Rezension

Bernd Fischerauer: Burli

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Burli Bernd Fischerauer Verlag: Picus Erschienen am: 27.02.2017 Seiten: 287 ISBN: 978-3-7117-2046-7

Inhalt:

Adolf, genannt Burli, erlebt in den Jahren des Wirtschaftswunders nicht nur erste erotische Freuden, er steht auch knapp davor, die Nazi-Vergangenheit seines Vaters, des biederen Keksvertreters, aufzudecken. Ein spannender Schelmenroman, der heftig am Mythos der Stunde Null kratzt. (Klappentext)

Rezension:

Verantwortlich sind wir dafür nicht, aber Verantwortung tragen wir dafür. Dieser Satz könnte Arbeitstitel für diesen Roman gewesen sein und so tauchen wir in die Geschichte eines Teenagers ein, der ein gut gehütetes Geheimnis aufdeckt.

Eigentlich könnte Adolf, von allem zu seinem Überdruss Burli genannt, in den Tag hineinleben. Der Dreizehnjährige brilliert in der Schule, schreibt Artikel für die Jugendseite der städtischen Zeitung und macht bei Schultheaterproben mit, um seiner Angebeteten näher zu sein.

Zudem macht der Pubertierende erste erotische Abenteuer und auch sonst ist das Leben in Graz und Umgebung schön. Wenn man einmal von den Eltern absieht, die streng seine kleine Schwester und ihn züchtigen, und den alten Zeiten nachtrauern.

Es ist die Zeit des Wirtschaftswunders, die Nachkriegszeit in Österreich. Doch, Burli bekommt eines Tages ein Foto zu Gesicht, welches sein Leben verändern und die heile Welt seiner Familie zum Einsturz bringen wird.

Der österreichische Schriftsteller Bernd Fischerauer hat kurz vor seinem Tode mit „Burli“ einen wichtigen Roman herausgebracht, den es unbedingt zu beachten gilt. Die Verarbeitung der verdrängten Vergangenheit, sein Lebensthema, findet hier ihren Abschluss und so sticht die Erzählung in Wunden, die Ewiggestrige nur allzu gerne verschlossen sehen.

In dichter Folge drängen sich kurzweilige Kapitel aneinander, die aus Perspektive eines Nicht-mehr-Kindes-aber-auch-noch-nicht-Erwachsenen, die Misere aufzeigen, in deren Konflikt sich mehrere Generationen direkt nach den Zweiten Weltkrieg befanden.

Zum einen die Elterngeneration, die sich oft genug auf die Befehlsgewalt gerufen und von allem nichts gewusst haben will, zum anderen die Kinder und Juigendlichen, die die grausamen auswirkungen nicht mehr bewusst erlebt, aber das Handeln ihrer Eltern in Frage gestellt hatten.

Diesen Spagat aufzuzeigen, mit Hilfe des sympathischen Protagonisten Burli, ist Fischerauer überaus gelungen.

Eine Lösung bietet der Autor freilich nicht. Am Ende bleiben Schmerz und Scherben, und die Erkenntnis, dass die einst so angebeteten Erwachsenen auch nur Menschen sind, die Fehler machen. In diesem Falle sind sie unverzeihlich.

Fischerauer stellt die Selbstinszenierung der Kriegsgeneration gegen die Unschuld der nachfolgenden, die zurecht hinterfragt. Auch wenn’s weh tut. Wer hat was wann im Krieg getan und warum? Wer stand auf welcher Seite und wer hat aus begangenen Fehlern gelernt?

Fragen, für die man mancherorts ausgegrenzt und als Nestbeschmutzer beschimpft wurde, die aber viel zu wenig gestellt wurden. Alleine, dass es in diesem Roman Burli tut, ist eine Wohltat. Durchsetzt mit viel Humor wird die ernste Handlung aufgelockert, nicht zuletzt die Beschreibungen der amorösen Abenteuer tun ihr übriges, um den Lesern ein Schmunzeln ins Gesicht zu zaubern. Teenager sind doch zu jeder Zeit dann doch irgendwie gleich.

Der beschriebene Umbruch vom Kind zum Jugendlichen, zum werdenden Schriftsteller, hat Fischerauer in Form seines Protagonisten unglaublich nahbar beschrieben. Jede Zeile einfühlsam, die Spannung wird nur langsam aufgebaut, hält sich aber über die ganze Erzählung.

Wenn man dem Autor etwas ankreiden möchte, und das ist Meckern auf ziemlich hohen Niveau, ist es, dass er die Geschichte nicht zu Ende geschrieben hat.

Tatsächlich ist das Ende nicht harmonisch (im Sinne von stilistisch rund und schlüssig). Ansonsten aber ist „Burli“ eine wunderbare Erzählung über das Ende der Kindheit, die erste Liebe, Fehlleitungen der Eltern, einer Gesellschaft im Umbruch, dem Hinterfragen der Vergangenheit und ein Spiegelbild der österreichischen Nachkriegszeit.

Im Hinblick auf das Heute wäre es vielleicht wünschenswert, hätte es mehr Burlis dieser Art gegeben.

