zeitgeschichte

Gudrun Pausewang: Auf einem langen Weg

Auf einem langen Weg Book Cover
Auf einem langen Weg Gudrun Pausewang Ravensburger Erschienen am: 01.08.1996 Seiten: 191 ISBN: 978-3-473-52041-1

Handlung:

“Jetzt ist es so weit”, rief die Mutter nervös. “Wir müssen weg. Heute Abend müssen wir auf dem Bahnhof sein. Wir werden in den Westen gebracht.” Achim verstand nicht, worum es ging. Er war ja auch erst sechs Jahre alt.

Werner aber wusste, was das bedeutete: Die Stadt würde bald beschossen werden. Deshalb sollten vorher alle Frauen und Kinder und alle Alten und Kranken forgebracht werden. Der Zug kommt jedoch nicht weit. Bei einem Bombenangriff werden Werner und Achim von der Mutter getrennt. Sie haben nichts als ihre Wintermäntel. Und eine Adresse: Glauchau. (Klappentext)

Rezension:

Es ist das Schicksal hunderter Kinder, was Gudrun Pausewang hier beschreibt, denn nach Kriegsende gab es wohl unzählige kleine Werner und Achims, deren Familien Richtung Westen flüchteten um den “Horden” der Roten Armee zu entkommen.

Viele Kinder verloren auf dem langen und beschwerlichen, gefährlichen Weg ihre Eltern ganz oder teilweise aus den Augen und mussten sich alleine durchschlagen. In der Hoffnung, die Eltern wieder zu finden und einfach nur zu überleben.

Dies gelingt Pausewang einfühlsam zu beschreiben, verständlich selbst für junge Leser, die sich wohl mit dieser Thematik, die nur die Groß- oder Urgroßelter-Generation betrifft, beschreibt und so einen Zugang ebnet für die Geschichten vieler Familien.

Der Schreibstil ermöglicht dabei ein leichtes flüssiges Lesen. Die Figuren sind überwiegend sympathisch, vor allem die Brüder Werner udn Achim eignen sich als Identifikationsfiguren.

Ihr Weg, ihre Abenteuer, ihre Gefühle und ihr Kampf ums Überleben werden gerade für Kinder einfühlsam beschrieben, wenn auch gerade Pausewangs Ausdruck auf jüngste Leser geradezu geeicht und für ältere Leser entweder etwas altmodisch aber zumindest manchmal angestrengt rüberkommt.

Inzwischen gibt es viele veröffentlichte Berichte, teilweise von den Zeitzeugen selbst, über die sog. “Wolfskinder”, die ihre Eltern in den letzten Kriegswirren verloren hatten und sich nun alleine durchschlagen mussten. Oft noch über das Kriegsende hinaus, jahrelang. “

Auf einem langen Weg” ist eine würdige Verarbeitung dieser Thematik und eröffnet für die Kleinsten einen Zugang, so verständlich und einfühlsam, dass diese Geschichte bereits 1984 verfilmt wurde. Das Cover zeigt die beiden Jungschauspieler.

Autorin:

Gudrun Pausewang wurde 1928 in Wichstadtl in Böhmen geboren und floh mit ihrer Familie nach Kriegsende nach Westdeutschland. In Wiesbaden machte sie ihr Abitur und studierte Pädagogik. Danach unterrichtete sie als Grund- und Hauptschullehrerin.

Ab 1965 unterrichtete sie fünf Jahre an der Deutschen Schule in Chile und bereiste wärend dieser Zeit Südamerika. Ende 1963 ging sie nach Deutschland zurück, studierte Germanistik und war wieder als Grundschullehrerin tätig.

Nach einem kurzen Wechsel an einer Deutschen Schule in Kolumbien, kehrte sie entgültig nach Deutschland zurück und schrieb neben ihrer Berufstätigkeit Romane wie “Die Wolke”, wofür sie 1988 den Deutschen Jugendliteraturpreis bekam. 1998 promovierte sie an der Universität in Frankfurt/Main.

