Geschichte

Hermann Schulz: Warum wir Günter umbringen wollten

Warum wir Günter umbringen wollten Book Cover
Warum wir Günter umbringen wollten Hermann Schulz Aladin Erschienen am: 23.08.2013 Seiten: 156 ISBN: 978-3-8489-2017-4 Illustrationen: Maria Luisa Witte

Inhalt:

März 1947, in einer Zeit zwischen Krieg ud Frieden. Freddy und seine Freunde stromern an den Nachmittagen durch die Wiesen, rüber zum Moor, Günter immer im Schlepptau. Aber Günter ist irgendwie anders, der tickt nicht richtig, sagen sie. Sie machen sich über ihn lustig, quälen ihn.

Dann bekommen sie Angst, Günter könnte sie bei den Erwachsenen verpfeifen – und fassen einen ungeheuren Plan. (Klappentext)

Rezension:

Irgendwo im ländlichen Osten des kriegszerstörten Deutschlands stromert eine Bande von Jungen durch das Unterholz. Gebeutelt vom vergangenen Krieg, durchleben sie in ihrem Dorf und den Feldern und Wäldern der Umgebung ihre Abenteuer, wenn sie nicht bei der Ernte oder dem Versorgen der noch übrig gebliebenen Tiere mithelfen müssen.

Keiner kümmert sich um sie. Die Tage fließen zäh dahin. Freddy, etwa 10 Jahre alt, ist einer von ihnen. Es wird sein letzter Sommer werden, bevor er wieder zu seinen Eltern in die Stadt zurück muss. Die Zeit vergeht schneller als ihm lieb ist. Doch, bis dahin bahnt sich eine ungeheure Katastrophe an.

Die Jungen haben Günter im Schlepptau, ein Gleichaltriger aus der Nachbarschaft. Durch schlimme Erlebnisse kriegsgeschädigt und zurückgeblieben, ist er in der Rangordnung der Jungen-Bande ganz unten. Sie quälen und demütigen ihn.

Günter sagt den Erwachsenen nichts, die nur die Auswirkungen der Schikanen bemerken. Doch, den Jungen ist klar, Günter muss verschwinden, spurlos, bevor er zu reden beginnt. Alle Jungs, einschließlich Freddy, stehen vor einer schwierigen Entscheidung.

Bis auf den gleich ins Auge springenden Titel hat dieser Roman nicht nur eine spannende Geschichte, sndern auch wunderbare Illustratioen, auf die es sich lohnt, zuerst einzugehen.

Sie lockern ein schwer im Magen liegendes Thema auf, welches wahrscheinlich der Zielgruppe sonst nur schwer vermittelbar gewesen wäre.

Tatsächlich kann man sich durch die Aquarellzeichnungen förmlich in diese Welt der Jungen, deren ganzer Kosmos aus dem Dorfleben und die Natur, um sie herum, besteht, hineindenken und erlebt zugleich eine spannende Geschichte, wie sie sich tatsächlich zugetragen haben könnte.

Hermann Schulz beschreibt die Leiden der Dorfbevölkerung nach dem Krieg, die sowohl mit Versorgungsmabngel, mehr noch mit dem Flüchtlingsstrom zurechtkommen mussten, der nach dem Krieg die Bilder bestimmte, auch Kriegsheimkehrer und Gefangenschaft sind Thematiken, die hier in dem Kinderbuch sanft eingeführt werden. Das macht der Autor praktisch in Nebensätzen.

Im Vordergrund aber steht ein spannender Krimi, für Jungen und auch sonst geschrieben. Die Protagonisten bleiben dabei nicht farblos, sondern werden, für ein Kinderbuch unglaublich gut, detailreich herausgearbeitet.

Insbesondere Freddy und Günter, anfangs die zwei Gegenpole, gewinnen dadurch an Sympathie und nähern sich im Laufe der Geschichte einander an.

Starke, nicht einseitige Kinder- oder besser gesagt frühe Jugendliteratur, mit einer Ernstnahme der Protagonisten ohne erhobenen Zeigefinger, hat man selten. Hier kann man sie finden, und das gerade mit einem so sensiblen Thema als Hintergrund.

Der Autor beschäftigt sich mit den Nachwirkungen des Krieges in allen Facetten, mit Vorurteilen und ihren Konsequenten, die heute, natürlich in anderer Form, auch noch eine Rolle spielen.

Vielleicht die große Stärke der Geschichte, dass sie in ihren Fragen immer noch brandaktuell ist. Wie sehen wir andere Menschen, vor allem, wenn sie nicht der Norm entsrpechen? Wie gehen wir miteinander um?

Welche Entscheidungen wollen wir treffen? Bequeme oder schwierige, die sich jedoch auf lange Sicht als richtig darstellen? Welche Konsequenzen sind wir bereit, für unsere Taten in Kauf zu nehmen? Können wir schlechte Beschlüsse, einmal gefasst, trotzdem aufhalten oder ändern?

Diese Fragen, ohne erhobenen Zeigefinger zu stellen, ist die große Stärke von Hermann Schulz‘ Roman. Eine Geschichte, die sich unbedingt zu lesen lohnt.

Autor:

Hermann Schulz wurde 1938 in Nkalinzi, Tansania geboren und ist ein deutscher Schriftsteller und ehemaliger Verleger. Als Sohn eines deutschen Missionars in Ostafrika, wuchs er in Deutschland auf und machte nach der Schule eine Lehre im Buchhandel.

Zudem arebietete er im Bergbau, übernahm jedoch als Nachfolger des späteren Bundespräsidenten Johannes Rau den Peter Hammer Verlag in Wuppertal, dem er von 1967 bis 2001 angehörte. Ab 1998 erschienen seine ersten Romane, für die er mehrfach ausgezeichnet wurde.

Er ist Mitarbeiter der Zeitschrift AMOS und engagiert sich im Bereich Literatur und Internationaler Verständigung. Er ist Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland.

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Ray Kroc: Die wahre Geschichte von McDonald’s

Die wahre Geschichte von McDonald's Book Cover
Die wahre Geschichte von McDonald’s Ray Kroc Finanzbuchverlag Erschienen am: 13.04.2017 Seiten: 291 ISBN: 978-3-95972-057-1 Übersetzerin: Almuth Braun

Inhalt:

Er ist der Mann hinter dem goldenen „M“ und einer „Vom Tellerwäscher zum Millionär“-Geschichte, die ihresgleichen sucht: Ray Kroc, der Gründer von McDonald’s. Nur wenige Unternehmer können wirklich von sich behaupten, dass sie unsere Art zu leben für immer verändert haben. Ray Kroc ist einer von ihnen. Doch noch viel inetressanter als Ray Kroc, die Businesslegende, ist Ray Kroc, der einfache Mann.

Ganz im Gegensatz zum typischen Start-up-Gründer oder Internetmillionär war er bereits 52 Jahre alt, als er auf die McDonald-Brüder traf und sein erstes Franchise eröffnete. Was folgte, ist legendär, doch kaum einer kennt die Anfänge. In seiner öffiziellen Autobiografie meldet sich der Mann hinter der Legende selbst zu Wort.

Ray Kroc ist ein begnadeter Geschichtenerzähler und unverwüstlicher Enthusiast – er wird Sie mit seiner McDonald’s-Story mitreisen und ispirieren. Sie werden ihn danach nie mehr vergessen. (Klappentext)

Rezension:

Anfangs ist er noch ratlos. Wie soll er das essen, was er in die Hände gedrückt bekommen hat? Er hat doch kein Besteck.