Autor:

Bernd Fischerauer wurde 1953 in Graz geboren und war ein österreichischer Regisseur, Schauspieeler, Drehbuch- und Romanautor. Der zuletzt in München lebende Autor studierte nach dem Abitur in Graz und beendete dies mit der Regieklasse, 1965. 1968 begann er mit ersten Inszenierungen, die er ab 1969 am Wiener Volkstheater fortsetzte.

In den 1970er Jahren schrieb er zunehmend Drehbücher für’s Fernsehen und arbeitete ab 1971/72 als Regisseur. 1982 inszenierte er den Film „Blut und Ehre – Jugend unter Hitler“. Für seine Arbeit erhielt er mehrere Auszeichnungen und Nominierungen, darunter der Adolf-Grimme-Preis.

2017 erschienen zwei Bücher von ihm, „Burli“ darunter ist sein erster Roman gewesen. Fischerauer starb 2017 in München, wo er zuletzt lebte.

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Guido Knopp: Meine Geschichte

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Meine Geschichte Guido Knopp C. Bertelsmann Erschienen am: 13.11.2017 Seiten: 320 ISBN: 978-3-570-10321-0

Inhalt:

Mister History blickt zurück: Guido Knopp, der das neue Geschichtsfernsehen prägte und damit für Millionen Zuschauer zum wichtigsten Geschichtslehrer wurde, verknüpft pointiert und anekdotenreich zentrale gesellschaftliche und politische Entwicklungen der vergangenen sechs Jahrzehnte mit prägenden autobiografischen Stationen und persönlichen Erlebnissen.

Immer vor dem Hintergrund seines Lebensthemas, der deutschen Geschichte. Ein Buch nicht nur für seine Zuschauer und Leser, die ihm über Jahrzehnte treu geblieben sind. (Klappentext)

Rezension:
Geschichte muss nicht trocken sein, nicht langweilig oder gar oberlehrerhaft rübergebracht werden, um ihrer gerecht zu werden. Im Gegenteil, ist sie doch in all ihren Facetten spannend und durchaus erkenntnisreich. Im Guten, wie auch im Schlechten.

Wenn es ein Fazit bedarf, welches man aus Guido Knopps Arbeit ziehen darf. Lehrer setzen seine Dokumentationen im Unterricht ein, Wiederholungen einzelner Senderreihen bringen den Schwestersendern des ZDF immer noch gute Quoten, DVD-Verkäufe inmmer noch ordentliche Ergebnisse.

Doch, wer war der Mann, der als Initiator hinter all den Dokumentationen steckte, dem oft vorgworfen wurde, zweifelhafte Personen der Geschichte zu verherrlichen, der neue Dokumentationstechniken anwendete, die heute zum Standard gehören und das Geschichtsverständnis nun schon mehrerer Generationen zumindest mitprägte? Wer war Mr. History?

Erzählt wird seine Geschichte nun von ihm selbst. In seiner Biografie „Meine Geschichte“ zeichnet Guido Knopp, gespickt immer wieder mit amüsanten Anekdoten, sein Leben nach und immer wieder auch ein Stück Fernsehgeschichte des ZDF.

Er berichtet von dem Aufbau seiner Redaktion bis zur Gestaltung der ersten Sendungen, gibt Einblick in den Aufwand, der hinter all den zahlreichen Dokumentationen steckt und wirft einen humorvollen Blick auf seine Kritiker, die ihm seine Erfolge mitunter neideten.

Er beschreibt das Wie und Warum, erklärt, wie Neuerungen in der fernsehtechnischen Gestaltung zunächst das Feuilleton althergebrachter Zeitungen verärgerte, und es zum Ruf der „Verknoppung“ der Geschichte kam.

Kurzweilig und spannend, wie auch seine Beiträge, seine Dokumentationen zur deutschen Geschichte ist auch seine eigene. Wer „Fan“ seiner Arbeiten ist, empfiehlt sich die Lektüre ohnehin, wer Kritiker ist, dem sei „Meine Geschichte aus dem C.Bertelsmann-Verlag ebenfalls ans Herz gelegt.

Wie entstanden bestimmte Sendungen, welcher Aufwand, der für den Zuschauer so nicht sichtbar ist, musste betrieben werden, um Sendereihen zu komplizierten Themen zu füllen, gerade wenn die Türen sich nur per Staubsauger öffnen ließen (sinnbildlich gesprochen)?

Wo waren die Grenzen der ZDF Redaktion Zeitgeschichte und wie die Resonanz in Deutschland, Europa und der Welt? Welche Historiker arbeiteten im Hintergrund mit, welche historischen Persönlichkeiten, von Berühmt bis zum zufällig gewesenen Zeitzeugen gaben Einblicke in die Geschehnisse?

Guido Knopp erinnert sich und kann sich damit getrost einreihen, in die Aufzeichnungen der Gespräche, die er und sein Team mit den verschiedensten Interviewpartnern geführt haben.

Das Kind des Wirtschaftswunders, welches die brotlose Kunst der Geschichte studierte, und diese selbst so spannend zu erzählen wusste, wie einst sein Lehrer auf seinem Gymnasium und sich damit um seiner Lieblingsthematik verdient machte.

Interessenten, die nicht zuletzt ein Stück Fernsehgeschichte nachempfinden und einen Blick hinter die Kulissen werfen möchten, und auch sonst, eine unbedingte Leseempfehlung. Geschichte ist spannend wie ein Krimi und es unbedingt wert, sie zu erzählen.

