Sachbuch

Der Erste Weltkrieg/Der Zweite Weltkrieg – Die visuelle Geschichte

Das Ende des Zweiten Weltkriegs jährt sich in diesem Jahr zum achtzigsten Mal. Grund genug also, sich ausführlich mit den unterschiedlichen Aspekten des Krieges zu beschäftigen, der so zerstörerisch und so mörderisch werden sollte, wie keiner zuvor. Davor, mit einer kurzen Phase brüchigen Friedens dazwischen hatte es bereits schon einmal einen weltumspannenden Krieg gegeben. Und so umfassend müssen auch die Übersichten sein, um alle Aspekte aufzuführen, die die Vorgeschichte, Kriegsverläufe und was danach folgen sollte, einigermaßen begreiflich machen zu lassen. Und so haben sich eine Vielzahl von Historikern und anderen Wissenschaftlern daran gemacht, Gesamtdarstellungen zu erarbeiten. Nun liegen diese im Verlag Dorling Kindersley vor.

Die Werke dieses Verlags haben die Eigenheit, gerade wenn sie bewusst in einer Abfolge zueinander erscheinen, nahezu die gleiche Rezension herauf zu beschwören, weshalb ich mir die Freiheit genommen habe, einen gemeinsamen Beitrag für beide Sachbücher zu schreiben. Entlang eines Zeitstrahls wird Geschichte hier erzählt, eingerahmt durch die Vor- und Nachgeschichte, dann die Jahre des jeweiligen Krieges, nochmal einzeln aufgedröselt. Unterschiedliche Perspektiven kommen zur Sprache, sei es durch die Erläuterung der Kriegstaktiken innerhalb der jeweiligen Phase oder weil einzelne Feldzüge beleuchtet werden.

Dabei nehmen die Autor:innen beider Werke nicht nur eurozentrische Perspektive ein, sondern vergessen nicht zu beleuchten, wie der Erste und der Zweite Weltkrieg auf der anderen Seite des Globus‘ aussahen. Immer wieder werden einzelne Persönlichkeiten beleuchtet, die in den jeweiligen Phasen oder überhaupt eine Rolle spielten, sowie auch der „Alltag“ im Krieg oder der Terror des NS-Regimes analysiert, um nur die Beispiele zu nennen.

Die Lesbarkeit ist aufgrund der abwechslungsreichen Gestaltung gegeben. Fließtexte wechseln sich mit Infoboxen ab, Karten und Grafiken visualisieren Informationen. Schon das Überformat zwingt einem, sich bewusst eines der Bücher hervorzuholen, entweder sich mit einem bestimmten Thema zu beschäftigen oder gezielt zu suchen, was sowohl ein Stichwortregister am Ende der beiden Enzyklopädien möglich macht, als auch ein übersichtliches Inhaltsverzeichnes.

Autorenkollektiv: Der Erste Weltkrieg – Die Visuelle Geschichte
Seiten: 372
Rezensionsexemplar/Sachbuch
Verlag: Dorling Kindersley
ISBN: 978-3-8310-4874-8
Übersetzung: Burkhard Schäfer, Birgit Lamerz-Beckschäfer (u. a.)

Autorenkollektiv: Der Zweite Weltkrieg – Die Visuelle Geschichte
Seiten: 360
Rezensionsexemplar/Sachbuch
Verlag: Dorling Kindersley
ISBN: 978-3-8310-3757-5
Übersetzung: Burkhard Schäfer, Klaus Binder (u. a.)

Beide Werke erhalten, es ist gar nicht anders möglich:

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Autorenkollektiv: Big Ideas – Der Erste Weltkrieg

Reihe:

In der Reihe Big Ideas erscheinen Sachbücher, die zu verschiedensten Themen aufbereitetes Basiswissen anbieten. Die Bücher können unabhängig voneinander gelesen werden.

Inhalt:

Warum bezeiechnete man den Ersten Weltkrieg als „Krieg, der alle Kriege beenden“ sollte? Welche Schlüsselereignisse führten zu dem Konflikt? Wieso fanden die Schlachten so häufig zwischen Schützengräben statt?

Dieses Buch beantwortet diese und weitere Fragen in verständlicher Sprache und klaren Grafiken. Es stellt dar, was passiert ist, und erklärt die Ursachen und Hintergründe. So werden nicht nur über 90 Schlüsselereignisse des ersten globalen Krieges beschrieben, sondern auch politische Absichten, Kriegstaktiken und Technologien erläutert: von der Vorgeschichte des Kriegs über die deutsche Invasion in Belgien 1914 bis zum Waffenstillstand 1918 und der Gründung des Völkerbundes 1920. (Klappentext)

Rezension:

Der Erste Weltkrieg markiert als Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts einen Wendepunkt in der Geschichte, heraufbeschworen durch Ereignisse, deren Reaktionsfolge niemand wirklich stoppen wollte. Heraufbeschworen von einem Kaiser, der von deutscher Großmacht träumte, nahm das Schicksal seinen Lauf. Neue Technologien wie Flugzeuge und gepanzerte Fahrzeuge wurden erstmals erprobt. Giftgas sorgte für Schrecken bei den in Gräben kämpfenden Soldaten. Auch das Ende ist bekannt. Hinweggefegte Monarchien, neue Staaten, zwischen denen bald ein neuer, noch grausamerer Krieg toben sollte.

Geschickt aufbereitetes Basiswissen bietet dieses hier vorliegende Sachbuch, welches sich wie ein Lexikon, aber auch hintereinander weglesen lässt. Kurzbiografien entscheidender Persönlichkeiten werden aufgeführt, wie Technologien erklärt. Auch wird anhand von reichlichem Kartenmaterial der Verlauf einzelner Schlachten erläutert. Jedes einzelne Kapitel wird dabei mit einer Einführung und Zeitstrahl begonnen, die Schlüsselmomente des Ersten Weltkriegs zudem nochmals zusätzlich eingeordnet. In Infoboxen wird gezeigt, was vor und nach dem jeweiligen Ereignis geschah, ebenso gibt es immer Seiten-Verweise zu verwandten Themengebieten.

