deutsches Reich

Anna Seghers: Transit

Inhalt:
Marseille im Sommer 1940: Am Rande Europas versammeln sich die von den Nazis Verfolgten und Bedrohten. Sie hetzen nach Visa, Bescheinigungen und Stempeln, um nach Übersee ins rettende Exil zu entkommen. Im Chaos der stadt, in den Cafes, auf dem Gang von Behörde zu Behörde kreuzen sich ihre Wege – und für kurze Zeit sind fremde Leben durch Hoffnungen, Träume und Leidenschaften miteinander verbunden. (Klappentext)

Rezension:
Gegenübersitzend in einer Pizzeria entfaltet der Ich-Erzähler seine Geschichte und all jener, denen er auf seinen Wegen durch die quirlige Hafenstadt begegnet ist. Alles drängt dort Richtung Hafen. Nur raus aus Europa, sich in Sicherheit bringen vor den Nazis, die Europa längst ins Unglück gestürzt haben. Nicht einmal hier, in Marseille kann man aufatmen, denn bleiben darf nur, wer auch gehen darf.

Gehen darf nur, wer Visa, Transitvisa und Billets beisammen hat. Doch die Wege sind lang zwischen Botschaften und Behörden, zumal zwischen den Kontinenten, ein zermürbender Kraftakt und doch Antrieb aller Anwesenden. In Anna Seghers‘ Entwicklungsroman „Transit“ entfaltet sich dieses Panorama.

Immer drängender weichen die beschaulichen Ansichten den Ängsten der Protagonisten, zu spät alle Papiere vollständig in den Händen halten zu können. Immer bedrohlicher zeichnen sich dunkle Wolken am Horizont. Nur der namenlose Hauptprotagonist, der sich an den Trubel langsam gewöhnt, möchte bleiben.

Das Unterfangen erweist sich als schwierig in einer Umgebung, die ihren ganz eigenen Gesetzen gehorscht. Die Schriftstellerin Anna Seghers beschreibt sie in ihrer kompakt gehaltenen Erzählung sehr feinfühlig. Zunächst begegnen wir auch hier, wie etwa in „Das siebte Kreuz“ einem im Vergleich zu heute erscheinenden Romanen, vergleichsweise langsamen Erzähltempo, welches sich hier behutsam steigert und entsprechende Akzente setzt.

Zwischen den Zeilen erfährt man viel. Anspielungen über Walter Benjamin und Ernst Weiß bilden den Handlungsrahmen, durchsetzt von den Erfahrungen, die die Schriftstellerin selbst machen durfte, gehörte sie doch zu denen, die 1940 Mittel und Wege suchten, den Nazis zu entkommen. In zahlreichen Figuren verarbeitet sie die Schicksale bekannter und derer, die zwangsweise unerkannt bleiben müssen.

Schnell stellt sich die Frage, nach dem eigentlichen Vorhaben des Protagonisten, der seiner unmittelbaren Umgebung mal hilft, dann wieder unerkannt Steine in den Weg legt. Nur langsam wird seine Vergangenheit und der Bezug zum Inhalt des Koffers aufgerollt, der mit ihm seinen Weg nach Marseille gefunden hat. Der Erzähler öffnet sich den Lesenden in all seinen Grau-Schattierungen, doch wirkt es nicht nur für die ihn umgebenden Figuren so, als würde man versuchen Rauch zu greifen, mit bloßen Händen. Dieser Weg, eigene Ziele zu verfolgen, gleichzeitig sich unentbehrlich zu machen, macht ihm nicht gerade zu einem Sympathieträger.

Dennoch verfolgt man atemlos seinem Weg, der nur wenige Monate umfasst, in denen ständig etwas passiert. Die Stadt hängt den Gerüchten nach, dem Wohlwollen der Beamten und Diplomaten, die mal Gegenspieler, mal nur Rädchen im Getriebe sind, welches sich trotz sich radikal verändernder Umstände immer weiter dreht. Der Kontrast der mit der idyllischen Umgebung entsteht, wirkt damit um so mehr.

Die Perspektive bleibt beim Protagonisten, aus dessen Beobachtung wir alles erfahren. Das Treiben in den Cafes, miserablen Unterkünften, in denen sich alle drängen, den langen Schlangen vor den Konsulaten. Zuweilen eröffnet sich damit ein Verwirrspiel, den man manchmal überdrüssig zu werden droht, wenn wieder einmal über die Art und Beschaffenheit der Papiere diskutiert wird.

Zum vierten, fünften, sechsten Mal. Die dichte Abfolge erschwert den Lesefluss, bei den man dann trotzdem immer wieder innehalten muss, mit dem Gefühl, etwas Entscheidendes überlesen zu haben. Hat man jedoch nicht, sondern nur ein weiteres Puzzleteil aufgenommen. Dabei lassen einem nicht einmal kurze Rückblenden Zeit, einmal durchzuatmen.

