauten, aber auch die Entdeckung zur Liebe der Literatur und das ist vielleicht auch einer der schönen Aspekte dieses Romans. Wobei Fabio Genovesi mit vielen ganz wunderbaren Momenten aufwarten kann.

Dieser Roman erzählt von Liebe und Hoffnung, Ängsten und Mut, Zuversicht und Scheitern, Freundschaft und Familie. Einfach eine liebevolle Geschichte.

Autor:
Fabio Genovesi wurde 1974 in Italien geboren und hat schon als Bademeister, Radsporttrainer und Kellner gearbeitet, bevor er als Übersetzer tätig wurde. Heute schreibt er Drehbücher und Romane und wurde mit dem “Premio Viareggio” ausgezeichnet. Er lebt in Forte dei Marmi.

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Bernadette Conrad: Groß und stark werden

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Groß und stark werden Bernadette Conrad Rezensionsexemplar/Lebenshilfe btb Verlag Hardcover Seiten: 304 ISBN: 9778-3-442-75803-6

Inhalt:

Wagen wir als Eltern zu wenig? Was ist wichtig für Kinder? Wo finden sie Orientierung angesichts einer immer komplexeren Welt?

Die Journalistin Bernadette Conrad geht mit der Starautorin Cornelia Funke ins Gespräch darüber, wie wir unsere Kinder fördern können, “groß und stark” zu werden. Ein thematisch vielfältiger Austausch unter Müttern – und ein Streifzug durch die Erzählwelt von Cornelia Funke. (Klappentext)

Rezension:

Gespräche, die in eine völlig andere, als die geplante, Richtung verlaufen, sind oft genug die interessanteren. Dies musste auch die Journalistin Bernadette Conrad erfahren, die die deutsche Kinder- und Jugendbuchautorin Cornelia Funke eigentlich nur zu einem ihrer neuen Bücher interviewen wollte. Daraus wurde nichts. Doch, es entwickelte sich etwas anderes daraus.

Eine Freundschaft, ein Vertrauen und ein Gespräch über Kindheit und Jugend und, was uns zu dem macht, was wir sind. Cornelia Funke gab Antworten und ließ die Journalistin eintauchen in ihre Gedankenwelt. Ein Streifzug durch Kindheit früher und heute und durch phantastische Geschichten entstand und liegt nun im btb Verlag vor.

Bis auf “Gespensterjäger” und auch hier nur das Buch zum Film, habe ich keines der Werke von Cornelia Funke gelesen, geschweige denn die Verfilmungen oder anders geartete Adaptionen mir zu Gemüte geführt. Um so interessanter war es für mich, dies in Streifzügen mit diesem Werk zu tun, welches sich nicht klar einordnen lässt. Ist es ein Interview, Lebenshilfe-Buch, Ratgeber, Weißheiten einer Autorin oder einfach nur ein facettenreicher Einblick in einen klugen Kopf?

Wohl ein wenig von allem, mag sich der Leser denken, wenn er in kurzweilige Kapitel eintaucht, die sich mit nachdenklichen Gesprächsnotizen abwechseln. Dies ist ein großer Pluspunkt, zumal hier weder Bernadette Conrad noch Cornelia Funke, deren Gedanken sich immer an kreativen Ideen und ihren geschaffenen literarischen Welten orientieren, den Zeigefinger erheben.

Herrlich unaufgeregt geht das vor sich. Zugleich entdeckt der gemeine Fan, wie viel dann doch hinter den einzelnen Geschichten steckt, welche Botschaften die Bestsellerautorin vermittelt wissen möchte und welche Sorgen, aber auch positiven Gedanken Funke antreiben.

Manchen Einblick, hier beginne ich dann Abstriche zu machen, hätte ich mir ausführlicher gewünscht, manchen Spoiler über Funkes Werke etwas weniger stark. Natürlich werden das Buch vor allem die Leser in die Hand nehmen, die Funkes Arbeiten kennen und schätzen, jedoch, wer noch ganz unbedarft herangeht, der sollte zuerst vielleicht einige ihrer Bücher lesen und dann diese interessante Muischung aus Gedankenkonstrukt, Gespräch und Leitfaden. Dann funktioniert das auch.

