Kunst

Ina Conzen: Pablo Picasso

Inhalt:
Pablo Picasso (1881-1973) gehört zu den bedeutensten Künstlern des 20. jahrhunderts. Fantasievoll und experiementierfreudig hinterließ er ein atemberaubend umfangreiches OEuvre in nahezu allen Medien. Bis heute fasziniert die stilistische Wandelbarkeit seiner Werke, aber auch deren spannende Verankerung in Picassos Biografie. Souverän und kenntnisreich zeichnet Ina Conzen im vorliegenden Band Leben und Werk dieses Ausnahmekünstlers nach. (Klappentext)

Rezension:

Reduziert auf Schwarz-, Weiß- und Grautöne wirkt das Wandbild nur auf den ersten Blick als eine wirre Kombinationen aus Formen und Symbolen, doch erschließt es sich nach und nach den Betrachtenden. Es symbolisiert die Schrecken des Krieges und gilt bis heute als bedeutenstes Werk des spanischen Künstlers Pablo Picasso. “Guernica”, welches dieser im Auftrag für die Weltausstellung 1937 unter den Eindrücken des Spanischen Bürgerkriegs anfertigte, ist heute in Madrid zu sehen, doch nicht nur dieses Werk ist im kollektiven Gedächtnis geblieben. Die Konservatorin und Autorin Ina Conzen hat sich auf Spurensuche begegeben. Entstanden ist dabei ein mehr als eindrucksvolles Porträt.

Wer mit relativ wenig Aufwand kompaktes Überblickwissen erlangen möchte ist mit Bänden der vorliegenden Reihe gut bedient. Das gilt für viele Themen, eben auch für die Kunst und so reiht sich nun dieses Bändchen mit ein, in welchem ein bedeutender Ausnahmekünstler beleuchtet wird. Diese Formulierung aus dem Klappentext darf man ruhig wörtlich nehmen, wenn gleich sich die Autorin sehr nüchtern der Biografie und dem Werk Picassos nähert. Sie verfolgt die Spuren dessen, der als Porträtmaler began und später die Grenzen des Künstlerischen Schritt für Schritt erweiterte, sich mitunter selbst zum Objekt seiner Betrachtung machte, von dessen Kindheit an. So gelingt ein eindrucksvoller Rundumblick.

Nicht immer ist das zugänglich. Zwar lockern hier mehrere Bildteile den Text auf, doch sollte man sich zuweilen schon auskennen mit verschiedenen Stilrichtungen der Kunst, die Laien zunächst kaum etwas sagen werden. Was ist das besondere an dem Punkt, wenn Picasso den Bereich des Gegenständlichen verlässt, um ins Surrealistische und Kubistische zu wechseln, um dann später wieder sich einer anderen Form des Gegenständlichen zu widmen? Diesen Zugang muss man sich selbst zusammenrecherchieren. Nicht an jeder Stelle ist hier ein Text für Laien gelungen, wenn man auch mit mehr Wissen aus der lektüre herausgeht, als man eingestiegen ist.

Die Autorin hangelt sich entlang der Perioden künstlerischen Schaffens Picassos, welcher dankenswert die Interpretationen gleich mitgeliefert hat, zuweilen für seine Zeitgenossen unverständlich, die teilweise fassungslos der Tatsache ins Auge sehen mussten, dass für scheinbar einfache Pinselstriche Millionen hingeblättert wurden. Schon zu Lebzeiten war der Künstler mehr als erfolgreich.

Im Privaten unruhig, blieb auch Picassos Kunst immer in Entwicklung. Auch mit den damaligen neuen Medien, der Fotografie, des Films experimentierte er ausgiebig. Auch diesen Aspekt seines Schaffens analysiert die Autorin mit Kennerblick, zeigt jedoch auch, dass Picasso nicht nur von Pinsel, Farbe oder Modellierung etwas verstand, sondern auch von Selbstvermarktung. Alle Aspekte werden in kompakter Form zueinander ins Verhältnis gesetzt, woraus sich ein Gesamtbild für die Lesenden ergibt, welches dazu einlädt die Werke Picassos einmal näher zu betrachten, sich damit zu beschäftigen. Ina Conzen lässt dabei jedoch nicht auch die Widersprüchlichkeiten der Charakterzüge Picassos außer Acht, gibt sich zuweilen kritisch, doch immer auch fasziniert von der Künstlernatur, die für jene, die mit ihm zu tun hatten, nicht immer ganz einfach gewesen sein muss.

Vielleicht ist genau dieser Band nicht unbedingt geeignet, in Leben und Werk Pablo Picassos einzusteigen. Zuvor sollte man zumindest einige von der Anschauung her kennen und vielleicht eine Idee der Grundzüge verschiedener künstlerischer Stile besitzen. Dann kann man sich dieser Lektüre annehmen und sie mit Gewinn sich zu Gemüte führen. Vorher wird man jedoch mehr als einmal über bestimmte Begrifflichkeiten stolpern. Später jedoch ergibt sich ein anderer Blick und dann erschließt sich auch die nüchterne faszination Ina Conzens für Pablo Picasso, der nicht nur mit “Guernica” ein Werk für die Historie geschaffen hat.

Autorin:

Ina Conzen war bis 2021 Hauptkonservatorin für Kunst der Klassischen Moderne an der Staatsgalerie Stuttgart.

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Kurzblick: Große Kunstgeschichten für kleine Künstler*Innen

Kurzblick: In dieser Kategorie kommt all das zum Tragen, was sonst nirgendwo hineinpasst. Etwas nicht zu schreiben, wäre ja schade.

Der Begriff -Kunstmuseum- sorgt alleine schon für entsprechende Bilder im Kopf. Behangene Wände, steril und staubtrocken die Atmosphäre, hallende Schritte auf den Parkettböden und Aufsichtspersonen, die bei jedem Geräusch, lauter als ein leichtes Hüsteln, zusammenzucken und einschreiten. Vielleicht sind es, nicht nur, diese Dinge, die dafür sorgen, dass das Interesse für solche Stätten und die Werke, die dort präsentiert werden, schon in der Gruppe der Erwachsenen sehr limitiert ist? Kinder scheinen da erst recht unerreichbar zu sein, obwohl diese durchaus gerne malen, zeichnen, basteln, eben kreativ sind.

Amy Guglielmo/Petra Braun: Große Kunstgeschichten – Vincent van Gogh: Er sah die Welt in lebhaften Farben, ISBN: 978-3-8310-4452-8 (Abbildung: Dorling Kindersley)

Inzwischen jedoch gibt es Museen, die den Versuch wagen, dagegen zu steuern. Kreative Workshops in allen Richtungen werden angeboten, es gibt Führungen, die speziell auf die Kleinsten zugeschnitten werden, inzwischen auch Bücher, die einladen, selbst kreativ zu werden und etwa zu zeichnen, wie die Großen. Eine neue und dahingehend sehr anregende Reihe ist die der -Großen Kunstgeschichten- aus dem Sachbuchverlag Dorling Kindersley, die jetzt mit zwei Werken startet und zukünftig hoffentlich die eine oder andere Fortsetzung erfährt.