Anna Seghers hat es hier verstanden, Eile und Drängen zu verschriftlichen, aber auch sehr detaillierte Ortsbeschreibungen vor dem inneren Auge auferstehen zu lassen. Trotz mancher Distanz, die gewollt aber gekonnt konstruiert ist, hilft dies sich in die Geschehnisse der damaligen Zeit und ihre Protagonisten hineinzuversetzen.

In Bezug auf heutige Lesegewohnheiten funktioniert die Erzählung nicht durchgehend, aber doch in soweit, dass man unbedingt die Hintergründe des Protagonisten erfahren möchte, und wie die Auflösung sich gestaltet. Das klappt auch in der Gegenwart, zumal die Gründzüge des Romans sich hervorragend in das Heute adaptieren lassen, werden Städte wie Marseille wieder zu Drehpunkten von Menschen, die einen Ort zum Leben suchen. Nur eben in umgekehrter Richtung.

Gerade deshalb ist dieser Roman, wenn auch nicht immer in zugänglicher Sprache gehalten, heute noch lesenswert und zu empfehlen.

Autorin:
Anna Seghers wurde 1900 in Mainz gebohren und war eine deutsche Schriftstellerin. Sie studierte zunächst Geschichte, Kunstgeschichte und Sinologie, bevor sie 1924 ihre erste Erzählung veröffentlichte. Verheiratet mit dem ungarischen Soziologen Laszlo Radvanyi wandte sie sich der Kommunistischen Partei zu, der sie 1928 beitrat.

Eine Reise in die Sowjetunion folgte im Jahr 1930, bevor sie über die Schweiz nach Frankreich, zusammen mit ihren Kindern flüchten musste. Im Exil war sie eine der Mitgründerinnen des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller und schaffte es 1942 über Marseille nach Mexiko zu reisen, von wo sie 1947 zurückkehrte. Dort erschien 1942 ihr Roman „Das siebte Kreuz“, mehrere Jahre danach auch in Deutschland. 1947 wurde ihr der Georg-Büchner-Preis verliehen. 1952 wurde sie Präsidentin des Schriftstellerverbandes der DDR und blieb es bis 1978. 1981 wurde ihr die Ehrenbürgerwürde der Stadt Mainz verliehen. 1983 starb sie in Berlin.

Ihre Werke wurden mehrfach verfilmt und ausgezeichnet.

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Anna Seghers: Das siebte Kreuz

Inhalt:
„Das siebte Kreuz“ machte Anna Seghers mit einem Schlag berühmt und wurde zu einem bis heute anhaltenden Welterfolg. Die dramatische Geschichte einer Flucht vor den Nazis ist durchdrungen von Seghers‘ eigenen Fluchterfahrungen: Aus sieben gekappten Platanen werden im Konzentrationslager Westhofen Folterkreuze für sieben geflohene Häftlinge vorbereitet. Sechs der Männer müssen ihren Ausbruchsversuch mit dem Leben bezahlen. Das siebte Kreuz aber bleibt frei. (Klappentext)

Rezension:
In vielerlei Hinsicht besonders ist der im französischen Exil geschriebene und 1942 erstmals in Mexiko von Anna Seghers veröffentlichte Roman „Das siebte Kreuz“, der die Geschichte nicht nur einer Flucht, eben auch einer Gesellschaft in zahlreichen Facetten erzählt. Die konkrete Einordnung des Romans fällt dabei zunächst nicht leicht.

In einer Art Rückschau beginnt zunächst ein namenloser Erzähler von Ereignissen zu berichten, die einem lesend in den Strang der Haupthandlung einführen. Der Flucht von Georg Heisler aus dem fiktiven Konzentrationslager Westhofen, zusammen mit weiteren sechs, die nach und nach auf ihren Weg umkommen. Nur der Hauptprotagonist entgeht der sich immer enger zuziehender Schlinge, immer wieder. Der Weg ist die Geschichte, und die Menschen, die ihn säumen. Anna Seghers hat sich dafür Zeit genommen, diese zu beschreiben.

Ungewohnt langsam eröffnet sich die Erzählung, die sich nach und nach in mehrere parallel zueinander verlaufende Handlungen auffächert. Jede in ihrer ganz eigenen Tonalität und im dazu passenden Erzähltempo gehalten. Als wäre das nicht genug, kommt ein riesiges Figurentableau zum Tragen, welches nicht nur als Handlungstreiber funguiert, sondern auch all die unterschiedlichsten Schichten und Positionen innerhalb des Dritten Reiches darstellen soll.

Dies gelingt vortrefflich, auch wenn die Art und Weise des Erzählens für heutige Lesende zunächst ungewohnt wirken mag. Erst hineinfinden muss man sich in die Geschichte, die eingebettet im Frankfurter Umland dort geschieht, wo zuvor sich schon so einiges ereignet hat. Schon diese Punkte rechtfertigen mehr Seiten, doch ist der Roman vergleichsweise kompakt gehalten. Man kann darüber froh sein. Es ist nicht immer leicht, den Überblick zu behalten.

