Uma Ulrike Reichelt: Schnell & sicher ins Burnout

Schnell & sicher ins Burnout Book Cover
Schnell & sicher ins Burnout Uma Ulrike Reichelt dielus Verlag Erschienen am: 06.11.2017 Seiten: 183 ISBN: 978-3-9818928-4-0

Inhalt:

Überlastungssyntome befinden sich auf den Vormarsch und sind heute fast überall anzutreffen. Viele Menschen leiden darunter und gehen den Weg ins Burnout oft unbewusst. Doch, der hat klare Gesetzmäßigkeiten.

Wie sie funktionieren, und worauf man achten sollte, stellt Uma Ulrike Reichelt auf amüsante und anschauliche Weise dar. Mithilfe funktionierender Instrumente und Verhaltensstrategien können wir entspannter, glücklicher und vitaler werden und so den Weg ins Burnout verhindern. (eigene Inhaltsangabe)

Rezension:

Um im Bereich der psycholgischen Stress-Bewältigungsliteratur aufzufallen, die sowohl esoterischen Nonsens als auch psychologisch interessante Ansätze vorstellt, mit dieser Thematik umzugehen, braucht es heute offenbar einen witzigen, fast schwarzhumorigen Titel.

Wie sonst könnte man die Überschrift “Schnell & sicher ins Burnout” erklären, die sich entweder die Autorin oder der Verlag dielus einfallen lassen hat? jedenfalls fällt dieses Buch alleine schon wegen der umgekehrten Aussage auf, die einem sugguriert und zunächst erklärt, wie man in dieses Stresssyndrom fällt, um erst am Ende die situation umzudrehen, zu zeigen, was man tun kann, um genau das zu verhindern.

Zielgruppe sind alle Leser, die am Rande einer nicht mehr zu bewältigenden lebensphase stehen und damit drohen, ins Burnout zu kippen oder Menschen, die schon mittendrin sind, und keinen Ausweg mehr wissen.

Auf amüsante Weise, ohne viel Fachchinesisch zu verwenden und mit einprägsamen Skizzenbildern stellt die Autorin dar, welche Faktoren uns Richtung Gesellschaftskrankheit Burnout treiben, wie man sie beeinflussen und schließlich zum Guten wenden kann.

Anfangs ebenfalls, für meinen Geschmack, etwas zu esoterisch, bewegt sich der Inhalt nur langsam in eine annehmbare und glaubhafte Richtung. Tatsächlich kann die gewissenhafte und regelmäßige Anwendung der vorgestellten Techniken helfen, den Alltag zu bewältigen und eben nicht in einen Burnout zu geraten.

Doch, hier taucht schon das erste und überhaupt größte Problem auf, warum’s dann eben doch nicht funktioniert. Wer kauft sich denn dieses Buch? Menschen, die kurz vor eben einen Burnout stehen oder mittendrin sind, doch haben die die Kraft dazu, ohne therapeutischer, und damit meine ich menschlicher, Hilfe aus dieser Situation herauszufinden?

Ich glaube nicht. Dazu sind diese Menschen einfach zu kraftlos, um auch noch den letzten Rest an Energie unter Selbsttherapie anzuwenden. Nein, wer schon einmal im Burnout drinnen steckt, der braucht auch die menschliche Unterstützung. Ein Buch oder ein Online-Kurs werden alleine kaum helfen, was aber genau durch solche Literatur Gefahr ist, suggeriert zu werden.

Wie es allerdings aussieht, wenn Therapeuten diese Ansätze nutzen, um Menschen zu helfen, ist eine andere Frage. Da kann ich mir schon vorstellen, dass die Anwendung der “fünf Glücksgesetze” helfen können, wenn man die Behandlung individuell anpasst, doch ohne medizinisch-psycholgisch professionelle Hilfe halte ich es für sehr schwierig.

Anders widerum sieht es aus, wenn man dieses Buch sicbh vornimmt, wenn man eben noch nicht im burnout ist, sondern relativ glücklich und mit sich im Reinen ist. Reichelts Vorgehensweise kann helfen, erst gar nicht in so eine Situation zu kommen, in der sie selbst 2003 geraten ist.

Übrigens eines der Plus, die die Autorin vorzuweisen hat. Sie schreibt aus der eigenen Erfahrung heraus, stellt zudem klar, dass es kein allheilmittel und keinen einzigen Weg gibt, sondern viele Wege und Komponenten eine Rolle spielen.

Man neigt jedoch ganz schnell dazu, eine andere problematische Situation, dazu, dieses Buch nur oberflächlich und quer zu lesen, gerade aufgrund der vielen grafischen Darstellungen, die bei Anwendung vielleicht helfen können, aber gerade wer sich gesund fühlt, wird dem Text dann auch nicht so viel Aufmerksamkeit schenken, wie man sollte.

In sofern, zweischneidiges Schwert, weshalb ich mich nicht entschließen kann, hier uneingeschränkt fürzusprechen. Mit therapeutischer Hilfe kann ich es mir vorstellen, alleine zu versuchen, es sei denn man ist schon gesund und eben nicht im Burnout, sein Leben danach auszurichten, stelle ich es mir schwierig vor. Trotzdem, nachdenken darüber lohnt sich.

Autorin:

Uma Ulrike Reichelt wurde 1971 in leipzig geboren und studierte Architektur. Nach ihrem Zusammenbruch 2003 bildete sie sich in Psychologischer Klopfakupressur, Kinesiologie und u.a. in Energetischer Medizin weiter, und gibt heute Kurse für Einzelpersonen, Gruppen und Unternehmen in Stressabbau, Krisenbewältigung, Burnout-Prophylaxe für Unternehmen und Stress- und Krisenmanagement für besonders gefährdete Berufsgruppen. Zusätzlich zu persönlichen Kursen bietet sie Literatur und einen Online-Kurs zur Stressbewältigung an.

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Marian Grau: Bruderherz

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Bruderherz Marian Grau Eden Books Erschienen am: 09.04.2018 Seiten: 208 ISBN: 978-3-95910-143-1

Inhalt:

Neun Jahre lang ist Marian der kleine Bruder vom schwerbehinderten Marlon. Neun Jahre lang gibt es nur Familienurlaube im Hospiz und das ständige Bangen um Marlons Leben. Trotzdem – Marian liebt jede Minute mit seinem Bruder. Als Marlon plötzlich stirbt, bricht für die Familie eine Welt zusammen.