Anderenfalls kann man auch den Herrn der Diebe folgen.

Autorinnen:

Bernadette Conrad wurde 1963 in Stuttgart geboren und ist eine deutsche Journalistin und Schriftstellerin. Nach der Schule studierte sie von 1983-1988 Germanistik und Romanistik in Bonn und Konstanz. 1991 machte sie ein Diplom als Sozialpädigung und arbeitete in der Alkohol- und Drogenberatung.

Ab 1995 arbeitete sie als freiberufliche Journalistin für den Rundfunk und verschiedenen Zeitungen. Von 2000-2003 arbeitete sie als Auslandsjournalistin in Italien, Zwischenstationen führten sie zudem in die USA. Seit 2016 lebt sie in Berlin. 2006 erschien ihr erstes Buch, seitdem veröffentlichte sie mehrfach und wurde vielfach ausgezeichnet. 2010 erhielt sie den Walliser Medienpreis.

Cornelia Funke wurde 1958 geboren und ist eine deutsche Kinder- und Jugendbuchautorin. Nach der Schule absolvierte sie eine Ausbildung zur Diplompädagogin und arbeitete als Erzieherin. Parallel dazu studierte sie Buchillustration in Hamburg und kam durch Ihre Arbeit selbst zum Schreiben. Ihr internationaler Durchbruch kam 2002, als ihr Buch “Herr der Diebe”, welches zwei Jahre zuvor in Deutschland erschien, ins Englische übersetzt, in Amerika erschien.

Es folgten erfolgreiche Reihen, wie die Tintenherz-Bücher oder die Drachenreiter. Ein Großteil ihrer Bücher wurde von ihr selbst illustriert und nach Erscheinen verfilmt. 1979 zog sie mit ihrer Familie nach Los Angeles, von wo aus sie soziale und ökologische Projekte unterstützt. Ihre Werke wurden mehrfach ausgezeichnet und in über 37 Sprachen übersetzt.

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J.R. Moehringer: Tender Bar

Tender Bar Book Cover
Tender Bar J.R. Moehringer Fischer Verlag Erschienen am: 01.04.2008 Seiten: 459 ISBN: 978-3-596-17515-1

Inhalt:

Eine Kindheit in Long Island, in einer verrauchten Bar voller liebenswürdiger Gestalten, eine Mutter, die mit lebensklugen Lügen die Moral aufrechterhält, und mittendrinn der kleine Junge JR, der lernt, dass zwischen Bier und Whisky manchmal Weltenliegen. Ein abwechselnd anrührender und witziger Roman über tapfere Kinder, mitfühlende Männer, starke Mütter und die Kraft von Träumen. (Klappentext)

Rezension:

Romane, in denen jede Zeile ein zu lesender Genuss ist, gibt es einige. Geschichten, in der man die Protagonisten lieb gewinnt und gespannt ihren Weg verfolgt, viele und Handlungen, die überraschen und nachdenklich machen, werden auch oft genug beschrieben.

Gott sei Dank. Hin und wieder aber wird dem Leser auch ein Schriftstück schmackhaft gemacht, was sich bei genauerer Betrachtung nur in Begleitung von schlechten Rotwein oder abgestandenen Bier ertragen lässt.

Mit “Tender Bar” legt J.R. Moehringer den Versuch eines Coming-of-Age-Romans vor, der in all seinen Facetten gründlich misslingt. Schon die Handlung lässt sich auf wenige Zeilen reduzieren, so dass eine Kurzgeschichte noch viel zu gut gemeint wäre.

Alleine der Klappentext ist schon zu viel. Die Fast-Säufer-Autobiografie, die ständig um das eigene Scheitern und das seiner Mitmenschen kreist, davon jedoch nicht loskommt, liest sich dröge und eintönig, genau so wie die sich in ständigen Variationen wiederholenden Charakterbeschreibungen von Protagonisten, über die man allesamt nur die Augen rollen kann.

