Mut

Birge Tetzner: Fred bei den Wikingern

Inhalt:
Irgendwo an einem Fjord in Dänemark lebte vor vielen, vielen Jahren der Wikingerjunge Ivar. Der Tag, an dem Fred zu ihm kommt, ist für Ivar ein trauriger Tag: Odin hat seinen Vater nach Walhall geholt – und das Dorf hat keinen Anführer mehr. Ivar muss ein schweres Erbe eintreten.

Wie soll er jemals ein so großer Krieger werden, wie sein Vater es war? Fred wird Ivar ein treuer Freund. Doch als der streitsüchtige Jarl Eirik sich rüstet, Ivars Dorf anzugreifen, brauchen die beiden schnell einen guten Plan. Fast ein Jahr bleibt Fred bei den Wikingern. Er hört die nordischen Sagas von Odin, Thor und Loki. Er lernt den Bootsbauer Harald kennen und erfährt von ihm, wie die Wikinger ihre schnellen Langschiffe bauten. Er trifft den grimmigen Knut (den er lieber nicht getroffen hätte) und die Seherin Thorbjörk. Bevor ein Jahr vergangen ist, warnt sie ihn, muss er die Wikinger wieder verlassen haben. Sonst wird es ihm nicht mehr gelingen. (Klappentext)

Rezension:
Nach Dänemark soll es gehen, doch als Freds Opa seinem Enkel mit auf die Reise nimmt, reist dieser gleich viel weiter. Ins Wasser, durch die Zeit gefallen, taucht der Junge in der Welt der Wikinger wieder auf, wo er doch eigentlich nur einen Ausflug auf einem nachgebauten Wikingerschiff unternehmen wollte. Ivar, dem Sohn des im Kampf gefallenen Stammesführers zum Geschenk gemacht, freundet dieser sich mit ihm an, als die Dorfgemeinschaft vor einer entscheidenden Auseinandersetzung steht. Nicht nur für Fred, der so das Leben und die Sagen der Wikinger kennenlernt, wird diese zu einer großen Herausforderung werden.

Buchtrailer zu „Fred bei den Wikingern“, von Birge Tetzner. (Quelle: Youtube ultramar media)

Das neu überarbeite Kinderbuch von Birge Tetzner entführt seine jungen Lesenden wieder einmal in ein spannendes Reiseabenteuer durch die Geschichte. Dabei ist diese vieles. Abenteuergeschichte, eine Erzählung über Freundschaft, Mut, Vertrauen und Gemeinschaft, zugleich jedoch auch Wissensvermittlung, wie sie spannender nicht sein könnte, ohne erhobenen Zeigefinger.

„Fred bei den Wikingern“ wirkt dabei auf mehreren Ebenen. Da wäre zunächst einmal die Geschichte selbst, die nicht nur mit den wunderbaren kräftigen Illustrationen von Karl Uhlenbrock aufwarten kann, sondern Protagonisten folgen lässt, die man sich sehr gut vor dem inneren Auge vorstellen kann. Mit den beiden Hauptfiguren, die man einfach nur gerne haben mag, kann sich die Zielgruppe wunderbar identifizieren. Junge Lesende dürften sich ernst genommen fühlen.

Ernste Fragestellungen, manchmal fast philosophische, werden hier auf Augenhöhe verhandelt und doch leicht verständlich vermittelt. Diesen müssen sich Fred und sein neuer Freund Ivar stellen, wie auch den erwachsenen Protagonisten, die ihrerseits mit Ecken und Kanten versehen sind und den fremden Jungen nach und nach in die Gemeinschaft aufnehmen und ihre Welt erklären. Passend zu den einzelnen Kapiteln wechselt das Erzähltempo. Man kann sich das gut als Hörspiel (was auch existiert) vorstellen. Eine sehr lebendige Sprache lässt sowohl Protagonisten und Landschaftsbilder vor dem inneren Auge entstehen.

Man fiebert mit Fred und den Wikingern mit. Werden diese den gefürchteten Jarl Eirik besiegen? Und wird Fred einen Weg finden, wieder in seine Welt zu gelangen? Letztere Frage schwingt immer mit, gleichzeitig möchte man jedoch mehr über die Welt der Wikinger erfahren. Auch das funktioniert sehr gut mit der Lektüre. Immer wieder gibt es an den Seitenrändern gut aufbereitete Wissenstexte, die verständlich formuliert sind. Autorin und Illustrator merkt man dabei viel Liebe zur Recherche und zum Detail an. Das beginnt mit der beinahe exakten Darstellung des Wikingerschiffmuseums Roskilde, bis hin zu den unterstützenden Informationstexten, die, als wäre das nicht schon genug, auch noch durch ein umfangreiches Glossar anhängt, welches ebenfalls kindgerecht aufbereitet ist.

Als spannende Abenteuergeschichte, Wissensvermittlung oder einfach nur zum Vorlesen, in die Illustrationen versinkend funktioniert „Fred bei den Wikingern“, dessen Hauptprotagonist in anderen Werken schon in die Eiszeit oder ins alte Rom hinein gereist ist, auch über die Zielgruppe hinaus. Und das ist einfach wunderbar.

Hier gehts zum Wikingerschiffsmuseum Roskilde: Hier klicken.

Autorin:
Birge Tetzner ist Kunsthistorikerin, Autorin und Sprecherin. Sie spricht Reportagen, erstellt Interviews und verfasst Nachrichten, ist Autorin für Museen, Ausstellungen und Kinder(hörbüchern. Im Verlag ultramar media erscheinen von ihr Bücher und Hörbücher für Kinder.

Illustrationen:
Karl Uhlenbrock ist Illustrator und Designer für Kinderbücher, Museen und Unternehmen.

Der virtuelle Spendenhut

Dir hat der Beitrag gefallen? Dann freue ich mich über eine virtuelle Spende. Vielen lieben Dank.

Birge Tetzner: Fred bei den Wikingern Weiterlesen »

Sibylle Berg/Julius Thesing: Mein ziemlich seltsamer Freund Walter

Inhalt:
Lisa ist nicht besonders glücklich. Sie glaubt, sie sei selber schuld daran, dass keiner sie mag. Sie könnte vielleicht einen Außerirdischen als Freund haben. Einen, der freundlicher wäre, als die Menschen um sie herum. An einem Mittwochabend im November landet tatsächlich ein Ufo hinter ihrem Haus. Ein Außerirdischer steigt aus. (Klappentext)

Rezension:

Immer wieder versuchen sich Schreibende abseits ihrer üblichen Pfade, zunehmend auch im deutschsprachigen Raum, wo das Durchbrechen, zumal unter Klarnamen immer noch schwierig zu sein scheint. Warum auch immer? Um so schöner, wenn es denn gelingt, vor allem mit einer Geschichte, an der man alles einfach nur liebhaben mag und man den Machern ihre Begeisterung einfach abnimmt.

Sibylle Berg erzählt im vorliegenden Werk eine Geschichte über Freundschaft und Mut, über Zusammenhalt und davon, dass sich Dinge auch zum Positiven ändern können. Selbst, wenn man nicht mehr daran glaubt. Und vor allem hat sie eine wichtige Botschaft für ein junges Lesepublikum. Auch du kannst Dinge bewirken, ändern und auch, wenn manches trostlos und nicht einfach erscheint, bist du nicht schuld. Etwas, was uns gegenüber Kindern oft genug verloren geht, dies ihnen zu versichern.