Marian beschließt, aus der Trauer das Beste zu machen. Er will die Welt entdecken – für sich und seinen Bruder. Denn gerade durch das Leben mit Marlon weiß er, dass man das Leben schätzen und jede Sekunde genießen muss. Eine bewegende Geschichte darüber, wie wichtig es ist, für sich selbst die Welt zu erobern. (Klappentext)

Rezension:

Auf Portalen, wo Rezensionen veröffentlicht werden, wird oft zusätzlich nach einer Bewertung in Sternen oder Punkten verlangt. Doch, wie soll das gehen, insbesondere bei Erfahrungsberichten? Stellt man damit nicht eine gewisse Wertigkeit dar, und die eine Erfahrung, ein Leben über ein anderes?

Wer entscheidet, ob diese Erfahrungen relevant sind, erzählt zu werden und interessant genug, so dass sie breites Gehör finden? Ein Dilemma, welches ich dort umgehen möchte, wo keine Bewertungen verlangt werden. Da lasse ich den Text selbst sprechen. Überall woanders vergebe ich die höchste Punktzahl.

Warum eigentlich? Marian Grau schreibt in seinem Bericht “Bruderherz – Ich hätte dir so gern die ganze Welt gezeigt”, über seine Ausflüge rund um den globus, mit Tante oder Eltern in wechselnder Besetzung. Auf der Suche nach sich selbst, und der Nähe zu seinem älteren Bruder.

Der ist im Alter von zwölf Jahren an einer schweren Stoffwechselerkrankung verstorben, die ihm Zeit seines Lebens behinderte. Marlons Tod riss eine Lücke in Marians Leben, lenkte dieses aber auch in eine besondere Richtung. Alles nur Schicksal?

Das weiß Marian Grau nicht, wird die Antwort darauf wohl auch nicht finden, doch erzählt er sehr warmherzig von der Zeit, die er mit seinem Bruder verbringen durfte. Voller Empathie zu ihn und seiner Familie beschreibt der Schüler sowohl schwierige Tage als auch rare und kostbare Momente des Glücks.

Förmlich von der Seele hat er sich seine Gedanken geschrieben, die egal ob in Bangkok oder Moskau, immer auch bei seinem Bruder sind. Herausgekommen dabei ist ein faszinierendes Portrait, welches zeigt, dass materielle Werte für ihn zweitrangig sind, die Erfahrungen, die er machen durfte, sowohl hart waren, aber auch bereichernd.

Wie ist ein Leben an der Seite eines engen Familienmitgliedes, welches rund um die Uhr immer mehr Aufmerksamkeit bekommen muss, als man selbst? Welche Stärken zieht man aus den gemeinsamen Kampf ums Leben. Gibt es ein “weiter” nach dem Tod?

Diese Fragen stellt sich Marian und findet für sich Antworten, die einen sehr reflektierten Jugendlichen zeigen, der das Leben als kostbares Geschenk betrachtet und das Beste daraus ziehen möchte. Über die Reisen bewältigt er den schmerzvollen Verlust und spürt noch heute diese enge Verbundenheit, dieser besonderen Geschwisterbeziehung.

Ein Bericht über die Reise durch Städte, Länder und Kontinente, auf der Suche nach Antworten auf Fragen, auf die es keine Antwort geben kann. Über eine ganz besondere Geschwisterbeziehung, und wie Trauer Horizonte erweitern kann. Ein ganz besonderes Reisebuch.

Autor:

Marian Grau wurde 2002 geboren und lebt mit seinen Eltern bei Stuttgart. Als er neun Jahre alt war, stirbt sein älterer Bruder Marlon, der an der Stoffwechselkrankheit Morbus Leigh erkrankt war. Ein Weg dies zu verarbeiten ist für Marian das Reisen, um Städte, Länder und Kontinente für sich und Marlon zu erschließen.

Mit 17 ist er Deutschlands jüngster Reiseblogger, der auf www.geomarian.de von seinen Abenteuern rund um den Globus berichtet. Der Schüler erliegt der Faszination der Moskauer Metro und thailändischen Kuriositäten. Seinen Bruder weiß er dabei immer an seiner Seite.

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Serhij Zhadan: Internat

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Internat Autor: Serhij Zhadan Roman Suhrkamp Verlag Hardcover Seiten: 301 ISBN: 978-3-518-42805-4

Inhalt:
Mit Politik hatte hier keiner was im Sinn. Doch als plötzlich geschossen wird, kann sich niemand mehr raushalten. Auch Pascha nicht, der Lehrer, der sein ganzes leben in einer Bergarbeitersiedlung im Donboss verbracht hat.

Er bricht auf, quer durch die Stadt, zum Internat, um seinen Neffen in Sicherheit zu bringen. Nach einer odyssee durch die einst vertraute, jetzt zerstörte Gegend ist für Pascha nichts mehr wie zuvor. Ein Roman über den unerklärten Krieg und den Versuch, dem sinnlosen Sterben zu trotzen. (Klappentext)

Rezension:
Es herrscht Krieg und irgendwer muss ja das Kind aus dem Frontbereich herausholen. Dort ist es in einem Internat untergebracht, abgeschoben von der Mutter, die den an Epilepsie leidenden Sohn an sich froh war, los geworden zu sein. Ein Problem weniger.

Doch, das Land ist im Ausnahmezustand. Kämpfe nähern sich der Stadt. Und so beschließt Pascha seinen Neffen aus dem brodelnden Krisenherd herauszuholen, nur ist er selbst der feigste Mensch, den man sich vorstellen kann.
Serhij Zhadan erzählt in seinem neuen Roman die Geschichte eines Menschen, der langsam merkt, wie es ist, es sich zu leisten, keine Nachrichten zu sehen, sich nicht zu positionieren in einer Zeit, die gerade nach Einordnung verlangt, und warum selbst der größte Feigling in besonderen Zeiten über sich hinauswachsen muss.

In dieser Geschichte stinkt es nach nassen Hund, es regnet permanent und der Begriff Ukraine wird nicht erwähnt. Tatsächlich erzählt der Autor eine Geschichte, wie sie sich tatsächlich in seinem Heimatland hätte abspielen können, doch könnte man die Erzählung an jeden Krisenherd der Welt spielen lassen. und obwohl das alles so grausam, so schrecklich ist, man muss sich an einigen Stellen wirklich zwingen zu lesen, kann man sich nicht dem Sog entziehen.