Die einzelnen Abschnitte sind in gewohnter Manier des Verlags nicht länger als zwei bis vier Seiten gehalten. Alle wichtigen Inhalte werden dabei im Blick behalten. Mit diesem Sachbuch bekommt man den neuesten Stand der Geschichtswissenschaften so aufbereitet, dass auch komplexe Zusammenhänge dem Laien verständlich werden. Zur Prüfungsvorbereitung eignet sich die Lektüre dabei ebenso wie für alle Interessierten, egal ob mit oder ohne Vorkenntnisse. Alleine die Kurzbiografien und das sich auf das Wesentliche konzentrierende Kartenmaterial ist es wert. Dabei werden alle beteiligten Seiten beleuchtet, auch weniger bekannte, wie z. B. der Einsatz von Soldaten aus den Kolonien oder gar so weit entfernter Länder wie Siam (das damalige Thailand).

Immer wieder stechen dabei einzelne Zitate der am jeweiligen Ereignis beteiligten Personen hervor und verdeutlichen deren Brisanz.

Sicherlich nicht nur innerhalb der Reihe ist dies ein wichtiges und hervorstechendes Sachbuch, auch unter den Bänden mit Überblickwissen nochmal etwas ganz Besonderes. Zu empfehlen.

Autoren:
In Zusammenarbeit von mehreren Autoren mit u. a. geschichts- und gesellschaftswissenschaftlichen Hintergründen ist dieses Sachbuch entstanden.

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Sascha Lübbe: Ganz unten im System

Inhalt:

Unzählige Arbeitsmigrant*innen arbeiten unter teils menschenunwürdigen Bedingungen auf deutschen Baustellen, in Schlachthöfen, als LKW-Fahrer*innen oder als Reinigungskräfte in Hotels und Firmen. Viele von ihnen werden systematisch ausgebeutet. Sascha Lübbe entlarvt das krakenartige Geflecht aus teils kriminellen Firmen, eine Schattenwelt, in der die Grenze zwischen Legalität und Illegalität verschwimmt.

In einem aufrüttelnden Buch zeigt er, wie sich ein Parallelsytem in der deutschen Arbeitswelt etabliert hat. Er lässt Betroffene zu Wort kommen, zeigt, wie sie leben, aber auch, wie sie Widerstand leisten. Und er geht der Frage nach: Wie konnte es so weit kommen? (Klappentext

Rezension:

Gerade verschärft sich die Tonlage, doch kommen Debatten um die für immer mehr Branchen notwendige Migration zur Unzeit. Heute schon sind Migrant*innen in einigen Bereichen eine tragende Säule. In der Bauwirtschaft etwa, der Logistik oder in der Fleischindustrie.

Doch, einmal angekommen, heute zumeist aus Rumänien oder Polen, liegt für jene, die eigentlich nur ein gutes Auskommen suchen, vieles im Argen. Der Journalist und Autor Sascha Lübbe hat sich auf Spurensuche begeben und die Schattenwirtschaft systematischer Ausbeutung ergründet und mit den Betroffenen gesprochen, und jenen, die ihnen versuchen, zu helfen.

In ihren Ländern haben sie keine Zukunft. Jobs sind kaum vorhanden. So versuchen zumeist Männer wie Eugen und Dejan, die Namen sind in diesem aufrüttelnden und erschütternden Bericht zumeist zum Schutze derer geändert, die bereit sind, zu reden, ein Auskommen in Deutschland zu finden.

Mit falschen Versprechen in die Fremde gelockt, finden sie sich in einem System der Abhängigkeiten von dubiosen Firmengeflechten wieder, müssen körperliche Schwerstarbeit verrichten, werden drangsaliert und systematisch um einen Großteil ihres Lohnes betrogen. Dabei bilden die obersten Firmen nur die Spitze des Eisberges. Gut vernetzt auf allen Ebenen der Politik, reichen sie die Verantwortung an Subunternehmen weiter. Einmal darin verfangen, ist es für die Menschen, die oft kaum des Deutschen mächtig sind, schwer, sich zur Wehr zu setzen und zustehende Rechte einzufordern.

Der Autor geht anhand von drei Branchenbeispielen der Frage nach, wie funktioniert dieses System der Schattenwirtschaft überhaupt, wie ist es entstanden und was macht es mit den Menschen? Wie können Gesellschaft und Politik, die Betroffenen selbst dieses durchbrechen und was müsste sich ändern, damit auch die Menschen, profitieren, die die Jobs übernehmen, die niemand sonst machen möchte?

Anhand der Biografien und infolge von Gesprächen mit denen, die für die meisten Augen unsichtbar bleiben, zeigt der Autor auf, auf welchen menschnverachteten Grundlagen verschiedene Bereiche unserer Wirtschaft fußen, nicht ohne Auswege aufzuführen oder auch erste Schritte auf den Weg zur Besserung zu schildern, die es durchaus seitens Verbänden und Organisationen und auch der Politik gab, was jedoch immer noch zu wenig ist, angesichts der bestehenden Problematiken.

Nur selten kommen Menschen wie Samid und Umid zu Wort. Ihnen gibt der Autor eine Stimme und die Aufmerksamkeit, die es braucht, um ein Bewusstsein für ihre Situation zu schaffen. Er versucht dabei mit allen Ebenen ins Gespräch zu kommen, trifft dabei nicht nur auf Trostlosigkeit und Verzweiflung, sondern auch auf jene, die dagegen ankämpfen. Oder es zumindest versuchen.

Aufgrund der Nähe zu den einzelnen Personen ist der Bericht, der das fortsetzt, was Günter Wallraff einst angestoßen hat, sehr nahbar. Sascha Lübbe zeigt, dass sich am Umgang mit den Menschen, die für unseren Wohlstand arbeiten, unter anderen Vorzeichen nicht viel geändert hat. Zudem hat er eine ausführliche Quellenlage für seine Recherchen verwendet, die verschiedene Aspekte der Thematik aufgreifen tut. So unterbleibt eine zu theoretische Aufarbeitung. Man kann nicht anders, als davon berührt zurückzubleiben.

Abseits von den bloßen Zahlen, um die vor allem in der großen Politik diskutiert werden, sind die in diesem Werk aufgeführten Aspekte zu wichtig, um sie zu unterschlagen. Wie gehen wir mit den Menschen um? Wie müssen wir uns und das System ändern, damit auch sie gerecht und menschenwürdig teilhaben können? Sascha Lübbes Debattenbeitrag gibt dazu wichtige Denkanstöße.

