Bericht

Leonie March: Mandelas Traum

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Mandelas Traum Leonie March Erschienen am: 23.04.2018 Dumont/Mairdumont Seiten: 300 ISBN: 978-3-7701-8289-3

Inhalt:

Was hält Südafrika im Innersten zusammen? Wie nah am Ideal der Regenbogennation des Übervaters nelson Mandela ist das Land heute tatsächlich? Leonie March begibt sich auf eine große Erkundingsreise: von der Beachfront Durbans über die Drakensberge, vom Eastern bis zum Western Cape und durch die pulsierenden Metropolen Johannesburg und Kapstadt. “Mandelas Traum” ist das Porträt eines faszinierenden Landens am Scheideweg. (Klappentext)

Rezension:

Wo Widersprüche sich in großer Anzahl sammeln, Kontraste größer nicht sein könnten, die Hautfarbe oder das Wohnviertel ausschlaggebend ist für Erfolg oder Misserfolg, dort ist Südafrika nicht weit. Das Land am Kap steckt über zwanzig Jahre nach dem Ende der Apartheid noch immer in alten Konflikten fest, neue sind bis heute hinzugekommen.

Doch, warum sind die Menschen dort immer noch voller Hoffnung, verfolgen unbeirrt ihre Pläne und suchen weiter nach den Weg zur Regenbogennation, die der erste schwarze Präsident Nelson Mandela sich für sein Land erträumte? Die freie Journalistin Leonie March begibt sich auf Spurensuche durch ihre Wahlheimat und entdeckt bisher unbekannte Facetten von Südafrika.

Reiseberichte können nie alle Aspekte und Ansichten innerhalb eines Landes wiedergeben, und so stellt auch dieser nur eine Momentaufnahme der detaillierten Beobachtungen der Autorin dar. Mehr möchte Leonie March auch nicht, muss sie auch nicht, denn alleine ihr Sammelsurium an Geschichten, die sie aufgetragen hat, vermag Faszination zu wecken.

Anhand von zwei Karten auf den Innenseiten des Umschlages und einer klaren Reiseroute hat sie viele Aspekte dieses Landes aufgefangen, die in keinem Reiseführer so zu finden sind. Klar, kaum jemand würde touristisch wohl in ein aktives Bergwerkgebiet fahren oder sich in die verrufensten Wege der Townships verirren, aber March gelingt es hiermit, mit den unterschiedlichsten Menschen aus verschiedenen Schichten ins Gespräch zu kommen.

In jedem Abschnitt wartet sie mit einer neuen Geschichte auf, und zeigt, dass es abseits der Klischees über Kriminalität, den üblichen touristischen Highlights und korrupten Politikern jede Menge Südafrikaner gibt, die mit Eigeninitiative Projekte führen, die ihnen und ihren Landsleuten eine Perspektive geben sollen.

Nicht immer gleich spannend sind diese Geschichten, doch die Begeisterung der Autorin ist gleichwohl ansteckend. Wenn auch sie selbst sich nicht immer ganz von ihrer rosaroten Brille entfernt. Am Interessantesten wird es, wenn sie kritisch hinterfragt, Überlegungen zur Geschichte oder Zukunft ihrer Gesprächspartner anstellt oder sich bei ihrer Reise einfach treiben lässt.

Fast beduert man es, dass die Fotos allesamt eher kleinformatig und in Graustufe gehalten sind, und von ihrer Anzahl eher gering. Gerne hätte man noch mehr bildliche Eindrücke, kann sich aber dank der guten Beobachtungsgabe der Autorin alles wunderbar vorstellen.

Noch ein paar Seiten mehr hätten “Mandelas Traum” jedoch gut getan. Die Autorin konzentriert sich, zwar nicht ausschließlich, bei ihren Besuchen vor allem auf abkömmlinge der Stämme und Urvölker Südafrikas, um den entgegengesetzten Kontrast zu haben, hätte ich mir noch mehr Einblicke in die Geschichte des Landes gewünscht, die auch vorkamen.

Diese hätten mehr ausformuliert werden müssen. Natürlich fraglich, in wie weit man das in einer solchen Art Bericht umsetzen kann, aber ein Versuch wäre es wert gewesen. Ansonsten jedoch die faszinierende Momentaufnahme eines großen Landes und seiner Bevölkerung.

Autorin:

Leonie March wurde 1974 geboren und arbeitet als freie Journalistin in Südafrika und berichtet von dort von diesem und den Nachbarländern Simbabwe, Mosambik und Sambia. Sie ist Mitglied eines weltweiten Korrespondenten-Netzwerkes und erarbeitet für Zeitungen wie die Frankfurter Rundschau und verschiedenen Rundfunksendern Reportagen. Sie lebt mit ihrem Partner in Durban.

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Birgit Weidt: Das Lächeln der Vergangenheit

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Das Lächeln der Vergangenheit Rezensionsexemplar/Sachbuch Mairdumont Taschenbuch Seiten: 239 ISBN: 978-3-7701-8291-6

Inhalt:

Neukaledonien, Archipel am anderen Ender der Welt. Hier begibt sich Birgit weidt auf die Suche nach der geschichte hinter einem mysteriösen Talisman. Sie taucht ein in eine Welt, in der Schamanen die Zukunft aus Palmblättern voraussagen, Unterschiede zwischen den Geschlechtern anhand von Wurzeln erklärt werden und Frauen ihre Gesichtsfalten tragen wie kostbaren Schmuck. Eine Reise, die den Blick für das Magische öffnet, das uns überall und jederzeit umgibt. (Klappentext)

Rezension:

Unweit von Australien und doch am anderen Ende der welt erstreckt sich eine kleine Gruppe von Inseln, die in Europa kaum jemand kennt, und doch (noch) französisches Überseegebiet sind. Neukaledonien. Das ist die Heimat der Muskatnuss und das Gebiet des weltgrößten Nickelvorkommens. Und es war das Sehnsuchtsziel von Birigt Weidt.

