Geschichte

Francois Durpaire: Die Präsidentin

Die Präsidentin Book Cover
Die Präsidentin Francois Durpaire (Autor) Graphic Novel Verlag: Jacoby Stuart Hardcover Seiten: 160 ISBN: 978-3-946593-12-6

Handlung:

Niemand soll sagen können, er habe davon nichts gewusst.

In seiner Graphic Novel schildert François Durpaire die ersten 200 Tage von Marine Le Pen im Elysée-Palast, nachdem sie am 7. Mai 2017 in der Stichwahl gewonnen hat. Sie geht sofort ans Werk: 1. Rückkehr zum Franc; 2. NATO-Ausstieg; 3. Schließung der Grenzen; 4. sofortige Ausweisung aller »illegalen« Ausländer; 5. Arbeitsplätze nur noch für Franzosen; 6. Finanzielle Austrocknung der öffentlich-rechtlichen Sender.

Die Folgen sechs Monate nach Le Pens Amtsantritt: Ausländische Investoren meiden das Land, die Kaufkraft ist eingebrochen, die Arbeitslosigkeit in die Höhe geschnellt, und alle Bürger werden vom Geheimdienst bespitzelt … François Durpaire betont: »Ich als Historiker weiß, dass autoritäre Parteien eher dazu neigen, ihre Radikalität im Wahlkampf zu verbergen.

Um ihr dann, einmal im Amt, freien Lauf zu lassen.« Im Europa von heute bliebe eine derartige Entwicklung eines Landes nicht ohne Folgen für die anderen Nationen. Und als wäre das nicht genug, ist dieses Schreckensszenario nicht nur in Frankreich denkbar – ein hochaktuelles Buch für ganz Europa. (Verlagstext)

Das deutsche Vorwort stammt von Ulrich Wickert.

Zeichnungen:

Bis auf das farbige Cover sind alle Zeichnungen in Schwarz-Weiß-Ton gehalten. Dabei wechselt das Format der einzelnen Zeichnungen und die Menge der abgebildeten Szenen je nach Brisanz, Schärfe und gezeigter Situation. Die Schrift ist teils sehr klein gehalten. Viel Text ergänzt die Schärfe der Thematik,

Einordnung:

Dies ist der erste Teil einer Reihe. Der zweite wurde bisher noch nicht ins Deutsche übersetzt.

Rezension:

Der Front National galt lange Zeit als abschreckendes Beispiel, doch rechte und populistische Parteien sind überall in Europa auf den Vormarsch. Während Michel Houllebecq mit seinem Roman “Unterwerfung” das Szenario der Machtübernahme eines muslimischen Präsidenten vorweg nimmt, zeigen Francois Durpaire und Farid Boudjellal die für Frankreich realere Gefahr.

Die Wahl Marine Le Pens zur Präsidentin der Republik. Komplett düster gehalten, in Schwarz-Weiss-Grau, beobachtet der Leser eine Familie von Immigranten, die fassungslos die Verkündung der Ergebnisse der Wahlen vor dem Fernseher verfolgt und darauf beschließt, politisch aktiv zu werden.

Nicht, wie einst die Großmutter in der Bewegung der Resistence mit dem Gewehr, sondern mit der Macht des Wortes. Sie schreiben einen Blog, wissend um die drohende Gefahr, denn Marine Le Pen lässt ihrem Wahlkampf Taten folgen. Taten, die nicht nur für Frankreich, sondern auch für Tariq, Stephane und ihre Freunde Folgen haben werden.

Das Parteiprogramm des Front National analysierend, haben der Historiker und der Zeichner ein faszinierend erschreckendes Portrait dessen geschaffen, was mit Frankreich passiert, wenn es Le Pen und ihrer Partei gelingt, bei den nächsten Präsidentschaftswahlen den Sieg zu erringen.

Der Austritt aus EU; Euro und NATO sind da noch die geringsten Punkte, viel schlimmer werden die Auswirkungen für die Wirtschaft und die Freiheit der Franzosen sein. Der Dreiklang Freiheit-Gleichheit-Brüderlichkeit wird umgekehrt in ein totalitäres System, dessen Grausamkeiten sich wie ein Damokles-Schwert über die Republik erheben und bald nicht nur Immigranten in den Abgrund reißen.

So realitätsnah, wie möglich, beschrieben, zeigt dieses Comic noch viel besser, was nicht nur mit Frankreich, sondern auch in jedem anderen Land Europas passiert, wenn nicht nur Euro-Skeptiker sondern gleich die Rechten die Macht erlangen.

So könnte Marine Le Pen durchaus ersetzt werden, durch eine nicht näher genannte AfD-Politikerin und Frankreich durch Deutschland. Der Effekt wäre gleich. Eine Graphic Novel als letztes Mahnmal, zumindest seine Leser, nachdenklich zu stimmen und über die nächsten anstehenden politischen Wahlen nachzudenken.

Denn, wenn sich dieses Szenario bewahrheitet, könnten es die letzten sein, die einigermaßen geordnet und demokratisch im Mutterland der modernen Demokratie ablaufen werden. Doch, FN-Wähler werden die beiden wohl nicht erreichen, hoffentlich jedoch ein paar Nichtwähler, deren Nichtstimmen sonst den Rechten in die Hände spielen würden.

Denn am Ende gilt es, nicht nur mit Federstrich und Texten einen Wahlsieg der Populisten zu verhindern, sondern ihre Vorstellungen zu verhindern Wirklichkeit werden zu lassen. Am Ende der Geschichte, auf deren Fortsetzung wir in Deutschland, noch warten müssen, steht nicht nur Frankreich vor einem Scherbenhaufen, sondern auch Le Pen selbst. Das Szenario weiter gesponnen, so darf man erwarten, wird in der Fortsetzung jedoch nicht besser.

Ein erschreckendes gut gezeichnetes Szenario, im doppelten Sinne, welches auf- und wachrütteln kann und dies auch soll. Grundlage alleine, eine Analyse der Auswirkungen des Parteiprogrammes der franzöischen Rechten, wenn diese es umsetzen.

Das kann und darf niemand wollen, weshalb es nahezu Pflicht ist, sich mit den Alternativen zu beschäftigen, die allesamt besser sind als das, was uns erwartet. Nicht nur in Frankreich, sondern eben überall. Für Leser mit Brille mag es auf Dauer anstrengend sein, die Winzschrift von Text zu verfolgen (es ist derer viel), die detaillierten harten Zeichnungen entbehren jeder Freundlichkeit eines normalen Comics.

