NH: Herzlich willkommen, auf der Leipziger Buchmesse 2018. Bei mir ist Divina Michaelis, die im Selbstverlag neben den Beruf Erotik-Romane schreibt. Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
DM: Eigentlich ging es damals darum, dass ich eine Phantasie mit mir herumgeschleppt habe, aber sehr prüde erzogen worden bin. So etwas schaut man sich nicht an, so etwas schreibt man nicht. Irgendwann ist meine Phantasie mit mir durchgegangen und ich habe gedacht, du kannst ja erst einmal nur für dich selbst schreiben. Es geht ja eigentlich nicht um andere, sondern ich habe erst einmal nur für mich geschrieben. Dass ich dann irgendwann nach außen gegangen bin, kam dann viel später.
NH: Sie haben bereits zu Schulzeiten geschrieben. Nicht in dem Genre zwar, aber…
DM: Nein. Im schulischen Bereich habe ich für die Schülerzeitung nur Satiren geschrieben. Danach lange Zeit gar nichts mehr.
NH: Was hat dann den Ausschlag gegeben, zu sagen, jetzt fange ich an zu schreiben? Jetzt versuche ich mich in einem komplett anderen Genre.
DM: Es ging eigentlich nur um diese eine Phantasie, dass ich die tatsächlich zu Papier bringen wollte. Das war halt eine erotische Phantasie gewesen, weshalb ich dann auch Erotik geschrieben habe. Und das hat ja dann auch fünf Jahre gedauert, also dass war noch richtig Arbeit.
Die Self-Publisherin und Erotikautorin Divina Michaelis.
NH: Jetzt war das ja ein Schreiben neben den Beruf. Wie war die Reaktion, als Sie an die Öffentlichkeit gingen? Ich kann mir vorstellen, wenn das jemand rauskriegt… Wissen das die Kollegen?
DM: Also, jetzt wissen es alle. Vorher war das mehr so, dass ich lange Zeit in einem Flirt- und Liebesforum als Moderatorin gearbeitet habe, und da haben einige auch schon etwas mitgekriegt. Ich habe aber nie gesagt, hier, ich schreibe Erotik. Das haben die nie zu lesen gekriegt, von daher war das für die uninteressant.
Das ging erst los, als ich dann tatsächlich veröffentlicht habe und anfing, auch zu verkaufen. Dann habe ich das natürlich auch in der Firma kommuniziert, und ich stehe dazu. Wie heißt es so schön? Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Also, von daher…
NH: Jetzt können Sie schreiben.
DM: Ja.
NH: Es ist so, dass das Genre in den Buchhandlungen von der hintersten Ecke auf den Präsentierteller gelandet ist. Macht es das leichter, so etwas zu schreiben?
DM: Nö.
NH: Wie entwickelt man diese Geschichten, denn Ihre Protagonisten sind nun nicht gerade klischeehaft? Die Geschichten selbst auch nicht.
DM: Ich habe schon viele erotische Geschichten gelesen und oft ist es wirklich sehr klischeehaft, was ich gar nicht mag. In einem Buch muss Spannung drin sein und Handlung. Wie entwickelt man das? Im Prinzip denke ich mir Figuren aus, die in eine Situation hineinkommen, die total ungewöhnlich ist.
Dann überlege ich mir, wie geht die Figur damit um. Sie muss natürlich vom Charakter her so sein, dass es passt, wie sie damit umgeht, sie muss sich entwickeln können. Ich habe keinen Plot wie anderer Schriftsteller oder einen Plan, sondern ich fange an zu schreiben und dann entwickelt sich das von alleine.
Autorin: Divina Michaelis
Titel: Die Entdeckung des Homo Serpentes
Seiten: 322
ISBN: 978-1523356980
Verlag: Qindie Selfpublishing
NH: Sie planen und schauen, was passiert.
DM: Meine Figuren entwickeln ein Eigenleben.