Beide Werke, erschienen bei Dorling Kindersley, ISBN: 978-3-8310-4452-8, sowie ISBN: 978-3-8310-4453-5, hier und hier. (Abbildungen: Dorling Kindersley)

In Zusammenarbeit mit dem New Yorker Metropolitan Museum of Art (MET) folgen die Autorinnen Gabrielle Balkan und die Illustratorin Josy Bloggs der amerikanischen Künstlerin Georgie O’Keeffe, während sich Amy Guglielmo und Petra Braun auf die Spuren Vincent van Goghs begeben. In verständlicher Sprache und wunderbar illustriert wird das Leben der beiden Kunstschaffenden dargestellt, Merkmale der Zeichenstile und einzelne Werke herausgestellt.

Damit nicht genug, auch werden immer wieder Anregungen gegeben, an denen sich nicht nur die Kleinsten versuchen können. So heißt es etwa: “Schau dir eine Pflanze genau an. Was siehst du? Versuche, die Einzelheiten zu malen.”, oder aber: “Betrachte deine Hand ganz genau und versuche, sie in verschiedenen Positionen zu zeichnen.” Im Anschluss daran findet sich ein kleiner Zeitstrahl in Form einer Aneinanderreihung von Bildern, eine kleine Begriffssammlung, die nochmals Augenmerk auf wichtige beschriebene Informationen lenkt. Natürlich kindgerecht erklärt.

Gabrielle Balkan/Josy Bloggs: Große Kunstgeschichten – Georgia O’Keeffe: Sie sah die Welt in einer Blume, ISBN: 978-3-8310-4453-5 (Abbildung: Dorling Kindersley)

Zwei Werke, die für kreative Kinder sicher interessant sind, zudem einige Anregungen geben, um selbst kreativ zu werden und vielleicht einige davon auch für Museumsbesuche begeistern können. Das wäre doch schön. Eventuell gibt es die eine oder andere Idee, was man sonst noch malen könnte, gleich dazu.

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Karl Schlögel: Terror und Traum – Moskau 1937

Inhalt:

Schauprozesse und Massenverhaftungen markieren den Höhepunkt von Stalins diktatorischer Herrschaft. Im Schatten des Terrors aber scheint der Traum einer neuen Gesellschaft Gestalt anzunehmen: Gigantische Bauprojekte verändern das Stadtbild, sowjetisches Hollywoodkino, Fliegerhelden und Sportspektakel begeistern die Massen. Karl Schlögels neues Meisterwerk schildert ein russisches Schicksalsjahr, das in der europäischen Geschichte tiefe Spuren hinterlassen hat. (Klappentext)

Rezension:

Im Blick auf die Zivilisationsbrüche der 1930er Jahre herrscht eine auffallende Asymmetrie. Eine Welt, der sich im kollektiven Gedächtnis nach dem Zweiten Weltkrieg Namen wie Dachau, Buchenwald und Auschwitz eingeprägt hatten, fehlen oft Workuta, Kolyma oder Magadan. Auch in Stalins Riesenreich vollzog sich ein totalitärer Wandel, dessen Opfer spätestens mit der Festigung des Eisernen Vorhangs zum zweiten Mal hinter einer Mauer des Schweigens verschwanden und erst mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der zaghaften Öffnung von Archiven wieder zum Vorschein kamen.

Dabei ist das Moskau 1937 ein Schauplatz europäischer Geschichte, viel facettenreicher und durchmischter, als das die damaligen Machthaber wahrhaben wollten. Die Welle des Terrors, mit der Stalins getreue, die nicht selten selbst derer Opfer wurden, fegte um so heftiger über die Metropole an der Moskwa hinweg. Der Historiker Karl Schlögel zeichnet dies nach und schaut dabei nicht nur auf die großen Schauprozesse, sondern auch auf eine immer mehr verängstigte Gesellschaft im erzwungenen Wandel.

Das sehr detaillierte Sachbuch des Osteuropa-Historikers Karl Schlögel erfährt, 2008 erstmals erschienen, durch die tagespolitischen Ereignisse eine Aktualität, die ihres Gleichen sucht, ist die Geschichte der Stalinschen Terrors doch untrennbar mit dem verbunden, was danach passieren sollte, auch, was passiert, wenn Verarbeitungs- und Erinnerungskultur nicht in dem Maße wirken können, wie dies in der Mitte des europäischen Kontinents in Sachen Holocaust der Fall ist.

Dabei wagt der Autor einen Rundumblick, soweit es damals schon die geöffneten Archive in Russland zugelassen haben und führt die Leserschaft ein, in ein pluralistisches Moskau, welches es nach 1937 so nicht mehr gab. Schlögel zeigt eine Vielfältigkeit auf, die sich nicht nur in Architektur und Fortschrittsglaube widerspiegelte, sondern auch in Kunst und Kultur, sowie Technik. Der junge Staat wollte sich der Welt präsentieren, zugleich die Machthaber im Kreml ihren Status sichern und festigen. Kapitel für Kapitel beschreibt Schlögel einzelne Aspekte des gesellschaftlichen Kosmos’ einer Metropole, die im Zuge des Stalinschen Terrors in seine Bestandteile zerfiel. Das letzte Adressbuch für lange Zeit, 1936, steht am Anfang dessen, sowie Kongresse und Ausstellungen, die die Welt bewegten, während anderswo in Europa bereits zuvor dunkle Wolken dem vorauseilten, was später die Welt in den Abgrund stürzen sollte. Danach folgte nur noch Terror, mit all seinen schrecklichen Folgen.

Der beschriebene Zeitraum ist überschaubar, nicht so sehr die geschehenen Ereignisse und beleuchteten Perspektiven, deren Biografien abrupt 1937/38 endeten. In seinem Standardwerk nimmt sich der Historiker Zeit für einzelne gesellschaftliche Aspekte, die Beschränkung liegt allein im stadtgeografischen Raum, den Stalins Getreue mit Gewalt umformen wollten. Hier versinkt man in Details, was sehr nüchtern, teilweise sehr schwerfällig zu lesen ist, doch auch so sein muss, wenn man ein umfassendes Gesamtwerk erhalten möchte.

Fragen kommen auf, wie jene, warum selbst ehemalige Minister und Beamte, die an der ersten Terrorwelle beteiligt waren, in Schauprozessen angeklagt, selbst absurde vorgefertigte Geständnisse und Schuldbekenntnisse unterschrieben? Im Wissen um die Mechanismen des Machterhalt Stalins. Der Historiker beleuchtet das Geschehen an verschiedenen Schauplätzen Moskaus, den Blick der Einheimischen, der alten und der neuen Elite Russlands, sowie die Betrachtung der Emigranten und Exilanten, den Blick Amerikas auf das neue Moskau, sowie diesem auf sich selbst. Nach und nach setzt Schlögel hier ein Puzzle zusammen, welches abrupt zum Stillstand kam, als ein anderes Land Europa mit Gewalt und Terror überziehen sollte.