Doch lohnt es sich in die Handlung einzutauchen um eine solche zu verhindern.

Autor:

Francois Durpaire wurde am 14. August 1971 in Wien geboren und ist promovierter Historiker. Sein Spezialgebiet ist Bildung und kulturelle Vielfalt der Vereinigten Staaten von Amerika und Frankreich. Zu diesen Themen berät er regelmäßig Rundfunk- und Fernsehsender.

Seit 2013 ist er Dozent für Erziehungswissenschaften an der Universität Cergy-Pontoise, vorher veröffentlichte er zusammen mit Olivier Richomme eine der ersten nicht-englischsprachigen Biografien über US-Präsident Obama, dessen Sieg er in Frankreich als eine der ersten Kommentatoren voraussagte.

Von 2009 bis 2016 war er Mitglied des Nationalen Komitees Frankreichs zur Erinnerung an die Geschichte der Sklaverei. 2013 unterstützte er zudem eine Initiative von Immigranten für das Erlangen von Wahlrechten in Frankreich, ein Jahr zuvor die Präsidentschaftskampagne von Aurelien Tricot.

Zeichner:

Farid Boudjellal wurde 1953 in Toulon geboren und ist ein französischer Comicautor und Zeichner. Er stammt aus einer algerischstämmigen Familie, wuchs aber in Südfrankreich auf. Mit acht Jahren erkrankte er an Kinderlähmung.

Nach Schule und Universität veröffentlichte er 1978 erstmals Comicstrips in verschiedenen Magazinen, worauf bald sein erstes Album erschien. Seine hauptthemen sind Migration, Behinderungen und der Nahostkonflikt. In Deutschland verwendete Henryk M. Broder eines seiner Zeichnungen als Cover für “Die Irren von Zion”.

Francois Durpaire: Die Präsidentin Read More »

Jim Shepard: Aron und der König der Kinder

Aron und der König der Kinder Book Cover
Aron und der König der Kinder jim Shepard C.H. Beck Erschienen am: 21.01.2016 Seiten: 270 ISBN: 978-3-406-68959-8 Übersetzerin: Claudia Wenner

Inhalt:

Aron, ein kleiner polnisch-jüdischer Junge, ist in seiner nicht gerade kleinen, armen Familie so etwas wie eine Katastrophe auf zwei Beinen. Nichts will ihm so recht glücken und alles macht er kaputt. Doch halb Tom Sawyer, halb Simplicius – er ist ein guter Kerl. Aron hat leider keine Zeit, ein vernünftiger Erwachsener zu werden.

Denn seine Familie zieht nach Warschau, die Deutschen überfallen Polen und die Juden werden ins Ghetto gepfercht. Er freundet sich mit einer Gruppe Jugendlicher an, die für sich und ihre Familien ums Überleben kämpfen, arbeiten, schmuggeln und stehlen und sich immer fragen müssen, wieviel Freundschaft und Liebe sie sich noch leisten können.

Verrat und Tod lauern jederzeit. Als der König der Kinder, der berühmte Arzt und Pädagoge Janusz Korczak, Aron in sein Waisenhaus aufnimmt, beginnt eine ungewöhnliche Freundschaft, die den Jungen verändert und beide über sich hinauswachsen lässt. (Verlagsseite)

Rezension:

Aron ist ein Phänomen. Ein Pechvogel auf zwei Beinen, niemand nimmt ihn ernst und wo er auch ist, passiert ihm und anderen immer ein Unglück. Eine tragikkomische Figur aber auch ein besonderer Mensch. Dennoch nur für besondere Zeiten.

Den Aron ist jüdischer abstammung und lebt ausgerechnet in der Zeit des Zweiten Weltkrieges als die Deutschen Warschau besetzen und alle Juden zwingen, im Ghetto zusammengepfercht, die hereinbrechende Katastrophe über sich ergeehn zu lassen.

Um zu Überleben, seiner Familie und sich zu helfen, schmuggelt er mit Gleichaltrigen lebenswichtiges über die Ghettomauern, von Lebensmitteln bishin zu Kleidung. Dies bleibt nicht unbemerkt, von den deutschen Besatzern und den polnischen Nazi-Kolloberateuren, die sich zu Komplizen der Nazis machen.

Doch Aron und die anderen arrangieren sich. Als Aron aber den Haken in diesem unmenschlichen Pakt und die Kehrseite der Medaille bemerkt, ist es bereits zu spät. Und er klammert sich an die einzige Hoffnung, die er noch hat. Doch, auch Janusz Korczak kann die Katastrophe kaum noch abwenden.

Ein Roman wie ein Schrei, eine Art Blechtrommel für Kinder und Jugendliche aber mehr noch für Erwachsene. Kaum zu begreifen, heute darf man sich glücklich schätzen, die Situation nicht mal mehr ansatzsweise nachvollziehen zu können, ist das Leben derer, welches an sich kaum mehr als solches zu bezeichnen ist.

Zusammengepfercht ums Überleben kämpfend, werden alle menschlichen Regeln auf den Kopf und infrage gestellt, gelten kaum einen Moment und werden im nächsten wieder umgedreht.

Unter diesen Bedingungen leidet der Leser zusammen mit dem Hauptprotagonisten, der Schatten- aber auch positive Seiten hat, zu früh erwachsen werden muss aber dennoch Kind bleibt.

Aron ist eine zwiespältige Figur, die man dennoch oder gerade deswegen aber vor allem seinem Kampf gegen alle Widerstände lieb haben muss. Nicht einmal Janusz Korczak, der innerhalb der Ghettomauern so viel für die Kinder getan hat, gelingt es hier diesen Platz in der Geschichte Shepards einzunehmen.

Der Roman spielt mit dem Leser, wirft ihn hin und her im Strudel der Gefühle, lässt das Unglück zuerst nur erahnen, dann förmlich auf einem zurasen. Und man weiß, es kann und wird nur negativ ausgehen. Shepards Geschichte verträgt kein positives Ende, welches fehl am Platz und unrealistisch wäre.

Um so beeindruckender und bleibender die Quintessenz der Geschichte, dass es nur einen Funken Menschlichkeit braucht, um Gutes zu bewirken, in Erinnerung zu bleiben.

Der Schreibstil dazu passt sich den Figuren an, verschafft das Gefühl einer gewissen Gehetztheit der Figuren, die jeden Tag um ihr Leben bangen müssen, ihrem Schicksal aber kaum ausweichen können und versuchen, es hinauszuzögern.