Wechselnde Perspektiven schildern das Fluchtgeschehen. Die grausame und bürokratische NS-Diktatur, die den Flüchtlingen unbedingt habhaft werden muss, ansonsten ihrerseits im Inneren Köpfe rollen zu drohen, die Flüchtigen, deren Vergangenheit nur zwischen den Zeilen durchscheint, die auf die Reaktionen ihrer Umgebung angewiesen sind oder durch sie ins entgültige Verderben stürzen werden.

Aus dem Exil heraus hat es Anna Seghers mit „Das siebte Kreuz“ geschafft, ein mögliches Portrait des Dritten Reiches zu schreiben, wie es Erich Kästner, der im Gegensatz zu ihr bleiben konnte, wenn auch mit Einschränkungen, hinterher nicht mehr schreiben konnte. Trotzdem beschränkt sich auch ihre Perspektive oder gerade deswegen auf einen herausstechenden Aspekt, den sie in ein Zeitraum von wenigen Wochen, mehr werden es kaum sein, erzähltet.

Seghers‘ Hauptprotagonist ist durchaus vielschichtig, nicht in allen Regungen seines Handelns sympathisch. Die Hintergründe Georg Heislers entsprechen dabei den ideologischen Idealvorstellungen der Autorin, zumindest zwischen den Zeilen. Trotzdem lässt sich die Erzählung auch heute noch gut lesen. Wenn man gewillt ist, den Roman die Hintergründe seiner Entstehungszeit zu Gute zu halten. Natürlich lässt es sich nicht vermeiden, das einige Passagen sprachlich angestaubt wirken. Der gesellschaftliche Wandel hat es zudem mit sich gebracht, dass das dargestellte Frauenbild ebenso antiquiert wirkt.

Im Rahmen des ihnen zugestandenen Raumes haben die Nebenfiguren einen durchaus umfangreichen Spielraum zwischen Schwarz und Weiss. Anna Seghers hat ihnen ebenso Ecken und Kanten verpasst, so dass auch die Beweggründe der Antagonisten diese natürlich nicht sympathisch, aber gut nachvollziehbar machen. Die Atmosphäre indes bleibt dagegen die ganze Zeit über aufs Äußerste gespannt. Auch bei denen, die „Das siebte Kreuz“ heute lesen. Die von der Autorin gesetzten Stellschrauben funktionieren heute noch.

An den steten Perspektivwechsel muss man sich, ebenso wie an die verschiedenen Erzähltempo zunächst gewöhnen. Wer einmal da hinein gefunden hat, entdeckt nicht nur eine vielschichtige Fluchtgeschichte, sondern auch einen Roman, der von Symbolik nur so strotzt. Sieben Flüchtige, sieben Kreuze, sieben Kapitel und sicher mehr als genug Anspielungen, die man innerhalb der entfachten Sogwirkung überliest. Passend wirken bewusst gesetzte Leerstellen. Nicht alles offenbart sich sofort. Einiges muss man sich zwischen den Zeilen erzählen. Das Kopfkino spielt mit. Der Detailreichtum ist trotz mancher Auslassung atemraubend.

Ein Roman, der einem so in den Bann zieht, dass es zuweilen wirkt, als würde man praktisch neben den Figuren stehen, ist lesenswert, wenn die Handlung auch zuweilen schwergängig wirkt. Hier merkt man dann doch die Jahrzehnte, die die Erzählung auf den Buckel hat, was jedoch nur Jammern auf höchstem Niveau bedeutet.

Ein Klassiker der Literatur, der auch die Wendezeit überdauern und zuvor bereits in Starbesetzung verfilmt wurde, beiderseits der ideologischen Bruchlinie zweier Systeme so Fuß fassen konnte, ist „Das siebte Kreuz“, den man konzentriert lesen sollte. Schon der Thematik wegen ist dies keine leichte Kost, zudem wenn man die Punkte erkennt, die Anna Seghers aus ihrem eigenen Ereben in ihre Geschichte mit eingebracht hat.

Eine gewisse Trennung von Autorin und Werk ist erforderlich oder zumindest eine entsprechende Einordnung im Zeitgeschehen und in Bezug zur Biografie der Autorin. Wer sich darauf einlässt, bekommt eine vielschichte Lektüre zur Hand, nicht nur literaturgeschichtlicht interessant.

Media: Kein Transit ins gelobte Land – Anna Seghers aus Mainz (SWR 2021)

Autorin:
Anna Seghers wurde 1900 in Mainz gebohren und war eine deutsche Schriftstellerin. Sie studierte zunächst Geschichte, Kunstgeschichte und Sinologie, bevor sie 1924 ihre erste Erzählung veröffentlichte. Verheiratet mit dem ungarischen Soziologen Laszlo Radvanyi wandte sie sich der Kommunistischen Partei zu, der sie 1928 beitrat.