Was ist eigentlich "Verknoppung"?

Guido Knopp setzte als einer der ersten Spielszenen ein, wo historisches Filmmaterial nicht ausreichte, bestimmte Ereignisse der Geschichte darzustellen. Heute ein gängiges Mittel in den Fernsehtechniken unserer Zeit, war dies damals noch eine neue ungewohnte Technik.

„Nicht authentisch“, lautete das Urteil einiger großer Zeitungen. Zudem wurde Geschichte erstmals nicht nur chronologsich erzählt, sondern anhand von bestimmten Ebenen (z.B. anhand von Personenhierarchien), um eine bessere Nachvollziehbarkeit zu gewähren. Auch dies damals ein Novum.

Zudem wurde historisches Filmmaterial mit Kommentaren unterlegt, Personen nicht vor wertenden, sondern neutralen Hintergründen interviewt.

Auch dies, und die Präsentation geschichtlicher Themen, nicht „oberlehrerhaft“, zur Primetime, um für Aufklärung Reichweite zu bringen, brachten Guido Knopp und seiner Redaktion bestimmte Kritiken ein. Andere, wie Johannes Rau oder Simon Wiesenthal lobten Knopp für seinen Beitrag zum Geschichtsverständnis seiner Zuschauer.

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Autor:
Guido Knopp wurde 1948 geboren und ist ein deutscher Journalist, Historiker, Publizist und Moderator. Nach der Schule studierte er Geschichte, Politik und Publizistik und arbeitete zunächst als Redakteur verschiedener Zeitungen.

So war er u.a. für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und der „Welt am Sonntag“ tätig. 1978 wechselte er zum ZDF und leidete ab 1984 die von ihm initiierte Redaktion „Zeitgeschichte“. Neben der Podiumsdiskussionsreihe „Aschaffenburger Gespräche“ verantwortete er zahlreiche Dokumentationsreihen zur deutschen Geschichte.

Seit 2010 ist er Vorsitzender des Vereins „Unsere Geschichte. Das Gedächtnis der Nation.“ Guido Knopp erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u.a. die „Goldene Kamera“ oder den „Emmy“. Er lebt mit seiner Familie in Mainz.

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Sergej Lukianenko: Quazi

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Quazi Sergej Lukianenko Heyne Erschienen am: 13.11.2017 Seiten: 397 ISBN: 978-3-453-31852-6

Inhalt:

Russland in naher Zukunft. Nach einer mysteriösen Katastrophe hat sich die Welt auf dramatische Weise verändert: Auferstandene, sogenannte Quazis, leben nun Seite an Seite mit den Menschen.

Eine Tatsache, mit der sich der Moskauer Polizeibeamte Denis Simonow nicht abfinden kann, denn er hegt einen ganz privaten Hass auf die Quazis. Doch dann wird ihm einer der Auferstandenen als Partner zugeteilt – in einem Fall, der tief in das Geheimnis um die Quazis führt… (Klappentext)

Rezension:

Das Spiel um die Zukunft der Menschen beginnt harmlos. Der russische Polizeibeamte Denis Simonow bekommt einen Quazi zugeteilt, um in einem Kriminalfall zu ermitteln. Es gibt nur ein Problem, Quazis sind anders als normale Menschen und Simonow zutiefst verhasst.

Bald stoßen die beiden ungleichen Ermittler in Geheimnisse vor, die zutiefst beunruhigen. Steht den Menschen nach der nicht näher definierten großen Katastrophe ein weiteres Unglück bevor, welches sie entgültig zu vernichten und die Quatzi zum Herrscher über den Planeten zu werden droht? Oder ist friedliche Koexistenz möglich?

Dazu müssen Denis und der Quazi Michael ihre Vorurteile über Bord werfen und zusammenarbeiten. Doch, können sie einander trauen?

Sergej Lukianenko schickt seine Leser mit dem Roman „Quazi“ wieder einmal auf eine phantastische Reise durch ein düsteres Zukunftsszenario für Russland, welches auch hierzulande zum Bestseller asvancieren dürfen.

Klar und spannend geschrieben, legt die Geschichte ein rasantes Tempo vor und behandelt die großen Themen: Sind die Menschen wirklich die Krone der Schöpfung? Gibt es Leben nach dem Tod und wenn ja, zu welchen Preis könnte dies möglich sein?

Ist dies überhauopt erstrebenswert und wie weit würde man gehen, um praktisch Unsterblichkeit zu erlangen? Selbst, wenn das Zwischenstadium eine Art Höllendasein (Nein, kein Schreibfehler.) wäre.

Der Leser wird in die Geschichte hinein geworfen, direkt ins kalte Wasser. So, wie der Beginn, sind auch die Protagonisten. Scharfkantig und nicht immer sympathisch, werden am Rande moralische Fragen in die Handlung eingewoben.

Zudem merkt man auch diesem Monumentalwerk der Fantasy wieder an, dass der Autor ein Psychologiestudium hinter sich hat. So schnell gelingt es kaum einen anderen seine Leser in den Bann zu ziehen und in den Strudel dicht aufeinander folgender Ereignisse hinen zu ziehen.