Ein wunderbarer Roman, der sich kaum fassen oder wirklich genremäßig einordnen lässt. Dazu steckt zu viel in der Geschichte, die man sich unbedingt zu Gemüte führen sollte.

Autor:

Jim Shepard wurde 1956 in Bridgeport/Connecticut geboren und ist ein amerikanischer Schriftsteller und Professort für kreatives Schreiben a, Williams College/Massachusetts. Nach seinem studium veröffentlichte er Arbeiten in verschiedenen amerikanischen Magazinen, u.a. im The New Yorker Magazine.

Eine seiner Kurzgeschichtenreihen wurde für den National Book Award 2007 nominiert. . Er schreibt für Zeitungen, Zeitschriften und für’s Fernsehen. Seine Werke wurden bereits in mehreren Sprachen übersetzt.

Shepard legt dabei Augenmerk auf die unterschiedlichen Sichtweisen seiner Charaktere aufgrund insbesondere von Unterschieden, die aus Sichtweisen aufgrund unterschiedlicher Herkünfte resultieren. Nur für den italienischen Markt schuf er eine extra Kurzgeschichtenreihe.

Jim Shepard: Aron und der König der Kinder Read More »

Michael Brenner: Israel – Traum und Wirklichkeit des jüdischen Staates

Israel - Traum und Wirklichkeit des jüdischen Staates Book Cover
Israel – Traum und Wirklichkeit des jüdischen Staates Michael Brenner C.H. Beck Erschienen am: 21.01.2016 Seiten: 288 ISBN: 978-3-406-68822-5

Inhalt:

Juden waren über Jahrhunderte verfolgte Außenseiter. Die Gründung des Staatsollte endlich eine ganz normale Heimat für sie schaffen. Doch heute sieht sich der jüdische Staat selbst in der Rolle des misstrauisch beobachteten Außenseites.

Michael Brenner erklärt, wie es dazu kommen konnte. Er verwebt auf meisterhafte Weise die politische und gesellschaftliche Entwicklung Israels mit der Geschichte seiner Selbstentwürfe, Träume und Traumata. Nur wer diese Tiefendimensionen kennt, kann das große kleine Land, das immer wieder die Welt in Atem hält, wirklich verstehen. (Klappentext)

Rezension:

Über kaum ein anderes Land wird im Verhältnis zu seiner Bevölkerungszahl und Flächengröße so unverhältnismäßig viel berichtet, wie über Israel, ist dieser Staat doch ein künstlich geschaffenes Gebilder in einer schon damalig existierenden Konfliktregion, was nicht gerade zum Frieden unter den bereits dort lebenden Menschen beigetragen hat.

Hinzu kommt, dass die Menschen inner- wie außerhalb immernoch eine Definition für dieses Land suchen, was die Welt in Atem hält. Wie definiert sich die Heimstätte der juden? Was ist das überhaupt? Welche Religion sollte die Religion spielen?

Basis sein für eine Gesellschaft oder eher lose Werte-Orientierung? Wer ist Israeli, wer nicht, wer ist jüdischer Staatsbürger und wer kann dazu werden? Welche Rechte und Pflichten hat welche gesellschaftliche Gruppe in diesem Mittelmeer-Anrainerstaat und wo liegen die Grenzen? Geografisch, politisch, gesekllschaftlich, religiös und überhaupt?

Diese Fragen führten unter den jüdischen wie auch nicht-jüdischen Gruppen auf der ganzen Welt immer wieder zu Diskussionen undunüberbrückbaren Streitigkeiten, die heutzutage wieder zu Spannungen führen, die Israel um seine Zukunft bangen lassen.

Ideologische und religiöse Grabenkämpfe werden zwischend den Nachfahren der Holocaust-Überlebenden in In- und Ausland geführt. Immer wieder bestimmen Fragen über Einwanderer, Auswanderer, Rückkehrer und Juden in Israel selbst und der Welt sowie so die Wahlkämpfe und Regierungskoalitionen israelischer Politiker und am Ende bleibt nur eines.

Der israelische Staat sieht sich als besonderer Staat, der normal sein will, ein “klein Albanien” unter den Ländern der Erde, es aber nicht sein kann, da sein Volk schon seit jeher eine Sonderrolle hat.

Und damit ist schwer umzugehen. Für Juden, Israelis und für den Rest der Welt schwer zu verstehen und kaum zu lösen. Michael Brenner erklärt hier eindrucksvoll, warum gerade Israel nicht zu begreifen ist aber uns immer wieder faszinieren und gleichzeitig erschrecken vermag.

Warum dieser kleine Staat, der kum so groß ist wie das Bundesland Hessen, in nahezu jeder gesellschaftlichen und politischen Frage vor einer Zerreißprobe steht und die Zukunft des hochtechnologisierten Landes gerade heute auf dem Spiel steht.

Wer Israel verstehen möchte, wird dieses Buch mit Gewinn lesen, hat am Ende jedoch mehr Fragen auf der Zunge, die sich Israel stellen muss, soll dieses Land auch weiterhin eine Existenzberechtigung haben.

Wohlgemerkt, diese stellen heute nicht zuletzt die jüdische Bevölkerung selbst infrage, deren Dreh- und Angelpunkte im Spannungsfeld zwischen dem säkularem Tel Aviv, dem religiösen Jerusalem, dem politischen Washington D.C. und der wieder anziehenden Metropole Berlin liegen.

Michael Brenner greift dies auf, verlangt dem Leser Konzentration und Denkvermögen ab und stößt einen gesellschaftlichen Diskurs an, der von den Juden geführt werden muss. Nur dann hat Israel seine Berechtigung und eine Chance, weiterhin den Stellenwert zu halten, den das Land in der Welt heute einnimmt.

Autor:

Michael Brenner wurde 1964 in Weiden geboren und wuchs als sohn zweier Shoa-Überlebenden in Bayern auf. Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Jüdische geschichte und Kultur an der Universität München und Direktor des Center vor Israel Studies an der American University in Washington D.C.

Seit 2009 ist er ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und wurde 2014 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Er veröffentlichte zahlreiche Publikationen zum Thema Jüdische Geschiche, u.a. “Kleine Jüdische Geschichte”, im Jahr 2008.

Michael Brenner: Israel – Traum und Wirklichkeit des jüdischen Staates Read More »

Michel Bergmann: Alles was war

Alles was war Book Cover
Alles was war Michel Bergmann Verlag: dtv Taschenbuch Seiten: 127 ISBN: 978-3-423-14457-5

Inhalt:

Ein alter Mann beobachtet heimlich ein Kind. Wie der Zehnjährige morgens zur Schule geht, wie er zu Hause am Bett des kranken Vaters sitzt, der das KZ überlebt hat. Wie der Junge ›Moby Dick‹ liest, am Zeitungsstand neben ›Quick‹ und ›Revue‹ die Comics entdeckt, im Café Kranzler Kakao trinkt.

