tod

Stephen King: SpÀter

Inhalt:

Der kleine Jamie Conklin wĂ€chst in Manhattan als Sohn einer Literaturagentin auf und wirkt wie ein ganz normaler Junge. Doch der Junge hat ein Geheimnis, er kann die Geister kĂŒrzlich Verstorbener sehen und mit ihnen sprechen. Die Toten selbst mĂŒssen seine Fragen wahrheitsgemĂ€ĂŸ beantworten. Als der lukrativste Autor seiner Mutter Tia kurz vor Vollendung eines lang ersehnten Abschlussbandes stirbt, nutzen beide Jamies Gabe. Mit dem Befragen der Toten rufen sie jedoch ungewollte DĂ€monen hervor. (Inhaltsangabe lt. Verlag)

Rezension:

GĂ€be es einen Preis fĂŒr nichtssagende Klappentexte, der Heyne-Verlag hĂ€tte ihn diesmal bekommen und so muss hier die Inhaltsangabe der Umschlagseite herhalten, um einen Eindruck vom neuesten Werk aus der Feder Stephen Kings zu bekommen.

Wieder einmal konfrontiert der Großmeister der amerikanischen Horrrorliteratur ein Kind als Hauptprotagonisten mit dem ÜbernatĂŒrlichen. Wieder einmal beginnt ruhig, was mit fortschreitender Seitenzahl in immer tiefere AbgrĂŒnde rutscht.

Aus der Ich-Perspektive des kleinen Hauptprotagonisten wird die Geschichte erzĂ€hlt, die im Vergleich zu anderen Werken Stephen Kings regelrecht kompakt ausfĂ€llt. Das GrundgerĂŒst ist, wie so oft, ein kindlicher Hauptprotagonist, der mit der Gabe des ÜbernatĂŒrlichen ausgestattet, eine Geschichte ins Rollen bringt und in immer höherem ErzĂ€hltempo diesen sĂ€mtliche Nerven abverlangen wird, die es zu behalten gilt.

Die ErzĂ€hlung selbst liest sich flĂŒssig und eignet sich fĂŒr ungeĂŒbte King-Leser als Einstieg in die Welt der Horror-Literatur. Dazu notwendige Elemente sind nur sehr dossiert vorhanden. Gestandene Fans des Autors, die eine Geschichte im Stil von “Es” oder der Novelle “Die Leiche” erwarten, werden trotz gewisser Parallelen wahrscheinlich eher enttĂ€uscht sein.

Eher Roman mit leichten Gruselelementen, benötigt King hier nicht lange, um gewisse SympathietrÀger herauszuschÀlen und diese nicht nur mit Jamies Gabe zu konfrontieren. TatsÀchlich bringt der Autor subtil Themen wie die Korruption innerhalb der amerikanischen Polizei, Alkoholismus. Drogen und Inzest unter, verlangt dabei seiner Leserschaft Einiges ab, zumal hier die Konzentration auf Weniger der Geschichte gut getan hÀtte.

Diese hĂ€tte ein paar hundert Seiten mehr vertragen können, gleichzeitig aber ist man dann doch froh, nur diese wenigen durchstehen zu mĂŒssen. Wahrscheinlich wĂ€re hier ein Mittelweg angebracht gewesen. Hier wollte der Autor zu viel, auf zu geringer Seitenzahl. Themen werden nicht auserzĂ€hlt, sind vielmehr Grundlagenelemente des Handlungsstrangs, der konsequent aus Jamies Perspektive fortgefĂŒhrt wird. Das Ende wirkt gezwungen.

Ob das an der Übersetzung liegt, mĂŒssen Andere entscheiden. So aber wirkt die ErzĂ€hlung halbgar. Lesbar? Ja. Aber nichts, was man nicht unbedingt muss.

Autor:

Stephen King wurde 1947 in Portland, Maine, geboren und ist ein US-amerikanischer Schriftsteller. Vor allem fĂŒr seine Horror-Romane bekannt, gilt er als einer der kommerziell erfolgreichsten und meistgelesenen Gegenwartsautoren. Er studierte Englisch und arbeitete kurze Zeit als Lehrer, verkaufte bereits Kurzgeschichten und veröffentlichte 1973 seinen ersten Roman. Weitere folgten, die in mehreren Sprachen ĂŒbersetzt und mehrfach verfilmt wurden. Stephen King wurde fĂŒr sein Werk ausgezeichnet, u. a. mehrfach mit dem Bram Stoker Award.

Stephen King: SpÀter Read More »

Volker Reinhardt: Die Macht der Seuche

Inhalt:

Die Große Pest der Jahre um 1348 war eines der einschneidendsten Ereignisse der europĂ€ischen Geschichte. Der Historiker Volker Reinhardt rekonstruiert den Verlauf der Epidemie von den AnfĂ€ngen in Asien bis zu ihrem vorlĂ€ufigen Erlöschen in Europa, beleuchtet die unterschiedlichen VerhĂ€ltnisse in ausgewĂ€hlten StĂ€dten und fragt, wie die Überlebenden politisch und wirtschaftlich, religiös und kĂŒnstlerisch das große Sterben bewĂ€ltigten.

Sein spannend geschriebenes Panorama fĂŒhrt eindringlich vor Augen, was wir dem medizinischen Fortschriftt verdanken – und wie verblĂŒffend Ă€hnlich wir heute trotzdem auf eine Pandemie reagieren. (Klappentext)

Rezension:

Den Umgang mit heute verlaufenden Pandemien betrachtend, lohnt sich mitunter ein Blick zurĂŒck in die Geschichte und eine vergleichende Betrachtung von Ereignissen mit Ă€hnlich einschneidender Bedeutung. FĂŒr eine Fokussierung etwa, nur auf Corona ist es noch zu frĂŒh.

Allenfalls in den nĂ€chsten Jahren wird man das gesamte Ausmaß ĂŒberblicken können, doch wie gingen unsere Vorfahren mit global sich verbreitenden Viren und ihren Folgen um, welche SchlĂŒsse und Maßnahmen zogen sie, den damaligen Wissestand und medizinischen Kenntnisse natĂŒrlich berĂŒcksichtigt, daraus?

Welche Auswirkungen hatte etwa die um sich greifende Pest im sozialen und gesellschaftlichen, poltischen GefĂŒge, wĂ€hrend diese um sich griff und vor allem, welche Nachwirkungen waren zu verzeichnen. Der Historiker Volker Reinhardt begab sich auf Spurensuche.