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J. M. Coetzee: Der Junge

Der Junge Book Cover
Der Junge J.M. Coetzee Fischer Taschenbuch Erschienen am: 01.05.2000 Seiten: 200 ISBN: 978-3-5961-4837-0 (vergriffen)

Handlung:

J. M. Coetzee eindringliches, vollkommen unsentimentales, dbei oft genug hochpetischens Buch der Erinnerung an eine schwierige Kindheit in einem öden Provinznest unweit von Kapstadt liest sich wie ein Roman.

Als Meisterwerk narrativer Autobiographik von der Kritik gefeiert, zeichnet dieses Buch das Porträt eines Jungen, in dem sich schon früh der Schriftsteller ankündigt. (Klappentext)

Rezension:

Er ist ein intelligenter Beobachter seiner Umgebung, Klassenprimus aus Angst davor, wegen schlechter Leistungen den Rohrstock seiner Lehrer spüren zu bekommen und obwohl noch Kind schon tonangebend in seiner Familie.

Dem Vater, der seine Familie ins Unglück stürzen wird misstraut, die Mutter vergöttert er und quält sie zugleich mit seinen Forderungen. Der kleine Bruder ist nur ein Abklatsch seiner selbst. Dies ist die Geschichte der Kindheit Coetzees, der später Schriftsteller werden und 2003 den Nobelpreis für Literatur erhalten sollte.

Ein autobiographischer Roman, der es in sich hat, im Hintergrund des Apartheid-Regimes Südafrikas als Nachkömmling europäisch-burischer Eltern seinen Platz in der Gesellschaft suchend.

So beschreibt der Autor detaillreich, ohne Längen, das Aufwachsen in diesem sonderbaren Land der Gegensätze und man beginnt Coetzee zu begreifen und damit auch eine ganze Generation von weißen Jungen, die noch im System der Rassen-Ideologie erzogen wurden und später erlebten, wie ein Land sich verändern musste.

Es ist ein beeindruckender kleiner Roman ohne Längen. Der Schreibstil zieht einem in den Bann. Fast ist es als wäre man selbst dieser Junge, der zwar mittendrin ist aber doch irgendwie immer Außenseiter.

Ob in der Schule, wo er sich zwanghaft irgendwo einordnen versucht oder in der Familie, wo er ebenso seinen Platz nicht wirklich finden will oder kann. Ein Roman über einen Jungen, der gerne wie jeder andere wäre, “normal” und zugleich weiß, dass er es nicht ist, sondern schon früh begreift, dass er einmal ein vollkommen anderes Leben einschlagen wird als in seiner Schicht, in seiner Familie akzeptiert wird.

Mir hat es unheimlich Spaß gemacht über die Kindheit des Autors in dieser Form zu lesen, die ständig zwischen der Tyrannei und dem Jähzorn, dann wieder Intelligenz und Liebenswürdigkeit eines kleinen Jungen hin und her pendelte. Mehr muss man dazu nicht sagen.

Autor:

John M. Coetzee wurde 1940 in Kapstadt geborenn und studierte nach der Schule Literatur. Seur 1972 lehrte er an verschiedenen UniversitätenLiteratur, seit 1996 ust er zudem Mitglied des Committee of Social Thought der University of Chicago.

Seine Romane wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. zwei Mal mit dem Booker Prize. 2003 bekam er den Nobelpreis für Literatur. Der Autor lebt heute in Australien.

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John Nettles: Hitlers Inselwahn

Hitlers Inselwahn Book Cover
Hitlers Inselwahn John Nettles Rezensionsexemplar/Sachbuch Osburg Verlag Hardcover Seiten: 394 ISBN: 978-3-95510-094-0

Inhalt:
28. Juni 1940: Deutsche Bomben treffen die Häfen von St. Helier auf Jersey und St. Peter Port auf Guernsey. Damit fällt britischer Boden den Deutschen in die Hände und verbleibt dort bis zur Befreiung im Mai 1945. In seinem Buch schildert der gelernte Historiker John Nettles die bewegte Zeit der Besetzung auf den Ärmelkanalinseln. Eine Zeit, fernab jeder Bilderbuchidylle, geprägt von Kollaboration und Widerstand, Deportation der Juden und dem massiven Einsatz von Zwangsarbeit. Und nicht zuletzt vom Verrat der britischen Regierung an ihren Inselbewohnern. (Klappentext)

Rezension:
Noch immer liegen einige Kapitel des schmerzlichsten aller Kriege im Dunkeln und sind hierzulande kaum bekannt. Dazu gehört die Besetzung britischen Territoriums durch die Deutschen im Zweiten Weltkrieg. Zwar misslang die Luftschlacht um England und wurde für Görings Luftwaffe zu einem Fiasko aber die Eroberung der Kanalinseln war ein nicht gerade geringer Propaganda-Erfolg.