Die Geschichte selbst, sie wirkt. Als Einzelband, wie auch als Reihenauftakt, was bei Lukianenko durchaus möglich wäre. Allein, sicher ist dies nicht.

Stetiger Spannungsaufbau und ein rasantes Erzähltempo sorgen für gute Unterhaltung, welche man bei dem Autor auch erwarten darf. Nicht mehr und nicht weniger. Hohe Literatur ist dies nicht, jedoch gibt es im Fantasy nur weniges was auf vergleichbarer Höhe agieren kann.

Der Leser erlebt die Berg- und Talfahrt aus der Sicht des Hauptprotagonisten und betet darum, dass es nie so sein wird, wie in diesen Zeilen beschrieben. Die Story jedoch weiterzuverfolgen, wäre wünschenswert.

Auch um der Anspielungen auf den Alltag und große politische Fragen unserer Zeit willens. Dies macht Lukianenko hier wieder sehr geschickt, dass es förmlich zur Suche danach einlädt. Für alle anderen, die nicht danach fahnden, ergibt sich dennoch ein spannendes Abenteuer, gespickt mit den großen Fragen der Menschen.

Was wäre wenn..? Die Antwort (z.B. nach einem Leben nach dem Tod, zum Preis des Verlusts bestimmter Eigenschaften aus dem vorherigen Leben) muss der Leser selbst finden. Ein großer Fantasy-Roman aus der Feder des russischen Meister-Autoren über Toleranz, Freundschaft, Mut, Zusammenhalt, Leben, Tod und eine Gesellschaft der Zukunft, die es zu entdecken gilt.

Unbedingte Leseempfehlung.

Autor:

Sergej Lukianenko wurde 1968 in Karatau/heutiges Kasachstan geboren und ist ein erfolgreicher Science-Fiction- und Fantasy-Schriftsteller. Er studierte nach der Schule zunächst Medizin in Alma-Ata und arbeitete als Psychiater.

Anfang der 1980er Jahre begann er Kurzgeschichten zu bveröffentlichen und etablierte sich sehr bald als erfolgreicher Autor. Heute lebt er in Moskau. International bekannt wurde er durch seine Science-Fiction-Reihe „Die Wächter“, deren erste Bücher verfilmt wurden.

2005 lief der Film, der in Russland mehr als 15 Million Dollar einspielte, in Deutschland an. Lukianenko erhielt zahlreiche russische und internationale Preise, darunter den Deutschen Phantastik-Preis 2010. Zahlreiche Werke von ihm sind noch nicht übersetzt.

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John Boyne: Der Junge auf dem Berg

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Der Junge auf dem Berg John Boyne S. Fischer Verlag Erschienen am: 24.08.2017 Seiten: 302 ISBN: 978-3-7373-4062-5 Übersetzung: Ilse Layer

Inhalt:

Als Pierrot seine Eltern verliert, nimmt ihn seine Tante zu sich in den deutschen Haushalt, in dem sie Dienst tut. Aber dies ist keine gewöhnliche Zeit: Der Zweite Weltkrieg steht unmittelbar bevor. Und es ist kein gewöhnliches Haus: Es ist der Berghof – Adolf Hitlers Sommerresidenz.

Schnell gerät der Junge unter den direkten Einfluss des charismatischen Führers. Um ihm seine Treue zu beweisen, ist er zu allem bereit – auch zum Verrat. (Klappentext)

Rezension:

Der Junge, noch Kind, welches die Ereignisse um sich herum nicht einzuordnen weiß, gerät unter den Einfluss des größten Despoten und Diktatoren aller Zeiten, nimmt dessen Denken an und stürzt sich und seine Umgebung in einem Strudel aus Katastrophen.

Dieses Gerüst ist die Grundlage für John Boynes neuen Roman, der sechs Jahre nach „Der Junge im gestreiften Pyjama“ nun in Deutschland erschienen ist. Erschienen, wieder im S. Fischer Verlag nimmt der Leser erneut die Position eines Jungen ein, der mit dem Grauen des NS Regimes in seiner ganzen Härte konfrontiert werden wird, und der sich bald bereit dazu ist, alle Grenzen menschlicher Moral beiseite zu fegen.

Einfühlsam beschrieben, entwickelt der Leser schnell Sympathie für den Hauptprotagonisten, der jedoch schnell abschreckend wirkt. Nicht zuletzt dem rasanten Schreibstil geschuldet, erleben wir ein Gefühlschaos und die Macht der Vereinnahmung durch grausamste Ideologie.

Zu was sind wir fähig, wenn wir ständig bestimmten Einflüssen ausgesetzt sind? Welche Entscheidungen fallen wir, wenn wir ständig von deren Richtigkeit überzeugt werden, obwohl wir es eigentlich besser wissen müssten? In wie weit sind wir bereit, moralische Grenzen zu verschieben, um anderen zu gefallen? Wann genau hört unser menschliches Gewissen auf zu existieren?

John Boyne stellt seinen Lesern diese Fragen, die sich sowohl mit der größten menschlichen Bestie aller Zeiten konfrontiert sehen, als auch mit einem Jungen, der über die Zeit hinaus verdorben werden wird. Es ist ein kleiner Roman, der beschäftigen und aufwühlen, zum Nachdenken anregen wird. Anschaulich beschrieben, rasantes Tempo rennt der Leser samt Protagonist dem Abgrund entgegen.