Anhand zahlreichen Kartenmaterials, welches der historischen Betrachtung voransteht, erlĂ€utert er die einzelnen Phasen der Pest, ihre Verbreitung im damaligen Europa und ihre Auswirkungen auf die einzelnen Regionen. bemĂŒht, um vergleichende und vielschichtige Betrachtung, fokussiert der Autor sich dabei nicht auf einzelne Regionen, wenngleich etwa Italien und Frankreich einen großflĂ€chigen Anteil an seiner Betrachtung ausmachen.

Warum dies so ist, erlĂ€utert Reinhardt ebenso, wie er auch immer wieder anhand der Quellenlage verdeutlicht, wo betrĂ€chtliche LĂŒcken eine ausfĂŒhrliche Auswertung beinahe unmöglich bzw. schwierig machen.

Detailliert geht er zunĂ€chst auf die Seuche als solches ein, und erlĂ€utert dann, was diese mit den damaligen Menschen machte und welche Auswirkungen in den Jahren danach Folge waren. Einzelne Abschnitte der Betrachtung lohnen einem Vergleich zur heutigen Situation. Schon damals erkannte etwa die obere FĂŒhrung von Mailand die Bedeutung der Isolation. Auch die QuarantĂ€ne, wie wir sie heute kennen, nahm in der damaligen Zeit ihren Anfang. Reinhardt geht jedoch auch auf die Unterschiede ein, erlĂ€utert, weshalb die Pest wo welche Auswirkungen hatte, wie viele Menschen nach Quellenlage tatsĂ€chlich betroffen waren und dass sich auch damals schon die Hoffnungen nach einer besseren, anderen Gesellschaft nach der Seuche schnell zerschlugen.

Das alles ist in kompakter Form keine ausschweifende, jedoch leider um so mehr trockene Literatur, die zwar versucht anhand von Personengeschichte Interesse zu wecken, dies jedoch nicht vermag. TatsĂ€chlich ist diese Sammlung an Wissen eine schnöde Aneinanderreihung von Fakten, die trocken daherkommt. Es wirkt in etwa so, als wĂŒrde man heutige Nachrichten mit einem tiefen Seufzer kommentieren. mit zunehmender Seitenzahl muss man sich förmlich zwingen, die Fakten aufzunehmen und zu behalten. Da nĂŒtzt dann auch eine sehr intensiv bewĂ€ltigte Quellenlage und gute Recherchearbeit wenig.

Schade, aus diesem Stoff Geschichte hÀtte man viel mehr herausholen können. Genug Interessenten gÀbe es bestimmt.

Autor:

Volker Reinhardt wurde 1954 in Rendsburg geboren und ist ein deutscher Historiker. Seit 1992 lehrt er als Professor fĂŒr Allgemeine und Schweizer Geschichte der Neuzeit an der UniversitĂ€t Freiburg. ZunĂ€chst jedoch studierte er Geschichte und Romanische Philologie in Kiel, Freiburg im Breisgau und in Roman, danach absolvierte er seine Staatsexamen in Geschichte 1975, und Romanistik 1976.

Nach einem Forschungsaufenthalt in Rom promovierte er ĂŒber die Finanzen des Kardinals Borghese, war 1985-1991 Hochschulassistent in Freiburg im Breisgau, habilitierte dort 1989.

Als Hochschuldozent lehrt er an der UniversitĂ€t Freiburg in der Schweiz, ist zudem Vertrauensdozent der Friedrich-Naumann-Stiftung fĂŒr die Freiheit. Er beschĂ€ftigte sich mehrfach mit der Geschichte der italienischen Renaissance, u.a. mit der Familie Medici, Borgia und verfasste eine Biografie Leonardo da Vincis. Reinhardt ist Mitherausgeber der WBG-Reihe “Geschichte kompakt”.

Volker Reinhardt: Die Macht der Seuche Read More »

Joe Biden: Versprich es mir

Inhalt:

Im November 2014 versammelten sich die Bidens in Nantucket, um gemeinsam Thanksgiving zu feiern – eine Familientradition seit vierzig Jahren. Aber diesmal fĂŒhlte sich alles ganz anders an. Bei Beau, dem Ă€ltesten Sohn von Joe Biden, war zuvor ein bösartiger Hirntumor diagnostiziert worden, und sein Überleben war ungewiss. «Versprich es mir», bat der kranke Sohn seinen Vater. «Versprich mir, dass du klarkommst, ganz egal, was passiert.» Joe Biden gab ihm sein Wort. Das darauffolgende Jahr stellte ihn auf eine schwere Probe. (Inhaltsangabe des Verlags)

Rezension:

Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten sind die GrĂ€ben tief und die Aufgaben, denen sich ein PrĂ€sident Biden gegenĂŒber sieht, könnten schwieriger kaum sein. Klimaschutz, Rassismus, die Spaltung zwischen Bevölkerungsgruppen, marode Infrakstruktur, geerbte Konflikte auf unserem Planeten.

Es gibt viele Baustellen fĂŒr einen PrĂ€sidenten Biden, doch der langjĂ€hrige Politiker sah sich 2014 vor der bis dato wohl grĂ¶ĂŸten Herausforderung in seinem Leben, und die stellte sowohl seines als auch das der Familie auf dem Kopf.

Bei uns anlĂ€sslich der Wahl des Demokraten Joe Bidens zum US-PrĂ€sidenten ĂŒbersetzt, erschien dieser sehr persönliche Blick in den Vereinigten Staaten bereits 2017. Die Ära Obama, an der der Politiker einen nicht ganz unerheblichen Anteil hatte, gerade vorbei, die Auswirkungen der Regierungszeit dessen Nachfolgers nicht absehbar, gibt diese RĂŒckschau einen Einblick in das politische Denken, aber vor allem auch in den Menschen Joe Biden.

Vorliegend ist dies keine Biografie, aber eine RĂŒckschau, fokussiert auf bestimmte Ereignisse, die das Wirken Bidens als Senator und Vize-PrĂ€sidenten prĂ€gten, als auch dessen VerstĂ€ndnis von Familie, zumal der Autor schon 2016 die Chance hĂ€tte ergreifen können, sich als Kandidat fĂŒr die US-PrĂ€sidentschaft aufstellen zu lassen.

Detailliert erlĂ€utert Biden in dieser, nennen wir es Denkschrift, wie der Schicksalsschlag seines Sohnes ihn einerseits vorantrieb, andererseits determinierte, zumal den Trauerprozess nach dem Verlust eines geliebten Menschens. Inszenierung von Politik, wie sie im amerikanischen Raum ĂŒblich ist, hin oder her, hier erlĂ€utert der Mensch Biden seine BeweggrĂŒnde und dies in einer sehr nachvollziehbaren Art und Weise.