Und für die Bevölkerung von Guernsey, Sark, Alderney und Jersey der Beginn einer Zeit der Ungwissheit, des Hungerns und des Leids, welches dennoch geringer ausfiel als anderswo in Europa. Genau dies brachte die britischen Ermittler des Geheimdienstes auf den Plan, die nach dem Krieg die Folgen untersuchten. Warum war die Bevölkerung der Inseln vergleichsweise “gut” weggekommen? Warum hatte sie kooperiert und fast “zu wenig” Widerstand geleistet? Wie stark war die Bindung an den Feind gewesen und wie stark war die Bindung an das britische Mutterland zu der Zeit oder auch danch überhaupt noch?

Dabei hatten Chamberlain, Churchill und das britische Militär dies selbst zu verantworten. John Nettles zeigt beeindruckend auf, wie die Briten ihre Bürger auf den Kanalinseln im Stich ließen und wie diese sich selbstüberlassen mit der neuen Situation arrangieren mussten. Er zeigt das Dilema der Verantwortlichen auf und die unglückselige Situation der einheimischen, die sich weder verstecken noch fliehen konnte. Er zeigt, warum die Bevölkerung, im Gegensatz zur Resistance-Bewegung keinen nennenswerten Widerstand zustande brachte und wie die Kollaboration mit dem Feind unzählige Leben rettete.

Dem Autor, Historiker und späteren Schauspieler ist ein eindrucksvolles Portrait einer sonderbaren Situation gelungen. Sehr gut recherchiert, mit einer ausführlichen Quellenlage und direkten Kontakt zu den Einheimischen. Er zeigt auf, dass die Situation auf den Kanalinseln für Besetzte und Besatzer eine besondere sein musste, dass die Inselregierungen nicht schwarz oder weiss handeln oder denken konnten, sondern in einer Grauzone agieren mussten, um ein schlimmeres Regime a la der Besetzung in den Niederlanden oder der Tschechei zuvor zu kommen und die eigenen Leute zu schützen. Wer mit dem bissigen Hund auf engen Raum zusammen gefercht iost, vermeidet besser, ihn zu reizen.

Ausführlich beleuchtet Nettles die Situation auf den einzelnen Inseln, die obwohl nur wenige Kilometer von einander entfernt, teils sehr unterschiedlich war. Er beschreibt das Handeln einzelner und das Leben auf den Inseln, geht auf die Verantwortlichen beider seiten ein.

Er berichtet von britischen Kommando-Unternehmen, die zum Fiasko gerieten, von Feigheit und Verrat der Menschen untereinander und der großen Politik (London). Der Autor zeigt, warum überwiegend die Deutschen zwar als Übel aber zumindest am Anfang noch nicht als Feind angesehen wurden und warum die Deutschen sich gegenüber den Briten, die so gar nicht britisch waren, milde verhielten.

Die Geschichte der Kanalinseln ist zumindest in diesem Punkt eine Geschichte des Leids und zudem ein schmutziger Punkt auf der politischen Weste Londons. großartig erzählt, detail- und kenntnisreich, eindrucksvoll beschrieben. Nettles legt hier eine interessante vielschichtige historische Studie vor. Nötig, weil zu unbekannt zwischen den großen anderen schrecklichen Ereignissen im Zweiten Weltkrieg. Mit “Hitlers Inselwahn” wird Nettles diesem, vor allem für Groß-Britanniens Geschichte, Kapitel gerecht.

Autor:
John Nettles wurde 1943 in Manchester geboren und verbrachte seine Kindheit in St. Austell/Cornwall. In den 1960er Jahren studierte er Geschichte und Philosophie, bevor er sich der Schauspielerei zuwandte. 1976-1980 und 1992-1996 war er Ensemblemitglied der Royal Shakespeare Company.