Zumal der Hauptprotagonist trotz aller Schwächen irgendwie sympathisch ist, nicht zuletzt später im Zusammenspiel mit dem dreizehnjährigen Rotzlöffel Sascha, der den invaliden Lehrer nur langsam als eine Art Ersatzvater anerkennt

Serhij Zhadan zwingt den Leser sich zu beschäftigen, mit einem hierzulande fast verdrängten Konflikt, der doch dennoch nah ist. Er zwingt, Stellung zu beziehen, zu einem menschlichen Drama, welches durchzogen ist von Leid, Elend und Hoffnungslosigkeit und macht dies, hervorragend übersetzt durch Juri Dukot und Sabine Stöhr, auf eine so eindrückliche Art und Weise, dass man dem Autoren nur Beifall zollen kann.

Es ist mit so wenigen Seiten zwar äußerlich ein eher unscheinbarer Roman, dessen Inhalt man jedoch nicht so schnell vergessen kann, vergessen will. Zu tief wachsen einem Pascha und Sascha ans Herz.

Fast würde man gerne in die Zukunft schauen, um zu erleben, was aus den beiden Protagonisten werden wird. Alleine, den Blick in die Kristallkugel wagt selbst der Autor nicht. Zu tief sind die Wunden, zu unbeständig die Risse, die der Krieg in die Heimat Zhadans vollzogen hat.
Am Ende bleibt man ratlos zurück, ernüchtert. Hoffen wir nur das Beste für die Zukunft der Saschas auf dieser Welt und auf viele, über sich hinauswachsende Menschen wie Pascha. “Rettest du ein Leben, so rettest du die ganze Welt.”, so steht es im Talmud, dieser Ausspruch gilt jedoch überall.

Mit der Aufmerksamkeit, die dieses Buch wieder auf den immer noch schwelenden Konflikt in der Ukraine lenkt, ist schon mal ein erster Schritt dafür getan. In sehr drängender Sprache erzählt der Hauptprotagonist von seinem beschwerlichen Weg, nicht nur zur Rettung des Neffen, sondern auch zur Selbsterkenntnis.

Ihm wird dann nochmal von Sascha der Spiegel vorgehalten. Nein, der Hauptprotagonist wird in ein ganzes Spiegelkabinett gesteckt. Wer dies und anderes lesen, wer etwas erfahren möchte, über Ausnahmesituationen, und was diese mit uns Menschen machen können, für den ist dieser Roman. Ansonsten ein hervorragend erschreckend erzähltes Stück Zeitgeschichte.

Autor:
Serhij Zhadan wurde 1974 geboren und ist ein ukrainischer Schriftsteller, Dichter und Übersetzer. Nach der Schule studierte er zunächst Literaturwissenschaften, Ukrainistik und Germanistik. Er organisiert Literatur- und Musikfestivals und verfasst Rocksong-Texte. 2007 erschien sein erster Roman.

2006 wurde er mit dem Hubert Burda Preis für junge Lyrik ausgezeichnet, Zhadan war zudem Aktivist der Orangenen Revolution. 2014 schilderte er in der FASZ seine Erfahrungen der Erstürmung der Gebietsverwaltung von Charkiw, wurde dafür von prorussischen Kräften krankenhausreif geschlagen.
Seine Romane wurden mehrfach ins Deutsche übersetzt, und zahlreich ausgezeichnet. Der Autor beschäftigt sich vornehmlich mit dem Zeitgeschehen seines Heimatlandes.

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Jan Gerber: Karl Marx in Paris

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Karl Marx in Paris Jan Gerber Piper Erschienen am: 03.04.2018 Seiten: 239 ISBN: 978-3-492-05891-9

Inhalt:

Seitdem sich die Elendszonen des Weltmarkts erneut ausweiten und die westlichen Metropolen erreichen, wird auch dort wieder verstärkt von Arbeit und Kapital, der Klasse und ihrem Kampf gesprochen: Im 200. Jahr nach seiner Geburt hat Marx erneut Hochkonjunktur.

Jan Gerber legt auf der Grundlage neuester Forschungen eine auseinandersetzung mit dem Leben und dem Werk von karl Marx vor. Marx’ erster Paris-Aufenthalt von Oktober 1843 bis Februar 1845 wird dabei zum Dreh- und Angelpunkt.

Denn in dieser Zeit entwickelte er die zentralen Begriffe seines Denkens: Marx traf als Radikaldemokrat in Paris ein und verließ die Stadt als überzeugter Klassenkämpfer und Kommunist. (Klappentext)

Rezension:

Die Geburt eines der größten und umstrittensten Denker der Neuzeit jährt sich dieses Jahr zum 200. Mal und so ist es nicht verwunderlich, dass auf den Büchertischen zahlreiche Publikationen vorliegen, die sich mit Karl Marx, seinen Weggefährten und Ideen beschäftigen.

Doch, wer war dieser Mensch, Fabrikantensohn, den alle Türen der damaligen Zeit offenstanden, wie entwickelte er seine Ideen, die Jahrzehnte nach seinem Tod missbraucht und falsch verstanden, umgesetzt werden und zur Unterdrückung eines Großteils des Erdballs führen sollten?

Jan Gerber analysoert schonungslos die Entwicklung eines tönernen Kollosses an Theorien, die schon zu Entstehungszeiten Widersprüche aufwiesen, und kaum zu halten waren. Zumindest nicht, bei genauen Hinschauen.

Der promovierte Historiker nimmt das Theoriengespinst auseinander, zeigt die Begrifflichkeiten von Klasse bis Proletariat auf, stellt einen Zusammenhang mit einem entscheidenden Teil des Lebensweges eines Menschen auf, der mit seiner Freundschaft zu Friedrich Engels ein Indenkonstrukt entwickeln sollte, welches nie so ganz stimmig werden sollte.

Schonungslos, dennoch wohlwollend ist diese Analyse, auf die sich der Leser einlassen muss. Ohne Konzentration geht es nicht. Zu dicht folgen die Schlüsselereignisse in Marx’ Leben aufeinander, zu schwer wiegen die Begrifflichkeiten, die jeder für sich fragwürdig sind, zumal der große Philosoph und Autor zahlreicher Schriften am Anfang seines Lebens mit diesen etwas ganz anderes meinte, als in seinen letzten Lebensjahren.

Umgesetzt wurde vieles davon später nochmals anders, so dass die Frage nach Entstehung des Kommunismus diskussionswert ist und vom Autoren jan Gerber dies auch angestoßen wird.