Doch bald ist er fasziniert von der Schnelligkeit, der Ordnung und dem System, welches er im Restaurant der McDonald-Brüder vorgefunden hat und beginnt zum Entsetzen seiner Frau seinen sicheren Job nach und nach aufzugeben und schließlich sein erstes eigenes Restaurant als Franchise zu eröffnen.

Bald stoßen Freunde dazu und der kometenhafte Aufstieg einer beispiellosen Unternehmensgeschichte beginnt.

Es ist die Geschichte des fleischgewordenen amerikanischen Traumes vom Tellerwäscher zum Millionär. Kein anderer verkörpert sie so sehr im Amerika der Nachkriegszeit wie Ray Kroc, der mit standardisierten Fertigungsverfahren das Essverhalten erst der Amerikaner, dann der ganzen Welt, revolutionierte.

Erzählt wird sie von ihm, der mehr als einmal beinahe in den unternehmerischen Ruin gerutscht wäre, und erst in seiner zweiten Lebenshälfte Erfolg hatte. Er erzählt auch von der Faszination des Ergreifens von Chancen, unternehmerischen Glück und der Religiosität von Hamburgern.

Faszinierend ist es in dieses Stück amerikanischer Esskulturgeschichte einzutauchen, mag man aus gesundheitlicher Sicht davon halten, was man will. Es sind die detailreichen Anekdoten, die diese Biografie so faszinierend machen, die Hintergründe der Schnellimbissküchen der Botschaften mit dem gelben „M“.

Natürlich ist es einseitig. Für die McDonald-Brüder, deren Nachfahren den Film „The founder“ als Rehabilitierung ihrer Großväter sehen, die ihrer Meinung nach mehr am Erfolg von Ray Kroc hätten beteiligt werden müssen, hat dieser nur ein Kopfschütteln übrig.

Auch sind die negativen Seiten der Ernährungsphilosophie des Unternehmens noch kein Gesprächsthema, wie in heutiger Zeit. Das Buch natürlich, wurde 1977 veröffentlicht. Die Probleme, denen sich McDonald’s heute stellen muss, waren zu Krocs Zeit noch nicht gegeben.

Wer aber abseits von Hamburger und Filet-o-Fish etwas mehr über eine amerikanische Erfolgsgeschichte lesen möchte, findet sie hier faszinierend erzählt. Große Erfolge werden thematisiert, ebenso warum der Hula-Burger es nie in Serie geschafft hat.

Heute gibt es einige Versuche, den Konzern, der ursprünglich nur Hamburger und Pommes anbot, wieder auf die Erfolgsspur zu bringen. Mit einem heutigen Ray Kroc würde es dem Konzern sicher gelingen.

Kurzweilig erzählt, verteilt sich die Personengeschichte Ray Krocs auch in Buchform in mundgerechte Häppchen, die dennoch detailreich, mit einer Prise Optimismus und unternehmerischer Freude eine sättigende Mahlzeit ergibt. Sättigender als mache Fleischbeilage zwischen zwei Brötchenhälften und Ketchup.

Ray Kroc ist der Steve Jobs der Systemgastronomie, Feindbild und Vorbild zugleich. Kritik ist hier zugelassen, doch wird der Leser hier  vorwiegend ins Gelingen verliebt sein müssen. Kroc jedenfalls, gelang erstaunlich viel.

Autor:

Ray Kroc wurde 1902 in Oak Park, Illinois geboren und arbeitete nach der Schule als Pianospieler in Bars, Restaurants und Kaufhäusern, bevor er als Vertreter einer Firma für Milkshake-Maschinen auf Touren ging, um das Küchenzubehör zu verkaufen. Auch im Verkauf von Pappbechern war er tätig, bevor er auf die McDonald-Brüder traf.

Fasziniert von der Schnelligkeit der Systemgastronomie der Brüder, erwarb er eine Franchise-Lizenz und gründete sein erstes eigenes Restaurant in Des Plaines, Illinios.

1961 kaufte er das Unternehmen der McDonald-Brüder und eröffnete rund um die Welt McDonald’s-Restaurant, erweiterte das Systemgastronomie und Immobilien-Geschäft stetig. er wurde in der Liste des Times-Magazines der „100 einflussreichsten Personen des 20. Jahrhunderts“ aufgenommen und schrieb 1977 seine Autobiografie. Er starb 1984 an Herzversagen.

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Konrad Heiden: Adolf Hitler

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Adolf Hitler Konrad Heiden Europaverlag Erschienen am: 23.11.2016 Hardcover ISBN: 978-3-95890-117-9

Inhalt:

Konrad Heiden hat den Aufstieg Adolf Hitlers von Anfang an begleitet. Aus nächster Nähe beobachtet er die Auftritte des Demagogen, arbeitet das Gewöhnliche und Spießbürgerliche, vor allem aber das Diabolische und Krankhafte an Hitlers Wesen heraus und schildert Geschichte, während sie passiert.

Bavor das ganze Ausmaß des Schreckens bekannt war, das Hitler und die Nationalsozialisten über Europa bringen sollten, warnt er bereits auf eindringliche Weise vor den Absichten dieses Mannes und der bevorstehenden Katastrophe.

Seine schonungslose psychologische Durchleuchtung des „Führers“ liefert den Schlüssel, um Hitlers Ideen und politische Ziele zu durchschauen und um zu verstehen, was für die Welt von Anfang an auf den Spiel stand. (Klappentext)

Rezension:

Künftige Forscher werden vieles sehen, was uns heute noch entzogen ist; manches werden sie aus ihrer Ferne kaum glauben, was die Gegenwart breit erlebt, aber selten lang bewahrt.

Konrad Heiden „Adolf Hitler – Die Biografie“, Europa Verlag.

Als das Grauen noch nicht in seiner Gänze abzusehen war, als das friedliche Europa erste Risse bekam, beobachtete ein Journalist die Ursache dessen, welche ein paar Jahre später zur größten Katastrophe der (unsrigen) jüngeren Geschichte führen sollte, sehr genau.

Messerscharf analysierte Konrad Heiden die Reden Adolf Hitlers, der von der Rolle des „Trommlers“ zu Deutschlands Diktator aufstieg, und seiner Gehilfen.

Beobachtete, wie Röhms SA die Gegner der Nationalsozialisten einschüchterte, wie Ehrenwort um Ehrenwort gegeben und gebrochen wurde und wie sich eine Reihe vorab gescheiterter Existenzen nahm, was ihnen die Demokratie ohne Demokraten so bereitwillig und ahnungslos überließ.

Konrad Heiden schrieb darüber und entstanden ist dabei eine Schrift, die Hitlers Werdegang scharfsinnig analysiert und demaskiert.

Er, der er wegen seiner Tätigkeit selbst ins Exil flüchten muss, sitzt anfangs noch in den Kellern, wo die Nazis ihre ersten Versammlungserfolge feierten, spricht mit Parteimitgliedern und Weggefährten des Österreichers, der bald Deutschland beherrschen wird und ahnt die drohende Katastrophe.

Der Journalist arbeitet akribisch die Ziele Hitlers, die dieser in „Mein Kampf“ formuliert heraus, stellt sie dessen Reden gegenüber und beobachtet sich anbahnende Bündnisse und das Entstehen neuer Konfliktherde. Ein Dampfkochtopf Deutschland, der explodieren wird. Die Frage ist nur, wann?

Mit der Neuauflage der ersten Biografie über Adolf Hitler holt der Europa Verlag ein Stück seiner Geschichte wieder in das Programm und dieses hat es in sich.