Große Politik spielt natĂŒrlich eine Rolle, so gibt Biden Einblick in die Ausgestaltung der Rolle eines Vize-PrĂ€sidenten. Dies jetzt zu lesen, lĂ€sst ahnen, was ein PrĂ€sident Biden anders machen wĂŒrde als sein VorgĂ€nger. Das ist jedoch nicht das, was hĂ€ngen bleibt. Nachhaltig ist die Beschreibung seiner Selbst als Familienmensch, der trotz vollen Terminkalenders, immer auch den Biden-Clan im Blick behĂ€lt, zumal in schweren Zeiten.

NatĂŒrlich weiß der Autor um die Wirkung seiner Worte, weiß bestimmte Formulierungen einzusetzen und das ist gewollt. Wie denn auch nicht, bei einem Politiker.

Die Schrift richtete sich hier an ein amerikanisches Lesepublikum, nach Obama und hat sicher fĂŒr dieses einige offene Fragen geklĂ€rt, denn weder die Krebserkrankung seines Sohnes waren vor dessen Tod groß in der Öffentlichkeit bekannt, zurecht, noch die darauf fußende Entscheidung, nicht zu diesem Zeitpunkt nach dem PrĂ€sidentenamt zu streben, wo doch viele ihn neben Hillary Clinton fĂŒr einen aussichtsreichen Kandidaten, schon 2016, gehalten haben.

So ist “Versprich es mir”, ein behutsames Puzzleteil, Denkschrift, ErklrĂ€ungsversuch und Ausblick zugleich, und fĂŒr einige Amerikaner, ja, vielleicht auch ein StĂŒck Hoffnung.

Autor:

Joeseph “Joe” Robinette Biden Jr. wurde 1942 in Scranton, Pennsylvania geboren und ist ein US-amerikanischer Politiker, Mitglied der Demokratischen Partei. Von 1973 an gehörte er bis 2009 dem Senat an und war 2009-2017 Vize-PrĂ€sident der Vereinigten Staaten von Amerika. 2021 wurde er zum 46. PrĂ€sidenten der USA gewĂ€hlt.

Das Buch wurde im Rahmen des Sachbuchmonats Januar 2021 gelesen. #SachJan21 #sachjan2021

Joe Biden: Versprich es mir Read More »

Claudia Sammer: Als hÀtten sie Land betreten

Als hÀtten sie Land betreten Book Cover
Als hĂ€tten sie Land betreten Claudia Sammer Erschienen am: 10.09.2020 braunmĂŒller Verlag Seiten: 174 ISBN: 978-3-99200-285-6

Inhalt:

Die besondere freundschaft zwischen der jĂŒdischen Veza und der nichtjĂŒdischen Lotti in den 1930er-Jahren ist Ausgangspunkt einer Geschichte ĂŒber sechs Frauen.

Über mehrere Generationen hinweg werden LebensentwĂŒrfe skizziert, die geprĂ€gt sind von AbhĂ€ngigkeit und SelbststĂ€ndigkeit, vom Zweifeln und Sich-Finden, vom Glauben an eine höhere Macht und dem festhalten an der Erinnerung. erst nach ihrem Tod erfĂ€hrt Lottis Familie von Vezas existenz und der gemeinsamen Zeit, eine Entdeckung, welche die Enkelin dazu ermutigt, neue Wege zu gehen. (Klappentext)

Rezension:

Entgegengesetzt den Vorstellungen ihrer Familien entwerfen sie vom jungen Alter an ihre LebensentwĂŒrfe selbst, ecken an und kĂ€mpfen gegen WiderstĂ€nde. Die liegen in der eigenen Verwandtschaft, sowie in der Zeit, der sie ausgesetzt sind, doch Veza und Lotti behaupten sich.

Das mĂŒssen sie, die eine um des Überlebens Willen, die andere, um unabhĂ€ngig zu werden. Nur, die sie umgebenden Menschen wissen nicht davon, erfahren dies erst nach Jahrzehnten. Mehr gibt es auch zur Handlung nicht zu sagen. Es sei denn, man möchte zu viel verraten.

Die Schriftstellerin Claudia Sammer legt mit “Als hĂ€tten sie Land betreten” eine Novelle von sprachlicher Wucht vor, fĂŒr die man sich Zeit nehmen muss. Zeit nehmen, poetische SĂ€tze in sich aufzusaugen, die aneinandergereiht wie eine Perlenkette wirken, doch schwer zu fassen sind.

Oft genug muss man, möchte man innehalten, SĂ€tze immer und immer wieder lesen. Unscheinbar dieser Band, so einnehmend der Text. Die Freundschaft als Dingsymbol, als Dreh- und Angelpunkt in all seinen Fascetten, WidersprĂŒchen, die die kompakten Kapitel durchziehen, die einmal als Entschluss der Kindheit gefasst, ihre Protagonisten nicht wieder loslĂ€sst.

Und doch hat der Text seine LĂ€ngen. Monotonie erstreckt sich ĂŒber mehrere Kapitel, ein Spannungsbogen nur zu Beginn und zum Ende, dazwischen gefĂŒhlt Leere. Das ist schwierig bei der KĂŒrze des Textes und kaum zu rechtfertigen.

Alleine, man muss in der richtigen Stimmung sein, so etwas zu lesen, damit die ErzĂ€hlung ihre volle Wirkung entfalten kann. Dann funktioniert das auch, der Zwiespalt der Protagonisten in ihren Entscheidungen, die Entwicklung ĂŒber den beschriebenen Zeitraum.

Die Novelle verleitet zum schnellen Lesen, wer dies tut, macht’s jedoch falsch. Langsam, hĂ€ppchenweise sollte man den Text in sich aufnehmen. Dann funktioniert es auch. Und das ist die eigentliche Problematik. Nur, wer ahnt das schon mit den ersten gelesenen Zeilen?

Autorin:

Claudia Sammer wurde 1970 geboren und ist eine österreichische Schriftstellerin. ZunÀchst studierte sie Rechtswissenschaften und Literarisches Schreiben und arbeitete in Wien und Mailand. Inzwischen lebt sie mit ihrer Familie wieder in Graz. 2019 erschien ihr erster Roman.

Claudia Sammer: Als hÀtten sie Land betreten Read More »

Michael Tsokos: Fred Abel 4 – Zerrissen

Zerrissen Book Cover
Zerrissen Reihe: Fred Abel – 4 Rezensionsexemplar/Thriller Knaur Taschenbuch Seiten: 400 ISBN: 978-3-426-52549-4

Inhalt:

Rechtsmediziner Dr. Fred Abel, stellvertretender Leiter der BKA-Einheit “Extremdelikte”, muss als Gutachter in einem besonders schweren Fall aussagen. Ein heikler Umstand: Das Opfer ist die Nichte seiner Kollegin Sabine Yao.