Was bedeuteten damals Begrifflichkeiten, wie Klasse oder Proletariat, weshalb waren Teile dieser Theorie schon damals zu Marx’ Lebzeiten schlicht und einfach falsch, und was ist davon heute noch übrig, kann möglich in anderer Form erneut als Ratgeber und richtungsweisend dienen?

In klarer Sprache ist dieses Essay geschrieben, man muss sich jedoch auf viele zu verfolgende Gedankengänge einlassen. Die Stationen der Biografie von Karl Marx sind da noch die einfachsten, jedoch wird man für den Rest des Inhalts seine gesamte Konzentration benötigen. Ohne die geht es schlicht und einfach nicht.

Zu komplex ist die Struktur des Marxchen Weltbildes, zu vielschichtig die prägenden Momente im Leben dieses Mannes. Der Autor stößt den Leser auf die Problemstellungen die sich aus den Theorien von Marx und Engels ergeben, stellt sie in einem historischen Zusammenhang dar, und stellt Fragen in den Raum, über die es sich zu nachdenken lohnt.

Haarscharf an der Form einer populärwissenschaftlichen Ausarbeitung vorbei, schadet Vorwissen nicht. Zumindest aber Interesse sollte man schon mitbringen. Ohne dieses wird man schnell aus der Lektüre aussteigen. Zum bloßen nebenher Informieren eigenet sich “Karl Marx in Paris” nicht.

Insgesamt stellt dieses Buch eine gute Grundlage für eine, zugegeben eher intellektuelle, Diskussion dar. Zumindest die biografischen Züge sind jedoch interessant genug, um am Ball zu bleiben. Auf alles andere muss man sich jedoch einlassen können, sonst funktioniert diese Lektüre kaum, und man wird ihr auch sonst nicht gerecht.

Dies gilt es zu vermeiden. Die dichte Quellenlage unterfüttert und regt zur weiteren Lektüre an, zeigt die Rechercheleistungen auf, die zur gar nicht so einfachen Ausarbeitung des vorliegenden Werkes nötig gewesen waren. Im 200. Marx-Jahr und nicht nur dann, ein wichtiges Diskussionsmaterial.

Autor:

Jan Gerber ist ein promovierter Politikwissenschaftler und habilitierter Historiker. Er lehrt an der Universität Leipzig und ist leitender Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Institut für jüdische Geschichte und Kultur – Simon Dubnow (seit 2010). Seit 2004 lehrt er zudem an der Universität Halle.

Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich von geschichte und Wirkung des Holocausts, sowie zur Arbeiterbewegung und der politischen Linken. Er veröffentlichte zahlreiche wissenswchaftliche und populärwissenschaftliche Ausarbeitungen zu Themen dieser Bereiche.

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Gretchen Dutschke: 1968 – Worauf wir stolz sein dürfen

1968 - Worauf wir stolz sein dürfen Book Cover
1968 – Worauf wir stolz sein dürfen Gretchen Dutschke Rezensionsexemplar/Sachbuch Verlag: kursbuch.edition Hardcover ISBN: 978-3-96196-006-4

Inhalt:

“Die drei Jahre zwischen 1966 und 1969 verliefen wie im Rausch, mal strahlend hell, mal im tiefsten Dunkel, euphorisch und verzweifelt, fast wie im Kino. Nur mit dem Unterschied, dass wir keine Zuschauer waren, sondern Akteure, mittendrin. Die Zeit hat uns geprägt, und wir haben die Zeit geprägt. Das gilt heute. darauf können wir und all die Millionen Menschen in Deutschland, die etwas von dem damals Erreichten verstanden haben und ihr Leben frei, bewusst, auch kritisch gestalten, stolz sein.” (Klappentext)

Rezension:

Im Reigen der seit kurzem zahlreich erschienenen Bücher über die späten 1960er Jahre, die allesamt die Studentenproteste in Deutschland zum Thema haben, sticht ein Werk besonders hervor. Weil es dieses Stück Zeitgeschichte aus unmittelbarer Nähe der Akteure beleuchtet, mit den Errungenschaften und zugleich den Fehlern der Neudenker, diese Formulierung ist gewollt, kritisch umzugehen vermag.

“1968 – Worauf wir stolz sein dürfen”, ist das Werk von niemand Geringeren als Gretchen Dutschke, der Lebensgefährtin des Mannes, der zeitweilig zum Wortführer der Studentenproteste werden sollte, Dreh- und Angelpunkt der Veränderungen, die sich abseits von dem sich noch bildenden Terrorismus der RAF formieren und Deutschland mit Hilfe von Diskussionen verändern wollten, die in eine revoplutionäre Umwälzung der Verhältnisse führen sollte.

Wie das von statten gehen sollte, was auf das althergebrachte System folgen sollte, wussten die Studenten auch nicht, doch Gretchen Dutschke macht deutlich, welche Rolle ihr Mann und seine Mitstreiter in dieser turbulenten Zeit spielten.

Es ist eine turbulente Zeit, die hier sehr klar und reflektiert beschrieben wird. In einfühlsamer Sprache wird der Strudel des Zeitgeschehens, in dem sich die Akteure befanden, beschrieben. Der kritische Blick geht dabei nicht verloren. Schon das ist eine Meisterleistung. So reflektiert ihre Situation zu hinterfragen, hätte ich einem Teilnehmer oder Teilnehmerin der dort beschriebenen Ereignisse nicht zugetraut, handelt es sich hier doch um ein sehr intensives Stück Personengeschichte, bei der man sich eindeutig positionieren muss.

Für Leser, die diese Zeit nicht erlebt haben, ist es ein unaufgeregter, aber positiver Blick auf Geschehnisse, die heute teils unwirklich erscheinen mögen, aber damals folgerichtig wohl auf die damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse auch folgen mussten.

Erstaunt folgt man den Gedankengängen der Dutschkes und ihrer Mitstreiter, sieht Wendepunkte und vor allem, dass der Weg der 68er keine Einbahnstraße war, sondern vielfältige Richtungen einschlug. Manche davon liefen sich tot, andere führten in die Irrungen der Illegalität, andere widerum veränderten mit Diskussion und praktischen kleinen Schritten die Gesellschaft deutschlands.

Gretchen Dutschke ist ins Gelingen verliebt, und stellt, ohne den kritischen Blick zu verlieren, die positiven Aspekte dieser Zeit heraus. Zugleich auch die größte Schwäche ist die Knappheit der Schilderungen, von denen man gerne noch ein paar hundert Seiten mehr gelesen hätte.