Beinahe religiös verehrt der Autor die Bar und ihre Anhängsel, muss er vielleicht sogar, nachdem die eigenen Eltern, getrennt, sich in verschiedener Hinsicht als unfähig erweisen, wenn dis auch bei der Mutter rein durch ihre finanzielle Stellung geschuldet ist.

Ansonsten nimmt der Leser vielleicht noch aus diesem Werk mit, wie schädigend Wetten udn Alkohol sind, und nutzt das nächste Mal den Buchdeckel als Unterlegscheibe für das frisch Gezapfte. Dann hätte das Aufschreiben der Geschichte wenigstens Sinn gehabt. Wie kann man nur seine eigene Geschichte so langweilig erzählen?

Der Roman hielt sich mit Erscheinen länger in den Bestsellerlisten. An den Werken großer amerikanischer Schriftsteller wie Jonathan Safran Foer oder Hanya Yannigihara, die für mich den Maßstab in Bezug auf amerikanischer Literatur bilden, kommt Moehringer nicht heran. Leider.

Autor:

J.R. Moehringer wurde 1964 in new York City geboren und ist ein amerikanischer Autor und Journalist. Nach der Schule studierte er in Yale und arbeitete zunächst als Volontär bei der New York Times, bevor er bei den Rocky Mountain News und der los Angeles Times anfing.

Er gewann den Pulitzer-Prize 2000, für den er zwei Jahre zuvor bereits nominiert war und veröffentlichte mehrere Romane. Er arbeitete als Co-Autor für Agassis Autorbiografie, nachdem dieser bei ihm angefragt hatte.


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Bodo Kirchhoff: Dämmer und Aufruhr

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Dämmer und Aufruhr Bodo Kirchhoff Frankfurter Verlagsanstalt Erschienen am: 29.06.2018 Seiten: 462 ISBN: 978-3-627-00253-4

Inhalt:

Ein Autor bewohnt das Zimmer, in einem kleinen Hotel am Meer, in dem einst seine Eltern vor Jahrzehnten glückliche Tage verbrachten, die letzten vor ihrer Trennung. Er erinnert sich zurück, an die Jahre seiner Kindheit, seinem Aufwachsen bei ungleichen Elternteilen und im Internat, wo ein Drama seinen Lauf nimmt.

Bodo Kirchhoff nähert sich dem, mit den Mitteln des Romans und schildert zugleich die Geschichte des beginnenden Schreibenden. Wie für etwas Worte finden, für das es keine Wörter gibt? Bodo Kirchhoffs schmerzlicher Weg zur Literatur, sein großer autobiografischer Roman. (eigene Inhaltsangabe).

Rezension:
Es ist ein Roman, der leisen Töne, den uns der Schriftsteller Bodo Kirchhoff mit “Dämmer und Aufruhr” vorlegt, und dennoch erfährt man hier viel über die Anfänge der Schreibarbeit des Trägers des Deutschen Buchpreises, der sich am einstigen Ferienort seiner Eltern, kurz vor ihrer Trennung, zurückerinnert, an diese und andere Ereignisse seiner Kindheit, seiner Jugend und schließlich an den jungen Erwachsenen, der er einst gewesen ist.

Aus der ich-Perspektive beschreibt er eine glückliche Kindheit zwischen schwankenden Eltern, einmal ikonenhaft angebetet, im nächsten Moment verwirrende Ältere, die, als der Sohn nicht mehr in der Schule hinterher kommt und im unsteten Pendeln seiner Eltern keinen Haltepunkt findet, ihn ins Internat stecken.

Auch dort fällt es den genauen Beobachter, Träumer und Sonderling zu gleichen Teilen schwer und leicht, Anschluss zu finden. Ein Kantor nimmt sich seiner an und nimmt sich körperlich das, was nicht ihm gehört.

Der Junge weiß, dass dies falsch ist, wird es später nicht Missbrauch nennen, anders den Schmerz beschreiben, mit der Waffe des Wortes. Der Schriftsteller, der er noch nicht ist, jongliert schon als Kind mit Worten. Nun sind diese Erinnerungen zu Papier gebracht.