Die freie Journalistin machte sich auf, um zu erfahren, wie die Menschen dort leben, was sie bewegt und beschäftigt, wie sehr ihr Leben sich von unserem unterscheidet und um ein Geheimnis zu lüften. Doch die Reise hält mehr Überraschungen und Begegnungen bereit, als die Autorin zu träumen gewagt hätte.

Sie erlebt uralte Bräuche, die Wirkung von tropischen Regen und warum die älteren Bewohner dieser Südseeinseln das Wasser scheuen. Doch vor allem öffnen die Bewohner Grande Terres, Lifou und Ouveas ihre Herzen und geben Einblick in ihr Leben. Fortan ist Weidt der Faszination Neukaledoniens erlegen.

Reisereportagen müssen den Spagat schaffen, journalistisch neutral aber gut recherchiert, spannend erzählt zu sein, aber auch die persönliche Komponente, den Eindruck, mit einzubringen. Kippt die Waage Richtung einer Seite entsteht ein Ungleichgewicht, welches entweder dazu führt, dass man es nur noch mit reinem Faktenwissen zu tun hat oder zur anderen Seite, und dann hat der Leser eine Gefühlsduselei sondergleichen vor Augen.

Birgit Weidt zumindest gelingt dieser Spagat weitgehend sehr gut, wenn auch zum Ende hin ein paar Ausrutscher zu verzeichnen sind. Doch, die autorin schafft es ungemein ein Gefühl des Fernwehs zu erzeugen. Praktisch so, als wäre man mit dabei, begleitet die Autorin auf ein Insel-Filmfest und beobachtet sie beim Vollrichten eines uralten Brauches, um Einblick in das Leben der Ureinwohner zu erhalten.

Viel erfährt man darüber, doch hat man unweigerlich das Gefühl selbst Neukaledonien bereisen zu müssen, um das Geschriebene nachzuvollziehen. Der Sand in den Schuhen, das Ploppen der Kokusnüsse, wenn sie reif von der Palme auf den Boden fallen, und die Suche nach dem richtigen Mittelweg zwischen Tradition und Moderne.

An manchen Stellen wirkt die Autorin selbst etwas überdreht, starkes Kontrastprogramm zur sonst nüchtern und beobachtend gehaltenen Erzählweise, die Informationen über die Inselwelten so ganz nebenbei einfließen lassen.

Wie sehen die Einwohner die Zukunft dieser bedrohten Idylle, wo Chancen, was macht es aus, dieses Leben? Birigt Weidt sucht diese Fragen und antworten darauf zwar nicht, doch stößt sie darauf, lässt sich treiben. Sie begegnet Businessfrauen, die ganz aus ihrer traditionellen Rolle fallen und Künstler, die sich von der sie umgebenden Natur inspirieren lassen, Wunderheiler und Häuptlinge, denen in der Gesellschaft immer noch ein hoher Stellenwert zukommt.

Der Leser wird sich wünschen, dass die Menschen Neukaledoniens auch weiter so ihren Weg gehen können und wird mit einer Fülle von Eindrücken die letzte Seite umschlagen, vielleicht eine Reise buchen, so als wäre man (fast) da gewesen. Und das ist doch etwas.

Wer dann immer noch nicht genug hat, kann auch die auf ihren Reisen durch die Südsee gesammelten Rezepte nachkochen. Damit wäre man dann auch endlich reif für die Inseln.

Autorin:

Birgit Weidt wurde 1962 geboren und lebt in Berlin. Die freie Journalistin schreibt Reisereportagen u.a. für GEO Saison, DIE ZEIT, Frankfurter Allgemeine Zeitung und NZZ. Zuletzt wurde sie für ihre Reportagen mit den unabhängigen Journalistenpreis des Niederländischen Büros für Tourismus & Convention ausgezichnet

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Marian Grau: Bruderherz

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Bruderherz Marian Grau Eden Books Erschienen am: 09.04.2018 Seiten: 208 ISBN: 978-3-95910-143-1

Inhalt:

Neun Jahre lang ist Marian der kleine Bruder vom schwerbehinderten Marlon. Neun Jahre lang gibt es nur Familienurlaube im Hospiz und das ständige Bangen um Marlons Leben. Trotzdem – Marian liebt jede Minute mit seinem Bruder. Als Marlon plötzlich stirbt, bricht für die Familie eine Welt zusammen.

Marian beschließt, aus der Trauer das Beste zu machen. Er will die Welt entdecken – für sich und seinen Bruder. Denn gerade durch das Leben mit Marlon weiß er, dass man das Leben schätzen und jede Sekunde genießen muss. Eine bewegende Geschichte darüber, wie wichtig es ist, für sich selbst die Welt zu erobern. (Klappentext)

Rezension:

Auf Portalen, wo Rezensionen veröffentlicht werden, wird oft zusätzlich nach einer Bewertung in Sternen oder Punkten verlangt. Doch, wie soll das gehen, insbesondere bei Erfahrungsberichten? Stellt man damit nicht eine gewisse Wertigkeit dar, und die eine Erfahrung, ein Leben über ein anderes?

Wer entscheidet, ob diese Erfahrungen relevant sind, erzählt zu werden und interessant genug, so dass sie breites Gehör finden? Ein Dilemma, welches ich dort umgehen möchte, wo keine Bewertungen verlangt werden. Da lasse ich den Text selbst sprechen. Überall woanders vergebe ich die höchste Punktzahl.

Warum eigentlich? Marian Grau schreibt in seinem Bericht “Bruderherz – Ich hätte dir so gern die ganze Welt gezeigt”, über seine Ausflüge rund um den globus, mit Tante oder Eltern in wechselnder Besetzung. Auf der Suche nach sich selbst, und der Nähe zu seinem älteren Bruder.