Eine Geschichte gegen das Vergessen und über das Fällen von Entscheidungen, entweder den leichten falschen oder den schweren richtigen Weg zu gehen. Am Ende steht die Hauptfigur vor eben dieser Frage. Der Leser wird nach der letzten Seite noch lange über die Antwort nachdenken.

Autor:

John Boyne wurde 1971 in Dublin geboren und ist ein irischer Schriftsteller. Seine Romane wurden in über 50 Sprachen versetzt, sein Buch „Der Junge im gestreiften Pyjama“ (2006/2007) mehr als neun Million Mal verkauft. Bevor er als Autor arbeitete, studierte er Englische Literatur und Kreatives Schreiben. Boynes Werke wurden mehrfach ausgezeichnet, in Deutschland u.a. mit dem Jugendliteraturpreis 2008.

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Alexandra Reinwarth: Das McBook

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Das McBook Alexandra Reinwarth Riva Verlag Erschienen am: 16.10.2017 Seiten: 192 ISBN: 978-3-7423-0386-8

Inhalt:

McDonalds ist ein Unternehmen der Superlative. Weltweit werden pro Sekunde über 75 Burger verkauf, die Kundenzahl spricht pro Tag etwa einen Prozent der Weltbevölkeurng. Die Restaurantkette ist längst Bestandteil unserer Kultur und um diese ranken sich hartnäckige Legenden. Doch, was steckt drin, in unseren Burgern?

Welche Prozesse von der Entwicklung bis zum fertigen Produkt, bis zum Verkauf am Tresen durchlaufen die Produkte des gelben M. Alexandra Reinwarth sammelt kuriose Anekdoten, klärt absurde Mythen auf und versammelt kuriose Fakten. (Klappentext abgewandelt)

Rezension:

Die Pommes enthalten Holzspäne und in den Chicken McNuggets ist alles enthalten, außer Chicken. Wer kennt sie nicht, diese und andere Legenden, die boulevardjournalistisch immer wieder aufgegriffen und von Verschwörungstheoretikern verbreitet werden?

Doch, was steckt eigentlich hinter der Fassade vom klinisch durchorganiserten Verkaufsthresen des gelben M? Wie entsteht das, was letztendlich auf’s Tablett oder in die Juniortüte kommt und wie sieht sie aus, das McDonald’s der Zukunft?

Die Journalistin und Autorin Alexandra Reinwarth begab sich auf Spurensuche.

Und die führt quer durch Deutschland, nach München in die Zentrale der Hamburger University bishin zu riesigen Produktionshallen quer durch Deutschland. Klinisch rein, durchgetaktet und immer wieder überprüft wird jedr einzelne Produktionsschritt, die sich gewaschen haben.

Dies ist dann auch wörtlich zu nehmen. Herausgekommen ist dabei ein amüsant zu lesendes Heft, welches Lust macht, auf den nächsten Besuch in einer der amerikanischen „Botschaften“. Der Burger als positives Zeichen einer fleischgewordenen Kulturszenerie.

Das ist aber auch leider schon alles, was vom „McBook“ zu erwarten ist. Zwar ist klar, dass an den Mythen nicht viel dran ist, die sich dennoch hartnäckig halten, das kriegt man aber auch ohne die Lektüre auf die Reihe.

Auch, dass die Fastfoodkette im Wandel begriffen ist, dürfte zumindest Großstädtern schon aufgefallen sein, die die neuesten renovierten Filialen in Berlin oder München etwa besucht haben. Dazu benötigt man einfach kein extra Buch. Alleine unterhaltend ist es.

Ob das genügt, ist eine andere Sache. Aber die Frage stellt sich ja auch schon, wenn man in eines dieser Schnellrestaurants geht, um sich tatsächlich einen Burger zu bestellen. Keiner sagt offen, dort hinzugehen, jeder hat es aber schon gemacht.

Sünde des schnelllebigen Alltags, die fast jeder durchgehen lässt. Ein Burger so auf die Hand, kippt ja nicht gleich die gesamte Ernährung um.

Kurzweilig geschrieben, sind amüsant Fakten aneinandergereiht. Der Leser bekommt einen Einblick, wie ein Konzern arbeitet, der wie kein anderer das amerikanische Lebensgefühl transportiert, dass man aber auch nicht jede Meldung über das ach so schlechte Fastfood für bare Münze nehmen sollte.

Dennoch, Kritik wird ausgespart. Ray Kroc (der Gründer) jedenfalls hätte sich über diese journalistische Schützenhilfe gefreut. Kann man lesen, muss man nicht. Beim Burger ist es mit dem Essen aber genau so.