Das verpackt sie in eine phantastische Geschichte a la Alf, eines Außerirdischen, nur halt ohne Fell, der in diesem Falle auf der Erde von seiner Reisetruppe praktisch vergessen wird, der auf Lisa trifft, einem kleinen Mädchen, die mit ihrem Interessen und Wissen aneckt, sich täglich vor einer Gruppe Jugendlicher auf den Schulweg ducken muss und Eltern hat, die sich scheinbar nicht wirklich für sie interessieren.

Stoff genug für eine kleine Erzählung, in der der Außerirdische mit seltsamen Namen, der von Lisa der Einfachheit halber Walter genannt wird, ein wirklicher Freund und Helfer ist.

Sybille Berg durchbricht Klischees und zeigt, wie toll moderne Geschichten für Kinder sein können, ohne den erhobenen Zeigefinger stets vor Augen zu haben und doch augenöffnend zu sein. Eine Geschichte, deren beider Hauptcharaktere man einfach liebgewinnen muss, zudem wunderbar visualisiert.

Die witzigen comichaften Illustrationen von Julius Thesing durchbrechen den Text und lockern auf. Fast fühlt man sich da an „Gregs Tagebuch“ erinnert, nur ist diese Erzählung noch mehr zum Zusammenlesen oder gar erstes Selbstlesen geeignet. Für die Zielgruppe sicher genau die richtige Mischung und der einen oder anderen Frage, die sich manches Kind stellen dürfte.

Es ist nichts negatives hier dran zu entdecken, viel mehr wünscht man sich von mehr Schreibenden den Sprung ins kalte Wasser mit Geschichten für die ehrlichste Zielgruppe, die es gibt. Sibylle Berg ist dies gelungen. Und wer weiß schon, vielleicht besucht gerade irgendwo ein Außerirdischer die Erde und hilft einem Kind, an sich zu glauben und über sich hinaus zu wachsen.

Autorin:
Sybille Berg wurde 1962 in Weimar geboren und ist eine deutsch-schweizerische Schriftstellerin. Sie veröffentlichte über 30 Theaterstücke und 18 Romane, zahlreiche Anthologien und Hörspiele. Ihre Arbeit wurde in über dreißig Sprachen übersetzt. Für ihren Roman „GRM – Brainfuck“ erhielt sie den Schweizer Buchpreis, sowie für ihr Werk 2020 den Grand Prix Literatur. 2024 wurde sie in das EU-Parlament gewählt.

Illustrationen:
Julius Thesing, 1990 geboren, hat an der Münster School of Design Illustration studiert. 2020 schloss er sein Bachelor-Studium mit seinem viel beachteten Comicroman-Debüt »You Don’t Look Gay« ab. Er arbeitet als festangestellter Designer und freiberuflicher Illustrator in Münster.

Der virtuelle Spendenhut

Dir hat der Beitrag gefallen? Dann freue ich mich über eine virtuelle Spende. Vielen lieben Dank.

Sibylle Berg/Julius Thesing: Mein ziemlich seltsamer Freund Walter Weiterlesen »

Rüdiger D.C. Kinting: Mein Freund Ybor

Inhalt:

Der elfjährige Felix bekommt von seinem Vater einen Roboter geschenkt. Den möchte er für seine Klasse beim Robotik-Wettbewerb antreten lassen – obwohl er von seinem Mitschüler Angus eingeschüchtert und bedroht wird. Doch „Ybor“, wie Felix den echten Roboter vom Planeten Origan nennt, hilft ihm dabei, an sich selbst zu glauben. Und so hält Felix an seinem Plan fest. Als Ybor am Tag vor dem großen Wettbewerb spurlos verschwindet, ist Felix verzweifelt. Ist Ybor weggelaufen? Oder steckt Angus hinter der Entführung?
(Klappentext)

Rezension:

Eine Geschichte über Freundschaft und Mut präsentiert uns Rüdiger D. C. Kinting mit seinem neuen Kinderbuch „Mein Freund Ybor“, in welchem ein kleiner Roboter seinem menschlichen Freund Felix hilft, über sich hinauszuwachsen. Dabei sieht sich der Elfjährige gegenüber der großen Schwester benachteiligt und von seinem Klassenkameraden Angus drangsaliert, wieder einmal im Hintertreffen, als es um die Teilnahme seiner Klasse an einem Robotik-Wettbewerb geht.

Schließlich würden sie ohnehin den Roboter von Angus nehmen, der sich mit dem Geld seines Vaters stets das Beste und Neueste leisten kann. Als sein Vater jedoch einen Blechroboter von der Arbeit mit nach Hause bringt und dieser schließlich von den Klassenkameraden zur Teilnahme ausgewählt wird, ändert sich alles. Bis Ybor plötzlich verschwindet. Schon da muss Felix über sich hinauswachsen. Ohne zu ahnen, dass seine größte Herausforderung noch bevorsteht.

Dieses feine Kinderbuch kommt zunächst in ruhigen Tönen daher und schafft gleich zu Beginn einen sympathischen Zugang zu den beiden Hauptprotagonisten, die einander kennenlernen und dem menschlichen Part nach und nach aufzeigen, dass nichts in Stein gemeißelt ist, auch und schon gar keine Rangordnung in Klassenzimmer, dass es sich lohnen kann, mutig zu sein. Ohne erhobenen Zeigefinger, in klarer Sprache, baut der Autor dabei nach und nach seine Figuren auf und versieht sie mit Ecken und Kanten. Die junge Leserschaft darf hinter die Kulissen schauen. Auch scheinbare Antagonisten haben nachvollziehbare Gründe für ihr Handeln. Auch innerhalb dieser überschaubaren Seitenzahl der leicht zugänglichen Kapitel handelt niemand einfach so.

Der Autor nimmt seine junge Leserschaft, von der man sich nur wünschen kann, dass sie zahlreich werden möge, ernst und erzählt eine Geschichte von wenigen Tagen, in denen sein Protagonist nicht nur Ängste überwinden muss. Dabei wechseln stets ruhige mit spannungsreichen Momenten ohne unlogische Brüche oder Längen entstehen zu lassen. Das führt wiederum dazu, dass man auch als Erwachsener nicht gelangweilt wird. Ein kleiner Kinderroman, der sich gut zum Vorlesen eignet, ist „Mein Freund Ybor“ auch.

Der psychische Wandlungsprozess der Hauptfigur ist schön gestaltet, ebenso wie die Zeichnungen, die die Erzählung illustrieren und ebenso Kintings Feder zuzuschreiben sind. Für Kinder nachvollziehbar ist die Geschichte durch die aufgebauten Szenarien. Viele werden wohl den Klassenbully kennen, schulische Wettbewerbssituationen oder, wenn sonst nichts schief geht, große nervige Geschwister. Mehr braucht es nicht für ein Abenteuer, oft genügen diese Faktoren jedoch für Herausforderungen, die für Erwachsene vielleicht nicht gerade groß, für Kinder manchmal um so mehr unüberwindbar scheinen.

Dies in kindgerechter Sprache zu verpacken, ohne moralische oder andere Holzhammer auszupacken, ist in „Mein Freund Ybor“ gelungen. Manche Elemente mögen bekannt vorkommen, aber das macht nichts, wenn das Gesamtpaket stimmt. Wen das nicht reicht, der kann sich dann selbst einen kleinen Roboter basteln. Die Anleitung für Ybor wäre auf der Autoren-Seite zu finden.