Der ist im Alter von zwölf Jahren an einer schweren Stoffwechselerkrankung verstorben, die ihm Zeit seines Lebens behinderte. Marlons Tod riss eine Lücke in Marians Leben, lenkte dieses aber auch in eine besondere Richtung. Alles nur Schicksal?

Das weiß Marian Grau nicht, wird die Antwort darauf wohl auch nicht finden, doch erzählt er sehr warmherzig von der Zeit, die er mit seinem Bruder verbringen durfte. Voller Empathie zu ihn und seiner Familie beschreibt der Schüler sowohl schwierige Tage als auch rare und kostbare Momente des Glücks.

Förmlich von der Seele hat er sich seine Gedanken geschrieben, die egal ob in Bangkok oder Moskau, immer auch bei seinem Bruder sind. Herausgekommen dabei ist ein faszinierendes Portrait, welches zeigt, dass materielle Werte für ihn zweitrangig sind, die Erfahrungen, die er machen durfte, sowohl hart waren, aber auch bereichernd.

Wie ist ein Leben an der Seite eines engen Familienmitgliedes, welches rund um die Uhr immer mehr Aufmerksamkeit bekommen muss, als man selbst? Welche Stärken zieht man aus den gemeinsamen Kampf ums Leben. Gibt es ein “weiter” nach dem Tod?

Diese Fragen stellt sich Marian und findet für sich Antworten, die einen sehr reflektierten Jugendlichen zeigen, der das Leben als kostbares Geschenk betrachtet und das Beste daraus ziehen möchte. Über die Reisen bewältigt er den schmerzvollen Verlust und spürt noch heute diese enge Verbundenheit, dieser besonderen Geschwisterbeziehung.

Ein Bericht über die Reise durch Städte, Länder und Kontinente, auf der Suche nach Antworten auf Fragen, auf die es keine Antwort geben kann. Über eine ganz besondere Geschwisterbeziehung, und wie Trauer Horizonte erweitern kann. Ein ganz besonderes Reisebuch.

Autor:

Marian Grau wurde 2002 geboren und lebt mit seinen Eltern bei Stuttgart. Als er neun Jahre alt war, stirbt sein älterer Bruder Marlon, der an der Stoffwechselkrankheit Morbus Leigh erkrankt war. Ein Weg dies zu verarbeiten ist für Marian das Reisen, um Städte, Länder und Kontinente für sich und Marlon zu erschließen.

Mit 17 ist er Deutschlands jüngster Reiseblogger, der auf www.geomarian.de von seinen Abenteuern rund um den Globus berichtet. Der Schüler erliegt der Faszination der Moskauer Metro und thailändischen Kuriositäten. Seinen Bruder weiß er dabei immer an seiner Seite.

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Franziska Seyboldt: Rattatatam, mein Herz

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Rattatatam, mein Herz Franziska Seyboldt Kiepenheuer & Witsch Erschienen am: 11.01.2018 Seiten: 253 ISBN: 978-3-462-05047-9

Inhalt:

„An guten Tagen wache ich auf und bin eine Schildkröte. Dann spaziere ich bepanzert bis an die Zähne durch die Straßen. Tunnelblick an und los. An schlechten Tagen wache ich auf und bin ein Sieb.

Geräusche, Gerüche, Farben plätschern durch mich hindurch wie Nudelwasser, ihre Stärke bleibt an mir kleben und hinterlässt einen Film, der auch unter der Dusche nicht abgeht. Ich taumele durch den Tag, immer auf der Suche nach etwas, woran ich mich festhalten kann.“ (Klappentext)

Rezension:
Wovor hatten Sie zuletzt Angst? Vor dem kläffenden Nachbarshund, den der Besitzer scheinbar nicht unter Kontrolle hat? Vor der Spinne, die sich gemächlich von der Zimmerdecke direkt vor ihrer Nase abseilt?

Vor zu engen, kleinen Räumen oder davor, vor vielen Menschen eine Rede halten zu müssen? Ängste, Phobien gibt es in den vielfältigsten Formen und Ausprägungen. Nahezu vor allen Dingen kann man Abneigungen entwickeln.

Was aber, wenn die menschliche Antenne, die uns vor Überreaktionen normalerweise schützt, nicht mehr funktioniert? Was, wenn plötzlich unser größter Alptraum überhand und die Angst in unseren Körpern einzieht und nicht mehr loslässt?

Franziska Seyboldt hat über ihre Erfahrungen, ihren Kampf mit ihrer Angst geschrieben. Entstanden ist eine spannende Auseinandersetzung, ein Dialog mit der Psychose und ein Kampf, ein selbstbestimmtes Leben zurück zu gewinnen.

„Rattatatam, mein Herz“, ist kein Ratgeber, soll es auch nicht sein, sondern Seyboldts Weg, ihre Ängste zu bekämpfen. Dies tut sie erfolgreich und beschreibt innere Auseinandersetzungen so amüsant wie möglich, so ernst wie nötig und gibt sich damit der Öffentlichkeit preis, dem Problem ein Gesicht.

Dies ist die Stärke des Erfahrungsberichts, der den steinigen Weg aufzeigt, mit welchen Schwellen Betroffene zu kämpfen haben, welche Rückschläge sie hinnehmen müssen, bis sie erste Erfolge wahrnehmen können.

Es ist ein unscheinbar daherkommendes Schriftstück, welches einen um so größeren Eindruck beim Leser hinterlässt, ohne die Überheblichkeit und Selbstgefälligkeit von Ratgebern zu beinhalten, die die Einfachheit vorgaukeln, einen Weg in ein Leben ohne Ängste zu finden.