An manchen Stellen fehlt die Ausformulierung des einen oder anderen interessanten Gedankengangs, der sich weiter zu verfolgen lohnen würde, insgesamt liegt dennoch ein ausgewogenes zeitgeschichtliches Portrait vor, welches sich trotz seiner Schwächen zu lesen lohnt.

Autorin:

Gretchen Dutschke wurde 1942 in Oak Park/Illionois geboren und ist eine Autorin und ehemalige Studentenaktivistin. Sie wurde als Witwe fes 1979 verstorbenen Rudi Dutschke bekannt. Nach einem Theolgiesttudium begann sie ein Kurs am Goethe-Institut in Münschen und lernte in West-Berlin 1964 Rudi Dutschke kennen, nach einer vorrübergehenden Rückkehr in die USA, zog sie 1965 nach Deutschland und bgegann ein Theologiestudium in Hamburg und Berlin, welches sie 1971 abschloss.

1966 heiratete sie Dutschke und half ihn nach dem Attentat seine Sprache wieder zu erlangen. Nach seinem Tod zog sie 1985 wieder zurück in die USA, lebt heute jedoch wieder in Berlin.

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Hala Kodmani: Sie können mir den Kopf abschlagen, aber nicht meine Würde nehmen

"Sie können mir den Kopf abschlagen, aber nicht meine Würde nehmen" Book Cover
“Sie können mir den Kopf abschlagen, aber nicht meine Würde nehmen” Hala Kodmani dtv Erschienen am: 29.03.2018 Seiten: 144 ISBN: 978-3-423-26183-8 Übersetzerin: Elisabeth Liebl

Inhalt:

Tagsüber war sie Lehrerin für Philosophie an einer Mädchenschule, abends schrieb sie zornige Kommentare auf Facebook: Ruqia Hassan lebte in Rakka und postete unter Pseudonym gegen Assad und den IS. Bis sie verraten und vom IS ermordet wurde.

Hala Kodmani erzählt Ruqias Geschichte und lässt Ruqia mit ihren Original-Facebook-Einträgen zu Wort kommen. Kodmani hat das Lebensumfeld von Ruqia genau recherchiert. So gelingt es ihr, Ruqias Ängsten, ihren Hoffnungen, ihrer Liebe zu ihrem Land und ihrer wachsenden Wut Ausdruck zu verleihen. (Klappentext)

Rezension:

Inzwischen ist es ein undurchsichtiger Kampf an vielen Fronten geworden. Die Nachbarstaaten ringen um Einfluss im zerrüttelten Krisengebiet, Großmächte diesseits und fernab der Grenzen ergreifen mal Partei für die eine, mal für die andere Seite. Örtliche Machthaber tun ihr Übriges, um das Land im Zangengriff zu halten.

Leidtragende sind die Bewohner Syriens. Eine von ihnen ist Ruqia, die sich unter den Pseudonym Nissan Ibrahim bemerkbar macht, und auf Facebook den Beginn und Zerfall des Arabischen Frühlings kommentiert, schließlich die Schreckensereignisse unter Assad, schließlich den IS, kommentiert.

Die schlaue junge Frau beobachtet ihre Umgebung sehr genau, fällt schließlich den Ereignissen selbst zum Opfer. Zurückbleibt eine Facebookseite als Mahnmal gegen die Unmenschlichkeit.

Hala Kodmani beschäftigt sich seit Jahren bereits mit der Situation Syriens und nimmt diese Geschichte zum Anlass, wachzurütteln. Stellvertretend für das Leben Tausender nimmt sie sich das Schicksal Ruqias vor, zeigt, wie die Ereignisse aus dem Ruder liefen, und vollzieht nach, wie dieses junge Leben mit Füßen getreten wurde.

Dabei herausgekommen ist ein eindrücklich halbdokumentarisches Portrait einer Frau, die wusste, was sie wollte, jedoch sich ob der schrecklichen Ereignisse nicht verwirklichen und leben konnte, wie sie wollte. Sensibel wird das Leben Ruqias dargestellt, nichts geschönt, was zeigt, wie hart und grausam der Alltag zu den Menschen in Syrien geworden ist, wo jeder Tag ein neuer Kampf ums Überleben ist.

Mehr gibt es dann auch nicht zum Inhalt zu sagen. Zu bedrückend ist diese Geschichte, diese biografische Kurzstück. Klar, in eindeutiger Sprache beschreibt Kodmani den Weg Ruqias in den syrischen Widerstand gegen Assad und den Terror des IS, zumindest der verbale auf Facebook, welches zum wichtigsten Austauschobjekt der syrischen Opposition wurde.

Anhand ihrer dortigen Einträge lässt sich der Leidensweg der Menschen im Spannungsfeld des Krieges nachvollziehen. Mehr braucht es nicht, um Wut und Verzweiflung zu verdeutlichen, der Weg, der in die Katastrophe führt.

Ein Augenzeugenbericht, die Biografie einer Zeitzeugin, die man nicht vergessen darf, deren Geschichte viel mehr verbreitet und bekannter werden muss. Stellvertretend für alle Menschen in Syrien ein Hilfeschrei, den man erhören sollte. Unbedingt lesenswert.

Autorin:

Hala Kodmani ist Mitglied der Internationalen Organisation für Frankophonie und ehemals Mitarbeiterin der Arabischen Liga in Paris. Als Redakteurin schreibt sie für “Liberation”, und beteilt sich an dokumentarische Arbeiten zum Nahen Osten.

Sie ist die Schwester der Mitgründerin des Syrischen Nationalrats (der syrischen Opposition in Paris). Im Mai 2011 gründete sie den Verband Souria houria, der sich für den Sturz von Assad einsetzt. 2013 wurde sie für ihre Berichterstattung zu Syrien ausgezeichnet.

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Andreas Speit: Reichsbürger – Die unterschätzte Gefahr

Reichsbürger - Die unterschätzte Gefahr Book Cover
Reichsbürger – Die unterschätzte Gefahr Andreas Speit (u.a.) Ch. Links Verlag Erschienen am: 20.09.2017 Seiten: 215 ISBN: 978-3-86153-958-2

Inhalt:

Als im Oktober 2016 im fränkischen Georgensmünd ein Spezialkommando der Polizei in das Wohnhaus eines Reichsbürgers eindringt, um dort gehortete Waffen zu beschlagnahmen, eröffnet dieser das Feuer und verletzt vier Beamte. Einer von ihnen wird tödlich getroffen.

Der Schütze gehört zu jener Bewegung von Verschwörungsfanatikern, die die Bundesrepublik und ihre gesetze nicht anerkennen. Bis dahin hatte der Staat dieAngehörigen der Szene als “Spinner” und ungefährlich abgetan.