„Mein Freund Ybor“ ist ein liebevolles Kinderbuch, welches nicht nur seinen Protagonisten über sich hinauswachsen lässt. Nebst Sterne auch ein großes Herz dafür.

Autor:
Rüdiger wurde in Offenburg geboren und studierte Deutsche Philologie, Musik- und Erziehungswissenschaften in Heidelberg. Schon seit seiner Schulzeit schreibt und komponiert er und war zweifacher Preisträger des »Landeswettbewerbes Deutsche Sprache und Literatur Baden-Württemberg«. Seit 2015 veröffentlicht er Kurzgeschichten, Märchen und Bücher im Selfpublishing (http://www.ruedigerkinting.de). Seine Geschichten enthalten meist phantastische Elemente. Hauptberuflich arbeitet Rüdiger in einer Digitalagentur in Mannheim.

Der virtuelle Spendenhut

Dir hat der Beitrag gefallen? Dann freue ich mich über eine virtuelle Spende. Vielen lieben Dank.

Rüdiger D.C. Kinting: Mein Freund Ybor Weiterlesen »

Eloy Moreno: Unsichtbar

Inhalt:

Wer hat sich nicht schon einmal gewünscht, unsichtbar zu sein? Wer hat sich nicht schon einmal gewünscht, es nicht mehr zu sein?

Das Problem ist, dass ich diese Kraft nie richtig im Griff hatte: Ausgerechnet dann, wenn ich schrecklich gern unsichtbar sein wollte, haben mich manchmal jede Menge Leute gesehen. Wenn ich dagegen von allen gesehen werden wollte, war meinem Körper nach Verschwinden zumute.

Emotional, berührend, anders … Der spanische Bestsellerautor Eloy Moreno erzählt aus unterschiedlichen Perspektiven die Geschichte eines Jungen, die jedem von uns auch hätte passieren können. (Klappentext)

Rezension:

Nicht nur ein Jugendbuch liegt mit „Unsichtbar“ vor, der Text des spanischen Schriftstellers Eloy Moreno, tatsächlich ist es eine Geschichte, wie sie uns allen passieren könnte, in der einen oder anderen Form, unabhängig von Alter oder Ausgangspunkt. Der Autor erzählt vom Endpunkt an und schaut in mehreren Perspektiven zurück auf die Anfänge eines durchschnittlichen Jungen, der zunächst nicht ahnt, schon bald Zielscheibe des Klassenmobbers zu sein.

Angriffsfläche bietet der namenlose Erzähler nur wenig, ein einfaches Wort reicht, um eine Spirale der Gewalt in Gang zu setzen, die sich zunächst in kaum bemerkenswerten Nadelstichen äußert, bis es irgendwann in die große Katastrophe mündet, an deren Endpunkt der Protagonist und seine Umgebung zurückschauen.

„Warum lässt du es dir wegnehmen?“, […] fragten mich manche meiner Mitschüler.
Warum helft ihr mir nicht?, dachte ich.

Eloy Moreno: Unsichtbar

Diese Perspektivwechsel, schon die Umkehrung des Erzählstranges machen die Lektüre zu etwas besonders Eindrücklichen und schaffen eine Atmosphäre, derer man sich nicht entziehen kann, sorgen jedoch auch dafür, dass man sich für einen kurzen Moment zunächst einfinden muss, um die einzelnen Figuren klar auseinanderhalten zu können. Dabei hilft, die Hauptfigur wird im Gegensatz zu den anderen Protagonisten nie namentlich benannt, selbst als alle ihn, sein Leid sehen, oder dessen Finalität, bleibt er in gewisser Weise unsichtbar, während er selbst um so klarer sieht.

Eloy Moreno schafft es durch eine die Taktung kompakter Kapitel eine Dynamik und ein schnelles Erzähltempo zu erreichen, welches unterstreicht, wie schnell man sich in eine Position hineingezogen sieht, aus derer man ohne Hilfe nicht mehr herausfinden vermag.

„Was für eine Geschichte erzählst du mir heute?“, fragt ihn seine Schwester, während sie sich an seine Brust kuschelt. „Die von einem Jungen, den niemand lieb hatte“, antwortet er mit flackernden Augen. Er denkt, wenn das Licht aus ist, wird sie seine Tränen nicht bemerken. „Niemand hatte ihn lieb?“ „Nein, Luna, niemand hatte ihn lieb …“

Eloy Moreno: Unsichtbar

Die Ungeheuerlichkeit wird dadurch verstärkt, dass auch die Dilemma der Umgebung beleuchtet wird, die nicht sehen möchte aber genug begreift, um selbst einer Konfrontation aus dem Weg zu gehen, dabei das Opfer den Mobbenden jedoch zum Fraß vorzuwerfen. Aber auch dieser Perspektive schafft es der Autor eine Form zu geben, wie es zuletzt nur Raquel J. Palacio in den Zusatzbüchern zu „Wunder“ gelungen ist, einen ebenfalls in diese Kerbe hineinschlagenden Roman.

Der erzählte Zeitraum ist unbestimmt, jedoch kann es sich um kaum mehr als ein paar Monate handeln. So viel wird zumindest deutlich. Die auf den Punkt gehaltene Tonalität gibt den Figuren Konturen und viele Grautöne, die aufzeigen, dass eben nicht nur der Mobbende allein sich schuldig macht und das Opfer selbst nie schuldig ist.

Der Spiegel ist der einzige Zeuge der Ereignisse; der Einzige, der nicht lügt, der sich nicht verstellt, der ihm die Wirklichkeit zeigt, auch wenn sie weh tut […]

Eloy Moreno: Unsichtbar

Das macht es so leicht, sich in den Protagonisten und seine Umgebung hineinzuversetzen, egal ob wir selbst einmal Opfer, in welcher Form auch immer, waren oder beteiligt gewesen sind, als Mobbende oder Mitlaufende, die eine Eskalation nicht verhindert haben. Das, unterstreicht Moreno, ohne erhobenen Zeigefinger, ist mindestens genau so schlimm und macht etwas mit der Gefühlswelt eines Lesenden, wenn man der Sogwirkung dieser Erzählung erlegen ist.

Die Umkehrung der Erzählung und die Perspektivwechsel, vor allem die der Hauptfigur, die sich in eine Traumwelt flüchten muss, um irgendwie zu überleben, ist zwar in ihrer Art und Weise selten, gerade im Jugendbuchbereich, doch in sich schlüssig. Logikfehler und fehl wirkende Brüche gibt es da nicht. Zu viel kennt man an solchen Geschichten, die man nicht müde werden darf zu erzählen.

„Aber ich tauge doch zu nichts“, flüstert er ihr zu, „ich bin doch nur im Weg, alle lachen über mich, ich verstehe nicht, wozu ich überhaupt auf der Welt bin …“

Eloy Moreno: Unsichtbar

Jeder Prozentpunkt, schon gemobbter Kinder und Jugendlicher, die zum Äußersten greifen, da sie unsichtbar ob ihrer Situation bleiben, ist einfach zu hoch. Wir, so die Botschaft von Moreno, sehen viel zu häufig weg, wo ein Hinsehen und Handeln erforderlich wäre, selbst wenn wir eindeutige Zeichen bemerken. Dieser Rahmen wird in Form von Tipps nach Ende der Geschichte nochmals aufgegriffen. Eine Pflichtlektüre für alle sollte „Unsichtbar“ sein.