Franziska Seyboldt zeigt, warum Ängste zu ihren und unseren Leben gehören, auf welche Probleme sie für sich gestoßen ist und dass Anerkennung gerade dort ist, wo man sich zu seinen Ängsten bekennt und sich anderen mitteilt.

Sie zeigt, warum die Hilfe anderer wichtig sein und dass es mitunter sehr langwierig werden kann, bis sich die Angst selbst entlarvt. Das beeindruckende Portrait einer Frau, die sich lange von ihren Phobien unterkriegen lassen hat, ihre Angst am Ende jedoch besiegt.

Für alle Betroffenen und solchen, die verstehen wollen, eine beeindruckende Lektüre.

Autorin:
Franziska Seyboldt wurde 1984 geboren und studierte nach der Schule Modejournalismus und Medienkommunikation in Hamburg. Seit 2008 lebt und arbeitet sie in Berlin.

Als Autorin und Redakteurin schreibt sie Artikel für die taz und schreibt ihre eigene Kolumne über psychische Erkrankungen. Sie ist Autorin mehrerer Bücher für Kinder und Erwachsene. Dies ist ihr drittes Buch.

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Mirco von Juterczenka: Wir Wochenendrebellen

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Wir Wochenendrebellen Sachbuch Benevento Verlag Hardcover Seiten: 242 ISBN: 978-3-7109-0017-4

Inhalt:

Wenn der Vater mit dem Sohne… Ursprünglich sollte es nur darum gehen, dem Jungen einen Lieblingsfußballverein zu suchen. Jason, geboren 2005, ist Asperger-Autost und seit seinem sechsten Lebensjahr mit seinem Vater Mirco unterwegs auf Groundhopping-Tour durch die Fußballstadien Deutschlands und des benachbarten Auslands. Das Buch ist Zeugnis einer ganz besonderen Vater-Sohn-Beziehung, ein humorvolles und lehrreiches Beispiel dafür, was möglich ist, wenn man versteht, dass Lieben ein Verb ist. (Klappentext)

Rezension:

Um sich zu entscheiden, welcher Fußball-Verein es würdig ist, ein Lieblingsfußballverein zu sein, muss man von jedem Verein mindestens ein Spiel gesehen haben. Oder geht es am Ende einfach nur darum, als Vater und Sohn gemeinsam unterwegs zu sein, die stärken udn Schwächen des anderen näher kennen zu lernen, einander die Sicht auf die Welt zu erklären und zuzuhören?

Egal, Mirco von Juterczenko beschreibt seinen Alltag, sein Familienleben und ganz besondere Wochenenden, die er miot Sohnemann Jason verbringt und das voller Liebe und Einfühlbarkeit. Das ist nicht immer einfach. Für beide nicht.

Jason hat das Aspergersyndrom, eine Form von Autismus, die es in so vielfältiger Form gibt, dass man sie für jeden Betroffenen einzeln betrachten muss. Dabei ist Asperger gleichsam Behinderung im Alltag und Behilflichkeit. Das offenbaren uns der Autor und sein Sohn in diesem Buch, sowie sie es schon in ihren gemeinsamen blog und Podcats getan haben, oder auch in Jasons Wissenschaftsblog “Der Spektrograph”.

Schwierige Themen, für beide, werden dabei nicht ausgespart. Nichts wird bescönigt. Doch, der Vater immer bemüht um eine Lösung für seinen Sohn, um ihn im Alltag behilflich zu sein, gibt nicht auf. Und Jason ebenso wenig, seine Sicht der Dinge zu erklären.

Es ist kein hohes Stück Literatur, was hier im Benevento-Verlag erschienen ist, auch kein Sachbuch oder Ratgeber für Eltern mit autistischen Kindern. Dieser müsste erst einmal geschrieben werden, was schwierig ist, denn Asperger und autismus genießen noch nicht lange die Aufmerksamkeit der Forschungen und müsste überdies so vielfältig sein, wie die unterschiedlichen Formen bei Betroffenen selbst.

Vielmehr ist es eine Hommage, eine Erklärung, wie es dennoch gelingen kann, beiderseits Zuneigung zu empfinden und einander die Welt zu erklären. Und man unterstützt mit Kauf des Buches zudem einen guten Zweck.

Wer beiden in den Podcats zuhört oder die eindrücklichen Blog-Artikel beider liest, wenn mal wieder ein Fußballspiel in irgendeinen Provinznest besucht wurde, ein gesellschaftlich oder wissenschaftlich relevantes Thema besprochen wurde oder man per Interrail kreuz und quer durch Südosteuropa unterwegs ist, wird entdecken, dass ein etwas anderer Blick auf die Umgebung uns allen nicht schaden könnte, wie ihn diese beiden pflegen.

Wer sich nicht für Fußball interessiert, sollte es lesen, um mehr über Asperger-Autismus zu erfahren, wie Alltag und Umgang miteinander gelingen kann. Für alle anderen lässt sich ein liebevolles Vater-Sohn-Verhältnis entdecken, von welchen sich andere selbst im Normalzustand eine Scheibe abschneiden könnten. Doch, was ist schon normal?

Autor:

Mirco von Juterczenka wurde 1977 in Solingen geboren und arbeitet als Manager in der Gastronomie. Seit 2011 ist er mit seinem Sohn auf Groundhopping-Tour durch Fußballstadien unterwegs und Blog mit ihm regelmäßig über diese besuche, wissenschaftliche und gesellschaftliche Themen. Sein Blog gewann den Grimme Online Award 2017 in der Kategorie “Kultur und Unterhaltung”.

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Wladimir Kaminer: Goodbye, Moskau – Betrachtungen über Russland

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Godbye, Moskau Wladimir Kaminer Erschienen am: 20.02.2017 Goldmann Hardcover ISBN: 978-3-442-15916-1

Inhalt:

“Ach, mein Russland, was ist aus dir geworden?” Betrachtungen über ein Land auf der Suche nach seinem Platz in der Welt.