Kurz darauf landen zwei spektakulĂ€re Morde auf Abels Sektionstisch. Seit Monaten ermittelt die Berliner Polizei gegen vier BrĂŒder eines libanesischen Clans. Abel erkennt, dass die Machenschaften der BrĂŒder schon lĂ€nger seinen Weg kreuzen, und stellt eigene Nachvorschungen an. Doch das bleibt dem Clan nicht verborgen, und plötzlich ist das Leben von Abels schwangerer LebensgefĂ€hrtin Lisa in höchster Gefahr. (Klappentext)

BĂŒcher der Reihe:

Michael Tsokos: Fred Abel 1 – Zerschunden

Michael Tsokos: Fred Abel 2 – Zersetzt

Michael Tsokos: Fred Abel 3 – Zerbrochen

Michael Tsokos: Fred Abel 4 – Zerrissen

[Einklappen]

Rezension:

Wechselhafte und dicht geschriebene Thriller scheinen zurzeit in Mode. Wer möchte, findetr da viel Lesestoff. Spannend sind vor allem die, die sich an tatsĂ€chliche Geschehnisse anlehnen. Schließlich schreibt das wahre Leben mitunter die besten Geschichten, die, hĂ€tte man sie erfunden, mehr oder weniger auf Unglauben stoßen wĂŒrden. Doch ist es auch hier notwendig, die Spreu vom Weizen zu trennen. Der Rechtsmediziner Michael Tsokos ist jemand, den dieser Spagat beim Schreiben gelingt. Seine Inspiration ist oft genug auf den Sektionstischen der Rechtsmedizin zu finden. So auch die Grundlagen fĂŒr den neuen Fall um Rechtsmediziner Dr. Fred Abel.

Die Gemengenlage der Spree-Metropole und noch einige andere FĂ€lle aus dem Erfahrungsschatz des Autoren bilden erneut die Grundlagen fĂŒr eine spannende Verwicklung, in der schon zum vierten Mal die Figur des Protagonisten Dr. Fred Abel die Hauptrolle einnimmt.

Gleich mehrere FĂ€lle werden so fiktionalisiert verwoben, so dass nicht nur erneut berufliche und private Grenzen der handelnden Personen sich vermischen, sondern auch eine dichte Taktung kaum Spannungstiefen erscheinen lassen. Kurzweilig sind die schnell zu lesenden Kapitel zu lesen. Ein Sog entsteht, den man sich als LeserIn kaum entziehen mag.

Es geht um Clan-KriminalitĂ€t, Kindesmisshandlung, DrogenkriminalitĂ€t und noch so einiges mehr. Die Grenze um Too-much-Moment ist nicht weit, wird zwar gestreift, dennoch nicht ĂŒberschritten. Wenn auch nur, gerade noch so. Haarscharfe Wendungen sind folgerrichtig, wenn man sich auch manchmal beim Lesen selbst bremsen muss, um den einen oder anderen Spannungsmoment wirklich aufzunehmen, da der fĂŒr die nachfolgende Handlung wichtig werden könnte.

Das funktioniert hier noch, auch wenn der Autor das eine ums andere Mal etwas zu sehr ins Medizinische abdriftet. Das dĂŒrfte den Fans von Tsokos nicht neu sein, jedoch andere Thriller-Leser vielleicht abschrecken.

Den vierten Band der Reihe kann man losgelöst von den vorangegangenen lesen. Keinerlei Faktenwissen darasu notwendig. Wer jedoch schon mehr Geschichten um die Rechtsmediziner Abel und Herzfeld gelesen hat, dem werden Anspielungen und ZusammenhĂ€nge auffallen, zudem auch, dass Tsokos immer geĂŒbter wird, wahrheit und Fiktion zu verbinden.

Die ersten BĂ€nde lesen sich nicht ganz so flĂŒssig, wie dieser nun vorliegende. Um so erfreulicher, dass auch hier Ausssicht auf Fortsetzung besteht.

Autor:

Michael Tsokos wurde 1967 in Kiel geboren und ist ein deutscher Rechtsmediziner und Professor an der Charite in Berlin. Er leitet seit 2007 das dortige Institut fĂŒr Rechtsmedzin, gleichzeitig das Landesinstitut fĂŒr gerichtliche und soziale Medizin in Berrlin-Moabit. Zudem ist er Leiter der Gewaltschutzambulanz der Charite. 1998-99 nahm er an der Exhuminierung und Identifizierung von Leichen aus MassengrĂ€bern des Bosnienkrieges und im Kosovo teil.

2004-05 war er im Auftrag des Bundeskriminalamtes zur Identifizierung der Tsunami-Opfer in Thailand tĂ€ig. Er ist Autor mehrerer Fachzeitschriften, populĂ€rer SachbĂŒcher und Mitautor mehrerer Thriller. Seit 2014 ist er Botschafter des Deutschen Kindervereins. Tsokos lebt mit seiner Familie in Berlin.

Wolf-Ulrich SchĂŒler arbeitet als Journalist und lebt mit seiner Familie in der NĂ€he von Köln.

Michael Tsokos: Fred Abel 4 – Zerrissen Read More »

Wiebke von Carolsfeld: Das Haus in der Claremont Street

Das Haus in der Claremont Street Book Cover
Das Haus in der Claremont Street Wiebke von Carolsfeld Kiepenheuer & Witsch Erschienen am: 10.09.2020 Seiten: 361 ISBN: 978-3-462-05475-0 Übersetzerin: Dorothee Merkel

Inhalt:

Wie ĂŒberlebt man das Undenkbare? Tom weigert sich zu sprechen, nachdem seine Eltern auf brutale Weise sterben.

Seine unfreiwillig kinderlose Tante Sonya nimmt ihn auf, kommt aber nicht an den traumatisierten Jungen heran. Bald ist Tom gezwungen, erneut umzuziehen, diesmal in die Claremont Street in der Innenstadt von Toronto, in der ihm seine liebenswert-chaotische Tante Rose und sein Weltenbummler-Onkel Will ein Zuhause geben.

Mit der Zeit wird Toms Schweigen zu einer mĂ€chtigen PrĂ€senz, die es dieser zerrĂŒtteten Familie ermöglichst, einander zum ersten Mal wirklich zu hören. Ein Roman darĂŒber, wie mit viel Humor und Liebe selbst aus den schlimmstmöglichen UmstĂ€nden etwas Positives erwachsen kann. (Inhaltsangabe Verlag)

Rezension:

“Wir sterben.” Mit letzter Kraft sind es diese Worte, die dem kleinen Hauptprotagonisten ĂŒber die Lippen kommen. Dann lange nichts. TatsĂ€chlich ist dieses DebĂŒt, welches mit einem lauten Knall beginnt, ein zutiefst mitfĂŒhlendes, auch verstörendes PortrĂ€t, eine ansonsten ruhige, dafĂŒr um so dĂŒstere ErzĂ€hlung, die nun aus der Feder Wiebke von Carolsfelds vorgelegt wird.