Autor:

Sascha Lübbe wurde in Berlin geboren und ist ein deutscher Journalist und Autor. Zunächst studierte er Publizistik und Nordamerikastudien, sowie Soziologie in Berlin und Lissabon, bevor er Redakteur für die drehscheibe, dem Magazin der Bundeszentrale für Politische Bildung wurde, danach war er unter anderem tätig für die Wissenschaftsseite der Berliner Zeitung und bis 2021 als Redakteur für den Mediendienst Integration.

Er schreibt für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften und wurde 2022 für den Deutschen Reporter:innen-Preis, ein Jahr später für den Alternativen Medien- und den Deutschen Journalistenpreis nominiert. Sein Buch „Ganz unten im System“ wurde 2024 für den NDR-Sachbuchpreis nominiert.

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Hans Martin Krämer: Geschichte Japans

Reihe:

Sachbuchreihe für kompaktes Wissen, z. B. zu Kunst- und Kulturgeschichte, Biografien oder Ländergeschichte. Die Einzelbände können unabhängig von einander gelesen werden.

Inhalt:

Japanische Populärkultur in gestalt von Manga, Anime, J-Pop, Fernsehserien und Computerspielen erfreut sich in der westlichen Welt großer Beliebtheit, und japanische Marken sind in der globalen Konsumkultur fest etabliert. Der vorliegende Band sucht das heutige Japan historisch zu erhellen.

Nach einem knappen Durchgang durch die vormoderne Geschichte wird der Neuzeit deutlich mehr Platz eingeräumt, weil sie für die Erklärung der gesellschaftlichen und kulturellen Gegenwart Japans ungleich wichtiger ist. Eine kurze Einführung in die geografischen und klimatischen Grundlagen der japanischen Geschichte bildet den Auftakt des Bandes. (Klappentext)

Rezension:

Um den Schicksal vieler seiner Nachbarn zu umgehen, kolonisiert zu werden, führten Reformen von oben zu einem Umbau des Landes, welches schließlich selbst einen Großteil des asiatischen Raums kolonialisieren wollte und diese Rolle auf brutale Weise ausfüllte, bis zwei Atombomben auch dort den Zweiten Weltkrieg beenden sollten. Auch danach kam es, wie schon oft zuvor, zu einem politischen und gesellschaftlichen Wandel. Wie gelang es Japan, sich immer wieder an neue Gegebenheiten, vergleichsweise still, anzupassen und wo steht das Land heute? Der Japanologe Hans Martin Krämer hat sich auf Spurensuche begeben.

Titel zur Ländergeschichte komplettieren die umfangreiche Reihe aus dem Hause C. H. Beck, die kompakt und auf den Punkt gebracht, Überblickswissen präsentiert und über die man, einmal einen beliebigen Band sich vorgenommen, eigentlich immer das Gleiche sagen kann. Informationen, auf den neuesten wissenschaftlichen stand, werden hier niederschwellig, ohne zu sehr sich in Details zu verlieren, präsentiert, ohne eine gewisse Oberflächlichkeit aufkommen zu lassen oder entscheidende Punkte gar zu unterschlagen.

Das gilt auch für diesen Band, der sich nun mit der Historie Japans beschäftigt und zunächst einen Überblick über die Geografie und mit Hilfe von zwei Karten auf den Innenseiten des Einbandes auch über die politische Gliederung des Landes gibt. In kurzweiligen Kapiteln werden wir durch die einzelnen geschichtlichen Epochen, von den Anfängen bis zur Gegenwart gelotst und mit all den Fragestellungen und Herausforderungen der verschiedenen Zeitabschnitte konfrontiert.

Wir erleben erste Landwirtschaft und das Bilden einer Gemeinschaft bis hin zum Kaisertum, auch erläutert der Autor wirtschaftliche Gegebenheiten und ihren Einfluss auf das politische Geschehen. Je näher wir der Gegenwart kommen, desto kleiner werden die beschriebenen Zeitabschnitte unterteilt, um ein größeres Verständnis für den heutigen Stand zu schaffen. Dies gelingt, ohne die Konzentration als ein „Rasen“ vor allem zu Beginn des Lesens zu empfinden oder das Gefühl, bestimmte Abschnitte nur sprunghaft und mit Abstrichen aufgespürt zu haben und das, bei einer durchaus ausführlichen Quellenlage, aus der heraus recherchiert wurde.

Für mich damit ein weiterer Band, der sich nahtlos in die Reihe der zuvor erschienen einfügt und sie damit gut ergänzt. Vor allem, wer ohne Vorkenntnisse an die Thematik herangeht, aber auch sonst, ist mit „Geschichte Japans“ gut bedient.

Autor:

Hans Martin Krämer wurde 1972 in Wuppertal geboren und ist ein deutscher Japanologe. Er studierte zunächst in Düsseldorf und Bochum Geschichte, Japanologie und Philosophie, nevor er nach Forschungsaufenthalten in Tokyo, Harvard und Kyoto im Jahr 2008 eine Juniorproffesor für Japanologie in Bochum antrat. Seit 2012 lehrt er als Professort für Japanologie an der Universität Heidelberg.

Seine Forschungsschwerpunkte sind politische Geschichte, Bildungs- und Religionsgeschichte, Wissenschaftsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, sowie der Frühen Neuzeit. Seit 2019 ist er Vertrauensdozent der Hans-Böckler-Stiftung, für eine Amtszeit von 4 Jahren ist er seit 2023 Dekan der Philosophischen Fakultät Heidelberg.

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Wolfgang Kraushaar: Israel

Inhalt:

Als die Hamas am 7. Oktober 2023 über 1.100 Israelis ermordete, schien auf einen Schlag der von den Nazis verübte eliminatorische Antisemitismus zurückgekehrt zu sein. Premierminister Netanyahus Versuch, den Aggressor umgehend auszuschalten, führte jedoch im Gaza-Streifen zu einer humanitären Katastrophe. Die Bilder, die seitdem um die Welt gehen, haben zu einem Aufflammen des Antisemitismus und zu Debatten geführt, die von einer Begriffsverwirrung erheblichen Ausmaßes gekennzeichnet sind.