Karl Schlögel spricht hier den interessierten Laien mit Vorkenntnissen an, sowie Kenner der Historie und hat mit seinem geschichtlichen Standardwerk Grundlage für Diskussionen und weitere Betrachtungen gelegt, denen sich Andere annehmen können. Vieles von dem, was später in der Sowjetunion passierte, wäre ohne das Jahr 1937 nicht denkbar. So ganz ohne Vorkenntnisse geht es jedoch nicht, die mit Quellen gut unterfütterte Lektüre, ergänzt durch eine historische Karte des Schauplatzes, ist ohne dies nicht leicht lesbar. Zu viele Namen mussten erwähnt, zu viele Biografien und gesellschaftliche Aspekte beleuchtet werden.

Die Lektüre, die nur vor allem die Konzentration der Lesenden gewinnt, ist erhellend. Fraglich nur, wie viele Fakten letztendlich hängen bleiben und was die noch ausführliche Betrachtung eines einzelnen Aspekts des gesellschaftlichen Wandels Moskaus noch zusätzlich für Erkenntnisse bringt. Hier ist die Grundlage dafür, dies auszuprobieren und um sich, in turbulenten Zeiten, neue Perspektiven zu schaffen. In diesem Sinne, zu empfehlen.

Autor:

Karl Schlögel wurde 1948 geboren und ist ein deutscher Historiker und Publizist. Er studierte u. a. Soziologie, osteuropäische Geschichte und Slawistik in Berlin und schrieb seine Dissertation über Arbeiterkonflikte in der Sowjetunion nach Stalin. 1982 ging er als Stipendiat des Deutschen Akademischen Austauschdienstes nach Moskau, wo er sich mit der Geschichte der russischen Intelligenzija im 19. und 20. Jahrhundert beschäftigte, arbeitete anschließend als Privatgelehrter und freier Mitarbeiter für den Rundfunk.

Er veröffentlichte dort, sowie in mehreren Magazinen und Zeitungen, bevor er eine Professur für Osteuropäische Geschichte in Konstanz erhielt, sowie 1995 die selbe in Frankfurt/Oder. Von 2003 bis 2005 war er dort Dekan der Kulturwissenschaftlichen Universität.2013 wurde er emeritiert. Er konzipierte mehrere Ausstellungen und Zeitschriften mit, war Mitglied der Jury des Friedenspreises des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels und beschäftigt sich seit Beginn der Krimkrise intensiv mit der Geschichte der Ukraine. 2013 wurde er mit der Puschkin-Medaille ausgezeichnet, welche er 2014 ablehnte. 2018 erhielt er den Preis der Leipziger Buchmesse, ein Jahr darauf den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland.

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Jürgen Meier: Wöbkenbrot und Pinselstrich

Inhalt:

Johannes Becker beginnt 1910 ein Ingenieurstudium in Chemnitz und heiratet kurz darauf. Als er zunehmend der völkischen Ideologie der Nationalsozialisten verfällt, wendet sich seine Frau von ihm ab. Ähnlich zerrissen ist die Familie Meyer in Ostwestfalen. Der Vater Karl nutzt die Machtübernahme der Nazis aus, um sich an jüdischem Eigentum zu berreichern. Sein Sohn Gottfried folgt ebenfalls seiner Begeisterung für die Nazis und zieht in den Krieg. Er lernt Ingeborg Becker kennen und heiratet sie. Aus Krieg und Hitlerzeit hat er nichts gelernt, sein Sohn Georg aber will es besser machen und schließt sich 1970 der Studentenbewegung an. (abgewandelte Inhaltsangabe).

Rezension:

So ausufernd wie einstweilen Thomas Mann muss man gar nicht schreiben, wenn man eine fiktive Familiengeschichte mit all ihren höhen und Tiefen, Wandlungen und innerer Zerissenheit zu Papier bringen möchte, auch nicht, wenn man den Personenkreis erweitert. Jürgen Meier zeigt in seinem Roman “Wöbkenbrot und Pinselstrich” dass das auch anders geht und beschreibt so ganz nebenbei die Herausforderungen, Schrecken und Wandlungen des vergangenen Jahrhunderts.

Der leicht gängige Familienroman wechselt zwischen den Perspektiven und Generationen, beginnt 1910. Fortschrittsglaube manifestiert sich in den neuen Errungenschaften der Technik, Ingenieure werden gesucht. Hoffnungsvoll schaut der junge Johannes, ersterer einer interessanten Reihe von Protagonisten in die Zukunft, noch nicht ahnend, dass bereits dunkle Schatten über Deutschland heraufziehen. Eingenommen von der Figur, deren Enthusiasmus aber auch Unsicherheiten der Autor fein herausgearbeitet hat, steigen wir in die Geschichte ein, die zu einem wahren Wechselbad der Gefühle verkommt. Das Erzähltempo passt sich dem an. Sprünge wechseln sich ab mit nachdenklichem Innehalten.

Der Perspektivwechsel zwischen den Figuren aus den zwei Familien, deren Wege sich kreuzen werden, bringt die Dynamik einerseits, wie auch die beschriebenen Generationswechsel. Jürgen Meier versteht es, die Zeiten greifbar zu machen. Hervorzuheben sind besonders seine Beschreibungen des Konflikts und einzelner Abschnitte, wie etwa die unmittelbare Nachkriegszeit, das Nichtsehenwollen des geschehenen Unrechts, aber auch Anspielungen eben der im Klappentext anklingenden Bereicherung von deutschen Familien an jüdischem Besitz. Hier wirkt die Erzählung besonders bedrückend.

Dabei beschränkt sich der Autor nicht nur auf eine Sichtweise, sondern bringt mit einer Vielzahl an Figuren unterschiedliche Perspektiven hinein, die für eine gewisse Dynamik sorgen, nicht zuletzt für gewisse Exkurse in Kunst und Philosophie, die man vielleicht nicht unbedingt beim Aufschlagen des Romans erwartet. Hier kommt das künstlerische Schaffen des Schreibenden durch, der damit an den richtigen Stellen Ruhe einbringt.

Das kann man als Einlassung nehmen, jedoch auch als Meta-Ebene für die jeweils beschriebene Zeitepoche, muss man jedoch mögen. Hier wird wichtig, wie und als was man diesen Roman lesen möchte. Konzentriert man sich auf die Familiengeschichte, setzt den Fokus eher auf die Beschreibungen gesellschaftlichen Wandels oder hat Freude an Kunst und Philosophie? Für jeden ist etwas dabei. So klar habe ich das bisher jedoch nur selten gelesen.