Eine Reise in die Sowjetunion folgte im Jahr 1930, bevor sie über die Schweiz nach Frankreich, zusammen mit ihren Kindern flüchten musste. Im Exil war sie eine der Mitgründerinnen des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller und schaffte es 1942 über Marseille nach Mexiko zu reisen, von wo sie 1947 zurückkehrte. Dort erschien 1942 ihr Roman „Das siebte Kreuz“, mehrere Jahre danach auch in Deutschland. 1947 wurde ihr der Georg-Büchner-Preis verliehen. 1952 wurde sie Präsidentin des Schriftstellerverbandes der DDR und blieb es bis 1978. 1981 wurde ihr die Ehrenbürgerwürde der Stadt Mainz verliehen. 1983 starb sie in Berlin.

Ihre Werke wurden mehrfach verfilmt und ausgezeichnet.

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Eva-Martina Weyer: Tabakpech

Inhalt:

„Tabakpech“ erzählt eine Familiengeschichte aus den Jahren 1930 bis 1995 im unteren Odertal, wo die Grenzen von Preußen und Pommern, von Hochdeutsch und Platt verwischen. Das Leben der Menschen ist vom Tabakanbau und von Traditionen geprägt.

Tabakpech, der Saft, der beim Ernten aus der Pflanze tritt, klebt schwarz an den Händen, hält die Familien fest auf ihren Höfen, auch wenn dabei mancher Traum zugrunde geht. (Klappentext)

Rezension:

Nur eine Bewegung ist es, die über Glück und Unglück der Menschen im Odertal entscheidet. Das Eintauchen der Arme des Aufkäufers, mit dem dieser die Qualität der Ernte prüft, zwischen die Tabakbunde, entscheidet, ob es ein erfolgreiches Jahr gewesen ist oder alle Mühen umsonst waren.

Die Region ist hart zu den Menschen, doch die Nachfahren hugenottischer Einwanderer haben auch ihr Glück im Tabak gefunden. Und so entspannt sich eine Geschichte vom Wandel der Landwirtschaft über mehrere Familiengenerationen, eindrücklich erzählt von Eva-Martina Weyer.

Der Rhythmus der Jahreszeiten, die Erntefolge bestimmt den Takt, in dem Einwohner des kleinen Ortes denen die Autorin in ihrem kompakt gehaltenen Roman verfolgt, um eine Familiengeschichte von Beständigkeit und Veränderung zu erzählen, wie sie dort auch tatsächlich stattgefunden haben könnte.

Dabei werden der gesellschaftliche und persönliche Wandel innerhalb von wenigen Jahrzehnten thematisiert, sowie die sich verändernde Rolle und Stellung von Frauen, die auf den Feldern so manchen Traum abhanden kommen lassen müssen und dann in entscheidenden Momenten selbstbewusst das Heft in die Hand nehmen. Erzählt wird ein Strukturwandel in vielerlei Hinsicht.

Hauptsächlich aus dem Blick von Elfi betrachten wir das Geschehen, die als Waisenkind von Wilmine aufgenommen, ihren Weg zwischen den Tabakpflanzen gehen wird. Beeindruckend hat die Autorin eine Hauptprotagonistin mit Ecken und Kanten versehen, die handlungstreibend wirken. Einerseits ist da die Träumerin, phantasiebegabt, manchmal unsicher, andererseits jene, die mit zunehmenden Jahren immer selbstbewusster auftreten kann. Auch die anderen Figuren wurden feinfühlig ausgestaltet. Eine Gemeinschaft, in der ein jeder zwischen Hoffnungen und Zwängen und dem Gesspür für Veränderung und Tradition agieren muss.

Das strukturschwache Odertal mit seiner landwirtschaftlichen Prägung, war einst eines der größten Tabakanbaugebiete der Welt. Dieser Schauplatz, viel mehr das Dorf, in dem die Hauptprotagonistin aufwächst, wird anhand sehr detaillierter Beschreibungen greifbar. Auch die Handlungen der Protagonisten, die in all ihren Grauschattierungen gezeichnet werden, werden teilweise plastisch beschrieben. Manchmal sehr hart an der Grenze zum Kitsch, gerade wenn es gefühlig wird. Rentnerhafte ARD-Wohlfühlatmosphäre braucht dennoch niemand zu befürchten.

Werden andere Perspektiven eingenommen, als die der Hauptprotagonistin, kündigt sich eine handlungstreibender Wandel an. Das Erzähltempo bleibt dabei gleichförmig. Eva-Martina Weyer lässt dabei keine unlogischen Wendungen oder gar Lücken zu und bleibt im Gegensatz zu anderen Autor:innen von Familien-Epen bodenständig in ihrer kompakten Erzählung.

Diese bleibt bis zum Ende nachvollziehbar. Nicht nur zwischen den Zeilen merkt man, dass die Autorin die Gegend gut kennt. Man bekommt durchaus Lust, der wahren Geschichte des Tabakanbaus in der Region nachzuspüren, wo man doch in die Handlung hineingezogen wird. Nicht nur für Lesende, die das Odertal und ihre Menschen gut kennen, wird hier ein Kulturerbe verschriftlicht, welches diese über Jahrhunderte prägte.