Wolfgang Kraushaar ordnet die unterschiedlichen Diskurse, trennt die antisemitschen Stereotype von triftigen Argumenten und stellt die unverzichtbaren zivilisatorischen Minimalforderungen heraus, nicht ohne den Umgang mit den Problem- und Grenzfällen zu präzisieren. (Klappentext)

Rezension:

Einen Tag nach Beginn des Jom-Kippur-Krieges fünfzig Jahre zuvor, am jüdischen Feiertag Simchat Tora brachen zunächst Unmengen von Raketen über die Mitte und den Süden Israels herein. Damit wurde der seit 2014 zwar fragile, aber bestehende Waffenstillstand gebrochen, doch war dieser Angriff nur Ablenkung für das, was folgen sollte. Kämpfer der Hamas durchbrachen die Grenzanlagen und forderten über 1.100 Todesopfer, 3.000 Verletzte. Unzählige Menschen wurden in den Gaza-Streifen verschleppt. An keinem Tag seit dem Holocaust zuvor sind so viele Jüdinnen und Juden getötet worden, wie am 7. Oktober 2023.

Das ganze Ausmaß der Bestialität wurde erst nach und nach deutlich. Je detaillierter die Informationen ausfielten, desto massiver wurden die Schockwellen. Zugleich suchte man nach Worten, einen Begriff für diese Barbarei. Der Politikwissenschaftler Wolfgang Kraushaar ordnet darauf Begrifflichkeiten ein, beleuchtet die Phrasen und Narrative einer kaum zu durchdringenden Diskussion und zeigt die Meta-Diskurse auf.

Zunächst beginnt der Autor beim jüngsten aller Konflikte und zeigt auf, was eigentlich am 7. Oktober geschehen ist und wie es überhaupt zu den dann stattfindenden Ereignissen kam. Er erläutert die Vorbereitungen der Hamas, aber auch die Reaktionen Israels in sehr kompakter Form, bevor er zunächst geografische Begrifflichkeiten einordnet, beginnend mit von der deutschen Politik beschworenen Solidarität mit dem jüdischen Staat. Was heißt dies überhaupt und können diese Worte überhaupt mit einer sinnvollen Bedeutung gefüllt werden oder ist dies letztendlich eine hohle Phrase ohne Wert, nur aus Pflichtbewusstsein?

Danach wird die politische Geografie aufgedröselt und zugleich auf die Geschichte der Region eingegangen. Was sind Israel und der Zionismus überhaupt? Wie sind Politiker, wie etwa ein Netnyahu einzuordnen, um dann widerum den Bogen zu Deutschland als Partner des Landes zu spannen. Auch wird die Gemengenlage im Gaza-Streifen erläutert, sowie im Westjordanland, ohne zu vergessen, dass wenn wir Israel betrachten, auch geklärt werden muss, was eigentlich Palästina in den unterschiedlichen Ansichten als geografischer Raum bedeutet und wie der Stelllenwert der Hamas ist. Auch wieder im Gegenlicht zu den Akteuren der Politik Israels.

So geht es weiter in der Lektüre, die zu weilen sehr theoretisch daherkommt, aber gerade bei dieser sensiblen Thematik sehr viel Wert darauf legt, Begrifflichkeiten korrekt einzuordnen. Dabei erklärt Kraushaar die verschiedenen Interpretationen und stellt sie einander gegenüber. Nur so entsteht ein klares Bild, für welches man jedoch durchgehend Konzentration benötigt, dieses in sich aufzunehmen. Einerseits politiktheoretisch, andererseits fast philosophisch wirkt diese Einordnung, die versucht, einem Konflikt sprachlich Herr zu werden. Zuweilen sehr distanziert scheint das, nicht jedoch vollends ohne Emotion zu sein.

Der Autor zeigt die Wendepunkte der Geschichte der Region als Verkettung. Unweigerlich kommt die Frage auf, was als nächstes passieren muss, was als nächstes passieren wird. Lehrreich ist das Sachbuch vor allem mit den letzten Kapiteln, in dem Parolen erläutert werden, die zu weilen auf Demonstrationen zu hören sind und wenn Meta-Diskurse kurz zusammenfassend dargestellt werden.

Man geht mit einer Fülle an Informationen und Wissen aus der Lektüre heraus, muss sich jedoch bis dahin sehr konzentrieren und zuweilen wiederholend lesen. Leicht zugänglich ist etwas anderes. Positiv anzumerken ist jedoch, dass Kraushaar nicht vergisst, anhand zusammengestellter Punkte zu erläutern, was im Endeffekt für die Auflösung eines Konflikts in der Region seines Erachtens erfolgen müsste. Ob das dann so funktioniert, steht jedoch in den Sternen.

Autor:

Wolfgang Kraushaar wurde 1948 geboren und ist ein deutscher Politikwissenschaftler. Von 1987 bis 2014 arbeitete er am Hamburger Institut für Sozialforschung, seit dem bis zum 2023 für die Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur. Seine Forschungsschwerpunkte sind Protestbewegungen und der linke Terrorismus. Er ist Autor verschiedener Werke zu diesen Thematiken.

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Mike Le/Stephanie Le: Nudeln, Nudeln, Nudeln

Inhalt:

Du kannst dir ein Leben ohne Nudeln nicht vorstellen? Dann kommen hier 75 internationale Nudel-Lieblinge für alle Lebenslagen. Von einfach bis fancy, cremig bis schlürfig und mild bis scharf ist für jeden Nudel-Fan etwas dabei. Und mit selbst gemachter Pasta, gepimpten Instant-Ramen und dem ultimativen Bowl-Baukasten werden deine Nudel-Skills im Nu auf das nächste Level gehoben. (Klappentext)

Rezension:

Nudeln sind nicht gleich Nudeln und gehen immer. Die Grundausstattung für ein Nudelgericht gibt es praktisch überall zu haben und man kann sie vielseitig zubereiten. Aufwendig, wie in einem Sternerestaurant oder schnell nach Feierabend. Nudeln sind ein Gericht für die Seele und das weltweit. Ob als One Pot oder Ramen, als Bowl oder Lasagne, in Form von Reis-Bandnudeln oder Chow Mein. Die Foodblogger Stephanie & Mike Le haben die ganze Welt nach Nudelgerichten abgesucht und die 75 besten in dem hier vorliegenden Kochbuch zusammengestellt.

Doch zuvor werden in dem fotografisch sehr Appetit machenden Buch Grundlagen abgehandelt. Welche Nudelsorten gibt es? Welche kann man wie ersetzen, wenn eine Sorte mal nicht verfügbar ist und wie eigentlich, gelingt eine perfekte Soße, bevor es um die Pasta geht.

Übersichtlich gegliedert sind die Gerichte nach den Aufwand, den man betreiben muss, sie zuzubereiten, immer wieder ergänzt durch Tipps für Toppings und Abwandlungen: Wo bekommt man diese spezielle Zutat eigentlich her? Was ersetzt gut was? Und welche Kombinationen eignen sich eigentlich für verschiedene Lasagnevariationen?