Das Werk orientiert sich am historischen Verlauf der jüngeren Geschichte, so dass Wendungen allein durch das Denken und Handeln der einzelnen Figuren entstehen. Sprachlich wird man zudem über den Dialekt des Östwestfälischen Platts stolpern, in dem einzelne Sätze und Passagen formuliert sind. Sicher eine besondere Herausforderung für das Lektorat, welches wahrscheinlich jedes Wort nachschlagen musste. Für uns Lesende gibt es jedoch eine Art Glossar hintenan mit der Übersetzung ins Hochdeutsche.

Die Protagonisten, mit all ihren Ecken und Kanten, sind nachvollziehbar. Niemand ist hier durchgängig Sympathieträger. Perfektionismus gibt es im realen Leben nicht. Entscheidungen und Handlungen, oft genug die falschen, sind es, die uns zudem machen, was wir sind. Wusste schon Dumbledore aus den Romanen um Harry Potter. Hier gilt das auch. Nicht nur das macht Lust auf mehr. Man darf auf Fortsetzungen gespannt sein.

Ach so, was ist jetzt nun eigentlich Wöbkenbrot? Vielleicht so viel, eine Spezialität, unter der vor allem Menschen aus Ostwestfalen zu leiden haben. Aber hat nicht jede Region, die an kulinarischer Abstrusität kaum zu überbieten sind? Wer genießen möchte, bleibt vielleicht besser bei dieser Erzählung.

Autor:

Jürgen Meier lebt in Hildesheim und ist ein deutscher Schriftsteller und Dokumentarfilmer. Er schloss 1973 ein Studium “Intermedia” in Bielefeld ab und arbeitete anschließend als PR-Werbechef am Stadttheater Hildesheim. Er gründete die Werbeagentur Aickele & Meier. Seit 1997 ist er selbstständiger Autor und Journalist. Von ihm liegen Theaterstücke, Buchveröffentlichungen und Theaterstücke vor.

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Christian Bommarius: Im Rausch des Aufruhrs – Deutschland 1923

Inhalt:

Franzosen und Belgier besetzen das Ruhrgebiet. Tucholsky wirft hin und geht zur Bank. Hemingway wird nicht bedient. Das Rheinland will sich vom Reich abspalten. Anita Berber hat sie alle in der Hand, Joseph Roth steht vor dem Durchbruch. In Hamburg proben Kommunisten den Aufstand und Hitlers Bierkellerputsch scheitert in München blutig. Ein Brot kostet 399 Milliarden Mark.
(Klappentext)

Rezension:

Die neue Demokratie steht auf wackligen Beinen, akzeptiert wird sie nur von wenigen. Die Niederlage des Ersten Weltkriegs ist noch nicht zu lange her. Einen Weg zur Stabilisierung hat man noch nicht gefunden, gefundenes Fressen für radikale Kräfte. Das Geld verliert immer mehr an Wert. Bald schon wird der Lohn in Schubkarren ausgegeben werden müssen.

Für Banken arbeitende Druckereien suchen händeringend Angestellte. Auch ein späterer Propagandaminister, sowie ein kranker Schriftsteller finden sich hinter Bankschalter wieder. Es ist das Jahr 1923, kurz bevor der deutsche Staat sich zu stabilisieren beginnt und zugleich auch Risse bekommt, die ihn später mit zu Fall bringen sollten. Der Journalist Christian Bommarius hat sich mit der rührigen Zeitspanne von zwölf ereignisreichen Monaten beschäftigt.

Ein Sachbuch als historischer Kalender, dies ist die Aufmachung, in der jedem Monatskapitel zunächst eine Übersicht der zu den Zeitpunkt stattfindenden Ereignisse vorangestellt wird, eingeführt durch jeweils mehrere bezeichnende Fotos. Fast literarisch wird die Zusammenfassung danach aufgefächert. Wir begleiten Politiker und solche, die es einmal werden, Putschisten, Künstler und Literaten durch dieses flirrende Jahr und einen geschassten Monarchen, der von seiner Rückkehr träumt.

Die Fakten sind bekannt. Beiderseits der Grenze des Ruhrgebiets, welches von den Franzosen besetzt wird, nichts Neues. Trotzdem wirken die Texte zuweilen hölzern. Leichtgängig ist etwas anderes. Ein Lesefluss entsteht alleine nicht durch den vielseitigen Wechsel der beschriebenen Ereignisse, die zwar ausgiebig recherchiert wurden, aber für Sprunghaftigkeit wirken. Es gilt, Überblickswissen zu erlangen. Wer dieses bereits hat, sollte sich spezialisierter Lektüre zuwenden. Hier wird Grundlagenwissen aufgefrischt.

Eine gute Ergänzung ist das Personenverzeichnis hintenan, welches einen Ausblick auf den weiteren Verlauf der im Text aufgeführten Biografien gibt, deren Weichen auch und besonders im Jahr 1923 gestellt wurden.

Was sehr interessant dargestellt wird, sind die Auswirkungen der Inflation auf die einzelnen Wege der jeweiligen Personen, doch immer dort, wo es spannend wird, erfolgt der Wechsel zum nächsten Momentum. Dabei hat der Autor ein umfangreiches Detailwissen vorzuweisen. Vielleicht wäre hier die Konzentration auf einen Bereich, etwa Kunst und Kultur, nur Wirtschaft oder nur Politiker, vorteilhafter gewesen? Eine Einführung und Übersicht ist es jedoch allemal.

Autor:

Christian Bommarius wurde 1958 geboren und ist ein deutscher Journalist und Autor. Nach der Schule studierte er Rechtswissenschaften und Germanistik, bevor er als Korrespondent beim Bundesverfassungsgericht arbeitete. Er war von 1998 bis 2017 Redakteur bei der “Berliner Zeitung”, anschließend Kolumnist der “Süddeutschen Zeitung”. Er arbeitet zudem als freier Autor und wurde bereits mit dem otto-Brenner-Preis (2018) und den Heinrich-Mann-Preis der Akademie der Künste, Berlin, ausgezeichnet.

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Mein Rückblick durch’s Bücherjahr 2021

Immer wieder stelle ich fest, dass gerade in, sagen wir, fordernden Zeiten, mir Bücher einen besonderen Halt geben. Mit dem Lesen einiger Seiten auf den Weg zur Arbeit oder vor Hochfahren des Büro-Laptops im Home Office starte ich in den Tag, abends auf den Nachhauseweg in der U-Bahn schaufel ich mir mit Büchern den Kopf frei und komme auf andere Gedanken. So habe ich dieses Jahr viele Bücher für mich entdecken können, mehr gelesen als etwa im Jahr 2020, erstaunlicherweise mit vergleichsweise wenigen Totalausfällen. Nur einen Abbruch hatte ich auf den Zähler. Darum soll es heute aber nicht gehen. 2021 war für uns alle anstrengend genug. daher habe ich mich dazu entschlossen, meinen Rückblick auf die Lese-Highlights des Jahres zu beschränken und die anderen Werke aus meinem Gedächtnis zu verdrängen. Wer diese sich noch einmal zu Gemüte führen möchte, den bleibt nichts übrig, als die Rezensionen zu durchstöbern. Hier soll es heute nur um die Highlights gehen. Über die Flops sprechen wir zu oft.