NH: Was passiert, wenn dass dann nicht in die Richtung geht, wo Sie hinwollten?
DM: Dann streiche ich schon mal ein paar Kapitel.
NH: Die Löschtaste umfasst dann schon mal zwanzig Seiten (DM: Das habe ich schon mal gemacht.) Und dann muss man wieder von vorne anfangen.
DM: Wenn es sich entwickelt, und es passt nicht zu den Figuren, dann fange ich an zu löschen. Die Figuren entwickeln dieses Eigenleben und bestimmen die Geschichte. Das ist wie im eigenen Leben. Es prallen verschiedene Charaktere aufeinander und die müssen damit umgehen. Daraus entwickelt sich dann, wie es weitergeht.
NH: Das Besondere haben wir schon angesprochen, aber warum im Selbstverlag? Hat sich noch kein Verlag interessiert oder wollten die etwas völlig anderes?
DM: Es kamen schon Verlage auf mich zu, die gesagt haben, den Roman finden sie toll. Ein Vorschuss wurde mir angeboten. Den sollte ich aber in zwei Teile teilen, dass so ein Verlag daran verdient.
Der hätte einen neuen Titel bekommen, was mir nicht gepasst hätte und ein Mainstream-Cover bekommen. Das bin nicht mehr ich. Die Bücher sollen die Geschichte darstellen und es muss auch mir gefallen.
NH: Das bonbonrosa Cover…
DM: Jaaah, und mit nackten Mann vorne drauf und solche sachen. Das ist nicht mein Stil. Immerhin werden meine Bücher nicht nur von Frauen gelesen, sondern auch von Männern. Wenn man dann so eine Art Frau-umarmt Mann… Das liest kein Mann.
NH: Wissen Sie, wie viele Männer und Frauen Ihre Romane lesen? Gibt es da Zahlen, wer liest? Kommt man da überhaupt heran, so im Eigenverlag?
DM: Jaein. Ich habe “feste” Männer, die wirklich jedes Buch von mir lesen. Von denen weiß ich das. Ich habe damals bei BookRix (Plattform für Ebooks) angefangen, bevor ich verkauft habe. Dort habe ich veröffentlicht und dort Resonanz bekommen. Von Männern und Frauen, dass sie es gut fanden. Von daher weiß ich auch, das meine Leser gemischt sind.
NH: Nehmen wir an, für die, die planen, selbst zu veröffentlichen, Sie haben eine Geschichte geschrieben. Es passiert alles in eigener Verantwortung, auch dann die Fehler, wenn das Buch im Handel ist.
DM: Es sollte ja im Handel möglichst fehlerfrei sein, das heißt, ich gebe es erst einmal nach Außerhalb zum Korrigieren und Lektorieren. Glücklicherweise bin ich gut, was Formulierungen etwa angeht und von daher finden die dann nicht sehr viel.
Natürlich findet man den einen oder anderen Fehler im Verlagsbuch, bei mir auch. Im Großen und Ganzen passe ich aber sehr auf, dass es eben nicht fehlerbehaftet ist, wenn’s in den Handel kommt.
NH: Man kontrolliert ja alles selbst. Wie viel Vorlauf braucht es, bis eine Geschichte veröffentlicht wird, vom Schreiben selbst bis es die Leser lesen können?
DM: Das Schreiben selbst dauert ziemlich lange.
NH: Fünf Jahre sind die Ausnahme?
DM: Fünf Jahre sind die Ausnahme. So lange habe ich für mein erstes Buch gebraucht, welches man übrigens gar nicht kaufen kann. Man kann es online lesen, aber mit einem Logikfehler und daher mag ich das nicht verkaufen.
(Nebengedanke von mir: Daran sollten sich einige Autoren ein Beispiel nehmen. Oder doch nicht, dann wären die Buchhandlungen ja leer.)