Neutral aber neugierig analysierend, beobachtend und abwartend hat es Konrad heiden fertig gebracht, Zeitgeschichte ohne Scheuklappen festzuhalten oder die Leser in eine bestimmte Richtung zu treiben.

Die sollen sich selbst ein Bild machen, Heiden zeigte nur den Weg auf, den Hitler und seine Kumpanen bereit waren, zu gehen. Und damit auch die Ziele und die wahren Absichten einer menschenverachtenden Diktatur, ihre Irrwege. Schonungslos, diese Weitsicht des Einen, erschreckend das Wissen, dass sich dennoch so viele haben blenden lassen (wollen).

Aneinandergereiht, kurze Kapitel, beschäftigt sich Heiden zuerst mit der Kindheit und Jugend Hitlers, seinen Werdegang über Linz, Wien und München, sowie seinen entgültigen Griff zur Macht und der Beseitigung aller Konkurrenz 1934.

Immer wieder beruft er sich auf Quellen, die er um deren Selbstschutz Willen nicht nennen kann. Nicht im Jahr seines Schreibens, 1936. Es ist das erste umfassende Werk, welches neutral berichtet und gerade heute noch gut zu lesen ist, wo der Friedensgarant Europa, der einst als Absicherung gegen Kriege auf den Kontingent in seiner Einheit wieder zerbröselt.

Diese Einheit hat Konrad Heiden, wie er so vieles andere vorausgesehen hat, als Lösung gegen Hitler betrachtet. Europa sollte auf ihn hören. Denn heute gibt es wieder einige der Vorzeichen, vor denen Konrad Heiden seine Generation einst warnen wollte.

Autor:
Konrad Heiden wurde 1901 in München geboren und studierte dort Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Für die Frankfuirter Zeitung arbeitete er anfangs als Hilfsredaktuer und begleitete seit 1921 die Aktionen und Auftritte Adolf Hitlers.

Nach mehreren Wechseln verschiedener Redakteursstellen arbeitete er als freier Journalist und Schriftsteller und flüchtete 1933 ins Exil, in die Schweiz.

1936/1937 erschien seine Biografie über Adolf Hitler im Zürcher Europa Verlag, die später Grundlage für zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten über den Diktator und den Nationalsozialismus wurde. 1940 emigrierte er in die USA und erhielt Ende der 50er Jahre deren Staatsbürgerschaft. 1966 starb Heiden in New York City.

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Karlheinz Weißmann: Prophet der Deutschen – Martin Luther für junge Leser

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Prophet der Deutschen – Martin Luther für junge Leser Rezensionsexemplar/Sachbuch Verlag: Junge Freiheit Hardcover Seiten: 171 ISBN: 978-3-929886-64-1

Inhalt:

Es gibt wenige Menschen, die ihren Weg so entschlossen gegangen sind, wie er. Ein Weg, von dem er überzeugt war, dass Gott ihn gewiesen habe. Luther ging seinen Weg furchtlos, obwohl er niemals gerade verlief.

Er folgte ihm, unbekümmert um das, was die Leute sagten, ohne Rücksicht auf das, was die Mächtigen wünschten. Luther ist bis heute nicht vergessen. Ein großer deutscher. Einer, dessen Denken und Handeln uns vielleicht fremd erscheinen mag, dessen Leistungen für unsere Nation aber gar nicht zu überschätzen sind.

Ein großer Mensch. Einer, dessen Ehrlichkeit und Unerschrockenheit uns beeindrucken muss. Ein Vorbild. Einer, der für die Freiheit des Gewissens kämpfte und bereit war, dafür die Folgen auf sich zu nehmen. (Klappentext)

Rezension:

2017 jährt sich die Reformation zum 500. Mal. Für die Stadt Wittenberg ein Kraftakt und ein großes Werbemoment. Martin Luther, der in der Schlosskirche zu Wittenberg wirkte, gilt heute als einer der größten Deutschen und das zu einer Zeit, in der immer mehr Menschen angeben, keiner Glaubensrichtung anzugehören.

Doch, was ist dran an den Menschen, der dem Volk „auf’s Maul schauen“ wollte, sich für die deutsche Übersetzung der Heiligen Schrift stark machte, erst den katholischen Glauben reformieren wollte und sich schließlich gegen den Papst und die bestehende Ordnung wante?

Mit all ihren Folgen, wie die Spaltung des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, der Abspaltung der Eidgenossenschaften, aus denen später die Schweiz hervorgehen sollte, die Schwächung des Kaisers und nicht zuletzt den Dreißigjährigen Krieg, dessen Beginn Luther nicht mehr erlebte.

Karlheinz Weißmann dröselt auf, stellt das Leben Luthers zu seiner Zeit dar und bringt mit seinem Sachbuch eine gute und verständliche Erklärung heraus, gerichtet an explizit junge Leser.

Allzu wissenschaftlich wird es nicht, dafür einprägsam, erhält man Einblick in einen spannenden Teil der deutschen Geschichte und in das Wirken eines Mannes, der heute durchaus differenziert betrachtet werden kann.

Und Weißmann hat sich dieser Aufgabe gestellt. Beleuchtet Hintergründe von Luther selbst, seiner Freunde, seiner Gegner und tut dies mit einer Ruhe, dass man zwar einen Einblick bekommt, jedoch Kritik an der historischen Person zwar angeschnitten wird, jedoch zu kurz kommt.

Das ist schade, da gerade die Zielgruppe durchaus schon fähig ist, mit zwei Seiten einer Medaille fertig zu werden.

Dennoch, wichtige Stationen des Reformators, dessen Ziel zurst nicht einmal die Infragestellung des Papsttums gewesen ist, werden beleuchtet. Gerade so ausführlich, wie es eben geht, ohne den Sinn aus den Augen zu verlieren, jedoch nicht zu ausführlich.

Wir begleiten Luther durch seine Kindheit und Jugend, seinen Entschluss ins Kloster einzutreten und in seiner Beschäftigung mit der Heiligen Schrift. Schließlich Verbannung und Verstecken als Junker Jörg in Wittenberg und das Nachleben eines streitbaren Menschens.

Das ist alles logisch gegliedert und gut erzählt, nebenbei gesagt auch wunderschön illustriert, dennoch ist es an manchen Stellen einfach zu unkritisch. Luthers Judenfeindlichkeit etwa, wird nur kurz angeschnitten und etwas wirr gerechtfertigt.

Etwas, was man kaum durchgehen lassen kann und nur mit dem Zudrücken aller verfügbarer Hühneraugen gangbar ist. Denn, auch junge Leser sollten ruhig schon mit allen Eigenschaften einer Person ausführlich konfrontiert werden, wenn man schon Personengeschichte macht.

So bleibt ein Sachbuch für Kinder, welches gute Ansätze verfolgt (Die politische Ausrichtung des Autoren siehe VWikipedia mal außenvor gelassen, wenn sie denn so stimmt.), an manchen Stellen jedoch für das Zielpublikum zu hoch greift, an anderen Stellen hätte tiefschürfender sein können.

Der Autor möchte viel, kann auch begeistern und interessieren, und für einen Themeneinstieg ist diese Ausgabe sicher geeignet, indes vollständig zu überzeugen vermag sie nicht.

Autor:

Karlheinz Weißmann wurde 1959 in Northeim geboren und ist Buchautor und Gymnasiallehrer. er studierte Evangelische Theologie, Pädagogik und Geschichte an der Georg-August-Universität in Göttingen, sowie in Braunschweig, legte beide Staatsexima ab und promovierte an der TU Braunschweig.