Eine Top 10 auszuwählen, ist mir dabei nicht gelungen, so zeige ich ganze zwanzig Bücher, die ich in positiver Erinnerung habe. Von der Belletristik bis zum Sachbuch, von der Neuerscheinung bis zur Backlistliteratur ist alles dabei. Natürlich könnte ich noch viel mehr Werke nennen, aber ihr kennt den Ausdruck: “Das sprengt den Rahmen!”. 🙂

Während Björn Stephan mich mit seinem Schreibdebüt, einem sensiblen Coming of Age Roman, überraschen konnte, entführte mich Esther Horvath gleich zu Beginn des Jahres in die eisigen Gefilde der Arktis. Sie begleitete die bis dato größte von den Forschern des deutschen Alfred-Wegner-Instituts angeführte Polarexpedition, auf dem Eisbrecher “Polarstern” und brachte beeindruckende Fotos mit nach Hause, die sie in diesem Bildband versammelt hat. Stephan Orth nahm seine LeserInnen dagegen in ein nahezu noch unbekanntes Land. Saudi-Arabien. Immer, Auge und Auge mit Scheichs und Kamelen. Unvergessen natürlich, das Interview, welches ich mit ihm führen durfte.

Christa von Bernuths Kriminalroman “Tief in der Erde”, der auf wahre Begebenheiten eines spekatkulären Falls der bundesdeutschen Kriminalgeschichte beruht, gehört im Bereich True Crime zu meinen Highlights, wie auch Sasha Filipenko, der mit seinem Roman “Der ehemalige Sohn” tief in die belarussische Gesellschaft Einblick nehmen lässt. Noch nie habe ich einen, über weite Strecken, so deprimierenden Roman gelesen, der jedoch sehr eindrucksvoll zu lesen ist und deshalb definitiv zu meinen Highlights zählt. Olga Grjasnowas Essay über den Nutzen von Mehrsprachigkeit war nichtminder aufschlussreich.

Genau so wie ich Olga Grjasnowas Ausführungen zur Mehrsprachigkeit empfehlen kann, möchte ich allen Natasha A. Kellys Essay über Rassismus ans Herz legen. Hier beschreibt sie, woher Rassismus kommt, wie das wirkt und wie wir dieses strukturelle Problem lösen können. Ihr Werk hatte in jedem Fall den Preis für die am schwersten zu schreibende Rezension gewonnen. So oft habe ich, glaube ich, selten, nach den richtigen Worten gesucht. Khue Pham beeindruckte mit ihrem halbbiografischen Roman einer über die Welt verstreuten, ursprünglich aus Vietnam stammenden Familie und Stefanie vor Schulte mit einer sprachlich so anspruchsvollen erzählung, die ihres Gleichen sucht.

Familiengeschichten oder Coming of Age dominierten bei mir im Bereich der Belletristik und so kann ich auch Alex Schulman “Die Überlebenden”, wie auch das Debüt von janina Hecht “In diesen Sommern” zu meinen Highlights zählen. In beiden Romanen geht es um Kindheiten und den nicht ganz so einfachen Umgang damit, im Erwachsenenalter, während Ariel Magnus in seinem Roman “Das zweite Leben des Adolf Eichmanns”, den eben genannten wieder lebendig werden lässt, bis zu seiner Entführung und Verhaftung durch Agenten des israelischen Geheimdiensts Mossad. Spannend und erschreckend zugleich , einmal diese Perspektive einzunehmen.

Wie bekommen wir die Fragestellungen und Probleme, die sich gerade jetzt klar und deutlich zeigen, in den Griff? Wo liegen die Stellschrauben im Gesundheitssystem und unserer Gesellschaft? Was muss sich ändern, da Applaus nicht genug ist? Diese Fragen stellt der Journalist David Gutensohn und zeigt, wie Lösungen aussehen können und was in winzigkleinen Schritten schon jetzt passiert oder, wo es noch viel zu tun gibt. Frank Vorpahl entwirrt derweil Mythos und Wirklichkeit um Heinrich Schliemann und Xose Neira Vilas’ Novelle “Tagebuch einer Kindheit in Galicien” war genau so erschreckend, wie düster, wie hoffnungsvoll.

Der Historiker Uwe Wittstock zeigt in seinem romanhaft anmutenden Sachbuch “Februar 33 – Der Winter der Literatur”, wie schnell Kunst und Kultur von den Nationalsozialisten nach ihrer Machtübernahme vereinnahmt wurden und Schriftsteller, wie Künstler, ins Abseits gedrängt oder für ideologische Zwecke ausgenutzt wurden. Das Werk zählt wohl bei so Einigen zu den Highlights, wie vielleicht auch “Shuggie Bain” von Douglas Stuart, eine traurigere und trostlosere Version und Mischung aus “Billie Elliott” oder Frank McCourts “Die Asche meiner Mutter”. Fast möchte man die Hauptfigur aus den Roman herausziehen, und sie vor allem Übel der Welt beschützen.

Last, but not least. Karsten Krogmann und Marco Seng konstruierten in ihrem Sachbuch “Der Todespfleger” die Geschichte des Krankenpflegers Niels Högel, der zum größten Serienmörder der deutschen Nachkriegsgeschichte avancieren sollte, zeigen die Mühlen der Justiz auf, eben so wie deren Schlagkraft, während Roman Deininger und Uwe Ritzer noch einmal Olympia 1972 aufleben lassen, welches so anders werden sollte, als die Spiele der Nazis 1936, und dann doch durch einen Terroranschlag in ihren Grudnfesten erschüttert wurden. Nach zwei Sachbüchern, zu guter Letzt ein wunderschöner Roman, “Heaven”, von Mieko Kawakami, über Mobbing und zarter Freundschaft.

Das waren sie nun, meine zwanzig Highlights des Jahres, die ich um noch weitere Werke hätte ergänzen können, doch lade ich euch natürlich ein, im Rezensionsverzeichnis nach Herzenslust zu stöbern, nach diesen oder nach anderen Werken, nicht nur Highlights, aber eben auch. Es hat mir wieder großen Spaß gemacht, so vielschichtig, auch für euch, zu lesen und ich freue mich auf das kommende Lesejahr, was hoffentlich genau so abwechslungsreich und spannend werden wird.

Vielleicht ist ja das eine oder andere Werk, auch für euch, dabei?