In der Küche sind solche Tipps für jemanden wie mich, mit zwei linken Händen, gold wert, zudem ich auch immer ideenlos bin, auf manche Kombinationen so im Leben nicht kommen würde. Und so habe ich mich bereits an mehreren Rezepten ausprobiert.

„Cacio E Pepe“ sind zum Beispiel Pici-Nudeln mit Käse und schwarzem Pfeffer, eine sehr schlichte Kombination, die aber schnell von der Hand geht und sehr wenig Zutaten bedürfen. Diese waren zwar etwas trocken, was aber durchaus auch an mir gelegen haben mag. Ich muss das Rezept unbedingt nochmals ausprobieren. Die Cowabunga-Nudeln, das sind Chow Mein Nudeln mit Frühlingszwiebelöl, habe ich in einer scharfen Variante probiert und in einer etwas milderen. Das Topping, Chili Crisps, ist hier die ausschlaggebende Zutat.

Eines der Gerichte, und ich bin natürlich noch nicht ganz durch, die mich begeistern konnten, waren „Moules Frites ohne Frites“, aber mit Nudeln. Also, Casarecce, die ich durch kurze Röhrennudeln ersetzen musste, mit Miesmuscheln. Zunächst klingt diese Kombinationen, nun ja, einigermaßen wild und ist für meine Begriffe, einigermaßen aufwendig zuzubereiten, wobei meine Kochkünste in der Küche nun weiß Gott kein Maßstab sind, aber das Ergebnis konnte sich durchaus sehen lassen und hat ausgezeichnet geschmeckt.

Dieses Experiment ist also geglückt und damit auch das, des Verlages, der mir wagemutig ein Kochbuch zugesendet hat. Was kommt als nächstes auf den Teller? Eine Bowl? Eine Lasagnevariation? Ich werde mich weiter durch die Rezeptsammlung probieren. Es gibt so viele Möglichkeiten, zumal die AutorInnen dazu ermuntern, zu ergänzen, abzuwandeln. Die Ansicht für den perfekten Bowl-Baukasten erinnert da beinahe an die Homepage-Baukästen aus den 90er Jahren. Mach dies, dann das und tu das dann dazu. Damit kann man doch arbeiten, oder? Mir gefällt nicht nur das, sondern auch die zugänglichen Erläuterungen, gut.

Ein kleiner Kritikpunkt dennoch, der sich wohl bei solchen Rezeptsammlungen jedoch kaum vermeiden lässt: Einige Rezepte sind nicht wirklich für ganz kleine Küchen geeignet, da man sich für die nach meinem Gefühl für die Zubereitung eher ausbreiten können müsste. Organisation ist da alles, trotzdem ist an manchen Stellen die Umsetzung des Schriftlichen nicht wirklich einfach oder, sagen wir mal, gut von der Hand gehend.

Aber man wird sehen. Vielleicht ergänze ich ja den Beitrag noch, nach dem Probieren weiterer Rezepte aus diesem Buch?

Autoren:

Stephanie und Mike Le sind AutorInnen, FotografInnen, entwickeln Rezepte und haben die Welt bereist, um wirklich gute Rezepte zu finden. Ob in den Wüsten New Mexicos oder in den Hügeln von Bologna, kein Weg ist zu weit für ein tolles Gericht. Gemeinsam schreiben sie am preisgekrönten Blog i am a food blog, in dem es um alles geht, was mit gutem Essen zu tun hat. Dies ist ihr zweites Kochbuch.

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David Lambert: Memo Wissen – Dinosaurier

Inhalt:

Wozu hatten Dinosaurier Stacheln, Platten und Segel? Wie groß wurden die Giganten unter ihnen?

Gab es auch Dinosaurier mit Federn? Erfahre alles über die spannende Welt der Urzeit.

Reihe:

Die Reihe „Memo Wissen“ umfasst mittlerweile zahlreiche weitere Bände zu vielen Themen, von der Titanic bis hin zum Klimawandel, Katzen oder Fußball und ist ab 8 Jahren empfohlen.

Rezension:

Einer der wenigen Verlage, die es schaffen, etwa im gleichen Stil, doch in jedem Fall von gleichbleibender Qualität Sachbücher für alle Altersgruppen anzubieten ist mit Sicherheit Dorling Kindersley, der mit seiner Reihe Memo Wissen hochwertig grafisch aufbereitete und interaktive Werke anbietet, die dazu einladen, zu blättern, zu schmökern und interessante Fakten wie ein Schwamm in sich aufzunehmen.

Quelle: Dorling Kindersley

Allgemein empfohlen ab acht Jahren, sicherlich bei Interesse noch viel eher, lädt der folgende Band ein, die Welt der „Schreckensechsen“ zu erkunden. Die Reise ins Zeitalter der Dinosaurier folgt den Spuren von Tyrannosaurus Rex und anderen, zeigt, wie sie lebten und wie Paläntologen und Forscher auf der ganzen Welt arbeiten, um sich ein Bild von ihnen zu machen. Wie verläuft eigentlich die Ausgrabung eines Dinosaurier-Skeletts, welches Werkzeug benötigt man dazu und woher wissen wir eigentlich, wie das Leben in Trias, Jura und der Kreidezeit ausgesehen hat?

In häppchengroße Texte unterteilt, ergänzt durch zahlreiche Grafiken und Fotos sind die Informationen so aufbereitet, dass sich dieses Buch leicht selbstständig lesen lässt. Ein Kapitel umfasst dabei nicht mehr als zwei Seiten, so dass auch hier dafür gesorgt wird, nicht mit allzu vielen Fakten von Monolopho- und Brontosaurus überrannt zu werden.

Berücksichtigt werden dabei neueste wissenschaftliche Erkenntnisse, so dass schon die jüngste Leserschaft ernstgenommen wird und wie bereits mit den Büchern zum Alten Ägypten oder den Planeten, sowie anderer Themen, auch in diese Welt versinken kann. In Kooperation mit der Lernplattform kahoot! gibt es sogar ein interaktives Quiz in verschiedenen Schwierigkeitsstufen, erreichbar durch QR-Codes innerhalb des Buches. Dazu wird weder eine Anmeldung benötigt, noch enthält diese Werbung. Das Buch ist zudem bei Antolin verfügbar.