Bodo Kirchhoffs autobiografischer Roman hat mich beeindruckt, ob seiner ruhigen Erzählweise, die das Unerhörte um so lauter erscheinen lässt und eine schöne Sprache außerdem, die hier wirklich dei Handlung trägt und den Leser nicht wegnicken lässt.

Kein Wort zu viel, kein Wort zu wenig, penibel und unterhaltsam die Familienszenen beschrieben, die der Aufwachsenede beobachtet. Außenstehend und doch immer dabei. Geliebt von seinen Eltern und doch Meilen weit von ihm entfernt.

Der Perspektivwechsel zum älteren Ich, welcher die letzten Jahre der Mutter schreibt, selbst Schriftstellerin, vormals Schauspielerin, diese Nähe und Bewunderung, die der Autor sich natürlich aus der Kindheit bewahrt hat, ist ebenso gelungen und glaubwürdig. Der Bogen überspannt durch das Beobachten, Verinnerlichen und späteren Schreiben.

Dem Unerhörten, was nicht sein darf, ein Gesicht zu geben, ist ebenso ein Verdienst des Autoren, den man nicht gering schätzen darf.

Bewundernswert, wie Kirchhoff es schafft, den Missbrauch durch den Internatskantor zu beschreiben, ohne es Missbrauch zu nennen, doch mit genau der gleichen Wucht, die den damaligen Jungen in eine Abhängigkeit versetzt hat, die nicht zu entschuldigen ist und die den späteren Mann keine geistliche Musik mehr ohne Beigeschmack hören lassen kann.

Entlang von Fotos aus dieser Zeit hangelt sich der Autor von Erlebten zu Erlebten und beschreibt das so, als würde man am Tisch Kirchhoffs sitzen, und durch das Fotoalbum blättern.

Ein Roman, der einem kalt den Rücken herunterläuft, aber nicht kalt lassen wird.

Autor:
Bodo Kirchhoff wurde 1948 in Hamburg geboren und ist ein deutscher Schriftsteller, der Romane und Drehbücher veröffentlicht. Er studierte 1972 bis 1979 Pädagogik an der Universität Frankfurt und veröffentlichte erstmals bei Suhrkamp.

Vorher arbeitete er u.a. als Eisverkäufer in den USA, zeichnete und war später 1994/95 Dozent, ebenfalls in Frankfurt/Main. er gibt Kurse für Kreatives Schreiben und enthüllte 2010 in einem Artikel des Spiegel, den an ihn begangenen Missbrauch eines Kantors der Evangelischen Internatsschule, auf die er19659-1968 ging.

Für seine Novelle “Widerfahrnis” bekam er 2016 den Deutschen Buchpreis. Er lebt in Frankfurt/Main, zeitweise auch am Gardasee in Italien.

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Sabine Ludwig: Felix 3 – Hilfe, ich hab meine Eltern geschrumpft

Hilfe, ich hab meine Eltern geschrumpft Book Cover
Hilfe, ich hab meine Eltern geschrumpft Reihe: Felix – 3 Kinderbuch Dressler Hardcover Seiten: 157 ISBN: 978-3-7915-0089-8

Inhalt:

Kaum hat Felix sich am Otto-Leonard-Gymnasium eingewöhnt, verkündet sein Vater, dass die ganze Familie nach Dubai ziehen wird. Hätte doch Felix mal das Sagen!

Dieser Wunsch geht schneller in Erfüllung als gedacht, denn plötzlich schrumpfen seine Eltern auf Miniaturgröße. Doch Felix muss sich nicht nur um die beiden kümmern, sondern auch die Schule vor der bösen Hulda Stechbarth retten! (Klappentext)

Bücher der Reihe:

Sabine Ludwig: Felix 1 – Hilfe, ich hab meine Lehrerin geschrumpft

Sabine Ludwig: Felix 2 – Hilfe, meine Lehrerin geht in die Luft

Sabine Ludwig: Felix 3 – Hilfe, ich hab meine Eltern geschrumpft

[Einklappen]

Rezension:
Eine Geschichte zu modernisieren und neu aufzulegen ist etwas, was bei Filmen in schöner Regelmäßigkeit schief geht und nur in Ausnahmefällen funktioniert. Mit literarischen Stoffen kann man ebenso sein Ziel verfehlen, der neue Roman zum Film “Hilfe, ich hab meine Eltern geschrumpft” zeigt jedoch, was passiert, wenn man ein glücklicheres Händchen hat.