Auch ohne eigene ähnlich geartete Geschichte entfaltet der Text bei Lesenden seine Wirkung, doch ist die Ebene nochmals eine andere, hat man selbst ähnliches erlebt, wie der Protagonist, der für andere bis zur Eskalation unsichtbar bleibt.

Die Wucht der Erzählung ist dann um so stärker. Bis zu einem gewissen Punkt war auch der Schreiber dieser Rezension (und ich schreibe von mir in der dritten Person, da es mir hier so leichter fällt) dieser Junge, der ähnlich drangsaliert wurde, dessen Weg jedoch eine andere Abzweigung genommen hat. Der zeitliche Abstand zur eigenen Situation hat jedoch auch dazu beigetragen, dass die Lektüre nicht gänzlich aus der Bahn werfend wirkt.

Es verging noch ein Tag, an dem sie mir nichts taten, und noch einer … aber ab dem dritten ging alles wieder los. Beim Reinkommen ins Klassenzimmer bekam ich ein Bein gestellt und fiel hin, zum Gelächter oder Schweigen der anderen – beides tat gleich weh.

Eloy Moreno: Unsichtbar

Aber auch sonst kann man sich das alles bildlich vorstellen. Viele Worte benötigt der Autor nicht, um dies zu schaffen. Moreno weiß, wo Beschreibungen der Geschichte zu Gute kommen, wo Auslassungen ein Kopfkino und nachdenkliche Momente schaffen. Man möchte die Umgebung des Protagonisten anschreien, aufrütteln.

Der Roman wird sowohl in Spanien als auch sonst als Jugendbuch gelabelt, ist es jedoch wert, unabhängig davon, alleine der Thematik wegen, von allen gelesen zu werden. Moreno hat mit „Unsichtbar“ nicht nur eine Erzählung geschaffen, die zur Pflichtlektüre in Klassenzimmern werden sollte, sondern eine All-Time-Geschichte, die unter die Haut geht. Und dort bleibt.

Das ist so, weil jeder solch eine Situation kennt, eben da zu allen Zeiten jeder irgendwo wunde Punkte hat oder Angriffsflächen bietet, die zur Zielscheibe werden können. Moreno macht ebenso deutlich, dass, wo keine sind, eben welche herbei erfunden werden und auch dadurch Mobbing-Situationen hervorgerufen werden können.

Da wird ihr klar, dass man nichts Besonderes tun muss, um ein Monster zu sein, dass es manchmal schon reicht, überhaupt nichts zu tun.

Eloy Moreno: Unsichtbar

Eine große Stärke, dieses Textes, der nicht alleine Lese-Highlight ist, sondern ein Aufruf, zu handeln. Der Protagonist ist ungefähr 13 oder vielleicht 14 Jahre alt, eine Lektüreempfehlung kann man, so denke ich bereits schon ab 12 Jahren oder noch eher geben. Dazu ist die Thematik einfach viel zu wichtig und immer noch zu selten im Fokus der Öffentlichkeit.

Eloy Moreno hat mit „Unsichtbar“ ein Jugendbuch geschaffen, welches über diese Genregrenze hinaus funktioniert, auch über Landesgrenze. Mobbing ist ja leider universell. Diese Erzählung mit etwas anderem als der Höchstwertung zu versehen, grenzt an Blasphemie. Es wäre zudem wünschenswert, wenn noch weitere Werke dieses Autoren ins Deutsche übersetzt werden würden. Gleichwohl ist es natürlich schwer, dies noch zu toppen.

Autor:

Eloy Moreno wurde 1976 geboren und arbeitete zunächst als Informatiker, bevor er begann Bücher zu schreiben. Sein erstes Werk erschien im Selbstverlag, danach veröffentlichte er weitere Bücher, die in Spanien allesamt zum Bestseller avancierten. Er wurde mehrfach ausgezeichnet. „Unsichtbar“ ist sein erster ins Deutsche übersetzte Roman.

Der virtuelle Spendenhut

Dir hat der Beitrag gefallen? Dann freue ich mich über eine virtuelle Spende. Vielen lieben Dank.

Eloy Moreno: Unsichtbar Weiterlesen »

Entengrütze und der Geruch von Erdbeeren

Mit den Fingern streiche ich vorsichtig über das Papier, erfahre Glätte und Unebenheiten, an einer Stelle ist das Papier rauh. Ich reibe vorsichtig zwei Finger aneinander, und verbinde fortan einen neuen Geruch mit Büchern, der so zuvor noch nicht mit ihnen in Verbindung stand. Der Duft von frischen Erdbeeren steigt mir in die Nase, ein Gefühl von Sommer kommt auf, doch schaue ich durch das Fenster sehe ich das Wetter unschlüssig, öffne ich das Fenster kommen mir die Gerüche (und der Lärm) der Straße entgegen. Ich wohne inmitten der Stadt.

Der Sommer existiert plötzlich nur noch auf den Papier.

Ein Kinderbuch aus Lettland ist es, was dieses Hin und Her auslöst. Geschrieben hat es die Autorin Lote Vilma Vitina, auch die liebevollen Illustrationen stammen von ihr. Erschienen ist „Der kleine Dichter und der Duft“, in der deutschen Übersetzung von Lil Reif bei Mirabilis. Der Dichter folgt einer Wolke nach draußen, Gerüche inspirieren ihn. Die mich in den Sommer versetzende Erdbeere duftet tatsächlich. Im Vorsatzpapier ist sie zu finden.

Im Frankfurter Ostpark geht es nicht ganz so idyllisch zu. Enten und Nilgänse sind sich nicht grün, da kann noch so viel Entengrütze für alle vorhanden sein. Missgunst bestimmt den Tag. Schnell geraten die schöne Gans Nilgül und der schlaue Enterich Hausen zwischen die Fronten ihrer Vogelscharen. Es wäre doch einfacher für alle, an einem Strang zu ziehen. Nur, wie zusammenfinden, wenn vermeintliche Unterschiede als kaum zu überwindende Barrieren erscheinen? Doch Freundschaft und Zusammenhalt können viel bewirken.

Liebevoll illustriert von Viktoria Wagner erleben „Nilgül und Hausen“ in der Geschichte aus der Feder von Riccarda Gleichauf dieses große Abenteuer. Und alle kleinen Leser und Leserinnen (oder allen, denen diese wunderschöne Geschichte vorgelesen wird) können sich nicht nur an den Ententeich träumen, die beiden Hauptfiguren laden auch zum Singen ein. Drei Lieder, abrufbar bei Youtube oder per QR-Code runden Text und Bild ab. Dieses Kinderbuch ist interaktiv, im besten Sinne.

Geschichten für die Kleinsten, interaktiv oder haptisch erlebbar, so lieb, dass ich keine Sterne-Bewertung, sondern einfach nur beide Bücher allen ans Herz legen möchte, die gerne ihre oder andere Kinderbuchregale sinnvoll auffüllen möchten. Wer kann schon etwas gegen dönerfutternde Enten sagen oder Erdbeeren?

Der virtuelle Spendenhut

Dir hat der Beitrag gefallen? Dann freue ich mich über eine virtuelle Spende. Vielen lieben Dank.