Wladimir Kaminer schaut in diesem Buch zurück in die Vergangenheit, aber er betrachtet auch die gegenwärtige Situation in Russland anhand von Geschichten und eigenen Erlebnissen.

Und er fragt sich, wie es weitergehen kann mit jenem Land, das er als junger Mann verließ und dass ihm mittlerweile so fremd erscheint. (Klappentext)

Rezension:

Über Russland wird inflationär berichtet. Waren es Ende der 90er/Anfang der 2000er Jahre sehnsuchtsvolle Reiseberichte, dominiert heute die Berichterstattung über die Demokratur Putins, die Besetzung der Krim und darauf folgende Saktionen das Bild des russischen Bären in der deutschen Öffentlichkeit, der aber eigentlich nur ein Bärkaninchen ist, wenn man der Argumentation Wladimir Kaminers folgt.

Doch, wohin strebt dieses Land, in dessen Geschichte Kühlschränke gebaut wurden, in denen Gurken wie bei uns Socken in der Waschmaschine verschwinden?

Wie konnten sich die altersschwachen Führer der Sowjetunion auf den Bühnen des Roten Platzes stundenlang halten und Paraden abnehmen, obwohl sie kaum selbst stehen konnten und den Kreml nur in Liegeposition mit den Füßen voran verließen?

Weshalb gibt es ein Gesetz gegen trampelnde Katzen und wie schafft man es, ein Leben lang kostenfrei ins flugzeug zu steigen?

Diese und viele weitere Fragen nimmt Wladimir Kaminer mit lachenden Auge auf und berichtet humorvoll über die Gegebenheiten in Russlands Vergangenheit, Gegenwart und wundert sich selbst darüber, wohin dieses Land momentan treibt.

Ohne zu viel Wodka, trotzdem immer wieder die russischen Gewohnheiten vornehmend, wie z.B. die sowjetische Art des Lottospielens und warum sterben eigentlich dem Präsidenten ständig seine Tiere weg? Was hat das zu bedeuten? Nicht viel aber eben auch nicht wenig.

So springt Kaminer mit den Leser durch die kurzweiligen Kapitel und läd zum Mitlachen und Augenreiben ein, über ein Land, dessen Faszination sich erst auf den zweiten Blick erschließen lässt.

Die Politik ausgeklammert, schließt man spätestens nach der Lektüre des Autoren die Russen als liebenswertes, manchmal größenwahnsinniges, geist- und lebenskünstlerisches Volk in sein Herz.

Kurzweilig beschriebene Begebenheiten, die sich im flüssigen Schreibstil so schnell lesen lassen, dass man nur einen Wimpernschlag benötigt, um mit Kaminer auf die Reise nach Tschnernobyl, der Krim und natürlich Moskau zu gehen, machen diesen Zustandsbericht zur unterhaltsamen Lektüre.

Berlinerisch-russischer Humor in jeder Zeile, dem man folgen kann und der einem mindestens zum Schmunzeln bringt. Die Türme des Kremls und diverser Kirchen mögen in Russland golden, die Metro in stalinistischem Prunk ein Kunstwerk für sich sein, Kaminer kratzt an der Oberfläche und schaut, was sich dahinter versteckt.

Dem Überlebenskünstler Russland auf den Puls gefühlt, läd der Autor ein, hinter die Fassaden zu schauen und abseits der großen Politik den Menschen zu begegnen. Ob nun an den Stränden des schwarzen Märchens oder gedanklich mit Kaminer auf Reisen, ganz egal. Es lohnt sich.

Autor:

Wladimir Wiktorowitsch Kaminer wurde 1967 in Moskau geboren und ist ein deutscher Schriftsteller und Kolumnist russisch-jüdischer Herkunft. Von 19851987 leistete er seinen Wehrdienst bei der sowjetischen Flugabwehr ab und arbeitete danach in einer Ausbildung zum Toningenieur für Theater und Rundfunk.

Kaminer studierte Dramaturgie am Moskauer Theaterinstitut und bekam 1990 humanitäres Asyl in der DDR, deren Staatsbürgerschaft er noch vor der Wiedervereinigung erhielt. Zuvor verdiente er sich seinen Lebensunterhalt beim Veranstalten von Partys und Untergrundkonzerten in Moskau.

Er veröffentlicht regelmäßig Texte in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften und organisierte die Veranstaltung “Russendisko”. Im Jahr 2000 erschien das gleichnamige Buch, seine Geschichte wurde auch verfilmt.

Bis dato hat Kaminer weitere Bücher und Kolumnen veröffentlicht, in denen er regelmäßig die russische Gesellschaft und Begegnungen seiner Familie auf’s Korn nimmt. Kaminer lebt mit seiner Familie in Berlin.

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Doris Kuegler: Dschungeljahre

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Dschungeljahre Doris Kuegler Erschienen am: 01.01.2011 Gerth Medien Seiten: 237 ISBN. 978-3-86591-585-6

Inhalt:

Doris und Klaus Kuegler brechen mit ihren drei Kindern auf, um bei dem neu entdeckten Stamm der Fayu in West-Papua zu leben. Sie wollen die noch unerforschte Sprache studieren und den Stammesmitgliedern von dem Gott erzählen, der alle Menschen liebt.

Eindrücklich beschreibt Doris Kuegler, was eine Mutter empfindet, die ihre Kinder inmitten eines ehemals kannibalischen Volksstammes im Dschungel großzieht. Und was es bedeutet, unter Steinzeit-Bedingungen zu leben. Fesselnd schildert sie auch, wie es den Kueglers gelang, den kriegerischen Fayu Begriffe wie Vergebung, Gnade und Liebe zu vermitteln.