Der Rechtsextremismus-Experte Andreas Speit beleuchtet gemeinsam mit weiteren Fachleuten die Ideologie und die Akteure der verschiedenen Gruppen. Sie analysieren deren Weltbild und beschreiben, wie ihnen angemessen zu begegnen ist. (Klappentext)

Rezension:

Sie beschäftigen die Behörden mit seitenlangen Schreiben, gestückt mit verqueren Begründungen für Ablehnungen von amtlich zugestellten Forderungen, erheben ihrerseits ebenfalls davon absurdeste und treiben Amtspersonen und Angestellte in Ländern und Kommunen in den Wahnsinn.

So oder ähnlich könnte man es beschreiben, wie der Staat dieses seit längerer Zeit schon existierende Phänomen, nicht mit der Gesellschaft kompatibeler Mitmenschen, betrachtete, und erst seit ein paar jahren ernst nimmt. viel zu spät laut derer, die sich mit den “Reichsbürgern” herumschlagen müssen und den Rechtsextremismusexperten um Andreas Speit.

Gemeinsam mit Journalisten, Wissenschaftlern und Justitiaren begibt sich der Autor auf Spurensuche an den rechten Rand der Republik. Er sucht Reichsbürger auf, analysiert ins kleinste Detail Vorfälle, die schließlich in den Tod eines Polizisten mündeten und zeigt auf, warum der Staat eben nicht mit vereinzelten Irrläufern, sondern einer konkreten und mit Vorsicht zu genießenden Bewegung konfrontiert ist, die unsere Gesellschaft zunehmend in Frage stellt.

Im sehr ausführlich und detaillierten Sachbuch scheint zusammengefasst das gegeben, was den Landesämtern für Verfassungsschutz bisweilen so sträflich misslingt. Die Analyse einer, zuerst lose erscheinenden, Bewegung von Grund auf. Zuerst werden verschiedene Gruppierungen dargestellt und eine politische Einordnung versucht, danach detailliert Personenanalyse betrieben, wie sich einzelne Individuen zu Köpfen dieser aufschwingen konnten, und woraus die Legitimation aus derer sicht heraus besteht, sich vollkommen dem Staat und der Gesellschaft zu entziehen.

Im folgenden wird die Konfrontation der reichsbürger mit der öffentlichen Verwaltung verdeutlicht, und wie die Behörden langsam lernen, mit diesem Phänomen umzugehen, sowie die zunehmende Gewaltbereitschaft herausgeschält. Nicht zuletzt die politische Verortung wird beschrieben, sowie die Strukturen und die Vernetzung untereinander, aber auch die Auswirkungen einer seit längeren nicht erfolgten politischen Auseinandersetzung des Staates mit diesem Phänomen.

Zuletzt werden Ausblicke jenseits der Grenze, etwa nach Österreich und der Schweiz gewagt, Vergleichslinien gezogen und deutliche Warnungen ausgesprochen, welche wachrütteln sollen.

Andreas Speit und seine Mitautoren haben recherchiert, mit Menschen innerhalb der Szene gesprochen, was sie antreibt und bewegt, Gerichtsfälle analysiert und geschaut, wie der Umgang der für die innere Sicherheit zuständigen Geheimdienste damit ist bzw. welche Reaktionen an welchen Stellen fehlgeleitet waren, wie der Stand damals gewesen und heute ist.

Dicht recherchiert und detailliert analysiert ist daraus ein Fachbuch über eine ansonsten im Dunkeln liegende Szene entstanden, welches aufrütteln soll, und vor allem gewisse staatliche Stellen aufrütteln soll, aber auch die angestellten der Kommunen Orientierung geben kann, anhand zahlreicher Beispiele und Geschehnisse, wie diesem zu begegnen ist.

In poltiisch schwierigen Zeiten stellt Andreas Speit so zusätzlich einen Themenbereich zur Debatte, der facettenreich alle Aspekte zur Sprache bringt und ein Fazit zieht, welches nachdenklich stimmen sollte. Es ist an der Zeit, wenigstens zu versuchen etwas zu verstehen, was kaum verständlich ist. Erkenne deinen Feind, um ihn zu begegnen.

Nimm ihn ernst. Der marktschreierische Warnzeitung des Boulevardjournalismus’ fehlt hier jedoch. “Reichsbürger – Die unterschätzte Gefahr”, ist eine Sachanalyse für Fachleute und Laien, die nicht ungelesen bleiben darf und Beachtung finden muss.

Reich an Informationen ohne überflüssigen Ballast, aber mit einer tiefen Quellenlage gelingt es den Autoren, fachlich das zusammen zu fassen, was ansonsten kaum zu greifen ist. Ohne verschnörkelter und ausschweifender Sprache, sachlicher Klartext mit zahlreichen Beispielen. Davon sollte es mehr auf den Büchertischen geben.

Autor:

Andreas Speit wurde 1966 geboren und ist ein in Hamburg lebender Journalist und Autor. Nach einer Ausbildung zum Heilerziehungspfleger studierte Sozialwissenschaften und arbeitete danach als freier Journalist. Seit 1991 beschäftigt er sich regelmäßig mit Themen zum Rechtsextremismus und schreibt u.a. für die taz.

Kolumnen für verschiedene Zeitungen verfasste er ebenso, wie Arbeiten für das politische Feuilleton von Deutschlandradio. 2006-2010 gehörte er zu den Autoren des Themendossiers Rechtsextremismus der Bundeszentrale für politische Bildung. Seine Werke werden von Wissenschaftlern genutzt und regelmäßig zitiert. Speit wurde für seine Arbeit mehrfach ausgezeichnet.

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Graham Masterton: Bleiche Knochen

Bleiche Knochen Book Cover
Bleiche Knochen Graham Masterton Festa Verlag Erschienen am: 19.09.2017 Seiten: 443 ISBN: 978-3-86552-558-1 Übersetzerin: Doris Hummel

Inhalt:

Die Skelette von elf Frauen werden bei Bauarbeiten auf einer Farm im ländlichen Irland gefunden, grausam verstümmelt und bei lebendigen Leib gehäutet. Die Ermittlerin Katie Maguire erfährt nach den ersten Untersuchungen, dass die Toten schon seit vielen Jahrzehnten unter der Erde liegen.