Er wurde Mitglied der Hochschulgilden der Deutschen Gildenschaft und arbeitet seit 1984 als Gymnasiallehrer für evangelische Religion und Geschichte. Er ist Mitglied im Philologenverband Niedersachsen.

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Matteo Corradini: Im Ghetto gibt es keine Schmetterlinge

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Im Ghetto gibt es keine Schmetterlinge Matteo Corradini cbj Verlag Erschienen am: 10.04.2017 Seiten: 288 ISBN: 978-3-570-40355-6 Übersetzerin: Ingrid Ickler

Inhalt:

Theresienstadt 1942: Die Nazis haben ein Lager für Juden errichtet, das zeitweise als Vorzeigelager dient. Doch es ist nur eine Station auf dem Weg in die Vernichtungslager. Inmitten dieser Hoffnungslosigkeit gründen Kinder eine Zeitschrift, um gegen das Grauen anzuschreiben.

Sie treffen sich heimlich und verfassen Berichte über das Lager. Aber sie zeichnen auch Bilder, führen Interviews oder schreiben Gedichte. Matteo Corradini bringt dem Leser auf berührende Weise das Schicksal dieser Kinder nahe. (Klappentext)

Rezension:

Nur mit Bleistift und Papier, ein wenig Tinte, ihren Worten, Zeichnungen und dem Talent zur Beobachtungsgabe haben sich die Kinder von Theresienstadt zur Wehr gesetzt. Gegen die Tyrannei und dem Vernichtungswillen der Nazis, denen sie am Ende nicht entkommen konnten, doch für ein paar Augenblicke schien die Geschichte still zu stehen.

Das Schicksal abwendbar. Die Mädchen taten dies vornehmlich mit der Inszenierung des Theaterstückes „Brundibar“, die Jungen aus dem Haus 1 Terezins schrieben gegen ihre Angst an. Sie gründeten die Zeitschrift Vedem und sammelten dort ihre Eindrücke von den Geschehnissen um sie herum.

Corradini hat sie aufgeschrieben. In Romanform Hanus Hachenburg, Petr Ginz, Jiri Volk, Zdenek Ornest, Josef Taussig (hier Josif) und anderen ein literarisches Denkmal gesetzt. Es ist ein eindrückliches Stück Literatur, zumal, wenn man sich mit Terezin und seinen Kindern beschäftigt. Der Leser weiß, dass nur wenige Kinder dem Tod der Gaskammern der Vernichtungslager entkamen.

Die mutigen Jungen, die gegen jedwedes Verbot anschrieben und kreativ Zeugnis von den Ungeheuerlichkeiten ablegten, die sie umgaben, wussten es nicht. Ahnten es nur. Und zwischendrin das kleine Glück.

Eine Kartoffelschale extra, ein geklauter Apfel, die erste Liebe, die in den Mauern der ehemaligen Garnisonsstadt keine Chance hat. Corradini beschreibt aus der Sicht eines der Jungen (Pavel Friedmann) das Treiben der Jungen. Gefühlvoll, doch der Spirale des Todes, die sich immer schneller dreht, entkommen sie nicht.

Petr Ginz ist der Mittelpunkt der Geschehnisse. Das tschechoslowakische Gegenstück zu Anne Frank. Er führte Tagebuch, welches seine Schwester Jahrzehnte nach seinem Tode in Auschwitz veröffentlichte, von den anderen Jungen blieben ebenso nur ihre Gedichte, Berichte und Zeichnungen, die sie in „Vedem“ veröffentlichten.

Immer mit der Angst, von den Nazis entdeckt und dafür bestraft zu werden. Matteo Corradini tut ihnen den Gefallen und schreibt ihre Geschichte auf, so wie sie sich alltagsmäßig abgespielt haben könnte.

Es ist kein historisches Sachbuch aber an der Wahrheit, so viel wie wir aus Berichten von Überlebenden dieser Gruppe von Jungen wissen, nah dran. So nah, dass man sie, allesamt zehn bis fünfzehn Jahre alt, festhalten und retten möchte, mit dem Wissen, dass das nicht mehr geht.

Die Welt hat durch die Ermordung dieser Kinder großartige Talente verloren. Wer einmal sich die Sammlungen in Terezin anschaut, weiß, welch kreatives Schaffen selbst die Kleinsten der Nachwelt hinterlassen haben. Ohne es zu wollen, natürlich.

Für die meisten war es ein Ventil gegen die Angst, die Stimmen kindlicher Unschuld, die kein anderes Verbrechen begangen haben als jüdischen Glaubens zu sein und in dieser Zeit aufzuwachsen. Gegen Ende nimmt Corradinis ruhiger Schreibstil an Fahrt auf.

Die Geschehnisse überschlagen sich und die Jungen beginnen zu begreifen. Im original Tagebuch von Petr Ginz wird dessen Schrift immer zittriger, am Ende geht er wie viele andere in die Gaskammer Auschwitzes. Dem Autor ist es gelungen, sein Schicksal und das seiner Freunde würdig in Erinnerung zu halten und zu bewahren. Es bleibt daher zu hoffen, dass dieser Roman viele Leser finden wird.

Autor:

Matteo Corradini wurde 1975 in Italien geboren und ist ein Schriftsteller und Hebraist. Er beschäftigt sich mit der Didaktik der Shoah und arbeitet an verschiedenen Kunstprojekten. Zudem ist er Autor von Kinder- und Jugendbüchern.

Er ist Kurator für das Literatur-Festival Scrittorincitta in Cuneo/Italien und hält Kurse an verschiendenen Privatuniversitäten. Zudem organisiert er als Theaterdirektor verschiedene Musical-Inszenierungen. Er beschäftigt sich mit der Geschichte Terezins (Theresienstadt) und von Auschwitz.

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Erika Fatland: Sowjetistan

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Sowjetistan Erika Fatland Suhrkamp Erschienen am: 06.03.2017 Seiten: 511 ISBN: 978-3-518-46752-6 Übersetzer: Ulrich Sonneberg

Inhalt:

Erika Fatland über Sowjetistan – Eine Reise durch Turkmenistan, Kasachstan, Tadschikistan, Kirgisistan und Usbekistan.

Mit ihrer fulminanten Reisereportage über die fünf ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens öffnet Erika Fatland uns die Tür zu einem fernab gelegenen Teil der Welt voller beeindruckender geschichten, skurriler Begebenheiten und überraschender Einblicke.

Sie erzählt von Samarkand und Dschingis Khan, von Brautraub und der Kunst der Adlerjagd, von korrupten Despoten, marmornen Städten und riesigen Goldstatuen, die sich mit der Sonne drehen. (Klappentext).

Rezension:

Es sind Länder zwischen den Stühlen. Genau so wie das Heimatland der Autorin, eher noch weniger, wird auch über die Länder Zentralasiens kaum berichtet. Abgeschottet zwischen Russland, Pakistan, Afghanistan und China liegend, die jede Aufmerksamkeit auf sich ziehen, bilden die fünf ehemaligen Sowjetrepubliken einen weißen Fleck auf vielen Landkarten.

Früher abgeschottet, viele Städte aufgrund geheimer Militärprogramme der Sowjets auf den Karten nicht verzeichnet, regieren heute quasi Diktatoren die Länder, deren Landstrich auch heute allenfalls für das Verschwinden des Aralsees bekannt ist.

Der größten menschengemachten Naturkatastrophe in dieser Region, abgesehen von den Atomtests im Kalten Krieg.