Wie die Jahre vergehen, das Kind zum Mann wird und gegen die übermächtige Mutter aufbegehrt, während das Land sich allmählich verändert und doch stets mit seiner dunklen Vergangenheit wird leben müssen. Wer ist der Alte, der so viel über das Leben des Jungen weiß? Eine Geschichte voller Magie über eine Jugend in Deutschland nach dem Krieg.(Amazon Text)

Rezension:

Hier einmal eine biografische Erzählung aus ganz besonderer Perspektive. Michel Bergmann beobachtet sich selbst als Kind, dass in Frankfurt am Main aufwächst, der Finanzmetropole, die sie später werden sollte. Noch aber sind die Nachwehen des letzten Krieges zu verdauern.

Michel und seine Freunde spielen in Trümmern und fast jede Familie hat Verluste zu beklagen. Nicht nur Michel als Kind jüdischer Eltern hat Verluste zu beklagen. Doch, das Leben muss weitergehen. Die Mutter versorgt den kränkelnden Vater, der schließlich an den Folgen von KZ und Gestapo-Folter stirbt und baut sich nebenher ein Geschäft auf, um die Familie zu versorgen. Der Junge ist ihr Ein und Alles. Überbehütet und streng erzogen. Ihr einziger Grund weiterzuleben.

Michel, der Junge, geht zur Schule und beobachtet seine Umgebung. Die wenigen Besuche im Cafe Kranzler, das Spielen mit Freunden, schreckliche und inspirierende Lehrer und nicht zuletzt die bevorstehende Bar Mizwa, aufregende Höhepunkte eines an sich glücklichen Lebens, zumindest an der Oberfläche.

Darunter brodelt es gewaltig. Der Junge bekommt mit, mit den Jahren immer mehr, was die Erwachsenen vor ihm zu verbergen suchen. Familiäre wie wirtschaftliche Probleme als die Firma der Mutter ins Trudeln gerät, der immer noch schwelende Antisemitismus unter Lehrern und anderen Autoritätspersonen und später, schon als Volontär bei der Frankfurter Rundschau die Auschwitz-Prozesse. Angestoßen durch Generalstaatsanwalt Fritz Bauer.

Eine beeindruckende Biografie, schon als Kind vorzuweißen, schaffen nur wenige oder gerade die, die beeindruckend erzählen können. Michel Bergmann schafft dies, nicht zuletzt durch die Erzählperspektive als sich selbst beobachtender Beobachter.

Auf wenigen Seiten kurz gefasst, die einzelnen Kapitel lassen sich flüssig und schnell lesen, amüsant und abwechselnd nachdenklich melancholisch, dann wieder kritisch zu sich selbst und seiner Familie.

Er zeigt auf seine Umgebung mit den damaligen Augen eines Kindes, welches erst behütet durch die Eltern, sich später beginnt seinen Platz zu erobern. Wenn auch nicht immer freiwillig aber in jedem Fall empfehlenswert zu lesen.

Autor:

Michel Bergmann wurde 1945 als Kind jüdischer Eltern in einem Internierungslager in der Schweiz geboren und wuchs in Paris und Frankfurt/Main auf.

Nach dem Abitur machte er eine Ausbildung zum Journalisten bei der Frankfurter Rundschau, danach arbeitete er als freier Journalist. Er arbeiete als Autor, Regisseur und Produzent und begann Drehbücher zu schreiben. Seine Trilogie über jüdisches Leben in Frankfurt am Main der Nachkriegszeit wurde ein promter Erfolg.

Michel Bergmann: Alles was war Read More »

Anthony Beevor: Der Spanische Bürgerkrieg 1936-1939

Der Spanische Bürgerkrieg 1936-1939 Book Cover
Der Spanische Bürgerkrieg 1936-1939 Autor: Anthony Beevor Pantheon Verlag Erschienen am: 18.01.2016 Seiten: 654
(inkl. Register, Karten usw.)
ISBN: 978-3-570-55147-9

Inhalt:

Der Spanische Bürgerkrieg wurde zum Trauma für das moderne Spanien und ist in der Gesellschaft bis heute spürbar. Im Kampf der Volksfront, die von großen Teilen der europäischen Intellektuellen ideell und militärisch unterstützt wurde, gegen die Nationalisten unter General Franco, hinter dem das nationalsozialistische Deutschland und das faschistische Italien standen, bekämpften sich die beiden großen Ideologien des 20. Jahrhunderts.

Antony Beevor erzählt die Geschichte des Spanischen Bürgerkriegs und seiner Folgen aus der Perspektive unserer Zeit. Meisterhaft entwirrt er die komplexen gesamtpolitischen und innerspanischen Ursachen des kreiges und zeigt den dramatischen Verlauf bis hin zur katastrophalen Niederlage der Republikaner 1939. (Klappentext)

Rezension:

Der Pantheon-Verlag zeichnet sich im deutschsprachigen Raum für die Herausgabe gut recherchierter geschichts- und populärwissenschaftlicher Werke aus, vor allem im Bereich Geschichte, Biografien und politischen Zusammenhängen und so ist folgerichtig auch dieses Sachbuch von Antony Beevor dort erschien.

Gut recherchiert, gestützt auf umfangreichen Karten- und noch dickeren Quellenmaterial, hat sich der Autor auf eine Zeitreise in das Spanien zur Zeit des Bürgerkriegs 1036-1939 begeben und schlüsselt detailliert auf, wie es zu diesem Vorspiel des Zweiten Weltkriegs kommen konnte, in dem zukünftige Kriegsgegner Techniken, Waffensysteme, Formationen und Ideologien testen konnten.

Zu Lasten der spanischen Bevölkerung, die getrieben von den Vorstellungen und Herrschaftswillen beider Kriegsparteien immer tiefer in Elend und Verzweiflung versank.

Antony Beevor gelingt dabei das Kunststück beiden Seiten gerecht zu werden, sich nicht auf die eine zu stellen und die andere zu vernachlässigen, sondern analysiert konsequent Ursachen und Wirkung der einzelnen Vorkommnisse des Krieges auf beiden Seiten, von denen hierzulande im Prinzip nur die Schlacht um Guernica einigermaßen bekannt ist.