Ihr Vorgesetzter will den Fall bereits zu den Akten legen, da taucht ein frisches opfer auf. Welche Verbindung besteht zwischen dem Killer der Gegenwart und dem Toten aus der Vergangenheit? Und warum sind merkwürdige Stoffpuppen an die Oberschenkelknochen sämtlicher Leichen gebunden?

Katie Maguire stößt auf ein uraltes Ritual und muss den Mörder stoppen, bevor er erneut zuschlägt. (Klappentext)

Rezension:

Dem Schauerroman liegt eine lange, vor allem englische Tradition zu Grunde, die heutzutage durch gute Horrorliteratur ergänzt wird. Graham Masterton ist ein Meister dieses Genres und so liegt mit “Bleiche Knochen” eine spannende Geschichte vor, die mit Vorsicht zu genießen ist.

Wenn davon überhaupt die Rede sein kann. Zunächst ist es eine der klassischen Ermittler-Geschichten, wie sie zu Hauf von den britischen Inseln kommen.

Eine Ermittlerin stolpert mit ihrem Team praktisch über Leichen und immer mehr details schälen sich an die Oberfläche. Heraus kommt das grausame Machwerk eines Täters, der die Umgebung im Atem hält.

Als wäre das nicht genug, stößt Katie Maguire auch noch auf eine uralte Legende und einen politischen Hintergrund, der nichts weiter als den freiden in Irland gefährden könnte. Größer geht’s kaum.

Dieses Szenario hätte schief gehen können. Andere Autoren wären mit dieser Geschichte gegen die Wand gefahren. Graham Masterton schafft es dagegen, sie großartig, sehr detailliert in Szene zu setzen. Sehr feinsinnig stellt er die Ermittlungen der irischen Polizistin dar, was ihn aber nicht daran hindert, auch die Mordszenen ebenso zu erzählen.

Tatsächlich sollte sich überlegen, wer gerade gegessen hat, dass Buch zu lesen. Für zart Besaitete nichts, wobei es auch in diesem Genre Steigerungen gibt, besonders wenn sie im Verlag Festa erscheinen.

Beim Leser schleicht sich eine Faszination für’s Morbide, für’s Böse ein. zeile für Zeile wird er in die Geschichte hineingesogen, will manchmal loslassen, kann jedoch sich kaum den beschriebenen Grausamkeiten entziehen und rätselt dann auch mit, wer der Täter ist.

Oder sind es gar mehrere? Und am Ende kommt doch alles ganz anders. Als Einstieg in die Horrorliteratur unbedingt geeignet, in manchen Teilen eines Stephen King würdig, doch Graham Mastertons Schreib- und Erzählstil ist sehr eigen, und macht mit seinen Perspektivwechseln und Wendungen einen Großteil der Faszination aus, die diese Geschichte trägt.

Die Protagonisten sind glaubwürdig, mit Ecken und Kanten versehen, und bekommen im Laufe der Geschichte eine Tiefe, die sicherlich in Folgebänden weiter ausgebaut werden wird. Auch “böse” Figuren haben ihre sympathischen Seiten, doch wer sich in Gafhar begibt, kommt darin um.

Zum Glück blättert man als Leser nur Seiten um, doch hat man das Gefühl, mitten im Geschehen zu stehen. Die Einbindung einer uralten Legende passt zur Handlungsumgebung, sowie auch die Verarbeitung der Landesgeschichte hier einen wichtigen Stellenwert für den Verlauf einnimmt.

Für nicht so ganz zarte Gemüter eine unbedingte Empfehlung, wer qualitativ gute Krimi-Horrorliteratur lesen möchte, und nicht weiß, wo er ansetzen muss. Graham Mastertons “Bleiche Knochen” ist da ein guter Einstieg, den man sich hingeben kann. Beschreibung expliziter Szenen inklusive. Diese Warnung muss jedoch sein.

Autor:

Graham Masterton wurde 1946 in Edinburgh geboren und ist ein britischer Autor von Horrorliteratur. Nach seiner Ausbildung zum Zeitungsreporter arbeitete er als Redakteur beim Magazin Penthouse.

In dieser Zeit schrieb er eine Reihe von Erotikratgebern, betätigte sich jedoch auch als Schreiber verschiedener anderer Magazine. 1976 veröffentlichte Masterton seine erste Horrorgeschichte, und schrieb seitdem über hundert Romane, Horrorliteratur, Thriller und Katastrophen-Romane. Er wurde mehrfach ausgezeichnet.

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Inaam Katschatschi: Die amerikanische Enkelin

Die amerikanische Enkelin Book Cover
Die amerikanische Enkelin Inaam Kachachi Kolchis Verlag Erschienen am: 12.03.2018 Seiten: 274 ISBN: 978-3-9524800-0-7

Inhalt:

Als 13-jährige flüchtet Saina – auf Arabisch “Zierde” mit ihren christlich-assyrischen Eltern vor den Folterschergen Sadam Husseins in die USA. Nach dem 11. September meldet sich die junge Frau mit frischen amerikanischen Pass als Übersetzerin zum Einsatz im Irak. Sie will helfen, ihre Heimat zu befreien.

Bei ihrer geliebten Großmutter findet sie aber kein Verständnis, diese will nichts wissen von den wilden Horden, die über ihr Land gezogen sind. Saina ist zerrissen zwischen zwei sich wesensfremden Kulturen. Ein spannender roman, der nebenbei verstehen lässt, weshalb die amerikanische “Befriedung” Iraks so kläglich scheitern musste. (Klappentext)

Rezension:

Wer zu den Büchern des Kolchis-Verlages greift, weiß, dass er das Spannungsfeld der Kulturen bekommt. Auf den Tablett geliefert, fein seziert vor den Augen des Lesers, in diesem falle wohltuend ruhig, ohne Überheblichkeit, sehr einfühlsam erzählt.

Das ist Inaam Katschatschis Roman “Die amerikanische Enkelin”, die das Schicksal einer jungen Frau zum Thema macht, die glaubt Amerikanerin zu sein, und dennoch nie von ihrem Geburtsland loskommt, förmlich zerrissen wird, zwischen den erbarmungslos zurückschlagenden Amerika und dem Land von Euphrat und Tigris, welches selbst innerlich zerbrochen ist und eigentlich mit sich selbst genug zu kämpfen hat.

Ruhig beginnt die Erzählung, die immer in der Ich-Perspektive bleibt und ihren Ruhepunkt gleichsam in der Hauptprotagonistin findet.