Entengrütze und der Geruch von Erdbeeren Weiterlesen »

Raquel J. Palacio: Pony

Inhalt:
Silas muss hilflos mit ansehen, wie eines Nachts drei Fremde auftauchen und seinen Vater entführen. Als am nächsten Tag ein geheimnisvolles Pony vor seiner Tür auftaucht, weiß Silas, was er zu tun hat: Er begibt sich auf eine abenteuerliche Reise, um seinen Pa zu finden – eine Reise, auf der er es mit unerwarteten Gefahren, gut gehüteten Familiengeheimnissen und den Geistern der Vergangenheit zu tun bekommt. (Klappentext)

Rezension:

Vieles ist besonders an Silas, der allein mit seinem erfinderischen Vater auf einer Farm lebt. Der intelligente, aber zurückhaltende Junge hat einst einen Blitzschlag überlebt. Seit dem ist das Abbild eines Baumes auf seinem Rücken zu sehen, bei dem er vor dem Gewitter Schutz suchte. Auch sein einziger Freund ist besonders.

Ein Geist, den nur Silas selbst sehen kann. Lange sind es glückliche Tage, in denen Vater und Sohn für einen Wettbewerb versuchen, das beste Foto vom Mond zu schießen, doch eines Tages wird Silas‘ Vater von zwei Männern entführt. Der Junge nimmt all seinen Mut zusammen und begibt sich auf eine Reise, nach der nichts mehr so sein wird, wie zuvor.

Der neue Roman der Jugendbuchautorin Raquel J. Palacio entführt uns in eine Zeit voller Pioniergeist, jedoch auch kurz vor Ausbruch des amerikanischen Bürgerkriegs und in ein großes Abenteuer. Der mystisch angehauchte Roadtrip zu Pferde erzählt von einer Suche, auf der der kleine Protagonist nur eines finden wird. Sich selbst. Dabei verwebt die Schriftstellerin Fiktion und Realität, zusammen mit ihrer Liebe zur Fotografie. In spannend angehauchten Kapiteln erzählt die Autorin diese wundersame Geschichte, die eine gänzlich andere Tonalität anschlägt, als zuvor ihr fulminanter Debütroman.

Das muss man mögen, doch sind die Ansätze, in die Geschichte hineingezogen zu werden, von Beginn an vorhanden. Der kleine Hauptprotagonist, ein phantasiebegabtes und intelligentes Kind, hält sich nicht für mutig, wächst jedoch im Verlauf der Handlung immer wieder über sich hinaus. Palacio hat offenbar ein Händchen für sich wandelnde Kindercharaktere, mit denen sie ein Identifikationspotential schafft, welches über die gesamte Lektüre trägt.

Das ist auch notwendig. Immer wieder entstehen einzelne Längen, da Übergänge teilweise holprig wirken und die Verbindung zwischen Mystik und Realität, eingewoben in dieser fiktionalen Geschichte nicht immer stimmig daherkommt. Klar definierte Antagonisten stehen im Gegensatz zu Charakteren, die dem Zwölfjährigen im Verlauf der Handlung zu Verbündeten werden. Palacio hat mit dieser Mischung eine Geschichte geschaffen, die vom Über-sich-hinaus-wachsen ebenso erzählt, wie von der Verbindung zwischen Vergangenheit und Zukunft, was einem mit Silas, dessen Gefühlswelten umhergeworfen werden, mitfühlen lässt.

Im Gegensatz zu „Wunder“ behalten wir die Perspektive des Hauptprotagonisten bei, sein für die anderen Charaktere unsichtbarer Freund Mittenwool dient sowohl als Rat- als auch Impulsgeber. Natürlich ist, abgesehen von den mystischen Elementen, die Geschichte insgesamt sehr generisch erzählt. Wendungen wirken aus der erwachsenen Sicht heraus sehr gewollt, funktionieren jedoch im jüngeren Lesealter sicher besser. Trotzdem schafft es die Autorin sowohl Protagonisten als auch Schauplätze vor dem inneren Auge entstehen zu lassen. Eine Pferdegeschichte für Jungen hat man zudem ja auch nicht so häufig.

Sprachlich gibt es keinerlei Besonderheiten, dafür ganz viele Anspielungen auf Literatur oder die Geschichte der Fotografie, die die Autorin selbst im Nachwort erläutert. Jedes Kapitel wird zudem mit einem Foto eingeläutet, was das Ganze abrundet. Palacio hat mit ihrem Roman nicht das Level ihres Debüts halten können. Zu schnell verflüchtigt sich diese Geschichte, auch fehlt es diesem Western für Kinder etwas zu sehr an Tempo. Für die Zielgruppe ist dies jedoch vielleicht ausreichend.

Autorin:
Raquel J. Palacio ist das Pseudonym von Raquel Jaramillo, einer amerikanischen Verlegerin und Autorin. Sie wurde 1963 geboren und arbeitete zunächst als Art-Direktorin, Illustratorin und Buchcover Design und veröffentlichte verschiedene Kinder- und Jugendbücher, seit 2006 beim New Yorker Verlag Workman, für den sie seit dem in verschiedenen Positionen tätig war. 2013 war sie Jurymitglied des Kinder- und Jugendprogramms des Internationalen Literaturfestivals Berlin. Ein Jahr zuvor veröffentlichte sie ihr erstes eigenes Werk „Wunder“, welches in mehreren Sprachen übersetzt und verfilmt wurde. 2014 wurde sie mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet.

Der virtuelle Spendenhut

Dir hat der Beitrag gefallen? Dann freue ich mich über eine virtuelle Spende. Vielen lieben Dank.

Raquel J. Palacio: Pony Weiterlesen »

Andreas Steinhöfel/Melanie Garanin: Völlig meschugge?!

Inhalt:

Benny, die Umweltaktivistin Charlie und Hamid, der 2015 als Flüchtlingskind aus Syrien kam, sind dickste Freunde. Nichts kann sie auseinander bringen. Nichts? Als Benny von seinem Opa eine Kette mit Davidstern erbt, finden die drei sich in einem Strudel aus Antisemitismus, Mobbing und Gewalt wieder, der sie mit sich reißt und ihre Freundschaft zu zerstören droht. (Klappentext)

Rezension:

Die Geschichte der drei Freunde beginnt mit ihrem Ende. Der zwölfjährige Benny wird verletzt aufgefunden, aus einer alten Höhle geborgen, in der er zuvor gestürzt war. Noch einmal ist er mit den Schrecken davongekommen, doch was war zuvor passiert? Eine beeindruckende Graphic Novel ist hier parallel zur gleichnamigen Jugendserie der Fernsehsender ZDF und Kika erschienen, die mit ihrem Inhalt das Werk in die Reihe der Bücher gegen das Vergessen rückt.

Erzählt wird die Geschichte dreier Freunde. Benny ist Mittelpunkt der Gruppe, sportlich und mitreißend. Charlie gehört nicht nur die Modelleisenbahn, um die sich die Gruppe regelmäßig versammelt, in gelben Gummistiefeln engagiert sich die Vegetarierin zudem für Umwelt- und Naturschutz. Der Dritte im Bunde ist Hamid, der 2015 mit seiner Familie aus Syrien nach Deutschland kam und seine Gedanken und Gefühle in Zeichnungen verarbeitet.