DM: Das nächste Buch hat dann drei Jahre gedauert, das folgende neun Monate. Nur das reine Schreiben. Korrektur und Lektorat mindestens zwei Monate. Danach lasse ich es eine Weile liegen und gehe dann noch einmal drüber, ändere dort und hier und das dauert dann auch schon mal vier Monate.
NH: Welche Rolle spielt für Sie Qindie? Wie hilft diese Organisation bei dieser Arbeit?
DM: Qindie wurde 2013 gegründet, als Netzwerk, wo sich Autoren finden, die eben qualitativ gute Bücher herausbringen wollen. Dort gibt es auch Korrektoren und Lektoren.
Man kann sich bei Qindie als Autor mit seinem Werk bewerben und dann wird geschaut. Ist es korrigiert, sind Kommafehler drin. Dieses Siegel gibt es nur, wenn das alles nicht ist. Von daher bin ich glücklich, weil’s ein gutes Zeichen für die Leser ist.
Was ist Qindie genau? Und was tut es genau für Self-Publisher? Hier klicken.
NH: Das gibt es oft, dass viele Aspekte der Nacharbeit, wie eben das Lektorat, vernachlässigt werden, was das Selfpublishing nicht immer einen guten Ruf verschafft.
DM: Leider ja.
DM: Jedes schlechte Buch, was von einem Selfpublisher herausgebracht wird, zieht andere mit runter. Der Leser sagt, Selfpublishing möchte ich nicht, weil es schlecht korrigiert und lektoriert ist, und das ist schade.
NH: Das Buch ist draußen. Es wurde lektoriert, das Cover ist in Ordnung und als Autor steht man dahinter. Wie sollte man vorgehen, um sich im Selfpublishing zu präsentieren?
DM: Ich bin ein großer Freund von Leseproben oder Vorgeschichten zu veröffentlichen, damit sich der Leser einen Eindruck davon verschaffen kann, wie die Geschichte geschrieben ist, ob sie dem eigenen Geschmack entspricht. Meistens ist es so, wenn der Leser Blut geleckt hat, liest er weiter, wenn es ihm nicht gefällt, werden sie von der Hauptgeschichte ferngehalten, so dass es da auch schon weniger negative Rezensionen gibt.
NH: Überarbeiten Sie dann auch schon mal Geschichten?
DM: Nein.
NH: Inwiefern beachten Sie Rezensionen? Man ist ja doch als selpublisher davon abhängig, oder?
DM: So viele Rezensionen habe ich leider nicht., aber ich würde mich darüber freuen. Normalerweise ist es so, die Geschmäcker sind verschieden. Die jenigen, die eine Rezension schreiben, die negativ ist, ist meist so, die Geschichte gefällt mir nicht, die ist zu pornös oder sie ist zu wenig erotisch.
Da hat jeder einen anderen Geschmack und ich kann nichts dagegen tun. Es ist halt so. Und ich werde nicht meine Schreibweise ändern, denn ich habe viele Leser, die genau diese gut finden. Wogegen man etwas machen könnte, wären z.B. Rechtschreibfehler. Ich habe letztens eine Rezension bekommen, wo ich mich ziemlich geärgert habe.
Autorin: Divina Michaelis
Titel: Bizarre erotische Geschichten
Seiten: 232
SBN: 978-1517212575
Verlag: Qindie Selfpublishing
Die Frau hat geschrieben, meine Bücher wimmeln vor Fehlern und das stimmt nicht. Sie sind alle nach den neuen Deutschen Rechtschreibregeln, nach den Duden korrigiert. Wahrscheinlich denkt sie, dass da Fehler drin sind, da sie anders schreiben würde. Sie schreibt halt nicht nach den neuen Deutschen Rechtschreibregeln und damit ist das Thema durch.
Es ist für mich ärgerlich, weil es dann in einer Rezension steht. Ein Anderer liest das und will das nicht lesen.
NH: Kommentieren Sie solche Rezensionen?
DM: Selten. Bei dieser habe ich das gemacht. Normalerweise lasse ich das bleiben. Es ist ansonsten unprofessionell als Autor, eine Rezension zu kommentieren.