Am Tempo ändert sich lange nichts, doch spürt man die drückende Last, die Saina zu bewältigen hat, immer mehr, wie sie ihr den Brustkorb zuschnürrt, nicht wissend wohin mit ihren Gefühlen für beide Länder, der Familie in Amerika und ihrer noch in Bagdad lebenden Großmutter, die ihr den Spiegel vorhält, ob den Auswirkungen des Einmarsches Amerikas und zugleich der langjährigen Indokrination der Schergen Husseins.

Im Verlauf der Handlung werden dafür mehrere Ansichten, Seiten bemüht, doch gewinnen nur die zwei Hauptfiguren saina und ihre Großmutter an Tiefe, die wie gleichgepolte Magnete sich abstoßen, aber dennoch nicht von einander lassen können. Alle anderen Protagonisten bleiben Nebenfiguren, die Autorin braucht sie auch nicht wirklich. Die Erzählung trägt sich so.

Es ist ein Roman über die Kraft verwandten Blutes, Zusammenhalt und Familienbande, aber auch die Frage, was wir , weiter unsere gesellschaft und die Politik mit unseren Handlungen für Wirkungen verursachen und dass wir einander vielleicht fremd werden, jedoch nicht vollständig von einander lösen können.

Am Beispiel des Zwiespaltes Sainas eindrucksvoll vorgeführt. Das Ende wird den Leser ratlos zurücklassen, verzweifelt vielleicht, aber es ist richtig so, in Anbetracht der Entwicklungen im Irak und was dies mit den Betroffenen macht. Soldaten, Amerikaner und solche, die beide Identitäten besitzen, die Bewohner des Iraks, die vom Regen in die Traufe gekommen sind.

Dazu kommt, dass Autoren immer über die Themen am besten schreiben können, die ihnen besonders nahe liegen. katschatschi stammt aus Bagdad, und das merkt man in jeder Zeile. Es ist nicht anders möglich, so viel Liebe in und zwischen und in den Zeilen zu diesen zerrüttelten Land Ein, auf den wenigen Seiten unterzubringen. Ein großer und großartiger Roman.

Autor:

Inaam Katschatschi wurde 152 in Bagdad geboren, wi sie Journalismus studierte und anschließend für das staatliche Radio arbeitete. 1979 wanderte sie nach Frankreich aus, schloss ihr Studium Islamischer zivilisation mit einem Doktorat ab.

Danach arbeitete sie als Korrespondentin für verschiedene arabische Medien. Ihr Roman wurde für den Arabic Booker Prize nominiert. 2016 erhielt Katschatschi den Arabischen Literaturpreis.

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Divina Michaelis: Die Entdeckung des Homo Serpentes

Die Entdeckung des Homo Serpentes Book Cover
Die Entdeckung des Homo Serpentes Divina Michaelis Qindie Erschienen am: 17.02.2016 Seiten: 90 ISBN: 978-3-73963-432-6

Inhalt: Zusammen mit anderen Wissenschaftlern wird Lara Evelyn Douglas zum Planeten Hereia geschickt. Dort sollen sie das Ökkosystem des fremden Planeten und das Überleben auf der Raumstation im Orbit testen, um Erkenntnisse für die Lebenssituation auf der Erde zu gewinnen.

Lara entdeckt promt eine andere Spezies, die sich kaum vom Homo Sapiens unterscheidet. Die Schlangenmenschen haben so u.a. ein ganz anderes Verhältnis zum Sex, und entfalten damit auch eine Wirkung der besonderen Art auf Lara. Sie ist damit jedoch nicht allein. (eigene Inhaltsangabe)

Rezension:
Diese Geschichte macht es mir doppelt schwer. Zum einen bin ich nicht gerade der typische Erotikleser, falls es den überhaupt gibt, zum anderen fällt mir auch Science Fiction nicht gerade leicht.

Darauf einlassen kann ich mich selten und wenn, muss die Handlung schon sehr früh im Verlauf das gewisse Etwas besitzen, einen Schalter umlegen, um das Geschehen weiter zu verfolgen. “Die Entdeckung des Homo Serpentes” schafft diesen Spagat und vermag zu überraschen.

Dabei beginnt das ganze zunächst wie jede “normale” Science Fiction beginnen würde. Erotik entwickelt sich daraus, kommt erst an zweiter Stelle. Überhaupt ein wohltuendes Merkmal der Geschichten von Divina Michaelis, die nicht um des Gerammels Willen ( Divina Entschuldige den Ausdruck.) schreibt, sondern die Figuren sich entwickeln, und erst aus der Geschichte heraus, die erotische Komponente entwickelt.

Nicht pornös, sondern feinfühlig beschreibt die Ich-Erzählerin ihr Empfinden und die Entwicklungen inner- und außerhalb der Raumstation. Abwechslungsreiche Charakterisierungen der Protagonisten, die zum Handlungsverlauf beitragen, inklusive.

“Die Entdeckung des Homo Serpentes” wird so denkbar und ist glaubwürdig beschrieben, wie es eben auf einem Minimum von Seiten möglich ist.

Schließlich ist das nur ein Apetizer und Auftakt zu einer Trilogie, derer der Leser sich annehmen wird, sobald man sich die letzten Zeilen zu Gemüte geführt hat. Die volle Punktzahl gibt es nur nicht, um wenigstens noch ein wenig Luft nach Oben zu lassen, für die eigentliche Geschichte.

Die ausarbeitung der Charaktere hat mir sehr gefallen, sowohl der menschlichen als auch der anderen, sowie das Beschreiben des Lebens auf der Raumstation. In den Folgebänden erhoffe ich mir, ein wenig mehr über das Leben der “Homo Serpentes” und ihrer Umwelt zu erfahren, was natürlich eine Kurzgeschichte nicht so bieten kann.

Dann jedoch gerne mit der gewissen Portion Erotik, die ebenfalls passend zur Geschichte geschrieben werden dürfte. Eine klare Empfehlung auch für die, die sich gerne einmal an diesem Genre qualitativ hochwertig heranwagen möchten.

Autorin:
Divina Michaelis hat schon in der Schule Kurzgeschichten und Satiren für die Schülerzeitung geschrieben und arbeitete neben den Beruf fünf jahre an ihren ersten Roman. Lange Zeit als Moderatorin in einem Flirt- und Liebesforum aktiv, widmet sie sich der Erotikliteratur.

Unter den Label von Qindie verlegt sie in Eigenregie ihre Geschichten, die nie Erotik zum Selbstzweck beinhalten, sondern sich die eine oder andere prickelnde Situation aus den Handlungen heraus ergibt.

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