Der Roman lässt einem die körperlichen Anstrengungen, das Hoffen und Bangen förmlich selbst spüren, wenn auch an mancher Stelle ein schnelleres Erzähltempo vermissen. Der Tupfen auf dem I versinkt dabei leider im Tabakpech. Bis zum Schluss bleibt er lesenswert, eben nicht nur der hervorzuhebenden grafischen Gestaltung wegen.

Tabakmuseum:

Wer dem Tabak nachspüren möchte, kann das tun. In Vierraden, Schwedt/Oder.

Autorin:

Eva-Martina Weyer wurde 1961 in Anklam geboren und ist eine deutsche Journalistin und Autorin. Sie wuchs in Schwedt/Oder auf und studierte Journalismus, arbeitete in diesem Beruf für eine große Regionalzeitung Berlins. Als selbstständige Journalistin recherchierte sie zum Tabakanbau in der Uckermark. „Tabakpech“ ist ihr erster Roman.

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Christian Goeschel: Mussolini und Hitler

Mussolini und Hitler - Die Inszenierung einer faschistischen Allianz Book Cover
Mussolini und Hitler – Die Inszenierung einer faschistischen Allianz Christian Goeschel Rezensionsexemplar/Sachbuch Suhrkamp Hardcover Seiten: 476 ISBN: 978-3-518-42891-7

Inhalt:
Öfter als jedes andere Duo westlicher Staatschefs jener Zeit trafen sich Mussolini und Hitler, die Diktatoren an der Spitze Italiens und des Deutschen Reichs.

Die Inszenierung der Freundschaft sollte nach außen Einheit und Macht demonstrieren, nach innen Volksnähe vermitteln, doch war sie nur wenig mehr als ein Zweckbündnis, welches sich verselbstständigte.

Beide Männer konnten sich persönlich nicht leiden, waren zunehmend aneinander gebunden, stürzten schließlich Europa und sich selbst in den Abgrund.

Christian Goeschel analysiert die choreographierte Diktatorenfreundschaft im Zeitalter der Massenmedien und zeigt, was geschehen kann, wenn in der Politik Performance und Macht miteinander verschmelzen. (eigene Inhaltsangabe)

Rezension:
Kaum ein Ereignis hat in Folge seiner Aufarbeitung so viel Literatur hervorgebracht, wie die größte aller Katastrophen unserer Geschichte.

Um so schwieriger ist es, einen neuen Ansichtspunkt zu finden, der die Betrachtung lohnt, doch ein Blick in die Archive, in private und öffentliche Korrespondenzen fördert auch heute noch Interessantes und Erschreckendes zu Tage.

Der Historiker Christian Goeschel hat einen solchen Ansatz zu einer an sich bekannten Thematik gefunden. Ergebnis seiner Recherchen ist vorliegendes Werk.

Kein anderer Krieg war so zerstörerisch und so mörderisch, wie dieser. Als Europa in Trümmern lag, hatte dieser Millionen von Menschen das Leben gekostet. Heraufbeschworen hatten ihn Diktatoren, in deren Ländern der Weltenbrand, den sie einst ausgelöst hatten, nach sechs Jahren zurückkehrte.

Einer der Männer wurde erschossen und seine Leiche in der Öffentlichkeit zur Schau gestellt, der andere entzog sich der Verantwortung durch Selbstmord. Doch, wie konnte die Allianz von Hitler und Mussolini, die eine Freundschaft inszenierten, die es so nie gab, einen Kontinent in den Abgrund stürzen?

Welche Rolle spielten persönliche Sympathien, welche die Vorurteile der Diktatoren für dieses Bündnis, welches sich schnell außerhalb der Kontrolle beider verselbstständigen sollte?

In diesem Sachbuch stellt der Historiker Goeschel die Entwicklung eines Bündnisses dar, welches durch erstaunlich dünne Fäden zusammengehalten wurde.

Er analysiert die Gründe, welche die Diktatoren aneinander banden und gemeinsam in den Abgrund stürzten, wie auch sie ihre Länder und die halbe Welt in Schutt und Asche legten. Kühle Analyse trifft hier auf Logik, so dass die Thematik selbst dann zugänglich wird, wenn man sich nur rudimentär für diesen Teil der Geschichte interessiert.

Dennoch bekommt man durch die Lektüre eine Fülle von neuen Informationen oder anderen Blickwinkeln, die sich dann eröffnen.

Christian Goeschel weiß zu interessieren, beschränkt sich jedoch auf’s Wesentliche. Daran sollte man denken, wenn die unzähligen Treffen von Mussolini und Hitler in ihrer Ausführlichkeit detailliert beschrieben werden.

Gefühlt gibt dies Längen in der Lektüre, die jedoch die Komplexität der sich verselbstständigten Dynamik zweier Diktatoren aufzeigt und folgerichtig darstellt. Die Kapitel sind logisch gegliedert. Ein Bildteil dient der Veranschaulichung.