Erika Fatland hat sich aufgemacht und versucht hinter die Fassade despotischer Diktaturen zu blicken und die Menschen kennenzulernen, deren Geschichte vom blühenden Handel auf der Seidenstraße erzählen kann aber auch von mongolischen Heerführern a la Dschingis Khan.

Wie lebt es sich heute in einer Region, die immer noch mit dem Erbe ihrer jüngeren Geschichte zu kämpfen hat, deren Berwohner am Rande des wirtschaftlichen Existenzminimums ums Überleben kämpfen, unterdrückt von Machthabern, deren Karrieren noch in den letzten Tagen der Sowjetunion begann?

Gibt es sie noch, die sagenumwobene Gastfreundschaft der Steppen- und Bergvölker, die längst großteils sesshaft geworden sind?

Wie sieht sie aus, die Gegenwart zwischen Orient und Okzident und welche Zukunft hält das Leben für das bunte Völkergemisch bereit, die sich heute an ihren Grenzen das Leben schwer machen, früher mit der eisernen Hand Moskaus unter Kontrolle gehalten worden?

Erika Fatland lässt sich darauf ein und nimmt ihre Leser mit auf eine reise ins Unbekannte. Sie blickt hinter schroffen und falschen Fassaden, stellt fest, dass nicht alles Gold ist, was glänzt, auch wenn die Diktatoren als ebenso vergoldete Statuen auf sie herabblicken und der Wettkampf um den höchsten Fahnenmast mit Eifer betrieben wird und der einzige Gewinner dabei eine westliche Herstellerfirma ist.

Zwischen staatlichen Aufpassern und Wettkämpfen, resignierenden Archäolgen und vom Pferd fallenden Despoten versucht sie das Geheimnis von Samarkand und Taschkent zu ergründen, den Schein Astanas aufzudecken, reist zwischen Aschgabat und Duschanbe.

Der Blick der Autorin gilt dabei immer den Menschen der Region. Ungeschönt berichtet sie über das harte Leben der Menschen, deren Zukunft ungewiss ist und abhängig von den großen Nachbarstaaten, die sie umgeben. In ihren Heimatländern ist diese jedenfalls nicht zu finden.

Die Jungen wandern aus, richten ihren Blick nach Moskau oder in den Westen Europas, die Alten arrangieren sich mit den Verhältnissen und träumen von vergangenen Zeiten als man noch zu einer Großmacht gehörte.

Erika Fatland versucht die Hintergründe unverstellt darzulegen, die dazu führen, dass es immer noch Brautraub gibt und die Länder isoliert vom Weltgeschehen beinahe vor sich hin vegetieren. Herausgekommen dabei ist ein Blick auf das Besondere, auf den Alltag einer Region, die es noch zu entdecken gilt.

Einfühlsam ohne Verklärung berichtet Erika Fatland von einer Region, in der die Zukunft alles andere als sicher ist und doch, je nach Staat unterschiedlich verlaufen kann.

Dort kann alles passieren, ist sie sich sicher und beschreibt episodenhaft die Geschichte dieser Landstriche, durchsetzt von gesellschaftlichen Exkursen und immer wieder auch der Beschreibung von kuriosen Ereignissen, vor allem aber von Menschen.

Unverstellt wünscht man sich mehr solcher unaufgeregter und neugieriger Reisereportagen, wie die von Fatland, der dies mit „Sowjetistan“ mehr als gelungen ist. Diese Momentaufnahme, aufgelockert durch mehrere Karten und Fotoaufnahmen, hilft uns zu verstehen.

Doch, wer wirklich begreifen möchte, muss sich mit Sack und Pack selbst aufmachen, die Region zu erkunden. Wer keine Gelegenheit dazu hat, hat mit „Sowjetistan“ einen wunderbaren Einblick in das Leben in einer faszinierenden Landstrich gewonnen.

Autorin:

Erika fatland wurde 1983 in Hausgesund/Norwegen geboren und ist eine norwegische Schriftstellerin und Ethnologin. Nach der Schule studierte sie in Kopenhagen und Oslo Anthropologie und schrieb ihre Abschlussarbeit über die Nachwirkungen des Geiseldranas von Beslan in Nordossetien.

Danach arbeitete sie 2008-2009 am Norwegischen Institut für Internationale Angelegenheiten. 2009 schrieb sie ein Kinderbuch und kehrte im Jahr darauf nach Beslan zurück um ihre Arbeit über Beslan fortzusetzen. Ihr Buch darüber erschien in Norwegen 2011.

Im Herbst 2012 veröffentlichte sie ein Buch über die Terroranschläge in Norwegen und machte sich zwei Jahre später auf, die fünf ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens zu besuchen. Für die Reisereportage wurde Erika Fatland mehrfach ausgezeichnet. Sie lebt in Oslo.

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Bruno Preisendörfer: Deutschland 1 – Als Deutschland noch nicht Deutschland war

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Als Deutschland noch nicht Deutschland war Reihe: Deutschland – 1 Sachbuch Galiani Berlin Hardcover Seiten: 518 ISBN: 978-3-86971-110-2

Inhalt:

Eine Zeitreise in das deutsche 18. Jahrhundert als es ein Deutschland noch gar nicht gab. Vielmehr gab es viele verschiedene Regionen, Staaten und Städte, ein loses Gebilde voller Grenzen.

Es ist die Zeit, in der große Männer Kulturgut schufen, in der die großen Philosophen Kant und Schopenhauer wirkten und der Merkantilismus als Wirtschaftsform dominierte. Es ist die Zeit des Wandels und des Aufbruchs, gleichwohl immer noch ein harter Alltag im Leben der Menschen. Doch, wie lebten sie, die einfachen Leute und die Adligen zu dieser Zeit? Welche Kleidung trugen sie, was gab es zu essen, welche Moral- und gesellschaftlichen Vorstellungen prägten sie?

Bruno Preisendörfer nimmt den Leser auf eine spannende Zeitreise durch eine prägende Epoche. (eigener Text)

Bücher der Reihe:

Bruno Preisendörfer: Deutschland 1 – Als Deutschland noch nicht Deutschland war

Bruno Preisendörfer: Deutschland 2 – Als unser Deutsch erfunden wurde

Bruno Preisendörfer: Deutschland 3 – Als die Musik in Deutschland spielte

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Rezension:

Wie lange quälen Deutsch-Lehrer ihre Schüler eigentlich im Schnitt mit den allgemein als Klassikern akzeptierten Werken von Goethe, Schiller und anderen?

Wie viele Schüler verzweifeln an der Philosophie Kants und Schopenhauers und wie vielen wird die Lust am Lesen genommen, dadurch, dass in jedes Komma und jeden Punkt mehr hinein interpretiert wird als tatsächlich drinsteckt? Zu vielen.

Spannender ist es dann doch, in die Zeit einzutauchen, zu erleben, unter welchen Umständen Goethe und seine Zeitgenossen lebten, we´lche probleme die Ärmsten unter den Armen zu bewältigen hatten und für welche fortschrittlichen ideen damals in Gesellschaft, Wissenschaft und Kultur Grundsteine gelegt wurden.

Bruno Preisendörfer nimmt uns mit auf diese Zeitreise und lässt uns den Alltag im Noch-nicht-wirklich-Deutschland nachempfinden und erzählt, pointen und zitatereich vom Leben der Menschen im 18. jahrhundert.