Und so gelingt ein tiefer umfassender Einblick in das Spanien der 1930er Jahre, besonders erschreckend mit dem heutigen Wissen, was ein paar Länder weiter auf dem Kontinent in den Folgejahren passieren sollte. Antony Beevor ist mit dieser Ausarbeitung ein Standardwerk gelungen, welches in einer reihe gestellt werden kann, etwa mit Ian Kershaws Hitler-Biografie.

Wer um diese Zeitepoche sein Wissen umfassend erweitern möchte, sich für spanische Geschichte interessiert,wird nicht umhin kommen, sich das Sachbuch des britischen Historikers vorzunehmen und intensiv zu lesen.

Aufgelockert, so gut es eben geht, durch Karten- und Fotomaterial, sind die Zusammenhänge verständlich erklärt, wenn es auch nicht an Konzentration fehlen darf, sich damit zu beschäftigen. Man muss dabei bleiben, darf sich nicht ablenken lassen, um die teilweise ineinander-greifenden Ereignisse zu verstehen und nicht durcheinander zu geraten.

In dieser Gefahr gerät der Leser jedoch bei nahezu jedem ernstzunehmenden Werk, welches sich eines komplexen großen Themas annimmt. Dies kann man dem Autoren schlecht vorwerfen. Ansonsten ist es gut lesbar flüssig geschrieben, Begriffe wie etwas damalig politisch aktive Gruppierungen werden in einem Glossar am Ende nochmals erklärt und das Kartenmaterial tut ein Übriges, sich eine Übersicht verschaffen zu können.

Einzig dieses hätte ich mir an den entsprechenden Stellen gewünscht, wo die darauf abgebildeten Ereignisse auch beschrieben sind, doch da man es hier mit einem beinahe wissenschaftlichen Werk zu tun hat, befindet sich dieses “Zusatzmaterial” eben im Anhang des Buches. Wer also nicht davor scheut, zwischendurch zu blättern, kein großer Akt, hält ein sehr gutes Werk historischer Aufarbeitung in den Händen.

Autor:

Antony James Beevor wurde am 14. dezember 1946 geboren und ist ein britischer Historiker. er besuchte das Winchester College und studierte an der Royal Military Academy in Sandhurst, nahm Unterricht bei dem Historiker John Keegan. Er diente als Berufsoffizier der britischen Armee, bevor er mit dem Schreiben begann und ist mit der Schriftstellerin Artemis Cooper verheiratet.

Beevor ist verantwortlich für die Recherche zu mehreren Dokumentationen der BBC und Verfasser histroischer Sachbücher zum Thema Stalingrad, Spanischer Bürgerkrieg oder der Schlacht um Berlin 1945. Seine Ausarbeitungen wurden mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Wolfson History Prize.

Anthony Beevor: Der Spanische Bürgerkrieg 1936-1939 Read More »

Steffen Möller: Viva Warszawa

Viva Warszawa Book Cover
Viva Warszawa Steffen Möller Malik Erschienen am: 01.08.2016 Seiten: 296 ISBN: 978-3-89029-459-9

Inhalt:

Lässige Strandbars am Flussufer, phantasievolle Biomärkte, eine kochende Klubszene und über 400 Kilometer Radwege, nicht zu vergessen der schönste Wolkenkratzer diesseits des Atlantiks! Steffen Möller, der sich vor gut zwanzig Jahren in Polen verliebte, lädt uns in seine Wahlheimat ein, die heute so attraktiv ist wie nie zuvor.

Er verrät, warum die Warschauer über ihre Einmachgläser lachen und in ganz Polen als trickreiche Kombinierer gelten. Wer schon einmal über die Grenze geschaut, aber außer Zigaretten eigentlich nichts mitgebracht hat, bekommt jetzt eine zweite Chance…

Rezension:

Es gibt wohl kaum ein Land im östlichen Europa, was bei uns Deutschen mit so vielen Vorurteilen zu kämpfen hat, wie Polen. Ich selbst kenne eine Geschichte, tatsächlich passiert, wo übernacht von einer Baustelle ein ganzer Baukran verschwand und auch dem polnischen Tourismusverband wird ja der Spruch angelastet: “Reisen Sie nach Polen.

Ihr Auto ist schon dort.” Und so hat das Land an der Weichsel einen einigermaßen schweren Stand, zumal der Hauptgrund nach Polen zu fahren, jahrelang der günstige Handel an der Grenze war und nicht etwa die malerischen Strände und Buchten an der Ostsee oder die ursprünglichen Dörfer und Wälder im Landesinneren.

Auch die Städte Polens waren nicht unbedingt Reiseziel Nr. 1, doch dieses Land hat all das und vieles mehr zu bieten. Allen voran Warschau. Die quirlige Metropole erstaunt Touristen, verärgert nicht-hauptstädtische Polen, provoziert und begeistert, zeigt seine Facetten nicht gleich, sondern erst auf dem zweiten Blick.

Steffen Möller nimmt uns mit auf eine phantastische Führung in einer der verkanntesten Städte Europas. Der Autor gibt Ausflugs- und Geheimdienst, läd ein, sich mit der Geschichte der stadt zu beschäftigen und erläuert Kuriositäten.

Warum ist die Altstadt alles, nur nicht alt? Wo gibt es die besten Pfannkuchen in ganz Polen? Die Liebe zu Chopin und die Lieblingsfeindschaft Krakau-Warschau.

Der Unterschied zwischen Deutschen und Polen und warum man sich eigentlich ganz ähnlich ist und welche unbekannten Episoden der Geschichte jedes polnische Schulkind zu nennen weiß, von denen ein Deutscher keine Ahnung hat?

Warum ist der Koloss von Warschau so beliebt und weshalb wächst inmitten der stadt eine Palme? Bei diesem Klima.

Der Autor reiht Episode an Episode, nie langweilig, immer authentisch, manchmal spannend, oft witzig aneinander und hat mit “Viva Warszawa” ein Buch für beide geschrieben. Polen und Deutsche, die sich näher sind als sie denken.

Früher führte man Kriege, heute pflegt man Kontakte und wirtschaftliche Beziehungen, lernt voneinander und kennt doch den Nachbarn nur wenig. Möller nimmt mit seinem Buch, welches man zur Unterhaltung, als Einstimmung auf den nächsten Städtetrip, Tippgeber, gar als Reiseführer lesen kann in diese pulsierende Stadt, die zu faszinieren vermag.

Dem Leser wird danach das Reisefieber packen und die Lust, all das selbst anzusehen und zu erleben.