Grundlage bildet eine umfangreiche Recherche, wie das Quellenmaterial erschließen lässt und die Zusammenarbeit, der Austausch mit anderen renomierten Historikern. Diese trugen ungemein zum Gelingen bei.

Hitler und Mussolini im Hinblick ihrer inszenierten Freundschaft, die sich als Bild in den Köpfen der Menschen verselbstständigte und die Dynamik der daraus folgenden Prozesse, deren tödliche Spur sie noch gewollt verstärkten. Eine sehr interessante Analyse.

Autor:
Christian Goeschel wurde 1978 geboren und ist Historiker. Er lehrt an der Universität Manchester und forscht über Interaktion zwischen Politik, Kultur und Gesellschaft in der jüngeren Geschichte.

Zu seinem bemerkenswerten Arbeiten gehört die im Jahre 2011 erschiene Ausarbeitung „Selbstmord im Dritten Reich“. Er unterrichtet Europäische Geschichte.

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Peter Wyden: Stella Goldschlag – Eine wahre Geschichte

Stella Goldschlag - Eine wahre Geschichte Book Cover
Stella Goldschlag – Eine wahre Geschichte Peter Wyden Sachbuch Steidl Verlag Hardcover Seiten: 384 ISBN: 978-3-95829-608-4

Inhalt:

Stella Goldschlag war blond, schön, intelligent, schlagfertig und vielseitig begabt. In einem anderen Land und zu einer anderen Zeit hätte sie eine glänzende Karriere gemacht, doch Stella war Jüdin und lebte in Deutschland. Um ihre Eltern vor den Deportationszügen zu bewahren, verriet sie untergetauchte Juden an die Gestapo, konnte sie nicht retten und machte dennoch weiter. Mörderisch effizient. Peter Wyden, eins Mitschüler Stellas an der privaten jüdischen Goldschmidtschule in Berlin sprach mit Überlebenden, Zeitzeugen, Historikern und Psychologen, nicht zuletzt, zwei Jahre vor ihrem Freitod, mit Stella selbst. Er urteilt nicht. Peter Wyden erzählt eine wahre Geschichte. (eigene Inhaltsangabe)

Inhalt:

Es ist noch gar nicht so lange her, da machte die Aufarbeitung der Geschichte um die jüdische Greiferin Stella Goldschlag durch Takis Würger Furore. Ein Aufschrei nach dem anderen erfolgte, als der Hanser-Verlag den Roman „Stella“ veröffentlichte und zugleich begannen sich die Leser für die wirklichen Geschehnisse zu interessieren. Doch, während die englischsprachige Ausgabe antiquarisch zu haben war, war die 1999 erschiene Übersetzung längst vergriffen und nur noch zu Phantasiepreisen zu erwerben. So entschloss sich der Steidl-Verlag dieses Werk neu aufzulegen, welches hiermit vorliegt.

Worum geht es? Der Klappentext zusammengekürzt, verrät schon viel und gibt den Umriss eines besonderen Sachbuches. Natürlich kennen wir Leser alle die Berichte von Überlebenden des Nazi-Regims, sowohl der Opfer als auch der Täter, doch gab es natürlich auch Menschen, wie zu jeder Krisenzeit, die irgendwo dazwischen standen. Solch ein Mensch war Stella Goldschlag, die in die Gefänge der Gestapo geriet, und begann, um ihre Eltern und ihre eigene Haut zu retten, Berliner Juden zu verraten, die sich vor der Vernichtungsmechanerie der Nazis im Untergrund versteckt hielten.

Ersteres gelang nicht, doch um zumindest das zweite zu erreichen, machte sie weiter, als längst ihre Eltern deportiert werden. Peter Wyden ging nach dem Krieg der Frage nach, warum ausgerechnet Stella Goldschlag diesen Weg einschlug und welchen Lauf ihr Leben nahm, welches sie 1994 durch Selbstmord beendete. Wer war Stella Goldschlag, die „Greiferin“, das blonde Gift?

Es ist ein bemerkenswert differenziertes sachbuch, welches hier neu aufgelegt wurde, vor allem, wenn man um die tatsache weiß, dass sich Autor und Beschriebene seit ihrer Jugend kannten, dennoch so unterschiedliche Wege eingeschlagen hatten und einschlagen mussten. Peter Wyden wollte verstehen und recherchierte als Journalist und Privatmann jahrzehntelang zur Geschichte seiner ehemaligen Klassenkameradin.

Er stöberte in Archiven und Gerichtsakten, sprach mit Zeitzeugen, Opfern und Freunden von Stella Goldschlag, schließlich mit der Hauptperson selbst. Was muss ein Mensch durchmachen, um zu solchen Taten fähig zu sein? In welcher Extremsituation hätte man selbst vielleicht sich zu diesem schmählichen Verrat hinreißen lassen und wann genau kam es zum Knackpunkt, an dem Stella hätte aufhören müssen, wenn man das überhaupt gekonnt hätte? Wäre dies möglich.