Bis zum nächsten Jahr. Nicht vergessen, wir lesen uns.

Viele Grüße,

findo.

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Susanna Partsch: Wer klaute die Mona Lisa?

Inhalt:

Vom Diebstahl der Mona Lisa 1911 bis zum Juwelenraub im Grünen Gewölbe 2019 – dieses Buch steckt voller fesselnder und unglaublicher Geschichten. Susanne Partsch hat die spektakulärsten Kunstdiebstähle ausgewählt und erzählt von gewieften Mafia-Clans, als Polizisten verkleideten Tätern, findigen Kunstdetektiven, zerschnittenen Gemälden, besessenen Kunstliebhabern und Lösegeldforderungen in Millionenhöhe – Fälle wie aus einem Kriminalroman, die aber das Leben schrieb. (Klappentext)

Rezension:

Zum ersten Mal im Louvre-Museum in Paris zieht es die meisten Besuchenden gleich zu den Publikumsmagneten, allen voran der Mona Lisa, gemalt von Leonardo da Vinci. Heute ist dieses Gemälde geschützt durch eine davor montierte Glasscheibe und modernster Sicherheitstechnik. Besucher werden daran vorbei geschleust, dürfen nicht stehen bleiben. Das war nicht immer so. Am 21. August 1911 hing das Bild schon einmal in diesem Museum und verschwand über Nacht. Erst am nächsten Tag wurde der Diebstahl bemerkt.

Die Ereignisse um die Mona Lisa, machten sie erst zu den weltberühmten Kunstwerk, welches wir heute in ihr sehen, doch gab es auch danach und gibt es immer noch weitere Kunstdiebstähle, die die Welt bewegen. Das FBI fahndet mit einer Liste der wertvollsten verschwundenen Kunstgegenstände und auch Italien hat eine eigene Einheit bei der Polizei, die sich rein mit diesem Metier befasst, verschwinden dort, etwa aus Kirchen verhältnismäßig viele Kunstgegenstände und bleiben es, teilweise, für immer. Die Kunsthistorikerin Susanna Partsch hat sich aufgemacht, die spektakulärsten Fälle darzustellen und ihre Geschichten zu erzählen.

In anderen Werken wird Raub- und Beutekunst thematisiert. Hier konzentriert sich die Autorin auf Kunstdiebstähle in Europa, wo teilweise ganze Altäre aus Kirchen verschwinden, und Amerika. Alleine dieses Feld gibt inzwischen so viel Material her, dass man kaum alle Geschichten erzählen kann. Stattdessen wird hier eine Auswahl dargestellt und anhand kurzer Kapitel dargestellt, wie und warum so manches Kunstwerk verschwand oder welche Geschichte sich hinter dem Wiederauffinden verbarg. Schon diese auswahl zu treffen, dürfte schwer gefallen sein, mit ihrer Fachkenntnis füllt Partsch Lücken und hat damit eine sonst trockende Thematik spannend wie ein Krimi aufbereitet.

Sie erzählt die Geschichte der Werke von ihrer Entstehung bishin zum Verschwinden der Werke, beschreibt, was dies für die Museumskultur bedeutet, wo Häuser gleichsam zwischen Offenheit und Nahbarkeit, sowie Sicherheitsdenken abwägen müssen, um sich selbst vor Begehrlichkeiten zu schützen, auch müssen manchmal die Angestellten dieser Häuser etwas näher unter die Lupe genommen werden.

Eine Balance dazwischen zu finden ist ein nahezu unmögliches Unterfangen und so könnte dieses Buch auch in Zukunft fortlaufend mit neuen Fällen ergänzt werden. Einige der spektakulärsten findet man in diesem kleinen als Übersicht gehaltenen Werk.

Autorin:

Susanna Partsch wurde 1952 in bad Godesberg geboren und ist eine deutsche Kunsthistorikerin und Autorin. Nach der Schule studierte sie in den 1970er Jahren Kunstgeschichte, Ethnologier und Pädagoik in Heidelberg, wo sie 1980 promovierte. Anschließend arbeitete sie im Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen am Rhein. Seit 1985 arbeitet sie alös Autorin für Kunstbücher, Monografien, Kataloge und Reisefüher (u. a.). 1998 wurde sie mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet. Sie verfasste zahlreiche Artikel für das Allgemeine Künstlerlexikon.

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Andreas Höll: Am Ende des Schattens

Inhalt:

Berlin in den Dreißigern. Der britische Korrespondent Segal Dolphin schreibt eine Reportage über ein Berliner Forschungsinstitut, an dem “Rassehygieniker” die “Eingeborenen” im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika vermessen. Als ihm eines Abends die geheimnisvolle Dodo Liebermann – deutsche Jüdin, bisexuell, Fotografin und Avantgardekünstlerin – begegnet, wird daraus der Beginn einer aufreibenden Amour fou. Doch er ahnt nicht, dass Dodo von einem undurchsichtigen Mann erpresst wird. Auf ihn trifft dolphin schließlich im Südwesten Afrikas, wo es zum Showdown kommt. (Klappentext)

Rezension:

Längere Zeit ein glückliches Händchen bei der Auswahl der Rezensionsexemplare und auch sonst bei der Lektüre zu haben, bedeutet auch anzuerkennen, dass irgendwann der Bruch kommen muss. Der erfolgt dann um so härter, je länger man vorher lesen konnte, wo man schnell Zugang fand und auf Erzählebene ist dieser Bruch bei mir nun der Debütroman von Andreas Höll „Am Ende des Schattens“.

Dabei ist das Grundgerüst, der historische Stoff und die Anlehnung der Figuren an reale Vorbilder durchaus dazu angetan, über die gesamte Handlung hin zu tragen. Schon alleine die Szenerie eines Berlins zu Beginn der 1930er Jahre birgt für Schreibende ungeheuer viel Material, zu erzählen. Um mit etwas Positiven zu beginnen, dies zumindest beschreibt der Autor so plastisch, dass man sich gleichsam in eine Zeitreise wähnt, auch der gleich zu Beginn eingeführte Hauptprotagonist bietet, mit all den formulierten Ecken und Kanten viel Potenzial für die Entwicklung der Geschichte.

Darauf konzentriert hätte dies ein wunderbares und spannendes Leseerlebnis werden können, doch der Genre-Mix verlangt hier einiges ab, hat Brüche zwischen den Szenewechseln entstehen lassen und zumindest bei mir nicht dafür sorgen können, der Erzählung die notwendige Aufmerksamkeit angedeihen zu lassen, die sie vielleicht verdient hätte. Ständig hatte ich hier das Gefühl, schon wieder irgendein vielleicht wichtiges Detail überlesen zu haben.