Er beschreibt gesellschaftliche Konflikte durch Standesunterschiede, macht Geschichte fassbar, begleitet den Delinquenten zum Galgen und den Knecht oder Handwerker durch Arbeit, Eheleben bishin zum Tod. Und für manchen läuft es auf’s Gleiche hinaus, wenn die Frau und Kinder an Pocken oder anderen Krankheiten sterben.

Doch, es ist auch die Zeit des Fortschritts. Der Blitzableiter wird erfunden, Nachttöpfe dürfen nicht mehr allenthalben auf den Straßen entleert werden und Berlin bekommt die erste Straßenbeleuchtung. Impfungen werden entwickelt, Krankenhäuser entstehen. Auch das ist die Goethe-Zeit, die sich nicht nur auf Weimar beschränkt.

Der Autor beschreibt dies alles sehr detailliert, gestützt auf eine Unmenge von Quellen, die er ausgiebig nutzt und damit mehr erreicht als jeder Deutsch-Lehrer, der nur interpretieren möchte.

Er macht greifbar, was heute längst vergessen aber die nachfolgenden Jahrhunderte entscheidend mitgeprägt hat. Preisendörfer zitiert ausführlich aus Zeitungen, Tagebüchern und Korrespondenzen jener Zeit, durchstöberte Archive und statistischen Überlieferungen.

Herausgekommen dabei ist ein durchaus flüssig zu lesendes Sachbuch welches gleichzusetzen ist mit historischen Standardwerken, die Politik aber außenvor lässt und dafür die Bauern, das Klein- und Großbürgertum und das Leben des Adels beschreibt.

Lesenswert allemal, logisch gegliedert, stockt der Lesefluss dann doch an manchen Stellen. Zitate können schwierig zu greifen sein, wenn sie ausführlich sind. Man erfährt vieles, was man vielleicht noch nicht wusste, entdeckt bekanntes und kurioses.

Der Leser lebt mit Goethes Zeitgenossen mit, ist glücklich, arbeitend, kämpferisch, mal arm, mal reich, mal lebensfroh, dann wieder leidend. Nicht auf die Lektüre natürlich bezogen, keiner muss dann einem „Werther“ folgen (siehe Goethe) aber kann danach durchaus in Gedanken an Kant und Schopenhauer philosophieren. Das hat doch was.

Autor:

Bruno Preisendörfer wurde 1957 in Kleinmostheim/Unterfranken geboren und ist ein deutscher Sachbuch- und Belletristik-Autor. Nach dem Abitur studierte er Germanistik, Politikwissenschaften und Soziologie und zog 1982 nach Berlin.

Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit arbeitete er als Redaktionsleiter einer Magazin-Zeitung und war von 1995-1999 Redakteur bei der Zeitschrift „Freibeuter“. Er erhielt 1998 den Würth-Literaturpreis und 2016 für sein Buch über die Lutherzeit den NDR-Kultur Sachbuch-Preis.

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Simon Sebag Montefoire: Die Romanows – Glanz und Untergang der Zaren-Dynastie 1613-1918

Die Romanows - Glanz und Untergang der Zaren-Dynastie 1613-1918 Book Cover
Die Romanows – Glanz und Untergang der Zaren-Dynastie 1613-1918 Simon Sebag Montefoire Verlag: S. Fischer Erschienen am: 27.10.2016 Seiten: 1038 ISBN: 978-3-10-050610-8 Übersetzer: (u.a.) Gabriele Gockel

Inhalt:

Wie kein anderes Adelsgeschlecht sind die Romanows der Inbegriff von schillerndem Prunk, Macht, Dekadenz und Grausamkeit. Über 300 Jahre dominierten sie das russische Reich, mehr als 20 Zaren und Zarinnen gingen aus dem Geschlecht hervor, allesamt getrieben von unbändigem Machthunger und rücksichtslosem Willen zu herrschen – einige dem Wahnsinn näher als dem Genie.

Simon Sebag Montefiore erzählt die Saga dieser unglaublichen Familie, in der Rivalität, Giftmorde und sexuelle Exzesse regelrecht auf der Tagesordnung standen.

Basierend auf neuester Forschung und unbekanntem Archivmaterial zeichnet er die Schicksale und politischen Verwicklungen nach. Weder zuvor noch danach gab es ein so gewaltiges Reich, in dem sich Glanz und Grausamkeit auf so unheilvolle Weise verbündeten. (Verlagstext)

Rezension:

Die Öffentlichkeit kennt die Geschichte der Familie des letzten Zaren ebenso gut wie die von Katharina II. (Die Große), Peter dem Großen oder Iwan dem Schrecklichen.

Doch, was ist mit den anderen, fast zwanzig Zaren, die aus dem einst allmächtigen Herrschergeschlecht hervorgingen? Was, mit Michael I., der als Kind den Thron bestieg und damit den Auftakt bildete für eine Dynastie, die Europa, Asien und zeitweise Alaska in Amerika kontrollieren sollte? Weshalb war die Familie so erfolgreich, wie keine andere zuvor?

Weshalb brauchte es zu deren Sturz nur einen „Wanderprediger“ und eine neurotische Zarin? Diesen und vielen anderen spannenden Fragen geht Simon Sebag Montefiore mit erstaunlicher Akrebie nach, befragt Verwandte, die von Zeitzeugen abstammen, stöbert in Archiven und holt bisher ungeöffnete Briefe und Korrespodenzen ans Tageslicht. Herausgekommen dabei ist ein historisches Standardwerk, was eine einzigartige Familiengeschichte beleuchtet.

Die Geschichte der Romanows beginnt und endet quasi mit zwei Jungen. Der Eine wollte keinesfalls Zar werden, legte jedoch den Grundstein für eine sehr erfolgreiche Herrschaft, der andere wurde brutal ermordert, womit sich für alle Zukunft die Aussicht auf eine Fortführung der Romanowschen Geschichte zerschlugen, die einige wenige während des Zerfalls der Sowjetunion zur Sprache brachten.

Dabei zeigt sich die Geschichte als eine Art Kreislauf, deren wichtigstes Element, die Autokratie, im größten Land der Welt auch heute noch in abgewandelter Form eine bedeutende Rolle spielt.

Warum dies so ist, erklärt Sebag Montefiore anhand der Portraitierung der Epochen und zeigt, wie die Zaren Privates und Politisches miteinander verbunden. Keinesfalls schwerfällig aber fakten- und erkenntnisreich untermauert der Autor seine schonungslose Analyse, die auch das romantisierte Bild Katharina der Großen oder Nikolaus II. ins Wanken bringt und die Wirklichkeit voranstellt.

Eine Stammbaum-Übersicht, Landkarte, zahlreiche Fotos und am Anfang eines jeden Kapitels geschrieben Auflistung der Personen des jeweiligen Zeitabschnitts machen es leicht, den Anschluss zu behalten, auch wenn man als Leser förmlich in den Strudel dieser faszierenden Geschichte, die packender ist als jeder historische Roman, hineingesogen wird.

Der Verlag bewirbt die umfangreiche Ausarbeitung mit dem Satz: „Dagegen ist ‚Games of Thrones‘ das reinste Kaffeekränzchen.“, und zitiert damit Anthony Beevor, einem anderen großen Historiker.

Wer dieser Rezension nicht glauben mag, sollte zumindest ihm folgen und sich auf eine Geschichte der Familie einlassen, die mehrere Kontinente und unzählige Völker beeinflusst hat, Menschen schon zu Lebzeiten fasziniert und verhasst zugleich war.

Es bleibt die Frage ob Russlands heutige „Zaren“ von den Romanows gelernt haben? Für alle anderen lohnt sich eine genaue Betrachtung derer.