Die Handlung ist schnell erzählt. Wieder einmal werden die Erwachsenen zur Räson gebracht bzw. aufgrund eines unglücklichen Zufalls geschrumpft und das Kind muss die Misere ausbaden und versuchen, diese wieder groß zu bekommen.

Gar nicht so einfach, wenn man dazu noch erwachsene Gegenspieler hat und überhaupt alles auf einem an Alltagsstress einprasselt, was man dann so gar nicht gebrauchen kann.

In diesem Falle, Felix, ist schon darin geübt, ist doch erst vor kurzem seine Lehrerin Schmitt-Gössenwein vom Schulgeist seines Gymnasiums geschrumpft und nach einem aufregenden Abenteuer der beiden wieder auf Normalgröße gebracht wurden.

Nun sind es seine Eltern, die die Größe von Playmobil-Figuren innehaben, nachdem sie zuvor ihm verkündet hatten, ihr berufliches und damit auch sein Leben nach Dubai verlegen zu wollen.

Als wäre das nicht alles schon schlimm genug, überwältigt auch noch Hulda Stechbarth den Schulgeist, um selbst einer zu werden. Das Chaos ist perfekt, und so können nur noch Felix und seine Freunde die Schule retten.

Die Fortsetzung des, 2006 erschienen, Kinderbuchbestsellers “Hilfe, ich hab meine Eltern geschrumpft” basiert auf Grundlage des Kinofilms, zudem Sabine Ludwig auch das Drehbuch geschrieben hat.

Die Geschichte macht einen etwas moderner wirkenden Eindruck, lässt sich gut und flüssig lesen. Nicht zuletzt die Spannung und das vorprogrammierte Chaos kommen nicht zu kurz.

Ein Spannungsbogen, der die lesende Zielgruppe bis zur letzten Seite in Atem hält, die Charaktere im Gegensatz zum Erstling der Dilogie noch einmal vertieft. Insgesamt ist dies zwar sprachlich keine Hochliteratur, aber eine amüsante Kinderunterhaltung, an der auch erwachsene Vorleser ihren Spaß haben können.

Da beides ziemlich parallel zu einander entstanden sind, sind Buch und Film sehr nah beieinander und können in beliebiger Reihenfolge erst gelesen und dann angeschaut, oder eben umgekehrt, werden.

“Hilfe, ich hab meine Eltern geschrumpft”, ist eine gelungene Fortsetzung und ein witzig spannendes Lesevergnügen, vor allem für die Kleinen (und die Geschrumpften).

Autorin:
Sabine Ludwig wurde 1954 in Berlin geboren und studierte Germanistik, Romanistik und Philosophie. Nach ihrem Staatsexamen arbeitete sie als Gymnasiallehrerin, danach als Regieassistentin, Pressereferentin und zuletzt als Rundfunk-Redakteurin des SFB/RBB, für eine Kinder-Radio-Sendung.

1983 veröffentlichte sie ihr erstes Buch, welches promt ausgezeichnet wurde. Momentan arbeitet sie als freie Journalistin, veröffentlicht vor allem aber Kinder- und Jugendbücher. Für mehrere ihrer Übersetzungen aus dem Englischen wurde sie für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Ludwig lebt mit ihrer Familie in Berlin.

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Michel Bergmann: Alles was war

Alles was war Book Cover
Alles was war Michel Bergmann Verlag: dtv Taschenbuch Seiten: 127 ISBN: 978-3-423-14457-5

Inhalt:

Ein alter Mann beobachtet heimlich ein Kind. Wie der Zehnjährige morgens zur Schule geht, wie er zu Hause am Bett des kranken Vaters sitzt, der das KZ überlebt hat. Wie der Junge ›Moby Dick‹ liest, am Zeitungsstand neben ›Quick‹ und ›Revue‹ die Comics entdeckt, im Café Kranzler Kakao trinkt.