Nichts kann die drei auseinander bringen, doch in der weiterführenden Schule geht es rau zu. Handys verschwinden, Mobbing und Ausgrenzung sind an der Tagesordnung. Als Benny offen eine Kette mit Davidstern trägt, stellt dies auch die Freundschaft zu Hamid in Frage, dem sein älterer Bruder einige krude Gedanken in den Kopf gesetzt hat. Ein Strudel, der sich immer heftiger auftürmenden Gewalt beginnt die Freundschaft der drei zu zerreißen.

Soviel zum Inhalt der Geschichte, die sich trotz der thematischen Schwere leicht lesen und diskutieren lässt, was nicht nur an der grafischen Aufbereitung durch Melanie Garanin liegt, sondern auch an der einfühlsamen Erzählweise durch Steinhöfel, der wie kaum ein anderer deutschsprachiger Kinderbuchautor es schafft, wichtige Fragen aufs Tableau zu bringen, dabei keine Fäden der Handlungsstränge zu verlieren oder ins Klischeehafte abzurutschen. In einer Mischung aus Comic- und Mangastil werden Mobbing, Antisemitismus und Ausgrenzung, Freundschaft und Mut so aufbereitet, dass sich dies gemeinsam, z. B. im Unterricht oder alleine gut lesen lässt, finden doch alle entsprechende Äquivalente in der realen Welt.

Vergleichsweise ausführlich orientiert sich das Werk sehr eng an der gleichnamigen, ebenfalls sehenswerten TV-Serie, die parallel dazu entstand. Die Kapiteleinteilung entspricht der Benennung der einzelnen Folgen. Durch die Erzählweise entfallen in beiden Medien Längen. Zudem fehlt der erhobene Zeigefinger fast gänzlich.

In der Serie sind die Charaktere wechselseitig perspektivgebend, während die Graphic Novel vor allem aus der Sicht von Charlie erzählt wird. Doch die drei Hauptcharaktere sind hier wunderbar ausgestaltet, haben allesamt Ecken und Kanten, in ihren Reaktionen nachvollziehbar. Der erzählte Zeitraum ist unbestimmt, es kann sich dabei jedoch nur um wenige Wochen handeln. der Handlungsort könnte überall in Deutschland sein. Gegensätzliche Protagonisten sind klar definiert gehalten, aber auch deren abstruse Beweggründe sind ausreichend ausgearbeitet, so dass sich eine Dynamik zwischen den Figuren entfaltet, die dem Werk eine gewisse Geschwindigkeit und Brisanz verleiht.

Interessant bei solcher Lektüre ist immer auch die Farbgebung. Kontraste ergeben sich durch die warmen Farben, wenn aus der Sicht etwa von Benny erzählt wird, und den eher dunkelblau gehaltenen Tönen, wenn von Hamid die Rede ist, der seine Gedanken mit sich herumträgt. Zudem sind auch hier die Zeichnungen innerhalb der Zeichnung zu erwähnen, da der Junge parallel zur Handlung das Erlebte selbst malerisch verarbeitet. Große Freistellen wechseln sich zudem ab mit witzigen Randbewegungen, so dass zwischen all dem Ernst es genug auflockernde Momente gibt.

Diese Graphic Novel behandelt all die Themen, die alle Schüler/innen in der einen oder anderen Form kennen, sei es, da sie selbst Betroffene sind oder in derer Umgebung bestimmte Dinge passieren, über die gesprochen werden muss. Dafür bietet das Werk eine Grundlage und kann sicher als Aufhänger und Diskussionsgegenstand im Unterricht genutzt werden. Der Vergleich zur Ringparabel in Lessings Werk „Nathan der Weise“ drängt sich auf. Moderner kann man eine Thematik kaum aufbereiten.

Gerade in unserer Zeit, in der extreme Richtungen wieder Zulauf erhalten und Glaube immer noch zur Konfrontation missbraucht wird oder als Aufhänger, auszugrenzen, ist solch ein Werk gerade für Jüngere wichtig, um zu zeigen, dass es auch anders geht, dass Freundschaft, Mut und Zusammenhalt ideologische Grenzen überwinden können. Auch eine Botschaft, wie sie sich durch einige von Steinhöfels Werken zieht.

Dieses Werk, was junge Lesende ernst nimmt und in der Lage ist, neue Perspektiven zu geben, ist damit unbedingt empfehlenswert.

Autoren:

Andreas Steinhöfel wurde 1962 geboren und ist ein deutscher Schriftsteller. Nach dem Abitur begann er ein Studium der Biologie und Englisch auf Lehramt, bevor er zu Medienwissenschaften, Anglistik und Amerikanistik wechselte. 1991 erschien sein erstes Kinderbuch, seit 2016 ist er Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Er ist Autor mehrerer ausgezeichneter Kinder- und Jugendbücher, schreibt Drehbücher. Sein Werk wurde bereits mehrfach verfilmt.

Melanie Garanin wurde 1972 geboren und ist eine deutsche Illustratorin, Kinderbuchautorin und Comiczeichnerin. Zunächst studierte sie in Potsdam-Babelsberg Animationsfilm. Seit 1998 arbeitet sie als freiberufliche Animatorin und Illustratorin für eigene Werke und die anderer Titel. 2020 erschien ihre erste autobiografische Graphic Novel, in der sie den Tod ihres Sohnes verarbeitete. Sowohl eigene als auch die von ihr illustrierten Titel anderer Autoren wurden in mehrere Sprachen übertragen.

Andreas Steinhöfel/Melanie Garanin: Völlig meschugge?! Weiterlesen »

Katja Brandis: Woodwalkers & Friends 3 – Wilder Kater, weite Welt

Inhalt:

Ein Leben als verhätschelte Hauskatze führen? Dem jungen Woodwalker Dorian ist das zu langweilig. Er will die Welt entdecken. Kurzerhand sagt er seiner Familie Lebewohl und begibt sich auf eine spannende Reise. Dabei bekommt er es mit kratzbürstigen Artgenossen zu tun, muss akzeptieren, dass man in der Schule nicht schlafen darf, und lernt das beste Katzenfutter der Welt kennen – Kaviar! Als er von einer Gestaltwandlerschule in den Rocky Mountains erfährt, steht für ihn fest: Dort muss er hin. Gemeinsam mit seinen neuen Freunden, der Rothörnchen-Wandlerin Holly und dem Wolfsjungen Bo, reist Dorian quer durch Nordamerika. Doch hier fängt das Abenteuer erst richtig an! (Klappentext)

Einordnung in der Reihe:

Katja Brandis: Woodwalkers & Friends 1 – Katzige Gefährten

Katja Brandis: Woodwalkers & Friends 2 – Zwölf Geheimnisse

Katja Brandis: Woodwalkers & Friends 3 – Wilder Kater, weite Welt

[Einklappen]

Rezension:

Mit ihrer geschaffenen Welt von Gestaltwandlern ist die deutsche Antwort auf Erin Hunter, die Kinder- und Jugendbuchautorin Katja Brandis inzwischen so erfolgreich, dass zurzeit nicht nur über ein Film nachgedacht wird, sondern auch die Welt der Wood- und Seawalkers immer detaillierter ausgestaltet wird. Das Konglomerat an dazugehörigen Bänden umfasst mehrere Reihen und Zwischenbände, die hintereinander weg, innerhalb ihrer Reihen einzeln gelesen werden können. Dazwischen erscheinen immer wieder Bände gleichsam Kurzgeschichten, um die Wartezeit auf den nächsten größeren Band zu versüßen. Hier nehmen dann Nebenfiguren eine größere Rolle ein, deren Geschichten ebenso spannend erzählt werden.