Autor:

Steffen Möller wurde 1969 in Wolfhagen geboren und wuchs in Wuppertal auf. Er zog 1994 nach Warschau. Als Schauspieler und Entertainer ist er der bekannteste Deutsche in Polen, war vorher als Deutschlehrer tätig.

Für sein Wirken um die deutsch-polnische Verständigung wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Er ist Autor mehrerer Bücher und lebt seit 2010 teils in der deutschen, teils in der polnischen Hauptstadt.

Steffen Möller: Viva Warszawa Read More »

Günter Lucks: Der rote Hitlerjunge

Der rote Hitlerjunge Book Cover
Der rote Hitlerjunge Günter Lucks Rowohlt Taschenbuch Erschienen am: 31.07.2015 Seiten: 234 ISBN: 978-3-499-62923-5

Handlung:

Ein Familienbild aus den Arbeiterbezirken des Hamburger Ostens in den 30er Jahren: Der Stiefvater ist Kommunist, der Vater gar im Rotfrontkämpferbund. Der eine Großvater ist Monarchist, der andere ein kommunistischer Schneider, der Onkel wiederum Sozialdemokrat. Die Stiefmutter aber schwärmt für Hitler.

Und plötzlich will der kleine Günter zum Schrecken seines Vaters in die Hitlerjugend. Günter Lucks erzählt die Geschichte seiner abenteuerlichen Kindheit, einer Kindheit zwischen den Extremen. Sie spielt in einem untergegangenen Großstadtmilieu, von dem aus erster Hand heute kaum noch ein Zeitzeuge berichten kann. (Klappentext)

Einordnung Genre:

Dieses Buch ist autobiographisch, weshalb ich es hier eingeordnet habe. Es könnte aber genau so gut bei Kinder- und Jugendbüchern stehen, da es das Erleben einer Zeitepoche aus Kindersicht erzählt.

Wenn man es als solche Literatur betrachtet, empfehle ich das Buch für 13- bis 14-jährige, die schon mit einigen Begriffen Kontakt hatten und damit umgehen können. Aufgrund der anderen Bücher des Autors, habe ich mich trotzdem für “Biographie” entschieden.

Rezension:

Es ist eine sonderbare Welt in der der kleine Günter aufwächst. Die Wirtschaft kriselt, im armen Hamburger Arbeiterbezirk sowie so und seine Eltern verehren die KPD-Größen Etkar Andre oder Fiete Schulz. Seine Eltern streiten sich über den Sinn eines Weihnachtsfestes, was der Vater als entschieden zu bürgerlich ablehnt und die Regierungen wechseln schnell.

Doch, dann kommt Hitler an die Macht. Günter darf nicht mehr sagen, was er will, zumindest in der Öffentlichkeit nicht, überall werden jetzt Menschen “abgeholt”, die den neuen Machthabern nicht genehm sind.

Und der Junge beginnt sich zunehmend für die Hitlerjugend zu interessieren. Er bewundert die Uniform, die jetzt “alle” in seinem Alter tragen, doch wird er bald erkennen, wie ernst der Spagat zwischen Privatheit und Öffentlichkeit ist. und so wird er schließlich Hitlerjunge, aber ein roter.

Ein kleines faszinierendes Büchlein über eine Kinder-Biografie, wie sie für Hamburg in dieser Zeit vielleicht nicht einmal so selten gewesen sein dürfte. Den Leser nimmt der Autor mit auf eine Reise durch eine heute nicht mehr existierende Welt, beschreibt einfühlend die Sorgen, den Zwiespalt, die Ängste und später auch den Hunger und die Katastrophe, unter die die Menschen litten.

Mit all den damit verbundenen Problemen und den Spagat, den die Menschen zu leisten hatten. Aus Kinder- und Jugendsicht einer Generation, die viel zu schnell erwachsen werden musste. Der Schreibstil klar und deutlich, kann das Buch auch von jüngeren Lesern gelesen werden, die an das Thema herangeführt werden wollen oder einfach nur erfahren möchte, wie Kinder ihres Alters diese Zeit erlebt haben.

Gleichwohl richtet sich Lucks nicht an eine bestimmte Zielgruppe und erzählt einfach nur aus seiner Sicht. Ohne irgendetwas zu beschönigen oder wegzureden. Es gibt da keine Längen. Mit “Der rote Hitlerjunge” ist ein interessanter Zeitzeugenbericht entstanden, der es in sich hat und das Dilemma einer Kindheit beschreibt, die viel zu schnell beendet wurde.

Autor:

Günter Lucks wurde 1928 in Hamburg geboren und besuchte die Volksschule. Nach einer Ausbildung bei der Post arbeitete er bis zur Rente in der Druckerei und bei der Poststelle des Axel Springer Verlags.

In den Hamburger Bombennächten wehrend des “Feuersturms” verlor er mehrere Familienmitglieder u.a. seinen Bruder. er veröffentlichte mehrere Bücher über seine Zeit als Kriegskind oder als Kindersoldat unter Hitler.

Günter Lucks: Der rote Hitlerjunge Read More »

Bo Lidegaard: Die Ausnahme

Die Ausnahme Book Cover
Die Ausnahme Bo Lidegaard Blessing Verlag Seiten: 592 Hardcover ISBN: 978-3-89667-510-1 Übersetzerin: Yvonne Badal

Inhalt:

“Die Geschichte der Rettung der dänischen Juden ist nur ein winziger Teil der gewaltigen Geschichte der Shoah. Aber sie erteilt uns eine Lektion. Denn sie erzählt vom Selbsterhaltungstrieb, vom zivilen Ungehorsam und von der Hilfe, die fast ein ganzes Volk leistete, weil es sich empört und zornig gegn die Deportation seiner Landsleute auflehnte.

Somit ist es auch die Geschichte von einer Gesellschaft, die kein Jota von ihrem Rechts- und Unrechtsempfinden wich, und das, während sie der überlegenen Macht deutscher Besatzer unterstand.” (Klappentext)

Rezension:

Eine der tragenden Säulen des NS-Regimes war die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung Europas und um so deutlicher sich abzeichnete, dass der Krieg nicht zu gewinnen war, um so grausamer und energischer wurde dieses Ziel verfolgt.

Und kostete schließlich über 6 Milionen Menschen das Leben. Doch nicht überall gelang dies den Häschern der Nazis, immer wieder gab es auch Menschen, die sich der kalten Ideologie entzogen und ihre ausgestoßenen Mitbürger schützten.

Unter Gefahr für ihr eigenes Leben. Bulgarien und Dänemark gelang es sogar fast die komplette jüdische Bevölkerung ihres Landes zu schützen, Ausnahme in Zeiten des Terrors.