Hauptprotagonist und Mittelpunkt der Geschichte ist ein kleiner Junge, der unschuldiger nicht sein könnte und auf dessen kleinen Schultern nun die Last liegt, eines der schlimmsten Vorkommnisse innerhalb von Familien erlebt zu haben. Zuerst ist der Schmerz da. Sehr viel spÀter wird die Trauer folgen, doch Tom schweigt zunÀchst, lÀsst niemanden an sich heran. Warum denn auch? Ist doch eh alles vorbei.

Tom packte sich eine Tonscherbe, die von der Wand abgeprallt und direkt neben seinem Fuß gelandet war. Mama hatte diese Tasse geformt, hatte seinen Namen in den feuchten Ton geschrieben. Aber Tom konnte sich nicht mehr an die Konturen ihrer HĂ€nde erinnern. Angewidert schloss Tom seine Finger zur Faust und genoss den Schmerz, den der scharfe Splitter ihn bereitete. Je fester er drĂŒckte, je tiefer der Schnitt, desto besser.

Wiebke von Carolsfeld “Das Haus in der Claremont Street”

Herzzerreisend lesen sich die Zeilen, in klarer einnehmender Sprache geschrieben, um diese chaotische Familie, deren Zuhause in glĂŒcklichen Tagen ein liebevolles wĂ€re, doch nun versucht jeder Protagonisten das Unbegreifbare zu fassen. Nichts ist schwarz oder weiß in diesem Roman, mit jeder Zeile gleitet man tiefer in die Seelenleben der handelnden Personen, die wechselhaft sympathisch agieren, doch innerhalb des erzĂ€hlten Schicksallschlags völlig logisch, manchmal kopflos.

Wechselhaft ist die Perspektive, ĂŒber ein Jahr begleiten wir Tom und das, was von der Familie ĂŒbrig geblieben ist. Wie trauern wir? Wie gehen wir mit der Trauer anderer Menschen um? Wie können wir einander beistehen, nahe sein, wo wir doch vielleicht selbst Halt brauchen? Ist es möglich, einander zu verstehen? Zu begreifen? Heilt die Zeit alle Wunden?

Tom streckte seine Hand aus, um nĂ€her an die rot glĂŒhenden Kohlen zu kommen. Er wĂŒrde die Hand nicht zurĂŒckziehen, er wĂŒrde es schaffen, den Kurs zu halten und diese Sache hier zu Ende zu bringen, die er angefangen hatte.

Wiebke von Carolsfeld “Das Haus in der Claremont Street”

Fragen werden aufgeworfen, in diesem relativ kompakten Roman, die nicht einfach zu beantworten sind. Sofern dies ĂŒberhaupt möglich ist. daran entlang hangelt sich die Autorin und lĂ€sst ihre Protagonisten einen langen steinigen Weg gehen, der fĂŒr jeden von ihnen unterschiedliche Fallstricke bereithĂ€lt.

Mehr oder weniger geschickt, meistern diese das Bevorstehende, um das ZurĂŒckliegende zu begreifen. Der Lesende wird in die Handlung hineingezogen. Klare Sprache, in einem ruhigen und der Thematik angemessenen dĂŒsteren Handlungsrahmen.

Kleine Momente des GlĂŒcks blitzen auf. Mit Witz treten sie an der OberflĂ€che, um zunĂ€chst so schnell zu verschwinden, wie sie gekommen sind. Die Zeit bringt es mit sich, dass sie zahlreicher werden. Wird es ihnen am Ende gelingen, eine Art Abschluss zu schaffen?

Eine ErzĂ€hlung ĂŒber Trauer, Auseinandergehen und Zusammenhalt, Hilfe und Verarbeitung, darĂŒber, was Familie wirklich bedeuten kann. Schon alleine deshalb ist Wiebke von Carolsfelds Roman einer der ganz großen, die es verdient haben, bekannter zu werden.

Kinder sind am Anfang eines solchen Weges die SchwĂ€chsten, können jedoch, wenn alle UmstĂ€nde gĂŒnstig liegen, am stĂ€rksten aus einem solchen Schlag hervorgehen. Die Autorin zeigt das mit sehr viel EinfĂŒhlungsvermögen, so dass ich einen allzu kitschigen Absatz gegen Ende gern ĂŒberlesen habe. Unbedingt lesenswert.

Autorin:

Wiebke von Carolsfeld wurde 1966 in Deutschland geboren und lebt als Filmeditorin, Regisseurin und Drehbuchautorin in Montreal. Als Cutterin gewann sie zahlreiche Preise und gibt zahlreiche Kurse ĂŒber das Drehbuchschreiben, Filmemachen und den kreativen Prozess. 2002 wurde sie fĂŒr den besten Schnitt fĂŒr den Genie Award nominiert. Im Verlag Kiepenheuer & Witsch machte sie zuvor eine Ausbildung zur Verlagskauffrau. Dies ist ihr erster Roman.

Wiebke von Carolsfeld: Das Haus in der Claremont Street Read More »

Samantha Harvey: Westwind

Westwind Book Cover
Westwind Samantha Harvey Atrium Verlag Erschienen am: 18.09.2020 Seiten: 383 ISBN: 978-3-85535-077-3 Übersetzer: Steffen Jacobs

Inhalt:

England, 1491. In dem kleinen, abgelegenen Dorf Oakham bereitet man sich gerade auf die bevorstehende Fastenzeit vor, als eines Nachts ein UnglĂŒck geschieht. Thomas Newman, der wohlhabendste und einflussreichste Mann im Ort, wurde von der Strömung des Flusses mitgerissen.

Ein paar Tage spÀter taucht seine Leiche auf. War es ein Unfall, Mord oder Selbstmord? Dies herauszufinden, obliegt dem örtlichen Priester John Reve. WÀhrend sich durch die Beichten der Dorfbewohner langsam ein PortrÀt der Gemeinde zusammensetzt, kommen immer dunklere Geheimnisse ans Licht. Die Schuldfrage wird immer dringlicher. (abgeÀnderte Inhaltsangabe)

Rezension:

Szenarien bietet die Epoche des finsteren Mittelalters genug, so dass Fans historischer Romane sicher genug Auswahl haben. Die Themen sind so vielfÀltig, wie die historischen Figuren, selbst, wenn man frei schreibend, sich nicht an tatsÀchliche Geschehnisse orientiert.