Autorin:

Alexandra Reinwarth wurde 1973 in Regensburg geboren und ist eine deutsche Journalistin und Buchautorin. Nach der Schule studierte sie in München Sozialpädagogik und lebt seit 2000 in Barcelona. Sie ist als Produzentin tätig und Autorin mehrerer Publikationen

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Victor Sebestyen: Lenin – Ein Leben

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Lenin – Ein Leben Victor Sebestyen Rowohlt Erschienen am: 18.08.2017 Seiten: 702 ISBN: 978-3-87134-165-0 Übersetzer: (u.a.) Norbert Juraschitz, Karin Schuler

Inhalt:

Wladimir Uljanow wurde Lenin. Doch, wer war der Mensch, der als junger Erwachsener begann, den Zaren zu hassen und schließlich half, eine Jahrhunderte alte Dynastie zu stürzen, ihre Vertreter zu ermorden? Wer war der Machtmensch, der skrupellos all jene beseitigte, die sich ihn und seinen höeren Zielen in den Weg stellten, gleichzeitig aber auch Hypnotiseur der Massen und vor allem, der ihn umgebenden Frauen?

Wer war der Revolutionsführer, dessen Ideen und Gedanken auch heute noch eine Rolle im Wirken der Politiker des größten Landes der Erde spielen, dessen Leichnam aufgebahrt eine Nachricht aus einer anderen Epoche ist.

Der Mann, der in Zeiten des Exils viele Namen hatte und schließlich mit Arbeitermütze bekannt, geliebt und gefürchtet wurde. Ein beeindruckendes Portrait, geschrieben von Victor Sebestyen. (eigene Inhaltsbeschreibung)

Rezension:

Nur wenigen ist es vergönnt, die politische Landschaft nachhaltig zu gestalten. Zum Glück, möchte man meinen. Für einige Protagonisten des vergangenen Jahrhunderts gilt dies ganz besonders. Lenin, was ursprünglich nur der Deckname von Wladimir Uljanow gewesen ist, gehört ganz sicher dazu. Doch, wer war er eigentlich?

Ein besonderer Mensch, nur für besondere Zeiten oder schon vohrer, bevor er eine entscheidende Rolle in der russischen und der Weltpolitik spielte, ein großer, genialer aber auch brutaler Kopf?

Victor Sebestyen hat sich auf Spurensuche begeben. In der Schweiz, in Frankreich, den USA und Russland, hat er den Menschen zu ergründen versucht, dem es gelungen ist, die Welt poltiisch für lange Zeit zu prägen. Bis über seinen Tod hinaus.

Herausgekommen dabei ist ein eindrucksvolles Portraits eines konsequenten Menschens, ebenso genial wie erschreckend brutal in seinem Denken und seinen Entscheidungen.

Beginnend von der Kindheit an, verfolgt der Leser das Werden des Revolutionsführers und Diktators, dem ein noch schlimmerer folgen sollte, der Zehntausende auf den Gewissen hatte, der dennoch geistig hoch gebildet und Sinn für das Schöne hatte. Von Literatur, über Frauen bis hin zu Katzen.

Dicht recherchiert, bassierend auf unzähligen Tagebucheinträgen, Berichten von Zeitzeugen, die ihre Erinnerungen festgehalten hatten, Brief- und Schriftwechsel ist mit „Lenin – Ein Leben“ ein sehr gutes ausgewogenes Sachbuch erschienen, welches das Zeug hat, zur Standardliteratur im Bereich der Leninschen Personengeschichte zu werden.

Wenn schon nicht in Russland, dann zumindest in Europa.

Historische Zusammenhänge werden so einfach wie nötig, so detailreich wie möglich geschildert, so dass auch noch nicht Informierte damit beginnen können, sich mit diesem Teil der Geschichte zu beschäftigen.

Vorwissen oder zumindest Interesse sei aber empfohlen, anderenfalls erfordert die Lektüre sonst eine zu hohe Konzentration. Wobei davon abzuraten ist, weitere (auch verschiedene) Literatur parallel zu lesen. Doch, der Autor lädt dazu ein, sein Wissen zu erweitern.

Den Laptop oder das Handy sollte man vielleicht griffbereit haben, um verschiedenen Ereignissen näher auf die Spur zu kommen, Personengeschichte dort zu sichten, wo das dennoch sehr ausführliche Personenregister mit den hilfreichen Kurzbiografien nicht weiterhelfen kann.

Klar strukturiert, sind die Kapitel sehr faktenreich, dennoch kurzwelig, so dies in einem ernstzunehmenden Sachbuch möglich ist, und sehr dicht geschrieben. Vom Informationsgehalt und der Schrift her (besonders auf die Zitate, Übersetzungshinweise und Fußnoten bezogen).

Wer Probleme damit hat, sollte zum E-Book greifen. Alle anderen werden sich eine ansehnliche und lesenswerte Biografie ins Regal stellen können, die in jeder Hinsicht beeindruckt. Die Recherchearbeit des Autoren merkt man in jedem Satz.

Am Ende jedenfalls ist man schlauer als vorher, geht mit einer sehr viel kritischeren aber auch differenzierteren Sichtweise aus der Lektüre und mag spätere geschichtliche Abläufe in Russland bzw. das noch immer vorhandene Denken mancher Moskauer Politiker und auch sonst, besser nachvollziehen. Victor Sebestyen schafft dies bravourös.

Autor:

Victor Sebestyen wurde 1956 in Budapest geboren und ist ein britischer Journalist und Historiker. Seine Eltern emigrierten nach der Niederschlagung des Ungarischen Volksaufstandes nach England.