Gestaltwandler sind sie, diese hier geschaffene Gruppe von Kindern und Jugendlichen, die zwischen ihrem menschlichen Körper und einer angeborenen Tiergestalt hin- und herwechseln können. Dorian zum Beispiel ist ein Kater, ein Russisch-Blau, der im Menschenalter von zehn Jahren seine Familie verlässt, um die Welt zu erkunden. Die ist voller Abenteuer und Gefahren, nicht zuletzt zahlreicher Leben, wie sie ein Junge, eine Katze führen kann. So beginnt dieser Romanband und zeigt einmal mehr, die Zugewandtheit der Autorin, nicht nur zu ihrem jungen lesenden Publikum, natürlich auch zur Tierwelt.

Der kurzweilige Band, der auch separat gelesen werden kann, ist rasant erzählt und wartet mit zahlreichen turbulenten Momenten auf, die schmunzeln, herzhaft lachen lassen, aber auch einen notwendigen altersgerechten Spannungsbogen enthält, den man auch älter nachvollziehen kann. Figuren werden behutsam eingeführt. Vor allem der Hauptcharakter, Nebenfigur der eigentlichen Woodwalkers, dient hier als Identifikationspunkt, der doch erstaunlich charakterliche Tiefe besitzt. Selbstredend, dass es auch hier Katja Brandis gelingt, keine Zeigefinger-Lektüre zu schreiben.

Wir verfolgen Dorians Weg, treffenderweise unterteilt kapitelweise in Katzenleben. Amerikanische haben im Gegensatz zu deutschen ganze neun, über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Der junge Kater lebt, mal in der ihm eigenen Tiergestalt, mal als Menschenkind das Leben als Hauskatze oder Waisenkind, neugierig nicht nur den Kühlschrankinhalt seiner neuen vermeintlichen Besitzer betrachtend.

Das führt zu allerlei Komplikationen und Wirrungen, in deren Verlauf die Autorin zudem auch Teile der Geschichte anderer in dieser Welt vorkommender Nebencharaktere einführt. Wohltuend, der Hauptprotagonist bekommt es zwar mit einigen Widersachern zu tun, einen richtigen Antagonisten gibt es jedoch nicht, so dass sich dieser Band vor allem für jüngere Lesende als Einführung in diese wundersame Welt eignet.

Die in Nordamerika spielende Geschichte knüpft am Ende nahtlos am ersten Band der Reihe „Woodwalkers“ an, die zuerst erschienen ist. Katja Brandis ist mit „Wilder Kater, weite Welt“ nicht in die Falle getappt, über ihr eigenes Universum den Überblick verloren zu haben, was achtbar ist wegen der Vielzahl von Büchern und Ideen, die sicher noch zukünftig diese Welt ergänzen werden.

Was mit dem Puma-Wandler Carag in den „Woodwalkers“ gelingt, funktioniert hier auf engeren Raum eines Kurzromans mit der Hauptfigur Dorian, in dessen Gefühlswelt man sich gut hineindenken kann und so füllt die Autorin auch hiermit eine Lücke, die zwischen Büchern für Kleinst- und Kleinkindern und Young Adult inzwischen eklatant geworden ist. Reine Lektüre für Kinder, die nicht mehr ganz Kinder sind, aber auch vielleicht noch nicht zu Jugendbüchern oder gar Young Adult greifen, sind hier gut aufgehoben. Alle anderen kommen aber ebenso auf ihre Kosten.

Die Erzählung, die in größere abschnitte, Leben, unterteilt ist, ist in sich verständlich und schlüssig. Sprünge und Spannungsmomente sind logisch aufgebaut und weisen keine störenden Differenzen auf. Der Handlungsstrang wird konsequent verfolgt. Wendungen sind vielleicht nicht komplett überraschend, dürften aber vor allem bei der Zielgruppe ihre Wirkung nicht verfehlen. Katja Brandis strapaziert dabei nicht zu sehr die Aufmerksamkeitsspanne, in dem sie sich mit allzu vielen Details aufhält. Stattdessen ist der Weg das Ziel. Ein junger Roadtrip auf zumeist vier Beinen.

Man fühlt mit der Hauptfigur mit und kann sich die Schauplätze bildlich vorstellen, auch die Charaktere selbst. Erwähnt sollen hier ausdrücklich die Zeichnungen von Claudia Carls sein, die nicht nur Dorian lebendig werden lässt. Wer Kinder hat, die Lektüre empfiehlt sich für das erste Lesen von Büchern größeren Umfangs, ebenso für das gemeinsame Lesen. Wiederholt, Vorkenntnisse aus den anderen bereits erschienen Bänden sind nicht unbedingt notwendig.

Die unaufgeregte Art des Erzählens und das feinfühlige Schreiben haben hier wieder einmal zu einer modernen Lektüre für Kinder geführt, die viel von dem verbindet, was die Zielgruppe interessiert. Natur und Tierwelt funktionieren natürlich immer, wie das große Abenteuer, Freundschaft, Mut und Zusammenhalt, etwas zu wagen, sich etwas zu trauen. Kann man kaum besser verpacken.

Nur eine Frage bleibt: Was ist eigentlich deine zweite Gestalt?

Autorin:

Katja Brandis wurde 1970 geboren und ist eine deutsche Journalistin und Autorin. Unter diesem Pseudonym veröffentlichte Sylvia Englert unzählige Kinder- und Jugendbücher, aber auch Sachbücher und Romane für Erwachsene. Zunächst studierte sie Amerikanistik, Germanistik und Anglistik, trat währenddessen dem Frankfurter Schriftstellerkreis bei. In der Zeit entstand ihr erster Roman, weitere Werke folgten, die mehrere Nominierungen u. a. für den Deutschen Jugendliteraturpreis folgten. Ihre Bücher werden in mehrere Sprachen übersetzt. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in der Nähe von München.

Katja Brandis: Woodwalkers & Friends 3 – Wilder Kater, weite Welt Weiterlesen »

Vladimir Vertlib: Zebra im Krieg

Inhalt:

In der Geschichte von Paul Sarianidis verbindet Vladimir Vertlib meisterhaft Ironie, Ernst, Menschenfreundlichkeit und politischen Scharfblick zu einem beklemmend aktuellen Roman: Paul lebt mit seiner Familie in einer vom Bürgerkrieg heruntergewirtschafteten osteuropäischen Stadt am Meer. Als er arbeitslos wird, verstrickt er sich immer tiefer in die wüsten Debatten, die in den Sozialen Medien toben.

Doch eines Tages wird Paul von Boris Lupowitsch, einem Rebellenführer, den er im Internet bedroht hat, verhaftet. Lupowitsch rechnet mit ihm vor laufender Kamera ab. Paul wird verhöhnt und gedemütigt, das Video millionenfach gesehen. Wie kann er mit dieser Schande weiterleben? Wird seine Familie ihm verzeihen? Und wird es ihm gelingen, einmal das Richtige zu tun? (Inhaltsangabe lt. Verlag)

Rezension:

Überschaubar ist die Anzahl der Romane, die von den aktuellen realen Geschehnissen überrollt werden und dennoch nichts von ihrer Brisanz verloren, ja, dadurch viel mehr hinzu gewonnen haben. Die vorliegende Erzählung des österreichischen Autoren Vladimir Vertlib veranschaulicht das in beeindruckender Art und Weise.