Als Mutter von Sabine Kuegler, die mit ihrer Biografie „Dschungelkind“ einen Weltbestseller schrieb, gewährt Doris Kuegler einen ungeschminkten Einblick in die Dschungeljahre der Familie. Ein beeindruckender Bericht über ein Leben zwischen den Kulturen. (Klappentext)

Rezension:

Wenn jemand vom Glauben, Gott und Missionsarbeit spricht, streuben sich bei mir die Nackenhaare und alle Alarmglocken läuten, was das zeug hält, denn ich halte davon absolut gar nichts.

Anderen Menschen Wertevorstellungen überzustülpen, halte ich eher für ein Verbrechen und Religion ist für mich nur ein Druckmittel, um Macht auszuüben, so schön bestimmte Traditionen, dies auch kaschieren. In sofern war ich gespannt und sehr kritisch, die Seite der bekannten Geschichte des Dschungelkindes zu erfahren.

Mehr über die Arbeit der Eltern von Sabine Kuegler, die natürlich mit bestimmten Zielen nach West-Papua/Indonesien ausgewandert waren. Ziele, mit denen ich nicht besonders konform gehe.

Doch, schon auf den ersten Seiten wird klar, wie die Kueglers Missionsarbeit verstehen. Vorleben, was man glaubt, kein Zwang, kein Druck und keine Macht ausüben, sondern Alternativen anbieten, im Einklang mit den Traditionen, wie sie vor Ort existieren.

Darüber schreibt Doris Kuegler, die Mutter des Dschungelkindes genau so überzeugt wie eindrücklich als auch vom Aufwachsen ihrer Kindheit und wie der Stamm der Fayu die schreckliche Sitte der Blutrache überwandt, die diesen und andere Stämme der Umgebung beinahe an den Rand des Aussterbens gebracht hatte.

Es ist eine ernste und doch von Hoffnung und Liebe gespeiste Ergänzung zu den bereits vorliegenden Büchern von Sabine Kuegler, die deren Mutter hier vorgelegt hat und die es sich zu lesen lohnt.

Rein von der Tatsache, mehr aus dem Leben der Familie zu erfahren, eine andere Sichtweise als die der Kinder zu bekommen und sich natürlich den fragen zu stellen, wie man es zunächst seiner Familie überhaupt zumuten kann, fernab der Zivilisation zu leben und dazu noch mitten in eine Art Bürgerkriegsgebiet, welches ja unter den verschiedenen Stämmen herrschte.

Doris Kuegler berichtet von einer neuen Generation Fayu, die an den alten Traditionen festhält, die schlechten Seiten überwindet, über einen langen und steinigen Prozess, der den Fayu jedoch das Überleben gesichert hat.

Sie brichtet aber auch vom Zweifel an ihrer Arbeit, den Rück- und Schicksalsschlägen und wie aus dem Stamm als Gastgeber Freunde für’s Leben wurden.

Glaube, so wie von den Kueglers gelebt, ist etwas anderes als das, was die meisten Menschen unter Missionsarbeit verstehen und das Leben im Dschungel hat nicht nur romantische Seiten, wie Sabine Kuegler nach ihrem ersten Buch oftmals vorgeworfen wurde, völlig vergessen, dass auch da die schrecklichen Dinge wie Blutrache und Krieg zur Sprache kamen.

Ihre Mutter Doris hat daher völlig zurecht daran getan, eine Ergänzung vorzulegen, die man, wenn man sich mit dem Leben der Ureinwohner West-Papuas und mit der Geschichte der Kueglers auseinandersetzen möchte, unbedingt auch lesen sollte.

Denn sie lohnt sich wirklich. Es ist interessant, in diese, den meisten Menschen für immer verschlossene Welt einzutauchen, Trauer und Schmerz aber auch Liebe und Vergebung mitzuerleben aber auch die Bilanz einer Mutter zu erfahren, die diese aus dem Aufwachsen ihrer Kinder unter den Fayu zieht und für diesen Stamm sowie so, mit denen sie auf ewig verbunden bleiben werden.

Autorin:

Doris Kuegler wurde 1941 geboren und ging nach einer Ausbildung zur Krankenschwester früh in die Missionsarbeit. Sie wanderte 1971 mit ihrem Mann und ihrer Tochter Judith nach Nepal, wo sie als Sprachforscher und Missionare in einem kleinen Bergdrof lebten. Dort kamen ihre Kinder Sabine und Christian zur Welt.

1978 wanderte die Familie nach West-Papua in Indonesien aus, um bei einem bisher unentdeckten Stamm der Fayu zu leben und ebenfalls die Sprache zu erforsachen.

Seit 2006 lebt Doris Kuegler wieder in Deutschland. Die Geschichte der Familie wurde bekannt, als ihre Tochter Sabine Kuegler von ihrer Kindheit im Dschungel berichtete. Diese wurde unter dem gleichnamigen Titel “Dschungelkind” verfilmt.

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Fredy Gareis: 100 Gramm Wodka

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100 Gramm Wodka Fredy Gareis Rezensionsexemplar/Reisebericht Malik Seiten: 252 ISBN: 978-3-89029-457-5

Inhalt:

Was hat es mit dem geheimnisvollen Himbeersee auf sich, an dem Fredy gareis’ Großmutter in einem Straflager war? Und wieso trägt seine Mutter den Geburtsort “Soda Kombinat” im Pass? Als Kind von Russlanddeutschen wächst Fredy gareis mit vielen offenen Fragen auf.

Um endlich Antworten zu finden, macht er sich auf den Weg. Drei Monate fährt er quer durch Russland und versucht zu ergründen, was es mit diesem Land auf sich hat, von dem es heißt, dass man es nicht mit dem Verstand fassen kann, sondern nur mit dem Herzen. (Klappentext)

Rezension:

Blut ist dicker als Wasser und so macht sich der Journalist Fredy Gareis auf Spurensuche nach der Vergangenheit seiner Familie und fährt dabei Russland einmal quer durch. Mit nicht vertrauenswürdig aussehenden ausrangierten Militärfahrzeugen, russischen PKW oder auf Schienenspur der Transibirischen Eisenbahn.