Vom Sonderweg Dänemarks, dass winzig klein unter einem übermächtigen Gegner litt und ihn trotzdem Grenzen aufzeigte, berichtet Bo Lidegaard kenntnis- und detailreich anhand von Tagebuchaufzeichnungen und Archivfunden.

Er stellt dar, wie es einem ganzen Land im Konsens gelang, und unter dem Auge der deutschen Besatzer, über 6000 Menschen in Sicherheit zu bringen. Praktisch über Nacht. Und wie das Rechtsbewusstsein und die Menschlichkeit einer Nation über Unmenschlichkeit und Grausamkeit triumphierte.

Der Sonderweg Dänemarks ist nur ein kleines aber bedeutendes Kapitel in der europäischen, vor allem aber in der dänischen Geschichte, welcher erst seit einigen Jahren beachtet und erforscht wird. Noch liegt vieles im Dunkeln.

Was waren die tatsächlichen Beweggründe der deutschen Besatzer wegzusehen als ein ganzes Land vor ihren Augen die jüdische Bevölkerung schützte? Warum funktionierte hier der NS-Terror nicht, der nur ein paar Landesgrenzen weiter etwa die Niederlande oder noch schlimer Polen in Griff hielt?

Weshalb hielten König, Politiker, Staatssekretäre, Beamte und nicht zuletzt ein Volk zusammen und rangen den Deutschen imer wieder Konzensionen gegenüber “ihren” Juden ab?

Wieso lenkten selbst Männer wie Himmler und Eichmmann ein, der nach seiner Festnahme durch den israelischen Geheimdienst in Argentinien aussagte, dass Dänemark ihm die größten Probleme bereitet habe?

Diese Fragen stellt sich Bo Lidegaard und analysiert scharfsinnig die Gründe anzhand von Augenzeugenberichten und Tagebuchaufzeichnungen Betroffener.

Er zeigt dabei auf, dass ein Land keineswegs machtlos war gegenüber den übermächtigen Gegner NS-Deutschland und dass es durchaus gelingen konnte, unter der Besatzung zu leben ohne sich selbst zu verraten.

Gelungen ist dies aus einer Vielzahl von Gründen die freilich nur auf Dänemark zutrafen und auf keines der anderen besetzten Länder hätten Anwendung finden können. Gerade deshalb ist es jedoch wichtig daran zu erinnern. An den Funken Menschlichkeit, Glück und Hilfsbereitschaft einer ganzen Nation in einer dunklen Zeit.

Autor:

Bo Lidegaard wurde 1953 in Nuuk, Grönland geboren und studierte nach dem Abitur Geschichte. Nach seinem Abschluss des Studiums trat er in den Auswärtigen Dienst Dänemarks ein und übernahm zunächst die Leitung einer sektion des Außenministeriums.

Von 1987 bis 1990 arbeitete er bei der Ständigen Vertretung der Vereinten Nationen in Genf als Sekretär und wurde nach seiner Rückkehr nach Dänemark Forschungswissenschaftler der Dänischen Königlichen Bibliothek in Kopenhagen.

Danach arbeitete er im außenpolitischen Ausschuss des Folketing und als Botschaftsrat in der Dänischen Botschaft in Paris. Nach verschiedenen weiteren außenpolitischen Stationen übernahm er 2011 die Chefredaktion der dänischen Zeitung Politiken.

Bo Lidegaard: Die Ausnahme Read More »

Selma Lagerlöf: Nils Holgerssons wunderbare Reise durch Schweden

Nils Holgerssons wunderbare Reise durch Schweden Book Cover
Nils Holgerssons wunderbare Reise durch Schweden Selma Lagerlöf Verlag: Die andere Bibliothek Hardcover Seiten: 704 ISBN: 978-3-8477-1359-3 Übersetzer: Thomas Steinfeld

Handlung:

Endlich kann Nils Holgersson reisen, wie es sich Selma Lagerlöf gewünscht hat: der Welterfolg der Literaturnobelpreisträgerin liegt nun neu und erstmals vollständig in einer Übertragung von Thomas Steinfeld vor, die das wunderbare Schwedisch einer vergangenen Epoche bewahrt.

Bereichert ist diese Ausgabe mit den Zeichnungen von Bertil Lybeck aus dem Jahr 1962. (Klappentext)

Rezension:

Die Handlung dieses Werkes dürfte bekannt sein. Ein Junge, cholerisch, Streiche spielend, nur Unsinn im Kopf, ein Tierquäler und Faulpelz wird zur Strafe für seine Untaten auf Wichtelgröße geschrumpft und reist fortan mit der zahmen Hausgans Marten und einer Schar Wildgänse durch das weite Schweden.

Und lernt in Konfrontation mit neuen Feinden wie dem bösartigen Fuchs Smirre, einer Schar Krähen oder einer Horde Ratten, wie es ist, sich richtig zu verhalten, überlegt zu handeln und sich gut und achtsam anderen gegenüber zu verhandeln.

Eine Charakterwandlung die am Ende als Belohnung mit dem Wiedererlangen der normalen Körpergröße und der freudigen Zusammenkunft mit seinen Eltern belohnt wird.

Doch, wer bisher Übersetzungen aus dem Schwedischen in den Händen gehalten hat, hat nicht die gesamte Reise Nils Holgerssons mitbekommen, denn den meisten Übersetzungen lagen selbst gekürzte Ausgaben des Originals zu Grudne, von denen Selma Lagerlöf auch einige verfasste.

Ursprünglich war ihr Auftrag, ein Schulbuch zu schreiben, was umfassend über die geographischen Gegebenheiten des Landes informieren sollte. Zudem sollte es unterhaltsam sein und eine Sagensammlung aller Landesteile und wurde dabei schlicht zu umfangreich.

Also kürzte die Autorin selbst, schrieb eine neue Fassung für den Unterricht und auch heute noch wird an den schwedischen Vorlagen herumgeschraubt. Da werden Sätze, ganze Seiten zusammengestrichen, Handlungen und Landschaftsbeschreibungen gekürzt, teilweise gar etwas dazu geschrieben, was so niemals im Original drinnen stand.

So ist es auch nicht verwudnerlich, dass es zumindest eine deutsche Fassung früheren Datums gibt, die von sich behauptet, vollständig zu sein. Selbst da fehlt einiges. Nämlich an die 15 % des ursprünglichen Textes, wie im Nachwort zu lesen ist.