Sebestyen arbeitete als poltischer Journalist für verschiedene britische und amerikanische Zeitungen, bevor er 2006 sein erstes Buch veröffentlichte. Der Autor ist Mitglied des Think Tank Wilton Park. Er lebt in London.

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Sebastian Fitzek: Flugangst 7A

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Flugangst 7A Sebastian Fitzek Droemer Knaur Erschienen am: 25.10.2017 Seiten: 394 ISBN: 978-3-426-19921-3

Inhalt:

Es gibt eine tödliche Waffe, die durch jede Kontrolle kommt. Jeder kann sie ungehindert an Bord eines Flugzeugs bringen.

Ein Nachtflug Buenos Aires – Berlin.

Ein seelisch labiler Passagier.

Und ein Psychiater, der diesen Passagier dazu bewegen soll, die Maschine zum Absturz zu bringen – sonst stirbt der einzige Mensch, den er liebt.

(Klappentext)

Rezension:
In einer schmalen Röhre in mehreren zehntausend Metern Höhe eingesperrt zu sein, gehört gewiss nicht zu den Lieblingszuständen, denen man ausgesetzt sein möchte. Nicht wenige Menschen leiden gar unter einer Phobie, die dies zu einem unerträglichen Erlebnis werden lässt.

Und doch, Mats Krüger, selbst erfolgreicher Psychiater, begibt sich auf die Reise von Buenos Aires nach Berlin, um dort den Kontakt zu seiner Tochter wieder aufzunehmen, die ihr erstes Kind erwartet. Nicht ahnend, dass mit Schließen der Flugzeugtür eine Kettenreaktion in Gang gesetzt wird, in der er eine Schlüsselrolle spielt.

Über einen Anruf wird er aufgefordert, einen ehemaligen Patienten an Bord zu finden und zu aktivieren. Als psychische Bombe für hunderte Passagiere. Ansonsten sterben seine Tochter und das noch ungeborene Kind eines qualvollen Todes.

Wo ist eigentlich der sicherste Platz im Flugzeug, wo der, der statistisch die meisten Todesopfer zu verzeichnen hat? Haben Sie sich das nicht nicht auch schon mal gefragt? Sind Sie eher der Typ Mensch, der die Sicherheitsunterweisungen mit Augenrollen über sich ergehen lässt oder hören Sie tatsächlich hin?

So oder so, der neue Psychothriller von Sebastian Fitzek ist nichts für schwache Nerven. Im gewohnten Schreib- und Erzählstil schafft es Fitzek hier mehrere gesellschaftlich kontrovers diskutierte Themen zu bündeln und in einer spannnenden Geschichte zu verankern.

Die Charaktere glaubwürdig, erlebt der Leser einen stetigen Perspektivwechsel, der mal in die Luft geht, mal am Boden spielt und ein sich haltender Spannungsaufbau, der so typisch für die Werke von Fitzek ist.

Klar und bündig formuliert, wechseln sich die kurzen Kapitel ab, gute Recherchearbeit im Bereich Psychotherapie und Flugzeugbetrieb runden die Geschichte ab. Auch die Auflösung ist nicht ganz so chaotisch, wie es bei vergangenen Thrillern Fitzeks oft genug der Fall war.

Für zartbesaitete Leser ist „Flugangst 7A“ mit Vorsicht zu genießen, alle anderen sollten sich während des Lesens anschnallen. Turbelenzen gibt es ganz sicher.

Mit dieser Geschichte bewegt sich Sebastian Fitzek wieder ein kleines Stück zum klassischen Psychothriller, der es in sich hat.eine unbesdingte Lesempfehlung, aber bitte vorher darauf achten, wo man sich hinsetzt. es könnte lebenseintscheidend sein.

Gestaltung:
Für die Erstauflagen der Bücher von Sebastian Fitzek lohnt es sich, einen extra Punkt aufzumachen. Alleine hierfür die Höchstwertung.

Ein Umschlag, der sich glatt rutschig anfassen lässt, wie die Außenhaut eines Flugzeuges, darunter verborgen, eine hochwertige, das ganze Format einnehmende Lentikularfolie.

Umgangssprachlich auch „Wackelbild“ genannt. Eine verlegerische Entscheidung, die das Leseerlebnis nicht nur auf die Geschichte beschrränkt hält, sondern das ganze Buch zum Erlebnis werden lässt. Hochachtung, vor den jenigen, der diese Idee hatte.

Autor:
Sebastian Fitzek wurde 1971 geboren und ist Deutschlands erfolgreichster Autor für Psychothriller. 2006 erschien sein Debüt „die Therapie“, welches über Internet-Empfehlungen hinaus zum Besteller avancierte.

Inzwischen werden seine Thriller auf Theaterbühnen aufgeführt, einer seiner Werke wurde bereits verfilmt. Eine weitere Verfilmung wird derzeit produziert. Seine Werke werden in 24 Sprachen übersetzt.

Als erster deutscher Autor erhielt er den Europäischen Preis für Kriminalliteratur. Fitzek lebt mit seiner Familie in Berlin.