Hier geht es ebenso um Wissensvermittlung, nur auf spielerische Art. Die Lernplattform bildet so eine sinnvolle und kreative Ergänzung zu dieser tollen Reihe. So bekommen auch die Jüngsten interessebezogenes Überblickswissen und ja, auch als Erwachsener blättert man hier gerne durch. Jedoch für die Zielgruppe ist dieses liebe Buch eine klare Empfehlung wert.

Autor:

David Lambert ist Kinderbuchautor.

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Werner Sonne: Israel und wir

Inhalt:

Werner Sonne war am 7. Oktober 2023 in Israel. Schon 50 Jahre zuvor hatte er als junger Reporter über den Jom-Kippur-Krieg berichtet – und nun wiederholte sich die Geschichte. In diesem Buch blickt der bekannte ARD-Journalist auf die hitzigen deutschen Debatten mit Israel. Zugleich erzählt er die Geschichte der deutsch-israelischen Beziehungen – von den schwierigen Anfängen unter Adenauer und Ben-Gurion bis zum Kauf des israelischen Raketenabwehrsystems Arrow 3 und der Frage, was die Formel von der Sicherheit Israels als „Staatsräson“ Deutschlands konkret bedeutet. So bietet dieses anschaulich geschriebene Buch Hintergründe, macht Argumente verständlich und liefert „food for thought“ für eine der drängendsten und umstrittensten Debatten der Gegenwart. (Klappentext)

Rezension:

Nicht erst seit dem terroristischen Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 und den sich daran anschließenden neuen Gaza-Krieg wird in Deutschland intensiv über das Verhältnis zu Israel diskutiert. Während sich antisemitische Verfälle häufen, der Ton sich nicht nur in den sozialen Netzwerken verschärft, stellt sich die Politik dagegen mehrheitlich klar an die Seite Israels. Die Sicherheit des Landes sei Staatsräson, heißt es immer wieder, doch was bedeutet dies überhaupt? Wie weit geht Solidarität?

Sollte sie bedingungslos sein und kann sie das überhaupt, angesichts einer Regierung, der rechtsextreme Minister angehören, überdies in Anbetracht eines Konflikts der auch in Zukunft kaum aufzulösen sein wird? Der Journalist Werner Sonne, der bereits als junger Reporter aus Israel berichtete, untersucht unser Verhältnis zu Israel und stellt die Frage, was ist legitime Kritik und wo beginnt als Israelkritik verbrämter Antisemitismus.

Soweit das Grundgerüst dieses kompakt gehaltenen Sachbuchs, welches vom Ausgangspunkt der neuesten Entwicklungen einen Blick in die Geschichte wirft. Hier beginnend, nach dem Zweiten Weltkrieg, zeigt Werner Sonne, wie bereits die Gründer der Staaten, im Hintergrund an einer Zusammenarbeit werkelten, die bis in unsere heutige Zeit hinein wirkt.

Zunächst im Hintergrund geheim gehalten, ist die Kooperation beider Länder auf geheimdienstlichen und militärischen Gebiet heute sehr dicht und intensiv. Widerstände dagegen gab es anfangs auf beiden Seiten. In Israel protestierten zu Beginn nicht wenige auf politischer Seite und in der Bevölkerung gegen eine Zusammenarbeit mit den Deutschen, die unmenschliches Leid über fast alle Familien gebracht hatten. Wie konnte man da etwa verlangen, Uniformen für die im Aufbau befindliche neue deutsche Armee zu nähen, wo doch manche in den KZs einige Jahre zuvor gezwungen waren, für die SS dergleichen zu tun? Verbat es sich anderseits, im Anbetracht beider Geschichte, Rüstungsgüter wie U-Boote von den Deutschen zu beziehen?

Der Autor schaut nicht nur auf die militärische wie geheimdienstliche Zusammenarbeit. Werner Sonne zeigt, was die Sicherheitskooperation Israels mit Deutschland und umgekehrt in den ersten Jahren ausmachte und worin sie heute besteht, beleuchtet ein Verhältnis, welches von Beginn an besonderer Natur gewesen ist und weshalb dies wichtig ist, zu durchdenken, wenn wir über die heutige politische Lage zwischen beiden Ländern und in der Region selbst diskutieren. Hält so der Ausspruch von der Staatsräson Deutschlands gegenüber Israel noch stand?

Mit diesem sehr sachlich gehaltenen Werk zeigt Werner Sonne die historische Entwicklung einer besonderen Beziehung auf und gibt Denkanstöße und Material für Diskussionen. Er stellt sich dabei nicht auf eine Seite oder präsentiert vermeintliche Lösungen. Beim Lesen wird man nicht umhin kommen, an der einen oder anderen Stelle vielleicht einen anderen Standpunkt einzunehmen, doch wird man vielleicht einzelne Entscheidungen der Politik besser nachvollziehen können, warum sie so gefallen sind.

Wenn das erreicht ist und gewisse Denkanstöße damit gegeben sind, ist mit diesem Werk schon viel gewonnen und das ist mehr als man von einem historischen Beziehungsabriss als Diskussionsbeitrag erwarten darf.

Autor:

Werner Sonne wurde 1947 geboren und ist ein deutscher Journalist und Schriftsteller. Seine journalistische Ausbildung begann er beim Kölner Stadt-Anzeiger, wo er sein Volontariat abschloss, anschließend arbeitete er bei der Nachrichtenagentur UPI und wechselte dann zum Hörfunk des Westdeutschen Rundfunks. Dort berichtete er als Korrespondent aus Bonn und Washington, bevor er 1981 zum Fernsehen wechselte. Nach verschiedenen Stationen arbeitete er als Auslandskorrespondent und Studioleiter, u. a. in Bonn, Washington und Warschau. 2004 wurde er Korrespondent beim ARD-Morgenmagazin. 2012 verabschiedete sich Sonne in den Ruhestand.

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Matthias Sander: China – Auf dem Weg zur digitalen Supermacht

Inhalt:

Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping will sein Land dank Technologie zur Supermacht formen. Bei künstlicher Intelligenz, E-Autos und Computerchips zählt China schon zur Weltspitze. Doch weitere Fortschritte sind bedroht, etwa durch amerikanische Sanktionen und Xis hartes Durchregieren.