So oder Ă€hnlich hĂ€tte es ablaufen, die Stimmung unter den Protagonisten sein können. Dieses GefĂŒhl mit einer Geschichte bei der Leserschaft zu wecken, dabei zu unterhalten, sollte das Ziel sein. Gelingt das, ist alles gut. Und dann gibt es noch Romane, wie den vorliegenden von Samantha Harvey.

Historische Romane bieten Platz fĂŒr das ganz große Kino, was man rein, den Klappentext betrachtend, erwarten darf. Ein Priester in Konfrontation mit dem Glauben, die Dorfbewohner durch den Tod eines Menschen verunsichert, der am wenigsten dafĂŒr prĂ€destiniert zu sein schien.

Ausufernde Intrigen, temporeiche, sich ĂŒberschlagende Spannungsmomente und die DĂŒsternis der Zeit. Auf diese freut man sich, nach dem Lesen der Inhaltsangabe, der ersten Zeilen, die aus der Sicht des Hauptprotagonisten geschrieben sind. “Westwind”, bietet jedoch allenfalls nur Schmalspur.

Gleichsam wie das beschriebene Dorf ist auch in dieser ErzÀhlung alles mehrere Nummern kleiner. Spannungsmomente können ihre Wirkung kaum eine Seite lang halten, so dass das Tempo dem eines vor sich hin plÀtschernden Baches gleicht.

Das ist auf der Strecke ermĂŒdend, zumal nur die Hauptprotagonisten einigermaßen vielschichtig sind, wĂ€hrend der Rest der Figuren relativ farblos erscheint. Die Stimmung, die Samantha Harvey erzeugen wollte, kommt hier nicht auf, zudem das Ende mich unbefriedigt zurĂŒckgelassen hat.

Liegt es am Hintergrund des gestalteten Protagonisten, dem Szenario, der Idee dahinter? Nein, aber Sprache bedingt Wirkung, Spannungsbögen halten Lesende bei der Stange. Beides setzt die Autorin auf’s Spiel, zudem hier mehr Zwiespalt innerhalb der Figurenkonstellationen gepasst hĂ€tte und vielleicht noch die eine oder andere Verwicklung mehr.

Mit dem vorliegenden hĂ€tte man weniger Seiten besser fĂŒllen können. Unter historischer Spannungsliteratur stelle ich mir anderes vor, auch als detektivischer Roman, angesiedelt im Mittelalter, ist mir das zu dĂŒnn. Leider.

Autorin:

Samantha Harvey wurde 1975 geboren und ist eine englische Autorin. ZunÀchst studierte sie Kreatives Schreiben und Philosophie, bevor sie ihren ersten Roman im Jahr 2009 veröffentlichte. Kreatives Schreiben unterrichtet sie zudem an der Bath Spa University, wo sie als Dozentin tÀtig ist.

Harvey wurde mehrfach ausgezeichnet und erhielt u.a. den AMI Literature Award. Im Jahr 2010 wurde sie von The Culture Show zu einer der zwölf besten neuen britischen Schriftstellerinnen ernannt.

Samantha Harvey: Westwind Read More »

Thomas Finn: Bermuda

Bermuda Book Cover
Bermuda Thomas Finn Droemer Knaur Erschienen am: 01.09.2020 Seiten: 522 ISBN: 978-3-426-22719-0

Inhalt:

Nur knapp ĂŒberleben der Biologe Alex Kirchner und die Kreuzfahrt-Mitarbeiterin Itzil Perez den Untergang ihres Luxusliners, der mitten im Atlantik in einen schrecklichen Hurrikan gerĂ€t. Zusammen mit einem Dutzend weiterer Überlebender werden die beiden am Strand einer Vulkaninsel angespĂŒlt.

Doch die vermeintliche Rettung erweist sich schnell als tödliche Falle: Weder Handys noch Kompasse funktionieren; mumifizierte Leichen werden angespĂŒlt und nachts kommt es zu unheimlichen Licht- und GerĂ€uchphĂ€nomenen. Schließlich kommt der erste SchiffsbrĂŒchige ums Leben. Schleifspuren fĂŒhren in den Mangrovendschungel, in dem ein namenoses Grauen lauert. (abgewandelter Klappentext)

Rezension:

Nördlich der Karibik liegt ein legendenumwobenes und zu Teilen gefĂŒrchtetes atlantisches Seengebiet, in dem bereits mehrere Schiffe und Flugzeuge spurlos verschwunden sein sollen. Von der kleinen Jolle bis zum großen Frachtschiff sollen unzĂ€hlige Objekte Opfer der Fluten geworden sein und so ist es kein Wunder, dass auch in der Literatur das Bermuda-Dreieck Grundlage fĂŒr unzĂ€hlige Geschichten bietet.

Zuletzt fĂŒr den hier vorliegenden Horrorthriller des deutschen Autoren Thomas Finn.

Eine verlegerische Entscheidung sicherlich, ist die Ausformulierung von Klappentexten, doch verrĂ€t dieser beinahe zu viel, wenn auch nicht so, als dass es gespoilert wĂ€re, doch beginnt mit der AusfĂŒhrlichkeit eine Grauzone, die mit Vorsicht zu genießen ist.

Ein zwei SĂ€tze weniger hĂ€tten es auch getan. FĂŒr diese Rezension habe ich mich daher entschlossen, den Klappentext etwas abzuwandeln. Ansonsten ist dies nĂ€mlich ein solider Horrorthriller, der alle AlptrĂ€ume wahr werden lĂ€sst.

Das Motiv der idyllisch wirkenden Tropeninsel, auf der sich nach und nach die Hölle auf Erden entwickelt, sei es durch dem Schauplatz selbst oder durch die Protagonisten, ist nicht neu. TatsĂ€chlich werden hier Elemente aus “Robinson Crusoe” ebenso aufgegriffen, als auch aus “Der Herr der Fliegen”, das gilt zum einen fĂŒr den Schauplatz als auch fĂŒr den fĂŒr die Handlung zufĂ€llig zusammengewĂŒrfelten Personenkreis.

Der Autor bringt von den ersten Seiten an, Tempo in die Handlung, deren Spannungsbogen sich rasant entwickelt. Dem Lesenden wird so schnell wie den Protagonisten, die sich deutlich in Sympathie- und AntipathietrÀger unterscheiden, klar, welches Grauen auf dem Eiland vorherrschen muss.

Ein jeder geht damit anders um, zum Überleben oder Nachteil der Gruppe gereichend.