Autor:

Simon Jonathan Sebag Montefiore wurde am 27. Juni 1965 in London geboren und ist ein britischer Historiker, Moderator und Gewinner mehrmaliger Auszeichnungen für die Veröffentlichung geschichtlicher Sachbücher und Romane.

Er stammt aus einer jüdischen Familie, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus dem Russischen Zarenreich vor antijüdischen Progromen floh. Er studierte Geschichte am Gonville & Caius College in Cambridge und machte dort seinen Doktor in Philosophie.

Zugleich gewann er am College eine Ausstellung. Bevor er als Schriftsteller wirkte, arbeitete er als Bankangestellter, Jounalist und Korrespondent und tat sich durch seine Berichterstattung während des Zerfalls der Sowjetunion hervor.

2004 gewann er mit seiner Biografie „Stalin: Der rote Zar“ die British Book Awards. neben zahlreichen Sachbüchern veröffentlichte er einige Romane. Er ist Mitglied der Royal Academy of Literature und lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in London.

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Francois Durpaire: Die Präsidentin

Die Präsidentin Book Cover
Die Präsidentin Francois Durpaire (Autor) Graphic Novel Verlag: Jacoby Stuart Hardcover Seiten: 160 ISBN: 978-3-946593-12-6

Handlung:

Niemand soll sagen können, er habe davon nichts gewusst.

In seiner Graphic Novel schildert François Durpaire die ersten 200 Tage von Marine Le Pen im Elysée-Palast, nachdem sie am 7. Mai 2017 in der Stichwahl gewonnen hat. Sie geht sofort ans Werk: 1. Rückkehr zum Franc; 2. NATO-Ausstieg; 3. Schließung der Grenzen; 4. sofortige Ausweisung aller »illegalen« Ausländer; 5. Arbeitsplätze nur noch für Franzosen; 6. Finanzielle Austrocknung der öffentlich-rechtlichen Sender.

Die Folgen sechs Monate nach Le Pens Amtsantritt: Ausländische Investoren meiden das Land, die Kaufkraft ist eingebrochen, die Arbeitslosigkeit in die Höhe geschnellt, und alle Bürger werden vom Geheimdienst bespitzelt … François Durpaire betont: »Ich als Historiker weiß, dass autoritäre Parteien eher dazu neigen, ihre Radikalität im Wahlkampf zu verbergen.

Um ihr dann, einmal im Amt, freien Lauf zu lassen.« Im Europa von heute bliebe eine derartige Entwicklung eines Landes nicht ohne Folgen für die anderen Nationen. Und als wäre das nicht genug, ist dieses Schreckensszenario nicht nur in Frankreich denkbar – ein hochaktuelles Buch für ganz Europa. (Verlagstext)

Das deutsche Vorwort stammt von Ulrich Wickert.

Zeichnungen:

Bis auf das farbige Cover sind alle Zeichnungen in Schwarz-Weiß-Ton gehalten. Dabei wechselt das Format der einzelnen Zeichnungen und die Menge der abgebildeten Szenen je nach Brisanz, Schärfe und gezeigter Situation. Die Schrift ist teils sehr klein gehalten. Viel Text ergänzt die Schärfe der Thematik,

Einordnung:

Dies ist der erste Teil einer Reihe. Der zweite wurde bisher noch nicht ins Deutsche übersetzt.

Rezension:

Der Front National galt lange Zeit als abschreckendes Beispiel, doch rechte und populistische Parteien sind überall in Europa auf den Vormarsch. Während Michel Houllebecq mit seinem Roman „Unterwerfung“ das Szenario der Machtübernahme eines muslimischen Präsidenten vorweg nimmt, zeigen Francois Durpaire und Farid Boudjellal die für Frankreich realere Gefahr.

Die Wahl Marine Le Pens zur Präsidentin der Republik. Komplett düster gehalten, in Schwarz-Weiss-Grau, beobachtet der Leser eine Familie von Immigranten, die fassungslos die Verkündung der Ergebnisse der Wahlen vor dem Fernseher verfolgt und darauf beschließt, politisch aktiv zu werden.

Nicht, wie einst die Großmutter in der Bewegung der Resistence mit dem Gewehr, sondern mit der Macht des Wortes. Sie schreiben einen Blog, wissend um die drohende Gefahr, denn Marine Le Pen lässt ihrem Wahlkampf Taten folgen. Taten, die nicht nur für Frankreich, sondern auch für Tariq, Stephane und ihre Freunde Folgen haben werden.

Das Parteiprogramm des Front National analysierend, haben der Historiker und der Zeichner ein faszinierend erschreckendes Portrait dessen geschaffen, was mit Frankreich passiert, wenn es Le Pen und ihrer Partei gelingt, bei den nächsten Präsidentschaftswahlen den Sieg zu erringen.

Der Austritt aus EU; Euro und NATO sind da noch die geringsten Punkte, viel schlimmer werden die Auswirkungen für die Wirtschaft und die Freiheit der Franzosen sein. Der Dreiklang Freiheit-Gleichheit-Brüderlichkeit wird umgekehrt in ein totalitäres System, dessen Grausamkeiten sich wie ein Damokles-Schwert über die Republik erheben und bald nicht nur Immigranten in den Abgrund reißen.

So realitätsnah, wie möglich, beschrieben, zeigt dieses Comic noch viel besser, was nicht nur mit Frankreich, sondern auch in jedem anderen Land Europas passiert, wenn nicht nur Euro-Skeptiker sondern gleich die Rechten die Macht erlangen.

So könnte Marine Le Pen durchaus ersetzt werden, durch eine nicht näher genannte AfD-Politikerin und Frankreich durch Deutschland. Der Effekt wäre gleich. Eine Graphic Novel als letztes Mahnmal, zumindest seine Leser, nachdenklich zu stimmen und über die nächsten anstehenden politischen Wahlen nachzudenken.

Denn, wenn sich dieses Szenario bewahrheitet, könnten es die letzten sein, die einigermaßen geordnet und demokratisch im Mutterland der modernen Demokratie ablaufen werden. Doch, FN-Wähler werden die beiden wohl nicht erreichen, hoffentlich jedoch ein paar Nichtwähler, deren Nichtstimmen sonst den Rechten in die Hände spielen würden.

Denn am Ende gilt es, nicht nur mit Federstrich und Texten einen Wahlsieg der Populisten zu verhindern, sondern ihre Vorstellungen zu verhindern Wirklichkeit werden zu lassen. Am Ende der Geschichte, auf deren Fortsetzung wir in Deutschland, noch warten müssen, steht nicht nur Frankreich vor einem Scherbenhaufen, sondern auch Le Pen selbst. Das Szenario weiter gesponnen, so darf man erwarten, wird in der Fortsetzung jedoch nicht besser.

Ein erschreckendes gut gezeichnetes Szenario, im doppelten Sinne, welches auf- und wachrütteln kann und dies auch soll. Grundlage alleine, eine Analyse der Auswirkungen des Parteiprogrammes der franzöischen Rechten, wenn diese es umsetzen.

Das kann und darf niemand wollen, weshalb es nahezu Pflicht ist, sich mit den Alternativen zu beschäftigen, die allesamt besser sind als das, was uns erwartet. Nicht nur in Frankreich, sondern eben überall. Für Leser mit Brille mag es auf Dauer anstrengend sein, die Winzschrift von Text zu verfolgen (es ist derer viel), die detaillierten harten Zeichnungen entbehren jeder Freundlichkeit eines normalen Comics.