Die anschaulichen, erzählenden Texte des Auslandsjournalisten Matthias Sander erkunden Chinas technologische Ambitionen ganz konkret. Seine Reportagen führen durch den digitalen Alltag, stellen innovative Startups vor und beleuchten die staatliche Subventionspolitik. Dabei betrachtet Sander Technologie stets im größeren Kontext von Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Individuum – und den Auswirkungen auf Europa. (Klappentext)

Rezension:

Wer aus Europa nach China kommt, dem fällt sofort auf, wie verbreitet Technologie hier ist. Zutrittsschranken an Flughäfen und Wohnanlagen öffnen sich per Gesichtserkennung. Auf den Bürgersteigen filmen Überwachungskameras all paar Meter die Fußgänger. Taxifahrer halten ihren Fahrgästen am Zielort kommentarlos einen ausgedruckten QR-Code hin, damit sie per Handy bezahlen. […] Der Alltag in chinesischen Metropolen ist so digitalisiert wie wohl nirgendwo sonst.

Matthias Sander: China – Auf dem Weg zur digitalen Supermacht

Nach überstandener Quarantäne in einem Hotel fragt der Journalist nach einer Zutrittskarte im Checkkartenformat für seine Wohnanlage, die sonst nur per Gesichtserkennung zu betreten ist. Sander bekommt mehrere ausgehändigt, muss jedoch schnell feststellen, wie praktisch im Alltag diese Art Zutrittsberechtigung ist, vor allem, wenn man z. B. in beiden Händen jeweils eine Einkaufstüte hat.

In der Praxis wird er die Karten höchst selten benutzen. Um so häufiger WeChat, den kleinen Alleskönner, der als App für die Mehrzahl der Chinesen das Internet komplett ersetzt. Taxifahrten und Stromrechnungen kann man u. a. darüber bezahlen, seine Reisen planen und Behördengänge erledigen, vielfach nur auf diesem Wege.

Doch was bedeutet das, wenn auf Algorithmen und Daten der Staat Zugriff hat, über Nutzungsrechte seine Bürger kontrollieren und sanktionieren kann? Was heißt das für Unternehmen, die im vorauseilenden Gehorsam einer politischen Linie folgen müssen und mit Selbstzensur sich ausbremsen, bevor es der Staat tut?

Bis zu welchem Grad kann so Fortschritt gehalten werden und Innovation nachhaltig entstehen? Matthias Sander hat sich auf Spurensuche begeben und erlebt beinahe autonom fahrende Autos, durchleuchtet die handfesten wirtschaftlichen Hintergründe des Taiwan-Konflikts und zeigt die vielen Schattenseiten des vermeintlichen Fortschritts des Landes auf.

Die „Große Firewall“ ist keine harte Mauer. Sie bedeutet, dass die chinesische Regierung den grenzüberschreitenden Datenverkehr filtert und gegebenenfalls blockiert. Das ist in China relativ einfach, weil das Netz ganz bewusst nur an wenigen Knotenpunkten mit dem globalen Internet verbunden ist.

Matthias Sander: China – Auf dem Weg zur digitalen Supermacht

Entstanden ist dieses hoch interessante Sachbuch aus einer Zusammenstellung von Zeitungsartikeln des Autoren, die unvoreingenommen kritisch, fasziniert, von verschiedenen Aspekten Chinas berichten und über Technologie immer wieder sowohl zur Bedeutung dessen im Alltag der normalen Bevölkerung kommen als auch zur großen Politik und derer Auswirkungen auf die Welt.

Geordnet nach verschiedenen Themenbereichen beleuchtet Sander das unaufhaltsame Streben nach wirtschaftlicher Autarkie und politischen Voranpreschen in einer Vielzahl technologischer Bereiche und zeigt eine Politik, die nach absoluter Kontrolle strebt, aber damit jede Innovation zunächst einmal ausbremst oder kappt, wenn sie zu mächtig, damit unbeherrschbar werden droht.

Sander zeigt ein Land im Zwiespalt. Startups etwa, die der KI Chat-GPT nacheifern wollen, jedoch sich bereits im Voraus selbst zensieren und so keinen umfassenden Nutzen bringen, sondern sich auf eng umgrenzte Bereiche fokussieren, wie ein Internet, welches ebenso determiniert zeigt, was die chinesische Staatsführung eben zulässt, aber eben auch ein China, welches stolz seine Erfolge präsentiert. Die größten Hersteller von E-Autos sind alles inländische Firmen, selbst Tesla präsentiert sich dort wie eine einheimische Marke.

Doch was bedeutet der technologische Fortschritt für die Menschen in Bezug auf geopolitische Konflikte, im Wettbewerb mit ausländischen Firmen, die einerseits um die Chancen auf dem chinesischen Markt wissen, anderseits dort zumeist in Joint-Ventures gezwungen, Ideen- und Patentklau befürchten müssen? Wie wappnen sich amerikanische und europäische Firmen dagegen, wo lernen sie voneinander?

Teslas Erfolg mag auf den ersten Blick überraschen. Schließlich stecken die USA und China in einem Wettstreit um die Tech-Vorherrschaft. China will bei Schlüsseltechnologien wie Elektroautos, autonomem Fahren und Batterien Selbstversorger werden. Daten, wie Tesla sie massenhaft zur Entwicklung des autonomen Fahrens benötigt, gelten für Peking als Produktionsfaktor und sollen das Land praktisch nicht mehr verlassen. Wie also erklärt sich der Erfolg für Tesla in China? Und wie lange kann er anhalten?

Matthias Sander: China – Auf dem Weg zur digitalen Supermacht

Sander beobachtet, zeigt einen Innovationsgeist, der wohl noch größer wäre, würde er nicht durch politische Vorgaben eingeengt werden, doch verfällt er nicht in reiner Lobhudelei oder alles verdammender Kritik, sondern versucht die Bedeutung dessen, was er sieht, zu beleuchten. Hintergründe und Geschichten dortiger Unternehmen im Kontext der chinesischen Politik, werden beleuchtet, als auch deren schlimmste Auswüchse aufgezeigt, etwa was geschieht, wenn Wissenschaftler zunächst einmal fernab jeder Moralvorstellung agieren können.

Über jeden dieser ursprünglichen Zeitungsartikel, die nun in Themenbereiche gegliedert sind, steht das Entstehungsdatum, was so sortiert noch einmal das unaufhaltsame Tempo aufzeigt, in welchem sich die chinesische Gesell- und Wirtschaft bewegt. Auch kann man diese häppchenweise lesen oder hintereinander weg als ganzes Bild. Dabei sind auch sehr komplexe Inhalte so aufbereitet, dass sie auch für Laien gut zugänglich sind und so zum Verständnis beitragen, ohne bestimmte Mittel und Wege diskussionslos gutheißen zu müssen.