Wie die Jahre vergehen, das Kind zum Mann wird und gegen die übermächtige Mutter aufbegehrt, während das Land sich allmählich verändert und doch stets mit seiner dunklen Vergangenheit wird leben müssen. Wer ist der Alte, der so viel über das Leben des Jungen weiß? Eine Geschichte voller Magie über eine Jugend in Deutschland nach dem Krieg.(Amazon Text)

Rezension:

Hier einmal eine biografische Erzählung aus ganz besonderer Perspektive. Michel Bergmann beobachtet sich selbst als Kind, dass in Frankfurt am Main aufwächst, der Finanzmetropole, die sie später werden sollte. Noch aber sind die Nachwehen des letzten Krieges zu verdauern.

Michel und seine Freunde spielen in Trümmern und fast jede Familie hat Verluste zu beklagen. Nicht nur Michel als Kind jüdischer Eltern hat Verluste zu beklagen. Doch, das Leben muss weitergehen. Die Mutter versorgt den kränkelnden Vater, der schließlich an den Folgen von KZ und Gestapo-Folter stirbt und baut sich nebenher ein Geschäft auf, um die Familie zu versorgen. Der Junge ist ihr Ein und Alles. Überbehütet und streng erzogen. Ihr einziger Grund weiterzuleben.

Michel, der Junge, geht zur Schule und beobachtet seine Umgebung. Die wenigen Besuche im Cafe Kranzler, das Spielen mit Freunden, schreckliche und inspirierende Lehrer und nicht zuletzt die bevorstehende Bar Mizwa, aufregende Höhepunkte eines an sich glücklichen Lebens, zumindest an der Oberfläche.

Darunter brodelt es gewaltig. Der Junge bekommt mit, mit den Jahren immer mehr, was die Erwachsenen vor ihm zu verbergen suchen. Familiäre wie wirtschaftliche Probleme als die Firma der Mutter ins Trudeln gerät, der immer noch schwelende Antisemitismus unter Lehrern und anderen Autoritätspersonen und später, schon als Volontär bei der Frankfurter Rundschau die Auschwitz-Prozesse. Angestoßen durch Generalstaatsanwalt Fritz Bauer.

Eine beeindruckende Biografie, schon als Kind vorzuweißen, schaffen nur wenige oder gerade die, die beeindruckend erzählen können. Michel Bergmann schafft dies, nicht zuletzt durch die Erzählperspektive als sich selbst beobachtender Beobachter.

Auf wenigen Seiten kurz gefasst, die einzelnen Kapitel lassen sich flüssig und schnell lesen, amüsant und abwechselnd nachdenklich melancholisch, dann wieder kritisch zu sich selbst und seiner Familie.

Er zeigt auf seine Umgebung mit den damaligen Augen eines Kindes, welches erst behütet durch die Eltern, sich später beginnt seinen Platz zu erobern. Wenn auch nicht immer freiwillig aber in jedem Fall empfehlenswert zu lesen.

Autor:

Michel Bergmann wurde 1945 als Kind jüdischer Eltern in einem Internierungslager in der Schweiz geboren und wuchs in Paris und Frankfurt/Main auf.

Nach dem Abitur machte er eine Ausbildung zum Journalisten bei der Frankfurter Rundschau, danach arbeitete er als freier Journalist. Er arbeiete als Autor, Regisseur und Produzent und begann Drehbücher zu schreiben. Seine Trilogie über jüdisches Leben in Frankfurt am Main der Nachkriegszeit wurde ein promter Erfolg.