Internationale Bekanntheit erlangte er in den 1980er Jahren mit der Rolle des Jim Bergerac in der gleichnamigen britischen TV-Serie. Diese wurde von 1981-1991 auf den Kanalinseln gedreht. Dem deutschen Publikum ist er insbesondere durch seine Rolle als Inspector Barnaby bekannt, die er von 1997-2011 spielte.

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Pu Yi: Ich war Kaiser von China

Ich war Kaiser von China Book Cover
Ich war Kaiser von China Autobiografie dtv Verlag Taschenbuch Seiten: 453 ISBN: 978-3-423-21168-0

Inhalt:
Seine Majestät das Kind: Das Leben des letzten Kaisers von China ist eine der unglaublichsten und aufregendsten Geschichten des 20. Jahrhunderts. Mit zweieinhalb Jahren inthronisiert, muß Pu Yi bereits 1912 unter dem Druck der ersten chinesischen Revolution abdanken. Seine Gedanken konzentrieren sich fortan nur auf ein Ziel: die Rückkehr auf den Drachenthron.

Um dies zu erreichen, ist ihm jedes Mittel recht. Pu Yis spannende Autobiographie, Vorlage für Bertoluccis mit neun Oscars ausgezeichnenten Film ›Der letzte Kaiser‹ gewährt absurde und zugleich faszinierende Einblicke in die mit ihm versunkene Welt der Verbotenen Stadt und führt über die Wirren des chinesischen Bürgerkriegs in die Gefängnisse der Volksrepublik, wo Pu Yi neun Jahre lang eine Umerziehung zuteil wurde, die aus dem ehemaligen Herscher über Millionen einen überzeugten Anhänger Maos, den »Neuen Menschen« machte. (Klappentext)

Rezension:
Ein Viereck, geteilt mit einem durchgehenden Strich. Das chinesische Zeichen für Mitte. Und genau als dass sah sich China, als Mitte der Welt, selbst, als es längst gedemütigt war durch die imperialistischen Großmächte Europas.

Das Kaiserreich in seinen letzten Atemzügen setzte den kleinen Pu Yi als Kaiser ein, damit im Hintergrund die grausame Tse Hsi ihre Macht als Regentin halten konnte und trieb dabei China nch mehr in den Abgrund. Dem Kind blieben schließlich nur noch die Scherben einer einst glanzvollen Macht. Und Pu Yi erzählt davon.

Vom Aufwachsen in der Verbotenen Stadt, vom Leben als Prinz und vom zeitlichen Wandel, den er zunächst nicht begreifen konnte und auch nicht wollte. Er erzählt, wie er versuchte durch Japan im Zweiten Weltkrieg seine ursprüngliche Macht zurück zu erlangen und schließlich an den japanischen Machthabern scheiterte und wie Gefankenschaft und Umerziehung aus ihm einen neuen Menschen machten.

Natürlich ist gerade dieser letzte Abschnitt sehr ideologisch, sehr wohlwollend geschrieben aber Pu Yi stand da unter dem Eindruck eines Lebens, was fast nur den Abstieg kannte und sicherlich den Eindruck des chinesischen Zensors, der wie ein Damokles-Schwert immer über ihn geschwebt haben muss.

Trotzdem ist dies ein bewegendes Zeitdokument, an einigen Stellen aufgrund der chinesisch Namen und des Schreibstils schwer zu lesen, welches hier vorliegt. Der scharfe Blick, mit dem der Ex-Kaiser sein Leben darstellt, genügte hier um dieses Werk lesenswert und eindücklich zu gestalten. Ein großartiges Buch, Vorlage für einen ebenso großen Film.

Autor:
Pu Yi wurde 1906 geboren und zwei Jahre später als Kaiser Hsüan Tung inthronisiert. 1912 musste er abdanken und wurde 12 Jahre später aus Peking vertrieben. Dann Exil in Tientsing, bevor er Kaiser des Japüanischen Satellitenstaates Mandschugo wurde.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam er in sowjetische Gefangenschaft, danach wurde er an China ausgeliefert. 1959 wurde er durch ein Gnadenerlass Maos freigelassen und arbeitete als Gärtner und Geschichtsforscher. Pu Yi lebte zuletzt als einfacher Bürger in Peking und starb 1967 an Nierenkrebs.

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