Ohne zu werten zeichnet Wyden detailliert Stellas Weg nach, zeigt, wie sie so viele ihrer Mitmenschen an die Nazis verraten konnte und warum Geschichte und Taten sie nicht mehr los ließen, bis zu ihrem Ende. Zeitlos wirkt der Text, tatsächlich kann das Sachbuch auch heute noch gut gelesen werden und ist damit ein wichtiger Grundstein zur Geschichte der Verfolgung der Juden durch das NS-Regime in Berlin.

Im Stil des Journalisten, dem eine Geschichte begegnet und nicht loslässt, arbeitete der ehemalige und dann wiederholte Berliner an diesem Sachbuch, welches zeigt, dass es in besonderen Zeiten besondere Menschen gibt. Leider eben auch im schrecklichen Sinne. Das hat eine ungeheuerliche Qualität, die erdrückend wirkt, wobei Wyden seine journalistischen Fähigkeiten nicht nur in der Recherchearbeit selbst einzusetzen wusste.

Gegliedert, entlang der Lebens- und zeitlichen Abschnitte, durchsetzt mit zahlreichen Quellenangaben, doe vor allem aus Interviews mit Zeitzeugen bestehen, wie sie heute kaum mehr durchgeführt werden können, ist „Stella Goldschlag – Eine wahre Geschichte“ ein zeitloses Sachbuch und eine Warnung zugleich. Was würden wir tun? Wie weit würde jeder Einzelne von uns gehen, um die eigene Haut zu retten?

Beten wir darum, dies nie erfahren zu müssen. Unabhängig von den Taten der Stella Goldschlag, so verachtenswert sie sind, hatte sie wohl kaum eine Wahl. Peter Wyden bewertet dies nicht, mit seinem Fazit bin ich dennoch nicht ganz glücklich. Davon abgesehen, gibt es hier eine unbedingte Leseempfehlung.

Autor:

Peter H. Wyden wurde als Peter Weidenreich 1923 in Berlin geboren und war ein deutsch-US-amerikanischer Journalist und Autor. Als Kind jüdischer Eltern besuchte er ab 1935 die jüdische Privatschule Dr. Goldtschmidt in Berlin und folh mit seiner Familie 1937 aus Berlin. Er studierte an der City University New York und diente anschließend in der US Army. Ab 1945 leitete er die Lokalredaktion Berlin der Allgemeinen Zeitung und arbeite als Reporter und Redakteur. Seit 1970 veröffentlichte er mehrere Bücher, 1992 auch über Stella Goldschlag, die als „Greiferin“ untergetauchte Juden in Berlin an die Gestapo verriet. Das Buch wurde 2019 neu aufgelegt. Peter wyden starb 1998 in Ridgefield/Connecticut.

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Ian Kershaw: Höllensturz – Europa 1914 bis 1949

Höllensturz - Europa 1914 bis 1949 Book Cover
Höllensturz – Europa 1914 bis 1949 Ian Kershaw DVA Erschienen am: 12.09.2016 Seiten: 764 ISBN: 978-3-421-04712-9 Übersetzung: Klaus Binder (u.a.)

Inhalt:

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stürzt sich Europa in eine selbstverschuldete Katastrophe, die historisch ohne Beispiel ist. Über drei Jahrzehnte hinweg, von 1914 bis 1949, prägten Kriege, Völkermorde, Vetreibungen und politische Unruhen die Geschichte des Kontinents.

Ian Kershaw gelingt ein Glanzstück der modernen Geschichtsschreibung in seiner Schilderung dieser gleichermaßen faszinierenden wie beklemmenden Ära, in der Europa sich beinahe selbst zerstört hätte.

Meisterlich denkt er die wichtigsten Entwicklungen in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur der europäischen Länder zusammen und führt uns die Auswirkungen des tiefgreifenden Wandels auf das Leben von Millionen von Menschen vor Augen. (Klappentext)

Rezension:

Sehr umfangreiche und detaillierte Sachbücher führen wohl ein Nischendasein in unseren Buchhandlungen, doch entdeckt man unter den „Wälzern“ bei genaueren Hinsehen immer wieder Schätze, die es sich zu Betrachten lohnt.

Ian Kershaw ist ein Garant für solch eine Literatur, die selbst mit der Thematik vertrauten Lesern neues und vielschichtiges Hintergrundwissen vermittelt. Hier zumeist inhaltlich sich mit den Zweiten Weltkrieg und Hitler als Person befassend.

Aber auch der große Zeiten-Überblick gelingt dem britischen Historiker, der sich wissenschaftlich und auch sonst wieder einmal ein Denkmal zwischen zwei Buchdeckeln geschaffen hat.

„Höllensturz – Europa 1914 bis 1949“, erzählt die Geschichte eines Kontinents in Umbruch, von Ländern, die sich gegenseitig in unvergleichliche Abgründe getrieben haben und von Menschen, die ihresgleichen millionenfach in zwei schrecklichen Kriegen vernichteten.