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Tommy/Werner Krappweis: Sportlerkind

Sportlerkind Book Cover
Sportlerkind Tommy/Werner Krappweis Knaur Taschenbuch Erschienen am: 01.04.2016 Seiten: 242 ISBN: 978-3-426-78793-9

Inhalt:

“Mein Urgroßvater war ein begeisterter Radfahrer und besaß das größte Fahrradgeschäft in Bayern. Seine Tochter – meine Oma – lief noch im hohen Alter mit dem Schäferhund um die Wette, unterstützt von Krücken und dem Durchhaltevermögen aus zwei Weltkriegen. Ihr Sohn – mein Vater – fuhr Radrennen mit geplatztem Blinddarm, ging Langlaufen mit abgerissenem Bizeps und joggen mit gebrochenen Rippen. Sein Sohn – ich – wollte einfach nur Lego spielen …” 

Vater und Sohn erzählen von Hoffnung, Verweigerung, Lust und Leid am leistungssport – witzig, wahr und ein bisschen wahnsinnig. (Klappentext)

Rezension:

Neben Wildcampen ist Werner krappweis’ größte Leidenschaft Radrenn- und Skifahren und so muss auch sein Sohn Tommy mit ins Radrennlager seiner Sportgruppe, wo der Vater Jugendtrainer ist oder im Winter Skifahren, obwohl er lieber Lego spielen und sich kreativ “austoben” möchte. Das ist natürlich für den Vater kein richtiger Sport.

Vater und Sohn erzählen, wie auch schon im Vorgänger “Das Vorzelt zur Hölle” irrwitzige, abenteuerliche und gefährliche Geschichten von gemeinsamen und alleinigen sportlichen Unternehmungen, die es in sich haben. 

Der Leser staunt, in welche Situationen man geraten kann und vor allem, dass Werner Krappweis aus den meisten dieser “Unglücke” relativ unbeschadet herausgekommen ist. Wenn man “unbeschadet” übersetzt mit “allerhand Verletzungen aber doch lebendig”. 

Dabei meint man Seite für Seite die Situationen hautnah mitzuerleben und den Nervenkitzel, wahlweise die Schweisausbrüche nachfühlen zu können und ist zugleich dankbar, eben nur vom heimischen Lesesessel aus in Gedanken mitzureisen. Ob auf Skier oder dem Rennrad. 

Und so ist dem Sportverweigerer Tommy Krappweis und dessen Vater, einem ausgemachten Sport-Fanatiker, wieder ein wunderbares Buch über gemeinsam und doch unterschiedlich Erlebtes gelungen, welches für ein paar Stunden Unterhaltung sorgen kann.

Autor:

Tommy krappweis wurde 1972 in München geboren und arbeitet als Musiker, Comedian und Regisseur, Produzent und Autor. In der Schulzeit schrieb er erste Theaterstücke und Sketche für die Schulbühne, gründete eine Band und arbeitete nach seinem Abschluss in der Westernstadt “No Name City” als Stuntman. 

Er besuchte die Münchener Fachpberschule für Gestaltung und nahm erste kleinere Fernsehrollen an. Er arbeitete bei RTL Samstag Nacht und erfand die Kultfigur “Bernd das Brot”, für die er mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde.

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Antonia Hayes: Die relative Unberechenbarkeit des Glücks

Die relative Unberechenbarkeit des Glücks Book Cover
Die relative Unberechenbarkeit des Glücks Antonia Hayes blanvalet Erschienen am: 22.08.2016 Seiten: 461 ISBN: 978-3-7645-0575-2

Inhalt:

Der zwölfjährige Ethan hat ein paar ungewöhnliche Talente. Ohysik und Astronomie sind für ihn so selbstverständlich wie Lesen und Schreiben, und er sieht die Welt auf eine Weise, die anderen Menschen nicht begreiflich ist.

Die wichtigste Person in seinem Leben ist seine Mutter Claire, aber je älter Ethan wird, desto öfter fragt er nach seinem Vater, den er nie kennengelernt hat. Er weiß nicht, dass er als Baby beinahe gestorben wäre und sein Vater in der Folge verurteilt wurde. Doch dann setzt ein unerwartet eintreffender Brief eine dramatische Kette von Ereignissen in Gang… (Klappentext)

Rezension:

“Die relative Unberechenbarkeit des Glücks” ist ein Roman, den man beginnt und von den man von Anfang an weiß, dass man ihn so schnell nicht wieder aus den Händen legen wird. Und nach ein paar Seiten steht dann auch fest, dass es definitiv eines der Lese-Highlights des Jahres werden wird. Warum?