Vorbei am Moskauer Vorort-Villenviertel, wo sich Politiker und Oligarchen die Klinke in die Hand geben oder auf die Straße des Todes. Mit Hilfe von Freunden und fernen Verwandten und Bekannten bringt er Stück für Stück Licht ins Dunkel seiner Vergangenheit, der Vergangenheit seiner Familie, die ihm seine Eltern und Großeltern nicht erklären konnten oder wollten.

Dabei entstand eine eindrückliche Momentaufnahme des vergangenen und des heutigen Russlands, in dem sich die Älterern ihrer Vergangenheit beraubt und einer unsicheren Zukunft ausgesetzt sehen und die Jungen gegen die zunehmende Einengung des putinschen Systems ankämpfen. Zumeist, in dem sie zwei Leben leben. Ein öffentliches und ein privates. Oder ins Ausland gehen.

Der Autor legt hier ein wunderschönes Länder-Portrait und eine berührende Familiengeschichte vor, wie sie vielleicht nicht wenige Russlanddeutsche haben und lässt dem Leser an seine Gefühlswelt wehrend der Reise teilhaben.

Ein ständiges Auf und Ab, Zweifel an der Reise, Entdeckungen, Seltsames und immer wieder die Geschichten der Menschen auch vor Ort. Wie sie leben, was sie denken. Und er zeigt, wie schnell der russische Staat alle “notwendigen” Informationen zusammenhat, um über jeden der im Land lebt und durch das Land reist im Bilde zu sein.

Zwar ist dies nur ein kleiner Teil, eine Episode dieser Tour von Sankt Petersburg bis nach Magadan aber die Ereignisse reihen sich auf einer solchen Reise wie die Perlen einer Kette aneinander.

Der Schreibstil lässt einen ruhigen Lesefluss zu und nur den. Man hat den Eindruck als wolle der Autor den Leser bewusst an sein gemächliches Reisetempo anpassen, was aber eben schnell ermüdend sein kann.

Denn, nicht für jeden mag dessen Familiengeschichte interessant sein oder zumindest nicht alle Aspekte. So sind dann Längen vorhanden, die der Autor nicht verschuldet hat, da für ihn natürlich diese Reise und die Familiengeschichte eine ganz andere Bedeutung hat.

Kann man aber ganz gut und gerne mit 100 Gramm Wodka überprüfen. Denn, obwohl Alkoholismus im Riesenland ein Problem darstellt, heißt es, dass es sogar wohltuend ist, 100 ml Wodka täglich zu trinken. Wer mehr konsumiert ist ein Säufer.

Autor:

Fredy Gareis wurde 1975 in Alma-Ata geboren und ist in Rüsselsheim aufgewachsen. Nach Nebenjobs als Putzmann, Taxifahrer und Barkeeper stieg er in den Journalismus ein, nachdem er die Münchener Journalistenschule besucht hatte.

Als freier Reporter schrieb er für die Zeitung “Die Zeit”, den Tagesspiegel und war unterwegs für Deutschlandradio. Von 2010 bis 2012 berichtete er aus Israel und dem Nahen Osten.

Für seine Reportage “Ein Picasso in Palästina” wurde er mit dem Journalistenpreis des Deutschen Kulturrats ausgezeichnet. Im Sommer 2015 machte er sich für eine Reportage auf der Suche nach Raubkunst (kunstjagd.de).

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Chai Pinit: Bangkok Boy

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Bangkok Boy Chai Pinit Weltbild Erschienen am: 01.01.2016 Seiten: 223 ISBN: 978-3-8289-3293-7 Übersetzer: Bernhard Liesen

Inhalt:

Chai Pinit war ein ganz normaler thailändischer Junge – bis er von einem Lehrer sexuell missbraucht wurde. Verzweifelt, voller Scham und Selbstekel geriet er in einen entsetzlichen Sumpf von Sucht und Prostitution.

Doch mit Hilfe guter Freunde und ungeahnter innerer Kraft gelang ihm der Weg zurück aus den Rotlichtbezirken von Bangkok und Pattaya. Der Weg zurück ins Leben. Eine Geschichte voller Kraft, Hoffnung und Lebensmut. (Klappentext)

Rezension:

Wie eine Rezension beginnen, ohne über das verkorkste Leben, welches in dieser Halbbiografie beschrieben wird,. zu richten? Gebnau das tut man nämlich unweigerlich, wenn man Chai Pinits “Bangkok Boy” liest. Kopfschüttelt begleitet man den Autor schon bei den Beschreibungen seiner verwöhnten Kindheit, die schon vor dem eigentlichen fanal des Missbrauchs durch einem Lehrer die unheilvolle Zukunft erahnen lässt.

Anders als der Klappentext vermuten lässt begann das Abrutschen des Autoren in den Dreck der Gesellschaft, man kann es wohl so formulieren, schon schleichend im zarten Jugendalter vor der Begegnung mit besagten Lehrer. Aus dem Sumpf sollte Chai Pinit Jahre lang nicht herausfinden.

Es ist eine merkwürdige abstoßende, aber seine Geschichte, die uns der Autor hier vorlegt. Darin beschrieben all der Abschaum, der durch zwielichtigen, gar nicht gut zu heißenden Tourismus gefördert wird und aus dessen Sumpf kaum jemand unbeschadet herausfindet, so er einmal darin versunken ist.

Pinit beschreibt eine Fülle von abstoßenden Situationen, für die er teils selbst die Schuld trägt, die Erkenntnis kam beinahe zu spät, teils aber auch nicht alleine bewältigt hätte. Dies aber so detailliert und erdrückend, dass es schon als Leser an manchen Stellen kaum zu ertragen ist. Oft genug muss man das Buch zuseite legen, oft genug inne halten und durchatmen. Um dann wieder der nächsten Episode im Leben des Autoren folgen zu können.