Solche Geschichten lesen sich sehr flĂŒssig, doch gilt es kleinere Logikfehler und so manches Mal harte SprĂŒnge zu ignorieren, zwecks Lesegenuss. Der kommt auf, wirkt zum Teilen jedoch wie ein Horrorzweiteiler in den Öffentlich Rechtlichen, zumindest, was diese als solche bezeichnen.

Eine solide Speise ist das, die man essen kann, von der man satt wird, BegeisterungsstĂŒrme jedoch nicht auslöst. Einige Überraschungen gegen Ende runden die Geschichte jedoch in soweit ab, dass die Geschichte kein Fehlschlag ist.

Hervorzuheben ist das ErzĂ€hltempo und der Spannungsbogen, sowie das formulierte Ende. FĂŒr meinen Geschmack hĂ€tten der Geschichte jedoch ein paar mehr Seiten gut getan, sowie die Konzentration auf ein paar weniger Genre-Spielarten, als man diese hier vorfindet.

An manchen Stellen wirkt der Mix aus Horror, Historientrhiller, Wissenschaftsthriller, Science Fiction einfach ein wenig zu sehr over the top, von der fehlenden SubtilitĂ€t einmal ganz abgesehen. Dass man dies ĂŒber weite Strecken ignorieren kann, liegt allein an der Formulierungsleistung Thomas Finns.

Autor:

Thomas Finn wurde 1967 in Evanston/Chicago geboren und ist ein Schriftsteller und Journalist. Nach der Schule studierte er Volkswirtschaft in Hamburg und arbeitetete parallel als Journalist und Autor fĂŒr diverse Verlage. Zuvor hatte er außerdem eine Lehre als Werbekaufmann absolviert. 1992 erhielt er den “ZauberZeit-Lesepreis”. Seit 2001 arbeitet er als Roman-, Spiele- und Drehbuchautor.

Bis 2011 war er zudem im Redaktionsstab des Rollenspiels “Das schwarze Auge” (DSA) tĂ€tig. Finn lebt und arbeitet in Hamburg.

Thomas Finn: Bermuda Read More »

Alan Gratz: Vor uns das Meer

Vor uns das Meer Book Cover
Vor uns das Meer Alan Gratz Erschienen am: 17.02.2020 Hanser Seiten: 301 ISBN: 978-3-446-26613-1 Übersetzerin: Meritxell Janina Piel

Inhalt:

Wenn das eigene Zuhause zu einem Ort der Angst und Unmenschlichkeit wird, ist es kein Zuhause mehr.

Josef ist 11, als er 1939 mit seiner Familie aus Deutschland vor den Nazis fliehen muss. Isabel lebt im Jahr 1994 in Kuba und leidet Hunger – auch sie begibt sich auf eine gefĂ€hrliche Reise in das verheißungsvolle Amerika. Und der 12-jĂ€hrige Mahmoud verlĂ€sst im Jahr 2015 seine zerstörte Heimatstadt Aleppo, um in Deutschland neu anzufangen.

Alan Gratz verwebt geschickt und ungemein spannend die Geschichten und Schicksale dreier Kinder aus unterschiedlichen Zeiten. Ein zeitloses Buch ĂŒber Vertreibung und Hoffnung, ĂŒber die Sehnsucht nach Heimat und Ankommen. (Klappentext)

Rezension:

Unerwartet taucht zwischen den BĂŒchern in den Regalen manchmal ein Juwel auf, was nachhaltig beeindruckt. Rar und kostbar, wenn die Protagonisten berĂŒhren und der Schreibende es schafft, seine Leser zu fesseln und nachdenklich zu stimmen. Ein solches KunststĂŒck ist Alan Gratz gelungen. Der amerikanische Autor bringt wie kaum jemand anderes drei Geschichten, drei Zeitebenen, drei HandlungsstrĂ€nge zusammen und versucht so, kaum zu ErklĂ€rendes begreifbar zu machen.

Kapitelweise wechselt die Perspektive zwischen den Zeiten. Die drei Hauptprotagonisten erzĂ€hlen aus der Ich-Perspektive vom Grauen, welches sie erleben, ihren SehnsĂŒchten, TrĂ€umen. Wir Leser erleben, wenn Hoffnung in Verzweiflung umschlĂ€gt und Entscheidungen ĂŒber Leben und Tod getroffen werden mĂŒssen, von jenen, die eigentlich noch Kinder sind, aber viel zu schnell erwachsen werden mĂŒssen. 1933 ĂŒbernehmen die Nationalsozialisten in Deutschland die Macht. Die jĂŒdische Bevölkerung wird an den Rand gedrĂ€ngt.

Auch Josefs Familie sucht einen Ausweg und ergattert Tickets fĂŒr das Schiff St. Louis nach Kuba. Jahrzehnte spĂ€ter sucht auch Isabels Familie, die in Kuba hungert und politisch bedrĂ€ngt wird, nach einem Ausweg und schließlich muss 2015 auch Mahmouds Familie den Kriegswirren in Syrien entfliehen. Verbindendes Element sind SehnsĂŒchte und Hoffnungen, eine böse Ahnung von Gefahr, falls die Flucht schiefgehen sollte. Werden die drei Jugendlichen ihr Ziel erreichen?

Spannend und einfĂŒhlsam beschreibt Alan Gratz den Weg der drei, der anhand von gezeichneten Karten im Anhang des Romans nachvollzogen werdne, nicht zuletzt durch eine historische Einordnung des Autoren im Nachwort. Der Lesende wird mitfiebern, mitleiden.

UnertrĂ€glich die Spannung, nur ganz karg blitzen sie auf, die kleinen Momente des GlĂŒcks, das Hervorscheinen einer viel zu schnell beendeten Kindheit, nur damit das Schicksal im nĂ€chsten Moment wieder mit aller HĂ€rte zurĂŒckschlagen kann. Ja, so könnte die Geschichte von drei Kindern tatsĂ€chlich verlaufen sein. Nachvollziehbar ehrlich geht Gratz mit der Zielgruppe um, wenn auch ein paar Momente ganz klar over the top sind und nicht so recht passen mögen.

Das schmĂ€lert die LektĂŒre nicht und so ist dieses Werk auf einer Linie mit z.B. “Damals war es Friedrich”, von Hans Peter Richter zu nennen, wenn auch Gratz gleich mehrere Zeitebenen zu fassen bekommt. Der kontinuierliche Spannungsbogen aller drei Geschichten lĂ€sst bis zum Ende nicht locker, wird unscheinbar miteinander verwoben. Die Auflösung selbst vermag zu ĂŒberraschen, wirkt wie ein Schrei und schĂŒttelt die Leser förmlich.