Wenn einem Leser das Buch nicht gefällt, weil er eine andere Meinung hat, was soll ich das kommentieren? Eine andere Meinung ist sein gutes Recht. Das werde ich nicht ändern, wenn ich schreibe, dass das aber ein ganz tolles Buch ist.
NH: Du bist ua bei buechertreff.de aktiv, das ist das größte deutschsprachige Literaturforum im Netz. Sollte man sich auf einer solchen Plattform als Selfpublisher einbringen, oder eben einer anderen, egal ob Youtube oder ähnliches?
DM: Es bringt nichts, sich auf einer Plattform anzumelden, sein Buch zu bewerben und dann nie wieder zu kommen. Das nehemn normalerweise die Mitglieder übel. Man muss sich einbringen. Nicht nur als Autor, sondern auch als Mensch.
NH: Also auch zeigen, ich schreibe nicht nur, sondern lese auch anderes.
DM: Und ich bin an sich ein starker Leser. Dieses Jahr schon 32 oder 33 Bücher, neben dem Schreiben, und von daher habe ich dann auch meine Berechtigung als Leser bei buechertreff.de. Man kann als Plattform auch BookRix oder NeoBooks nennen.
Die können als Distributoren für die Autoren auftreten, die werben auch für die Bücher, wenn die gut geschrieben sind. Das gibt schon Unterstützung.
NH: Sie sind Vielleser. In wie fern läuft man dann Gefahr Dinge zu kopieren? Sebastian Fitzek hat gesagt, jede Liebesgeschichte lässt sich irgendwie auf “Romeo und Julia” runterbrechen. Etwas völlig Neues zu erfinden, ist schwierig.
DM: Ist es, aber das ist die Herausforderung und ich liebe Herausforderungen. Bei mir ist es so, dass ich nicht ein Buch neu schreiben würde wollen, wenn ich es nicht gut fände. Auf eine Idee von einem anderen Autoren aufbauen, das mache ich nicht. Ich entwickle eigene Ideen.
NH: Gab es das auch schon mal umgekehrt?
DM: Gesehen habe ich das noch nicht, aber es gibt so viele Bücher und Möglichkeiten, dass man das nicht überblicken kann. Wenn, dann müsste jemand auf mich zutreten und sagen, hier hat jemand kopiert, aber das ist noch nicht passiert.
NH: Ihre nächsten Projekte. Gibt es da schon Pläne?
DM: Momentan schreibe ich gerade an einer Endzeitromanze. Die Erde ist ziemlich zerstört wurden und es gibt nicht mehr viele Menschen. Da sie auch immer weniger werden, gibt es gewisse Gesetze, die in die Richtung gehen, in der ich schreibe, und damit müssen die Protagonisten klarkommen. Aber es ist eine Romanze, nicht so abenteuermäßig.
NH: Ich habe letztes Jahr das Experiment gemacht, ein Buch von Ihnen zu lesen, obwohl es so gar nicht zu dem gehört, was ich sonst lese. Wie schreiben sich solche manchmal diese sehr konkreten Szenen?
DM: Na ja, ich schreibe so, dass der Leser ins Schwitzen kommt, aber es muss mich auch betreffen. Aber ich habe auch schon eine Szene geschrieben, wo jemand gestorben ist. Ich habe Rotz und Wasser geheult.
NH: Das wäre jetzt das andere Extrem. Sie versuchen also die gesamte Bandbreite der menschlichen Gefühle in die Geschichten zu integrieren.
DM: Ich versuche die menschlichen Gefühle zu beschreiben und nicht die Erotik ist drin, damit es eine Handlung gibt, sondern die Erotik entsteht aus der Handlung heraus.
NH: Dann freuen wir uns auf den nächsten Roman, der die Leser ins Schwitzen bringt, und mir bleibt nur zu sagen, danke für das Gespräch.
DM: Vielen Dank.
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