Doch lohnt es sich in die Handlung einzutauchen um eine solche zu verhindern.

Autor:

Francois Durpaire wurde am 14. August 1971 in Wien geboren und ist promovierter Historiker. Sein Spezialgebiet ist Bildung und kulturelle Vielfalt der Vereinigten Staaten von Amerika und Frankreich. Zu diesen Themen berät er regelmäßig Rundfunk- und Fernsehsender.

Seit 2013 ist er Dozent für Erziehungswissenschaften an der Universität Cergy-Pontoise, vorher veröffentlichte er zusammen mit Olivier Richomme eine der ersten nicht-englischsprachigen Biografien über US-Präsident Obama, dessen Sieg er in Frankreich als eine der ersten Kommentatoren voraussagte.

Von 2009 bis 2016 war er Mitglied des Nationalen Komitees Frankreichs zur Erinnerung an die Geschichte der Sklaverei. 2013 unterstützte er zudem eine Initiative von Immigranten für das Erlangen von Wahlrechten in Frankreich, ein Jahr zuvor die Präsidentschaftskampagne von Aurelien Tricot.

Zeichner:

Farid Boudjellal wurde 1953 in Toulon geboren und ist ein französischer Comicautor und Zeichner. Er stammt aus einer algerischstämmigen Familie, wuchs aber in Südfrankreich auf. Mit acht Jahren erkrankte er an Kinderlähmung.

Nach Schule und Universität veröffentlichte er 1978 erstmals Comicstrips in verschiedenen Magazinen, worauf bald sein erstes Album erschien. Seine hauptthemen sind Migration, Behinderungen und der Nahostkonflikt. In Deutschland verwendete Henryk M. Broder eines seiner Zeichnungen als Cover für „Die Irren von Zion“.

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Jim Shepard: Aron und der König der Kinder

Aron und der König der Kinder Book Cover
Aron und der König der Kinder jim Shepard C.H. Beck Erschienen am: 21.01.2016 Seiten: 270 ISBN: 978-3-406-68959-8 Übersetzerin: Claudia Wenner

Inhalt:

Aron, ein kleiner polnisch-jüdischer Junge, ist in seiner nicht gerade kleinen, armen Familie so etwas wie eine Katastrophe auf zwei Beinen. Nichts will ihm so recht glücken und alles macht er kaputt. Doch halb Tom Sawyer, halb Simplicius – er ist ein guter Kerl. Aron hat leider keine Zeit, ein vernünftiger Erwachsener zu werden.

Denn seine Familie zieht nach Warschau, die Deutschen überfallen Polen und die Juden werden ins Ghetto gepfercht. Er freundet sich mit einer Gruppe Jugendlicher an, die für sich und ihre Familien ums Überleben kämpfen, arbeiten, schmuggeln und stehlen und sich immer fragen müssen, wieviel Freundschaft und Liebe sie sich noch leisten können.

Verrat und Tod lauern jederzeit. Als der König der Kinder, der berühmte Arzt und Pädagoge Janusz Korczak, Aron in sein Waisenhaus aufnimmt, beginnt eine ungewöhnliche Freundschaft, die den Jungen verändert und beide über sich hinauswachsen lässt. (Verlagsseite)

Rezension:

Aron ist ein Phänomen. Ein Pechvogel auf zwei Beinen, niemand nimmt ihn ernst und wo er auch ist, passiert ihm und anderen immer ein Unglück. Eine tragikkomische Figur aber auch ein besonderer Mensch. Dennoch nur für besondere Zeiten.

Den Aron ist jüdischer abstammung und lebt ausgerechnet in der Zeit des Zweiten Weltkrieges als die Deutschen Warschau besetzen und alle Juden zwingen, im Ghetto zusammengepfercht, die hereinbrechende Katastrophe über sich ergeehn zu lassen.

Um zu Überleben, seiner Familie und sich zu helfen, schmuggelt er mit Gleichaltrigen lebenswichtiges über die Ghettomauern, von Lebensmitteln bishin zu Kleidung. Dies bleibt nicht unbemerkt, von den deutschen Besatzern und den polnischen Nazi-Kolloberateuren, die sich zu Komplizen der Nazis machen.

Doch Aron und die anderen arrangieren sich. Als Aron aber den Haken in diesem unmenschlichen Pakt und die Kehrseite der Medaille bemerkt, ist es bereits zu spät. Und er klammert sich an die einzige Hoffnung, die er noch hat. Doch, auch Janusz Korczak kann die Katastrophe kaum noch abwenden.

Ein Roman wie ein Schrei, eine Art Blechtrommel für Kinder und Jugendliche aber mehr noch für Erwachsene. Kaum zu begreifen, heute darf man sich glücklich schätzen, die Situation nicht mal mehr ansatzsweise nachvollziehen zu können, ist das Leben derer, welches an sich kaum mehr als solches zu bezeichnen ist.

Zusammengepfercht ums Überleben kämpfend, werden alle menschlichen Regeln auf den Kopf und infrage gestellt, gelten kaum einen Moment und werden im nächsten wieder umgedreht.

Unter diesen Bedingungen leidet der Leser zusammen mit dem Hauptprotagonisten, der Schatten- aber auch positive Seiten hat, zu früh erwachsen werden muss aber dennoch Kind bleibt.

Aron ist eine zwiespältige Figur, die man dennoch oder gerade deswegen aber vor allem seinem Kampf gegen alle Widerstände lieb haben muss. Nicht einmal Janusz Korczak, der innerhalb der Ghettomauern so viel für die Kinder getan hat, gelingt es hier diesen Platz in der Geschichte Shepards einzunehmen.

Der Roman spielt mit dem Leser, wirft ihn hin und her im Strudel der Gefühle, lässt das Unglück zuerst nur erahnen, dann förmlich auf einem zurasen. Und man weiß, es kann und wird nur negativ ausgehen. Shepards Geschichte verträgt kein positives Ende, welches fehl am Platz und unrealistisch wäre.

Um so beeindruckender und bleibender die Quintessenz der Geschichte, dass es nur einen Funken Menschlichkeit braucht, um Gutes zu bewirken, in Erinnerung zu bleiben.

Der Schreibstil dazu passt sich den Figuren an, verschafft das Gefühl einer gewissen Gehetztheit der Figuren, die jeden Tag um ihr Leben bangen müssen, ihrem Schicksal aber kaum ausweichen können und versuchen, es hinauszuzögern.

Ein wunderbarer Roman, der sich kaum fassen oder wirklich genremäßig einordnen lässt. Dazu steckt zu viel in der Geschichte, die man sich unbedingt zu Gemüte führen sollte.

Autor:

Jim Shepard wurde 1956 in Bridgeport/Connecticut geboren und ist ein amerikanischer Schriftsteller und Professort für kreatives Schreiben a, Williams College/Massachusetts. Nach seinem studium veröffentlichte er Arbeiten in verschiedenen amerikanischen Magazinen, u.a. im The New Yorker Magazine.

Eine seiner Kurzgeschichtenreihen wurde für den National Book Award 2007 nominiert. . Er schreibt für Zeitungen, Zeitschriften und für’s Fernsehen. Seine Werke wurden bereits in mehreren Sprachen übersetzt.

Shepard legt dabei Augenmerk auf die unterschiedlichen Sichtweisen seiner Charaktere aufgrund insbesondere von Unterschieden, die aus Sichtweisen aufgrund unterschiedlicher Herkünfte resultieren. Nur für den italienischen Markt schuf er eine extra Kurzgeschichtenreihe.

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