Es ist unsere Geschichte, die zum Fanal für mehrere Generationen und ihrer Auswirkungen, die noch mehrere Jahrzehnte spürbar waren. Europa im modernen beinahe 30-jährigen Krieg.

Ian Kershaw hat sich der schwierigen Thematik angenommen und beleuchtet dieses Mal nicht nur die geschichte der Deutschen, sondern die Geschichte der großen und kleinen Länder des kontinents.

Er erläutert detailliert, wie es zur Urkatstrophe des 20. Jahrhunderts kommen konnte und weshalb vor 1949 demokratische Staatsformen Schwierigkeiten hatten, sich zu etablieren.

Der Autor analysiert den Niedergang des British Empire zugleich mit den Aufstieg der USA und das auseinanderbrechende Mächtegleichgewicht zwischen Frankreich, dem Deutschen Reich und dem Russischen Reich, erklärt weshalb der Staat der Habsburger in einer Kettenreaktion seinem Untergang entgegen kämpfte, die schließlich auch andere Staaten ins Unglück stürzte.

Messerscharf beleuchtet er gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Komponenten, macht fassbar, was unfassbar ist.

Geschichte begreiflich zu machen, ist die vornehmste Aufgabe der Historiker und Ian Kershaw beherrscht dies perfekt. Bewiesen hat er es schon mit seiner Hitler-Biografie, die in der wissenschaftlichen Aufarbeitung Maßstäbe setzte, hier legt der Historiker jedoch noch eine Schippe drauf.

Natürlich ist der Einstieg in die Thematik nicht einfach, tatsächlich wird, wer die Detailliertheit und Informationsfülle nicht gewohnt ist, Schwierigkeiten bekommen. Und ja, Vorbildung und Interesse empfiehlt sich.

Wer jedoch Geduld mitbringt, wird mit umfangreichen Analysen, verständlich gezogenen Linien von Überblickswissen und einer Genauigkeit belohnt, die ihres Gleichen sucht.

Ian Kershaw setzt hier Maßstäbe in der Verarbeitung von unzähligen Quellen, dessen Verzeichnis knapp gehalten ist, jedoch auf das unfassbar zahlreiche Material hinweist, welches dem Autoren zur Verfügung stellt. Geschichtswissenschaft für Fachleute und das gemeine Volk, Kershaw schafft beides.

Es ist Lektüre, die ein hohes Maß an Konzentration erfordert, deren Leser jedoch mit Wissen, neuen Erkenntnissen und Schlussfolgerungen belohnt werden. Es ist die Aufarbeitung des 20. Jahrhunderts aller europäischen Völker, welche sich Ian kershaw zu einem Langzeitprojekt gemacht hat.

Die zweite Hälfte, eine glücklichere Zeit, wird ebenso ausgearbeitet erscheinen, so zumindest der Historiker im Vorwort, der wissenschaftlich korrekt auf die Vielzahl an Arbeiten anderer Historiker hinweist, die auch ihm als Grundlage zum Schreiben dienten.

Das Lesen solcher Bücher ersetzt den Geschichtsunterricht und wirkt effektiv nach. Geschichte muss nicht trocken sein, Sachbücher nicht pur theoretisch, so gelingt moderne Vermittlung, auf dass sich die Vergangenheit nicht wiederholen mag.

Kershaw appeliert an unser Gewissen, denn der nächste Krieg, soviel ist 1949 schon klar, hat das Potential, die Menschheit völlig zu vernichten. Eingeleitet durch Zitate berühmter Personen aus Politik und Kultur jener Zeiten schwebt in den ausführlichen Kapiteln diese Warnung wie ein Damoklesschwert über die Köpfe der Leser.

Uns sollte daran gelegen sein, es nicht hinunterfallen zu lassen.

Autor:

Sir Ian Kershaw wurde 1943 in Oldham, Lancashire geboren und ist ein britischer Historiker, der durch seine Schriften zum Nationalsozialismus, besonders durch seine Hitler-Biografie Bekanntheit erlangte.

Nach der Schule studierte er geschichte und war zunächst Dozent für Mittelalterliche und Moderne Geschichte an der University of Manchester. Nebenbei erlernte er im Goethe-Institut seiner Stadt die deutsche Sprache und verlagerte seinen Tätigkeitsschwerpunkt auf die deutsche Geschichte.

1983/84 hatte er eine Gastprofessur an der Ruhr-Universität Bochum inne, 1987 nahm er eine Professur in Nottingham an, später in Sheffield, wo er bis Ende september 2008 Geschichte lehrte. Zahlreiche Auszeichnungen erhielt er für seine Aufarbeitung deutscher und europäischer Geschichte, u.a. das Bundesverdienstkreuz.

2002 wurde er zum Ritter geschlagen. 2012 erhielt er den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung. 2013 wurde er für sein Lebenswerk mit den Meyer-Struckmann-Preis geeehrt. Seine Werke gelten als geschichtswissenschaftliche Standardliteratur.

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