Zudem mangelt es hier an wirklichen Sympathieträgern unter den Figuren. Nicht einmal an die beiden Hauptprotagonisten mag man sich halten. Für mich entstand so leider der Eindruck, dass hier viel gewollt und nicht viele der Gedanken wirklich bis zum Ende hin verfolgt wurden. Gleichzeitig wird hier versucht, Fans verschiedener Genres zu bedienen. Wenn jedoch nicht eine Linie einmal etwas konsequenter verfolgt wird, kann der Funke auch nicht überspringen. Egal, bei wen.

Tatsächlich lesen die letzten Seiten so, wie ich mir den gesamten Roman gewünscht hätte. Ich hoffe nur, dass sich jemand findet, der sich mehr darauf einlassen kann, als ich das konnte. Unter den derzeitigen Eindruck stehend, ist es mir nicht möglich, eine Leseempfehlung zu geben.

Autor:

Andreas Höll studierte Allgemeine Rhetorik, Germanistik und Empirische Kulturwissenschaften in Tübingen sowie an der Stanford University in Kalifornien. Nach Volontariaten beim Ammann Verlag in Zürich und bei RIAS Berlin/Deutschlandradio wurde er Kunstredakteur beim Kulturradio des Mitteldeutschen Rundfunks. Neben zahlreichen Katalogtexten zur zeitgenössischen Kunst erschien 2004 sein Buch »Halbzeiten für die Ewigkeit« im Gustav Kiepenheuer Verlag.

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Uwe Wittstock: Februar 33 – Der Winter der Literatur

Inhalt:

Es ging rasend schnell. Der Februar 1933 war der Monat, in dem sich auch fir Schriftsteller in Deutschland alles entschied. Uwe Wittstock erzählt die Chronik eines angekündigten und doch nicht für möglich gehaltenen Todes. Von Tag zu Tag verfolgt er, wie das glanzvolle literarische Leben der Weimarer Zeit in wenigen Wochen einem langen Winter wich und sich das Netz für Thomas Mann und Bertolt Brecht, für Else Lasker-Schüler, Alfred Döblin und viele andere immer fester zuzog. (Klappentext)

Rezension:

Die Geschichte der letzen Tage, sie beginnt mit einem Tanz auf den Vulkan. Der Schriftsteller Carl Zuckmayer, der mit den Drama “der Hauptmann von Köpenick” ein paar Jahre zuvor seinen größten Erfolg feierte, begibt sich zum Presseball, einer Berliner Institution. Alles, was Rang und Namen hat, gibt sich dort die Ehre. Die künstlerische Elite versammelt sich. Doch, die Atmosphäre ist getrübt. Nicht wenige Anwesende ahnen, dass sich die Zeiten gerade ändern. Welche Folgen dies langfristig haben wird, ist kaum jemanden klar. Am nächsten Tag, den 30. Januar 1933, wird Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt.

Es ist die Geschichte einer flirrenden Zeit. Einen Monat, in etwa so lang, wie ein ausgedehnter Sommerurlaub, brauchte es, um die Demokratie auszuhölen und durch ein System der Willkür und Tyrannei zu ersetzen, doch zunächst war nicht sicher, ob nicht die Nazis genau so schnell verschwinden würden, wie andere Regierungen zuvor. Der Krieg noch nicht in sicht, begann die Konsolidierung der Macht jedoch bereits vom ersten Tag an. Schriftstellende, Journalisten und Künstler mussten sich entscheiden. Bleiben, wie der Autor Erich Kästner etwa oder die Flucht ins Exil, wie sie Thomas und Heinrich Mann ergriffen.

Der Autor und Literaturredakteur Uwe Wittstock erzählt von einem beispiellosen kulturellen Exodus, nachdem nichts mehr so sein sollte, wie zuvor.

Anhand ausgewählter Biografien beschreibt der Autor Tage der Entscheidung. Rettet man mit der Flucht ins Exil sein eigenes Leben oder wartet man nicht lieber ab, bis der Spuk vorbei ist? Muss man überhaupt fliehen? Ist man von den Ausfällen der Machthaber selbst betroffen oder kann sich gar mit der neuen Situation arrangieren?

Was nimmt man mit, was versteckt man? Wo taucht man unter? Wie und wovon lebt man dann dort? Uwe Wittstock erzählt aus der Sicht der Manns, Döblins oder etwa Ricarda Huch und Gottfried Benn, welchen Fragen und Entscheidungen die ausgesetzt waren, die sich schon längst mit ihrem künstlerischen Schaffen positioniert hatten. Er berichtet von der Vernetzung einer Schicht, die die Nazis innerhalb weniger Tage zerschlugen.

Mit der Form eines literarischen Sachbuchs macht Uwe Wittstock eine Zeit lebendig, deren Folgen die Protagonisten damals nur ahnen konnten, die später einen ganzen Kontinent und noch mehr ins Unglück stürzte. Fakten verpackt er in erzählerischer Form. An manchen Stellen muss man durchatmen und sich vergewissen, was man mit “Februar 33 – Der Winter der Literatur” eigentlich vor sich hat. Nicht doch einen Roman?

Aus Tagebuchaufzeichnungen, Notizen und Briefen, teilweise autobiografischen Schriften, hat Wittstock ein lebendiges Bild ausgewählter Männer und Frauen gewoben, die alle auf unterschiedliche Art und Weise sich entscheiden mussten, manchmal von einer Minute auf die andere. Dabei handelt es sich um Ausschnitte.

Ein Ding der Unmöglichkeit ist es, die Wege der gesamten künstlerischen Elite jener Zeit darzustellen, doch die Auswahl der Lebensläufe zeigt ein breites Spektrum auf. Der Autor ruft so jene Zeit ins Gedächtnis, in der noch niemand sicher sagen konnte, ob dieser oder jene Weg der richtige sein sollte. Viele Akteure indes, konnten später nicht mehr an ihre Erfolge vor Februar 1933 anknüpfen. Anderen wurde die Kooperation mit den Nazis zum Verhängnis. Wenige nur konnten auch in der Nachkriegswelt künstlerisch Fuß fassen.

Wittstock erzählt chronologisch. Die Kapitel sind in Form von Tagesdaten untergliedert, was die Brisanz und die Schnelligkeit verdeutlicht, mit der sich alles änderte. In wechselnder Perspektive werden die Schwierigkeiten und Fragestellungen klar, denen sich die Akteure ausgesetzt sahen. Auch, was danach geschah, bleibt nicht unerwähnt. Zur Abrundung werden im Anschluss Kurzbiografien aufgeführt. Das Sachthema erzählerisch in dieser Form lebendig werden zu lassen, funktioniert hier sehr gut.

An manchen stellen wirkt das so, als würde man selbst etwa an einer Straßenkreuzung stehen und müsste sich entscheiden, ob man zur Wohnung geht, in der Gefahr, den eigenen Häschern in die Arme zu laufen, oder doch zum Bahnhof, um in den nächsten Zug zu steigen und Richtung Grenze zu fahren, so lange dies noch möglich ist. Manche Biografien sind bekannt, trotzdem schwitzt man beim Lesen teilweise Tropf und Wasser. Eine nüchterne Abhandlung ist etwas anderes.