Sander zeigt die Auswirkungen scheinbar unaufhaltsamen Voranschreitens, aber auch die vielen großen Aber, damit auch, wie wichtig es ist, solchen Technologiedystopien etwas eigenes, positives entgegenzusetzen. Gelingt das, so zeigt diese Sammlung von Reportagen, können wir vor allem den hier geschilderten negativen Auswirkungen Alternativen gegenüberstellen. In diesem spannenden Sachbuch zeigt sich, gerade in China ist nicht alles Gold was glänzt. Manches kann übernommen oder adaptiert werden. Anderes ist mit großer Vorsicht zu genießen, selbst wenn der erste Blick zum Staunen einlädt.

Autor:

Matthias Sander wurde 1996 in Mainz geboren und studierte zunächst Politik und Soziologie. Seit 2014 ist er Journalist der Neuen Zürcher Zeitung NZZ aus der Schweiz. 2020-2023 war er China-Korrespondent der Zeitung und berichtete zunächst aus Taiwan, danach aus Shenzhen, seit 2024 ist er Korrespondent der französischsprachigen Schweiz.

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Wolfgang Krüger: Serienmörder des Dritten Reiches 1933-1945

Inhalt:

Auch in der vermeintlich fast lückenlos überwachten Diktatur des Dritten Reiches konnten Serienmörder ihr Unwesen treiben. Nach umfangreichen Recherchen legt Wolfgang Krüger nun einen weiteren Band zu Mordfällen aus der Zeit des Dritten Reiches vor. Diesmal begibt er sich auf die Spur unheimlicher Serienmörder. Er beschreibt detailliert die Verbrechen des berüchtigten Münchner Triebtäters Eichhorn und des Berliner S-Bahn-Mörders Ogorzow.

Er zeichnet aber auch die Vorgehensweise der Dortmunder „Raubmord-GmbH“ nach, die Untaten eines Serienmörders am Rande des Schwarzwaldes, die erschütternden Morde eines Melkers, der 1940 innerhalb von drei Wochen die Mark Brandenburg, Magdeburg und das sudetendeutsche Eger heimsuchte, indem er vier kleine Mädchen an sich lockte, sie missbrauchte und tötete. Schließlich wird der polnische Serienmörder Wignaniec geschildert, der als Fremdarbeiter im westfälischen Osnabrück drei seiner Landsleute ermordete und beraubte. (Klappentext)

Rezension:

Selbst als der Staat sich zum größten aller Massenmörder avancierte, gab es sie, die dunklen Kapitel der klassischen Kriminalistik, die in der Form von Serienmördern die Bevölkerung in Atem hielt. Auch in der absoluten Diktatur konnten diese ihr Unwesen treiben, Behörden und Polizeiorgane narren, welches Menschenleben kostete und für ein dem Anspruch nach alles unter Kontrolle haben wollende Gebilde schlicht Gesichtsverlust bedeutete, würde man den oder die Täter nicht habhaft werden können.

So suchte man möglichst schnell und geräuschlos, teilweise mit Mitteln, wie sie nur in einer Diktatur zur Verfügung stehen konnten, auch den Serienmördern auf die Spur zu kommen, von denen im vorliegenden Werk der Autor Wolfgang Krüger erzählt, beginnend bei den ersten Taten bis hin zur Vollstreckung der gefällten Urteile.

Zunächst wird in dieser schaurigen Sammlung dieser düsteren Seite deutscher Kriminalgeschichte die Definition derer erläutert, die Hauptgegenstand der Betrachtung sind, bevor sich kapitelweise den einzelnen Tätern gewidmet wird. Der Fokus liegt hier auf männliche Serientäter, die jeder für sich eine erschütternde Mordserie zu verantworten haben.

Detailliert beschreibt der Autor sowohl die Vorgehensweise, etwa des Schwarzwälder Serienmörders Josef Schäfer als auch die Umstände, wie dieser und andere ihre Opfer auswählten und nach dem Leben trachteten. Dabei werden Tathergang und Vorgehensweise fast nüchtern detailliert beschrieben als auch, warum selbst in einer so lückenlosen und grausamen Diktatur wie dieser solch ein Morden möglich war.

Teilweise zu plastisch wird dies durch Bilder aus den kriminalistischen Ermittlungsakten, die auch in der Qualität von damals nichts für schwache Gemüter sind. Zeit zum Durchatmen bleibt dabei kaum, denn auch die Ermittlungsarbeit selbst bis zur Aburteilung sind in ihrer historischen Betrachtung sowohl interessant als auch erschreckend.

Wie gingen klassische Behörden damals vor und wann und warum machten sie sich die Organe des NS-Regimes zu Nutze. Hier wäre eine ausführlichere und zuweilen kritischere Betrachtung wünschenswert gewesen, auch über das Verhältnis der einzelnen Kapitel zueinander kann man diskutieren.

Natürlich ist es vor allem der Quellenlage geschuldet, wenn man, in diesem Falle einer Mordserie knapp 60, einer anderen gerade mal fünf Seiten widmen kann, doch sollte man letztere dann überhaupt zur Sprache bringen? Diese kann schon alleine aufgrund des Seitenverhältnisses nicht die gleiche Wirkung auf die Lesenden entfalten, wie andere ausführlichere Schilderungen oder man hätte dieses Kapitel in der Reihenfolge anders sortieren müssen.

Auch ein Rahmen, z. B. durch ein Nachwort fehlt hier, in dem man voran gebrachte Kritikpunkte hätte erläutern können, was die aufgearbeitete Thematik, obwohl interessant, etwas unrund wirken lässt. Trotzdem, für historisch Interessierte eröffnen sich mit der Lektüre sicherlich einige eher unbekannte Aspekte. Und da ist dieses Sachbuch sicherlich eine Ergänzung.

Autor:

Wolfgang Krüger ist Psychotherapeut in eigener Praxis. Ihn beschäftigt seit Jahrzehnten, wie unsre Seele die Gesundheit stärkt. Außerdem publizierte er erfolgreiche Bücher über die Liebe, Treue, Sexualität, Freundschaften, Eifersucht, Geld, Humor , Selbstachtung und Großeltern.

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