Wir haben es in der Hand, nicht mehr zu zu lassen, dass sich solche Geschichte wiederholt. Alleine, uns gelingt dies nicht, wie die jĂŒngste der drei Zeitebenen zeigt.

Wie ist das, die Heimat, die gewohnte Umgebung, Spielkameraden, eine Perspektive aufzugeben und dann stĂ€ndig auf der Hut zu sein? Immer die Gefahr vor Augen, beim nĂ€chsten falschen Wort, mit der nĂ€chsten falschen Bewegung umzukommen? Beieindruckend in der LektĂŒre, nachhallend wie kaum anderes.

Eine unbedingte Leseempfehlung.

Autor:

Alan Gratz wurde 1972 in Knoxville, Tennessee, und ist ein amerikanischer Schriftsteller. Er studierte Kreatives Schreiben und veröffentlichte 2006 sein erstes Jugendbuch. Weitere folgten. 2017 gewann er den National Jewish Book Award. Der Autor lebt in Asheville, North Carolina.

Alan Gratz: Vor uns das Meer Read More »

Paula Bach: Ira Schwarz 1 – Goldjunge

Goldjunge Book Cover
Goldjunge Reihe: Ira Schwarz – 1 Rezensionsexemplar/ Krimnalroman ullstein Taschenbuch Seiten: 512 ISBN: 978-3-548-28888-8

Inhalt:

Köln, 1967: ProtestmÀrsche und die Musik der Beatles ziehen durch die Stadt. Da wird die brutal zugerichtete Leiche eines sechszehnjÀhrigen Jungen gefunden. Die Polizei fahndet nach einem TÀter aus dem linken Milieu, doch Kriminalhauptmeisterin Ira Schwarz zweifelt an der Schuld des VerdÀchtigen.

Als ein weiterer Junge tot aufgefunden wird, befĂŒrchtet Ira, einem Serienmörder auf der Spur zu sein. Gemeinsam mit dem Journalisten Ben Weber ermittelt sie auf eigene Faust und bringt damit nicht nur sich selbst in tödliche Gefahr… (Klappentext)

BĂŒcher der Reihe:

Paula Bach: Ira Schwarz 1 – Goldjunge

[Einklappen]

Rezension:

Manchmal hat man als Leser/in das GefĂŒhl, dass bei all dem Mord und Todschlag, den man zwischen den RegalwĂ€nden finden kann, die Recherche der Schreiberlinge zu kurz gekommen ist. Zu oft wird nur Wert auf die Ausgestaltung der Hauptprotagonisten gelegt, HintergrĂŒnde und Setting bleiben dabei auf der Strecke. Nicht so bei Beate Sauer, die unter dem Pseudonym Paula Bach nun diesen zeitgeschichtlichen Kriminalroman zu Papier gebracht hat.

Es sind die Jahre des gesellschaftlichen Umbruchs, in denen wir uns mit der Hauptprotagonistin Ira Schwarz begeben, die zum Einen teil davon ist, zugleich aber auch dessen, was andere Teile der Gesellschaft fĂŒr das Establishment halten.

Die Kriminalhauptmeisterin ist Mitglied der weiblichen Kriminalpolizei, von den mĂ€nnlichen Kollegen spöttisch und kritisch beĂ€ugt, am Beginn ihrer Laufbann und stolpert an der Seite eines alteingesessenen Beamten in ihren ersten Fall hinein, der im Panorama der etwa zeitgleichen Geschehnisse um den Kindermörder JĂŒrgen Bartsch nicht bezeichnender sein könnten.

StĂŒck fĂŒr StĂŒck legt die Protagonistin die Spuren frei und stĂ¶ĂŸt dabei auf so manches Geheimnis, welches ihre Gegenspieler am liebsten Vergessen machen wollen. Und dies nicht nur auf der Seite des eigentlichen TĂ€ters. Hier gelingt der Autorin das KunststĂŒck das Zeitpanorama kunstvoll mit den HandlungsstrĂ€ngen zu verweben, die sie ihren Figuren zugedacht hat und dies ist glaubwĂŒrdig, bis ins kleinste Detail.

Nicht nur die Morde stehen im Vordergrund, sondern auch das Aufbrechen von gesellschaftlichen Strukturen, die sich bis in die 1960er Jahre noch halten konnten, dann jedoch in ihre Bestandteile, wenn auch zuerst langsam, zerfielen.

Dies beides in einem immer schneller werdenden ErzĂ€hltemp zu schaffen, ist die große StĂ€rke von Paula Bach aka Beate Sauer, die damit einen bemerkenswerten Reihenauftakt geschaffen hat, der sich lohnt, weiter zu verfolgen.

Der mitreisende Schreibstil und die wechselnde Sicht, der andere Handlunngsstrang folgt dem ehrgezigen Journalisten Ben Weber, dessen Weg sich mit dem ira Schwarz’ kreuzt, runden dies ab.

Positiv anzumerken ist ebenfalls die im Nachgang von der Autorin vorgenommene historische Einordnung, in der dargestellt wird, welche Gegebenheiten den Tatsachen entsprechen, wo Abwandlungen von der historischen Wahrheit geschahen und warum. Viel zu selten findet man dies bei den im historischen Kontext spielenden Kriminalromanen, so dass hier Autorin und Verlag sich einen großen Gefallen getan haben.

Einzig die sich anbĂ€ndelnde Beziehungsgeschichte der beiden Hauptprotagonisten hĂ€tte jetzt nicht sein mĂŒssen. Das aber, ist Geschmackssache.

Wer gerne zeitgeschichtliche Krimis liest, mit nachvollziehbarer Handlung, die temporeich ausgestaltet ist und eine Stufe weniger brutal ist als das, was zu oberst auf den BĂŒchertischen zu finden ist, kann mit “Goldjubnge” nichts falsch machen.

Autorin:

Paula Bach ist das Pseudonym von Beate Sauer, die 1966 geboren wurde. Sie ist eine deutsche Journalistin und Schriftstellerin. Bekannt wurde sie durch ihre historischen Romane, unter Pseudonym veröffentlichte sie bereits mehrere Kriminalromane.

Nach dem Abitur studierte sie, arbeitete dann als freie Mitarbeiterin fĂŒr diverse Zeitungen und absolvierte eine journalistische Ausbildung. 1999 erschien ihr erster Roman. FĂŒr ihre Werke wurde sie bereist mehrfach ausgezeichnet. Die Autorin wurde u.a. 2006 fĂŒr den Friedrich-Glauser Preis nominiert und erhielt 2015 den Silbernen Homer in der Kategorie Beziehung & Gesellschaft.

Paula Bach: Ira Schwarz 1 – Goldjunge Read More »