Autor:

Uwe Wittstock wurde 1955 in Leipzig geboren und ist ein deutscher Literaturkritiker, Lektor und Autor. Zunächst arbeitete er als Journalist der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, wo er von 1980 bis 1989 der Literaturrerdaktion angehörte, danach wirkte er als lektor beim S. Fischer Verlag.

Zur gleichen Zeit war er Mitherausgeber der Literaturzeitschrift Neue Rundschau. Im Jahr 2000 wurde er stellvertrender Feuilletonchef der Tageszeitung Die Welt, zwei Jahre später Kulturkorrespondent in Frankfurt/Main. Bis 2017 arbeitete er als Literaturchef des Magazins Focus. Zu seinen Werken zählen mehrere Sachbücher. 1989 erhielt er den Theodor-Wolff-Preis für Journalismus.

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Yadegar Asisi: Panoramen von 2003 – 2017

Inhalt:

Die Panorama-Werkschau dokumentiert die monumental-immersiven Rauminstallationen von Yadegar Asisi, die in der Zeit zwischen 2003 und Anfang 2017 realisiert wurden. Umfangreiche Textbeiträge und ausführliche Bildstrecken zu den Panoramen sowie zu Asisis Vorarbeiten – Zeichnungen, Skizzen, Aquarelle oder Gouachen – geben einen intensiven Einblick in die Entstehung der Panoramen, den unterschiedlichen künstlerischen Ansatz und die Motivation für das jeweilige Projekt. Alle Panorama-Werke sind in Gänze über mehrere Seiten abgebildet. Bis Anfang 2017 realisierte Projekte: EVEREST, ROM 312, DRESDEN IM BAROCK, AMAZONIEN, PERGAMON, DIE MAUER, LEIPZIG 1813, DRESDEN 1945, GREAT BARRIER REEF, ROUEN 1431, LUTHER 1517, TITANIC (Klappentext)

Rezension:

Die Erfindung der Eisenbahnen und der Siegeszug der Kinos versetzten den großformatigen Bildpanoramen für lange Zeit einen Todesstoß. Plötzlich konnten die Menschen all die Orte mit eigenen Augen sehen, für die zuvor Bilder, Gemälde und Modelle herhalten mussten. Mit Bewegtbildern ließen sich sogar ganze Geschichten erzählen. Kaum jemand interessierte sich danach noch für die 360-Grad-Bilder, die zuvor Szenarien zeigten, die beeindruckten.

Diese hatten eine lange Geschichte vorzuweisen. Schon im Zeitalter der Aufklärung gab es Menschen, die etwa mit Modellen von Städten, aus Holz gefertigt, umher reisten, um zu zeigen, was die meisten Menschen mangels Mobilität nie zu sehen bekamen. Erst Jahrhunderte später wurde, mit Hilfe von Fotografie, Digitalisierung und Malerei die Kunstform der Darstellung in Panoramen wieder aufgegriffen. Einer, der es in dieser Disziplin zur Meisterschaft gebracht hat, ist der in Berlin lebende Künstler und Architekt Yadegar Asisi. Inzwischen sind seine Werke in ganz Deutschland, aber auch z. B. in Frankreich zu sehen und Publikumsmagnet schlechthin.

Der vorliegende Bildband zeigt eine Werkschau, von den ersten Panoramen Asisis, die die Öffentlichkeit zu sehen bekam. In Leipzig war dies das Bergpanorama Mount Everest bis ins Jahr 2017. In diesem Jahr zeigte das Team um den Künstler das Wrack der titanic, als Erinnerung an Größenwahn und Vermessenheit der Menschen gegenüber der Natur. Kurzweilig sind die Einführungstexte zu den jeweiligen Panoramen, die mit Skizzen ergänzt, vorgestellt werden.

Aufklappbar ist das entgültige Panorama zu sehen. Schöne Erinnerung für ehemalige Besucher, Vorfreude schaffend, für kommende Werke, die auf sich warten lassen. Asisi verrät, die Erschaffung eines solchen Panoramas nimmt mehrere Jahre Zeit in Anspruch. Besucher in Städten, wo Panoramen etwa in alten Gasometern gezeigt werden, dürfen also gespannt sein, was da kommen mag.

Mehr ist das nicht. Mehr braucht es nicht. Man erfährt nicht viel, kann sich jedoch in die Fotos verlieren und sich erinnern. An anderer Stelle wird man wohl mehr über die eigentliche Arbeit des Künstlers erfahren können, etwa auf dessen Website oder bei Besuchen der Panoramen selbst, die jede für sich auf andere Art und Weise beeindrucken. Davon wissen etwa Berliner, Wittenberger, Leipziger oder Dresdener ein Lied zu singen.

In Leipzig etwa kann man erfahren, dass zunächst innerhalb der Bevölkerung nicht an die Anziehungskraft eines einfachen die Besucher:Innen umgebenden Bildes geglaubt wurde, sich jedoch ganz schnell ein neuer Publikumsmagnet etablierte. Wer dann ein Asisi-Panorama sich angesehen hat, weiß auch, warum.

So geben dieser und andere Bildbände einen Einblick in Beeindruckendes, erinnern an Besuche der Panoramen oder machen einen solchen schmackhaft. Die Texte sind in deutscher und englischer Sprache abgedruckt. Einziger Kritikpunkt vielleicht, man müsste sich mit weiteren Panoramen immer wieder einen neuen Bildband zulegen, der die vorhandenen ergänzt. Oder man kauft gleich eine Dauerkarte für seine Lieblings-Panometer.

Links:

Yadegar Asisi Homepage
Asisi Panoramen
Zeichnen mit Yadegar Asisi

Autor:

Yadegar Asisi wurde 1955 in Wien geboren und ist ein deutscher Künstler, Architekt und ehemaliger Hochschullehrer. Seine Kindheit verbrachte er in Halle/Saale und Leipzig und studierte dann von 1973-1978 an der Technischen Universität Dresden architektur. Nachdem er aufgefordert wurde, die DDR zu verlassen, folgte ein Studium der Malerei an der Hochschule der Künste in Berlin, welches er 1984 abschloss. Danach erhielt er dort einen Lehrauftrag für perspektivisches Zeichnen.

1991 war er Gastprofessor für Architektur. Er gewann bei Architekturwettbewerben mehrere Preise und wandte sich in den 1990er Jahren den Panoramen zu, welche er seit 2003 kreierte und öffentlich ausstellte. Inzwischen sind die großformatigen Darstellungen in mehren Städten Deutschlands und Frankreichs zu sehen. Weitere Panoramen, die zumeist im Wechsel gezeigt werden, sind geplant. Asisi lebt in Berlin.

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