Weil die Geschichte so einfach, so genial und zugleich berührend ist, dass es einem förmlich vom Lesesessel hat. Antonia Hayes erzählt die Geschichte eines Kindes, dessen Leben auf einem Drama beruht, dessen sich in unserer rauen Wirklichkeit allzu viele wehrlose Babys ausgesetzt sehen und das macht sie so sympathisch, ohne erhobenen Zeigefinger, dass man nicht umhin kann, mit dem kleinen Protagonisten Ethan mitzufiebern auf seiner Suche nach Antworten auf die immer drängenderen Fragen, die er sich stellt. Davon hat er reichlich.

Warum bloß wächst er ohne Vater auf? Warum hat dieser seine Mutter verlassen und wie wäre es ein Vater zu haben? Woher hat er sein außerordentliches Physik- und Astronomieverständnis, welches ihn in der Klasse zum Außenseiter macht?

Und, könnte man mit einer Zeitreise die Katastrophe, die seine Eltern auseinander geführt und damit sein Leben schon in den ersten Lebensmonaten entscheidend beeinflusst hat, rückgängig machen?

Die australische Autorin hat mit ihrem debüt einen großartig wunderschön erzählten Roman vorgelegt, der es in sich hat und nicht nur für Physik- und Astronomieliebhaber geeignet ist. Details aus diesen Fachgebieten ziehen sich, abseits des langweiligen und manchmal anstrengenden Schulwissens durch das Buch ohne einen negativen Effekt zu haben.

Und dabei bleibt sowohl Ethan keinesfalls ein Nerd, sondern eher ein sympathischer freundlicher Junge mit ungewöhnlichen Interessensgebiet, sowie auch seine gesamte Umgebung mit all ihren Ecken und Kanten positiv besetzt ist. Selbst seinem Vater Mark, der für das auslösende Moment, die Katastrophe, verantwortlich ist, kann man irgendwie nicht böse sein.

Gleichwohl führt Hayes die Thematik nicht ad absurdum. Tatsächlich ist es eine interessante Art und Weise, hier ein ernstes Ereignis anzusprechen ohne die Betroffenen zu verschrecken. Dies zu schaffen ist eine unglaubliche Stärke, die Antonia Hayes hier schriftstellerisch zeigt.

Für alle Leser, die ihre Kaninchen auf Zeitreise schicken möchten, sei diese Geschichte eine Warnung. Natürlich können “Quarks nur durch Antiquarks zerstört werden”, aber einfach ein Name schützt eben noch lange nicht.

Allen anderen ist dieses Buch als wundervoller Roman zu empfehlen, den man von der ersten bis zur letzten Seite genießen und gerne lesen wird. Physik und Astronomie sind cool und Kinder, egal ob normal oder unnormal, sind das Größte.

Von der wunderbaren Gestaltung des Covers, die ich in der deutschen Variante bisher am gelungensten finde, bis hin zum letzten Satzzeichen, ist “Die relative Unberechenbarkeit des Glücks” von Antonia Hayes ein unvergleichliches Stück Literatur, welches hoffentlich viele Leser finden wird.

Hoffen wir, dass die schriftstellerische Tätigkeit der Autorin nicht genau so unberechenbar ist und wir noch einiges von ihr lesen werden können.

Autorin:

Antonia Hayes wurde in Sydney geboren, arbeitete und lebte in Paris, heute in San Francisco/USA. Sie schrieb Geschichten und Kolumnen für zahlreiche Magazine, bevor sie als Publizistin in der Verlagsbranche und als Buchhändlerin arbeitete.

Ihr Debütroman “Die relative Unberechenbarkeit des Glücks” erschien 2015 in Australien, bevor es in mehrere Sprachen übersetzt wurde. 2016 erschien die deutsche Übersetzung.

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