Und so liegt nun, mit der Übersetzung von Thomas Steinfeld, erstmals eine wirklich vollständige Ausgabe im deutschen Sprachraum vor, die dafür für den Preis der Leipziger Buchmesse 2015 nominiert war.

Der Übersetzer gibt vor, sich so nah wie nur irgend möglich am schwedischen Original von 1906 gehalten zu haben. Illustiriert ist das Werk mit den Zeichnungen von Bertil Lybeck, die dem schwedischen Druck von 1962 entnommen und dort inzwischen ebenfalls Allgemeingut geworden sind.

Im Nachwort meldet sich der Übersetzer selbst zu Wort, berichtet von der Entstehung des Originals und der Geschichte aller bisherigen Übersetzungen, die sich fast genau so spannend liest wie Nils Holgerssons Reise selbst.

Wer eine wunderschöne und vollständige, illustrierte und informative, unterhaltende und literarisch wertvolle Ausgabe dieser schwedischen Geschichte im Regal stehen haben oder, noch besser, lesen möchte, sollte sich diese Ausgabe unbedingt zulegen.

Autorin:

Selma Lagerlöf wurde 1858 auf Gut Marbacka, im heutigen Sunne, Värmland in Schweden geboren und starb 1940 am selben Ort. Die schwedische Schriftstellerin war zunächst Lehrerin an einer Mädchenschule und schlug damit einen für Frauen damalig ungewöhnliche fast akademischen Weg ein.

1909 erhielt sie als erste Frau den Nobelpreis für Literatur und wurde 1914 in die Schwedische Akademie aufgenommen. 1906 schrieb sie “Nils Hogerssons wunderbare Reise durch Schweden”, ihr Debut gab sie mit “Gösta Berling”, welches in Schweden 1891 erschien.

Selma Lagerlöf: Nils Holgerssons wunderbare Reise durch Schweden Read More »

Marie Ruth Krizkova: Ist meine Heimat der Ghettowall?

Ist meine Heimat der Ghettowall? Book Cover
Ist meine Heimat der Ghettowall? Marie Ruth Krizkova (u.a.) Aventium (dt. Dausien Werner) Seiten: 208 Seiten: 208 Hardcover Übersetzerin: Lenka Reinerova

Inhalt:

Gedichte, Prosa und Zeichnungen der Kinder von Theresienstadt. (Klappentext)

Rezension:

Terezin ist heute eine ganz normale Stadt, in dessen historischen Gebäuden wieder ein paar hundert Menschen leben. Es gibt eine Schule, mehrere kulturelle Einrichtungen, Läden und ein paar Gaststätten, ansonsten jedoch trieft jeder Quadratmeter Boden förmlich vor Geschichte, die grausamer nicht sein könnte.

Dort, wo heute wieder Tschechen, wie einst zu Gründungszeiten der Garnisonsstadt lebten, befand sich in der Zeit der Besetzung durch die Deutschen im Zweiten Weltkrieg das Altersghetto und Durchgangslager Theresienstadt, welches für die meisten tschechischen Juden nur Zwischenstation auf dem Weg in den Tod war.

Doch konnte sich dort, wenn auch zumeist im Verborgenen, kulturelles Leben entfalten. In der Hoffnung, weiterzuleben, aus Angst und Verzweiflung und gegen die Widerstaände ihrer Unterdrücker.

Besonders den Kleinsten und Schwächsten, den Kindern und Jugendlichen, wollten die Erwachsenen so viel Normalität wie möglich geben und vor allem Möglichkeiten und Fähigkeiten für eine Zeit nach dem Krieg.

Eine Gruppe von zwölf- bis vierzehnjährigen Jungen schrieb in dieser Zeit, in der ihre Zukunft im Ungewissen lag, eine beeindruckende Sammlung von Texten und Gedichten, schrieb und zeichnete förmlich um ihr Leben, welches für die meisten all zu schnell gewaltsam beendet werden sollte.

Übrig blieben manche ihrer Werke, die die Jungen handschriftlich festhielten, in der Untergrundzeitung “Vedem” (“Wir führen”) bündelten und unter der Hand weiterreichten, bis sie jeder gelesen hatte und die nächste Ausgabe erschien.

In jeder ihrer Zeilen sind die Ängste und Hoffnungen, die Verzweiflung aber auch kleine und große Ereignisse im Ghetto-“Alltag” spürbar. Man möchte weinen, ob der Zukunft, um die jungen wie Petr Ginz oder Hanus Hachenburg etc. betrogen wurden.

Berührt von den Zeichnungen und den Gedichten dieser im Übermaß begabten Jungen, die nichts anderes verbrochen hatten als in der falschen Zeit zu leben und einen anderen Glauben zu haben, hält man inne und denkt über die Schicksale und die kurzen Leben nach.

Und auch über die Leben, die die Kinder hätten führen können, hätte man sie gelassen. Es ist den wenigen Überlebenden des Terrors zu verdanken, dass die Texte ihrer Kinderfreunde und Kameraden der Nachwelt erhalten geblieben und veröffentlicht wurden sind.

Jeder einzelne ist dabei erstaunlich qualitativ hochwertig, besonders wenn man das Alter der Verfasser berücksichtigt.

Zu schade, um in Vergessenheit zu geraten, zu schade, um nur in den Souvenirshops Prags und Terezins, wo man heute verschiedene Museen zur Kriegs- und zur Geschichte des Ghettos besichtigen kann, erhältlich zu sein, gibt es diese Sammlung von Lyrik und Prosa-Texten auch in deutscher Sprache.

Nicht nur im Gedenken an die Opfer Theresienstadts, auch sonst lohnt sich das Lesen dieses Werkes.

Autorin:

Marie Ruth Krizkova wurde 1936 in Milicin geboren und lebt seit 1972 in Prag. 1968 schloss sie ihr Pädagogik-Studium ab und spezialisierte sich auf Literaturgeschichte. Sie promovierte 1991.

In den sechziger Jahren arbeitete sie u.a. als Lehrerin und Postsortiererin und war Mitunterzeichnerin der Charta 77 gegen Menschenrechtsverletzungen des kommunistischen Regimes in der Tschechoslowakei.

Ihr Augenmerk gilt der redaktionellen Aufarbeitung der schriftlichen Werke, die aus dem Ghetto Theresienstadt heraus entstanden sind, welche sie bis 1989 nicht publizieren durfte. Sie leidet einen tschechischen Literatur-Wettbewerb für junge Dichter und arbeitet eng mit Theatern und Kulturbühnen Tschechiens zusammen.

Marie Ruth Krizkova: Ist meine Heimat der Ghettowall? Read More »