Wer liest, taucht in die wirren Tage einer von Bürgerkrieg gebeutelten osteuropäischen Stadt ein, die nicht näer benannt wird, deren reales Vorbild sich jedoch direkt in der Beschreibung der ersten Zeilen aufdrängt. Dort begleiten wir Paul, der in seiner durch Jobverlust erzwungenen Taten- und Perspektivlosigkeit einen an den Unruhen beteiligten Rebellenführer beleidigt, dieser anschließend sich rächt und damit nicht nur dessen Leben komplett auf den Kopf stellt.

Hier setzt die Geschichte an, deren Protagonist gefährlich oft zwischen den Polen schwankt, einerseits Sympathieträger zu sein, andererseits sein Kontingent an Wohlwollen der Lesenden zu schnell zu vebrauchen. Gleichzeitig ist dies eines der handlungstreibenden Elemente, an denen wir uns entlang der doch etwas umfangreicheren Kapitel entlang hangeln,, wobei der Autor den Hang zum Abstrusen hat.

Einmal davon abgesehen, was im beschriebenen Setting als normal gelten kann, hat der Schreibende besonders gen Ende damit über das Ziel hinausgeschossen, wie die Bürgerkriegsparteien auch den städtischen Zoo in Mitleidenschaft ziehen und der Streichelzoo, nun ja, im Nebensatz alles andere als gestreichelt wird. Abgesehen davon, dass Vertlib ebenso eine gehlörige Portion Ironie und Sarkasmus eingebracht hat.

Zuweilen wirkt das komisch, doch das Lachen bleibt einem noch, bevor man dies zulässt, im Halse stecken. Vladimir Vertilb hat es hier verstanden, seine Finger in die Wunden zu legen und schafft es, sprachlich die Extreme eines Bürgerkriegs, seine Absurditäten und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für den Einzelnen auf den Punkt zu bringen.

Der Charakterwandel des Hauptprotagonisten wirkt dabei an manchen Stellen zu glatt, in der nächsten Zeile wieder folgerichtig. Von der Tonalität her ist „Zebra im Krieg“ zwar auch erdrückend, jedoch nicht ganz so deprimierend wie etwa Serhij Zhadans Erzählung „Internat“, die etwas konsequenter wirkt.

Vertlib geht da etwas sanfter, aber ebenso bestimmt mit seinen Lesenden um, was sich in seiner Gesamtheit lohnt.

Autor:

Vladimir Vertlib wurde 1966 in Leningrad geboren und ist ein österreichischer Schriftsteller. Mit seiner Familie emigirerte er 1971 aus Russland und lebt seit 1981 in Österreich, wo er Volkswirtschaft studierte. Zunächst veröffentlichte er verschiedene Beiträge in Literaturzeitschriften. Sein erstes Buch erschien 1995. Vier Jahre später erhielt er den Österreichischen Förderungspreis für Literatur, sowie 2001 den Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis.

Vladimir Vertlib: Zebra im Krieg Weiterlesen »

Björn Stephan: Nur vom Weltraum aus ist die Erde blau

Inhalt:

Sommer, 1994. Sascha Labude ist ein etwas verträumter 13-Jähriger, der einzigartige Worte sammelt. Sein Leben ist relativ ereignislos, also abgesehen davon, dass das alte Land untergegangen und Saschas Vater verstummt ist und sein bester Freund Sonny so berühmt werden will wie Elton John.

Doch dann zieht Juri in die Siedlung, ein Mädchen, das alles über das Universum weiß und ganz anders ist als Sascha – nämlich mutig. sogar so mutig, es mit den schlimmsten Schlägern der Siedlung aufzunehmen. (Klappentext)

Rezension:

Der Brief, er liegt schon länger auf dem Schreibtisch des einstigen Kindes, wird geöffnet. Erinnerungen durchfluten Jenni, die nun junge Frau, die bis dahin erfolgreich verdrängt hat, was damals passierte. Die Perspektive wechselnd, Leserin und Leserschaft reisen zurück, in eine Zeit, in der sich alles veränderte, nichts blieb, wie es vorher war.

Beinahe zu ruhig beginnt das Autorendebüt, was uns Leserschaft hier vorliegt und wird doch immer schneller, heftiger werden, mit jeder Zeile, die uns in die Geschichte einsaugt. Wir begleiten den Hauptprotagonisten, der sich selbst für nicht sichtbar für seine Umgebung hält, durch die Tage.

Selbst die Schläger, die im selben Treppenaufgang wohnen, wie er, beachten Sascha nicht. Dem verträumten Jungen, der noch blasser neben seinem besten Freund wirkt, ist dies nur Recht. Seinen größten Schatz hütet er in einem unscheinbaren Heft. Wörter, die es nur einmal auf der Welt in einer einzigen Sprache gibt und die nur dort eine bestimmte Bedeutung haben. Sascha sammelt sie, hält fest, um sich an etwas zu halten. So kann es bleiben.

Tut es nicht. Diesen Sommer wird sich das Lebend es Jungen schlagartig ändern, wie auch die Welt um ihn herum sich ändert. So beobachtet der/die Lesende den Hauptprotagonisten, der zunächst Beobachter, dann Akteur der Ereignisse ist.

Vielschichtig sind die Protagonisten um ihn herum, die Beschreibungen Björn Stephans tun ihr übriges, um sofort den typischen Geschmack des damals angesagten Kaugummis im Mund zu haben und die flirrende Umgebung der Plattenbauten zu spüren, die den Handlungsort prägen. Der Autor indes hat sich hier viel vorgenommen.

Er erzählt von der Zeit zwischen Kindheit und Jugend, von Freundschaft und erster Liebe, von Beobachtung und Irrtum, Angst, Mut und dem Erkennen, dass nichts ist, wie es scheint.

Stephan gelingt es kunstvoll, nicht nur Zeitsprünge zu verbinden, sondern auch Klippen des Kitsches zu umschiffen, einmal haarscharf, zudem mehrere Enden unterzubringen. Jeder Strang wird zu Ende erzählt. Lücken werden durch das Kopfkino gefüllt, besonders gegen Ende eine kleine Herausforderung für die Leserschaft.

Ein Roman, der auf vergleichsweise wenigen Seiten so viel zu erzählen hat und auf mehreren Ebenen die Lesenden nachdenklich zurücklässt, dabei sprachlich schön geschrieben ist, bleibt. So wie die Wörter in Saschas Heft.

Autor:

Björn Stephan wurde 1987 in Schkeuditz geboren und ist ein deutscher Journalist und Autor. Aufgewachsen in Schwerin, studierte er zunächst in Berlin Geschichte und Politikwissenschaft und besuchte anschließend die Henri-Nannen-Schule in Hamburg. Er schreibt für die Zeit, die Süddeutsche Zeitung, arbeitet als freier Reporter. Seine Texte und Reportagen wurden mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Deutschen Sozialpreis und dem Reporterpreis. Im Jahr 2021 erschien sein erster Roman. Der Autor lebt in München.

Björn Stephan: Nur vom Weltraum aus ist die Erde blau Weiterlesen »