Erdrückend erzählt er uns von der Schattenwelt seines Lebens und der berüchtigten Metropolen Bangkok und Pattayas, um so bewundernswerter, wie er letztendlich aus diesen Sumpf herausgefunden hat. Dieser Mann hat mehr als neun Leben, doch ist ihm klar, dass ein weiteres wohl nicht mehr zur Verfügung steht.

Darum dieses Buch, welches als Biografie, Aufarbeitung und Verarbeitung von Erlebnissen gelten kann, die dramatischer nicht sein könnten. “Bangkok Boy” über ein Leben am untersten Rand der Gesellschaft, nahe dem Tod inmitten von Alkohol, Drogen und Sex aber auch über fast zu späte Einsichten, Wendungen und Schicksalsschläge und dem Weg zurück ins Leben.

Autor:

Chai Pinit wurde in einem Dorf in der nordostthailändischen Provinz Sisaket als ältester Sohn einer wohlhabenden und angesehenen Familie geboren. Nach Missbrauch durch einem Lehrer rutschte er in einem Sumpf aus Alkohl, Sex und Drogen und arbeitete als Gogo-Boy in Bangkok und Pattaya. Inzwischen lebt er mit Frau und Kindern in Bangkok und arbeitet als Reiseleiter. Dies ist sein erstes Buch.

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Henner Fürtig: Geschichte des Irak

Geschichte des Irak Book Cover
Geschichte des Irak Henner Fürtig C.H. Beck Erschienen am: 09.03.2016 Seiten: 224 ISBN: 978-3-406-68798-3

Inhalt:

Ist der Irak ein gescheiterter Staat? Im Norden kontrollieren die Kurden und Islamisten riesige Gebite, im Süden rivalisieren Schiiten und Sunniten um die Macht, und zwischen diesen Fronten werden Minderheiten wie Christen oder Jesiden aufgerieben.

Henner Fürtig zeigt, dass die Ursachen für diesen Zerfall historisch weit zurückliegen. Er erzählt die Geschichte des Zweistromlandes von der kolonialen Staatsgründung 1921 über die brutale Diktatur Sadam Husseins und die amerikanische Invasion 2003 bis heute und fragt nach den Chancen für eine Rückkehr zum Frieden. (Klappentext)

Rezension:

Ob der Flüchtlingsproblematik gehen Berichte, direkt über dieses Land, derzeit ein wenig unter, wobei gerade dort und in den Nachbarstaaten einige der häufigen und dringlichen Fluchtursachen zu finden sind. Das Chaos, der Terror und der Zerfall des Iraks in seine Bestandteile, je nachdem, in welchem Landesteil man sich gerade befindet und welcher Glaubensrichtung man angehört.

Die Ursachen sind historisch bedingt und liegen weit zurück. Noch vor der Staatsgründung, vor dem Zerfall des Osmanischen Reiches, in dem sich die heutigen Gebiete des Landes befanden, wurde die Saat dafür gelegt, den Staat oder was daraus einmal werden sollte, ins Chaos zu stürzen.

Henner Fürtig zeigt, welche Weichen und Blockaden im Laufe der Geschichte von einheimischen und Fremdherrschern gleichermaßen gestellt wurden, um dien Irak zu dem zu machen, was er heute ist.

Ob gewollt oder ungewollt. Der Autor differenziert zwischen Sichtweisen und Problemen, beleuchtet alle Seiten der Medaille Irak gleichermaßen und zeigt die Gründe dafür auf, dass heute dieses kulturell so reichhaltige und geschichtsträchtige Land ums Überleben kämpfen muss.

Wer die Ursachen für die heutigen Probleme des Iraks und seine Gesellschaft näher kennenlernen möchte, muss tief in die Geschichte zurückblicken. Henner Fürtig ist dies gelungen, ohne zu übertreiben, ohne zu pauschalisieren. Neutral ausgewogen und auf den Punkt genau stellt er historische Zusammenhänge leicht verständlich dar.

Ein hoch interessantes Sachbuch ist dabei entstanden über ein ebensolches Land. Der flüssige Schreibstil und die gute Recherchearbeit tragen das übriges dazu bei, diese Ländergeschichte ungeschönt, vielseitig und spannend darzustellen. Der Ausgang bleibt dabei freilich offen. Keiner weiß heute, wie sich die Situation des Irak künftig entwickeln, ja, ob der Staat überhaupt als solcher überleben oder doch noch implodieren wird.

Zu wünschen wäre es nicht, eher, dass die Menschen im Zweistromland sich auf ihre Stärken und Gemeinsamkeiten besinnen, zusammenhalten, damit die Geschichte des Irak weiter geschrieben werden kann. Henner Fürtig mit einem Beitrag, der dies außerhalb des Iraks mit diesem Buch ins Bewusstsein der Menschen rückt und damit einen wertvollen Beitrag leistet.

Autor:

Henner Fürtig wurde 1953 geboren und ist Professor am Historischen Seminar der Universität Hamburg und Direktor des GIGA Institut für Nahost-Studien. Zuvor arbeitete er am oriientalischen Institut der Universität Leipzig sowie als Projektgruppenleiter am Zentrum Moderner Orient in Berlin.

Er ist Vorstandsmitglied des European Association of Middle East Studies (EURAMES). Fürtigs aktuelle Forschungsthemen befassen sich u.a. mit Potenzen und Grenzen nahöstlicher Führungsmächte sowie dem politischen Islam und dessen Faktor im “Arabischen Frühling”. Zu diesen und anderen Themen veröffentlichte Fürtig bereits zahlreiche Bücher und Aufsätze.

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