Hinderk Emrich: Welche Farbe hat der Montag?

Inhalt:

Blauer Wein oder Buchstaben, zu denen bestimmte Farben gehören, farbige Himmelsrichtungen oder Musik, die hörend auch in Formen und Strukturen erlebt wird. Wer solche Wahrnehmungen hat, gehört zu den Synästhetikern. Lange wurde dieses Phänomen von der Wissenschaft wenig beachtet. Das ist heute anders, auch dank Psychiatern wie Hinderk Emrich. Dieses Buch präsentiert nicht nur den Standpunkt der modernen Neurowissenschaft zum Rätsel Synästhesie; es wagt sich auch in philosophische Randgebiete. Wie sieht das Leben eines Synästhetikers aus und wie funktioniert unsere Wahrnehmung überhaupt? (Klappentext)

Rezension:
Schmeckt die Bratwurst blau und klingt der Montag rot, gehören die jenigen, die so wahrnehmen zu den Synästhetikern, eben so wie jene, die Musik in Formen vor sich ablaufen sehen oder Zahlreihen und gesprochene Wörter farbig vor den Augen ablaufen sehen. Vielleicht erzeugt aber auch das Wort Schokolade einen Geschmack nach Melone im Mund, während Kakao sich zitronengelb anfühlt?

Auch dann ist man nicht unbedingt verrückt, sondern lebt mit Sinnesverknüpfungen, die nur bei vergleichsweisewenigen Menschen vorkommen. Dieses Phänomen ist in Einzelheiten schon seit Jahrhunderten bekannt, wird jedoch erst seit wenigen Jahren ernsthaft erforscht. Nun wurde der aktuelle Wissensstand in diesem sehr detaillierten Sachbuch einmal zusammengefasst.

Zunächst einmal muss unterschieden werden zwischen dem, was Synästhesie ausmacht und Subjektivität bedeutet, bevor dann die Funktionialität der Sinne und einzelner Hirnregionen erklärt wird. Was ist angeborene Synästheie? Kann man sie erwerben und wieder verlieren? Das tun die Autoren im ersten Teil ihres kompakten Sachbuchs, welches zwar anspruchsvoll wirkt, jedoch auch für Laien verständlich beschrieben wird.

Unterstützt wird dies durch Grafiken zur Veranschaulichungen, nicht zuletzt auch Darstellungen, wie bestimmte Details von den betroffenen Personenkreis gesehen wird und warum eine Erforschung dessen lange Zeit nur schwer möglich war. Dabei werden sehr schnell einige Jahrzehnte Wissenschaftsgeschichte heruntergebrochen, immer mit Beispielen hinterlegt als Wegmarken.

Wer diesen teilweise doch trockenen Teil durchgestanden hat, kommt zu den Erfahrungsberichten von Synästhetikern, die die ganze Vielfalt des Spektrums darstellen und zeigen, wie sie, für die das Leben mit verknüpften Sinnen Alltag ist, eben diesen erleben und wo dies zu weilen zu Irritationen führt, zudem, wenn man selbst erst feststellen muss, dass Andere die Welt nicht so wahrnehmen. Gerade hier hätte ich mir noch mehr Texte gewünscht, da diese die Arbeit ungemein abrunden und Einblicke geben, in etwas, was die meisten Betroffenen als Bereicherung oder zumindest nicht als störend empfinden.

Für mich, der zumindest ein verstärktes Farbempfinden hat (Ein Rasen etwa hat für mich nicht nur einen Grünton. Ich denke, immer mehrere als gewöhnlich zu sehen. Ist das schon Synästhesie?) war dies hoch spannend zu lesen, wenn auch einige Schreibfehler hoffentlich mit den nächsten Auflagen korrigiert werden. Irgendetwas ist doch immer.

Nur eine Frage, welche Farbe hat nun für euch der Montag?

Autoren:

Hinderk Emrich wurde 1943 in der Nähe von Kassel geboren und war ein deutscher Psychiater, Psychoanalytiker und Philosoph. Als Wissenschaftler und Kliniker war er darum bemüht, geisteswissenschaftliche und neurobiologische Grundlagen seiner Disziplin zu integrieren und daraus Schlüsse für individuelle Therapien und gesellschaftliche Entwürfe zu ziehen. Emrich war Ordinarios für Psychiatrie und Psychotherapie an der Medizinischen Hochschule Hannover, 1992 bis 2008 und hielt verschiedene Lehraufträge an geisteswissenschaftlichen Fakultäten. Er starb im Jahr 2018.

Markus Zedler studierte 1989 bis 1996 Medizin und schrieb seine Dissertation 1998. Danach arbeitete er mit Emrich an der Psychiatrischen Universitätsklinik, ist Oberarzt seit dem Jahr 2000. Er leitete das Heroin Behandlungszentrum von 2002 bis 2007 und studierte Gesundheitsmanagement. Zudem leitete er den Arbeitskreis Synästhesie in Hannover. Aktuell ist er an der Medizinischen Hochschule in Hannover tätig.

Udo Schneider, Co-Autor. Leider keine biografischen Informationen gefunden.

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