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Dennis Freischlad: Diesseits der Tage

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Diesseits der Tage Dennis Freischlad maidumont Erschienen am: 24.07.2017 Seiten: 319 ISBN: 978-3-7701-8287-9

Inhalt:

„Das Glück Kubas bleibt eine simple Rechnung: Dreißig Leute gehen vorbei, siebenundzwanzig davon lachen und grüßen.“ Dennis Freischlad taucht in das wahre Leben auf der Karibikinsel ein. Einen Sommer lang fängt er Stimmungen und Momente ein, lässt sich treiben in der Hauptstadt Santiago de Cuba, tanzt und boxt, was die Beine und Fäuste hergeben.

Er findet heraus, warum ein kubanischer Haushalt ohne Schaukelstuhl undenkbar ist und mit welchen sieben gesten man in jedem Gespräch unter Kubanern besteht. Ein berauschendes Kuba-Tagebuch und das faszinierende Porträz eines Landes in der Schwebe. (Klappentext)

Rezension:

Abgesehen vom fulminanten Fehler im Klappentext, Santiago de Cuiba als Hauptstadt des Inselstaates zu bezeichnen, wenn überhaupt, dann nur Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, liegt mit „Diesseits der Tage“ ein Reisebericht vor, der die Leser nur so dahin treiben lässt.

Und das ist auch schon die einzige Qualität des Textes, der von einem Land „in der Schwebe“ berichten soll. alleine, er tut nichts dergleichen. natürlich werden einzelne Zustände und Marotten beschrieben, der Autor spielt stilsicher mit Klischees, was wirklich neues erfährt man nicht.

Eher Zustands- als Reisebericht ist der Text, der manchmal so einschläfernd ist wie der Rauch kubanischer Zigarren.

Mit den fachlichen Hintergrundwissen, was mein Beruf so mit sich bringt, bin ich durchaus in der Lage Reiseberichte einzuschätzen und dem entsprechend an das hier Aufgeschriebene herangegangen. Aus wie vielen Teilen des landes berichtet der Autor?

Bemüht er nicht nur Klischees, sondern fördert Dinge zu Tage, die einem jetzt als normaler Tourist nicht ins Auge springen würden? Wie objektiv ist der Text? Versucht der autor nicht nur persönliches mit einzubringen, sondern auch einen Blick auf die Gesellschaft zu werfen?

Ja und nein muss man hier wohl sagen. Tatsächlich beschreibt der Autor sehr gefühlvoll und emotional seinen Einblick in das Leben der Einheimischen, die ihn für ein paar Monate beherbergten und auch sonst spürt man die Liebe zum karibischen Lifestyle in jedem einzelnen Satz.

Doch, wer einen ausgewogenen Bericht, etwa in Form der „Gebrauchsanweisung für“-Bücher des Konkurrenzverlages oder etwas Vergleichbares wie „Wer singt erzählt – Wer tanzt, überlebt“, aus dem selben Hause sucht, sucht vergebens.

Tatsächlich verspürt man nach dem Lesen nicht gerade die Lust, dorthin zu verreisen, wo die Zeit gerade jetzt Spannendes bereithält. Ein Land im Umbruch, eine gesellschaft auf der Suche und zwischen den Zeiten.

Das hätte der Autor hier mit hineinbringen können, in einzelnen Momenten ist der Versuch erkennbar, alleine hier ist er nicht angekommen. Der Leser vermag die Stimmungen Kubas nicht wirklich einzufangen.

Tatsächlich ermüdet der Schreibstil eher, als dass er dazu einlädt, das nächste Flugticket zu buchen. Ein netter Versuch, ein Land schmackhaft zu machen. Bei mir nur leider, ist der Funke ganz und gar nicht übergesprungen. Darauf ein Glas Rum.

Autor:

Dennis Freischlad wurde 1979 in Hessen geboren und brach die Schule ab, um später in Indien und Sri Lanka zu leben. Als Farmer, Bibliothekar, Übersetzer, Hotelmanager und Koch jobbend, ließ er sich zwischen den Orten treiben und veröffentlichte 2013 sein erstes Buch.

Neben Dichtungen veröffentlichte er auch seine Reiseeindrücke und brach 2014 zu einem mehrmonatigen Roadtrip durch Amerika auf. 2017 veröffentlichte er seinen reisebericht über seinen Aufenthalt auf der Karibikinsel Kuba.

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Lois Pryce: Im Iran dürfen Frauen nicht Motorrad fahren…

Im Iran dürfen Frauen nicht Motorrad fahren... Book Cover
Im Iran dürfen Frauen nicht Motorrad fahren… Lois Pryce Dumont/mairdumont Erschienen am: 25.09.2017 Seiten: 330 ISBN: 978-3-7701-6681-7 Übersetzerin: Monika Baark

Inhalt:

Eine Frau, ein Motorrad und die wagemutigste Reise ihres Lebens…

Eines Tages entdeckt Lois Pryce in London einen Zettel an ihrem weitgereisten Motorrad: Eine persönliche Einladung in den Iran, geschrieben von einem Fremden namens Habib. Die Neugier der Abenteuerin ist geweckt.

Dass Frauen im Iran offiziell gar kein Motorrad fahren dürfen… und alle Bekannten ihr dringend davon abraten… geschenkt! Ihre ebenso mutige wie überraschende Reise in den echten Iran kann beginnen: 5000 Kilometer mit Helm und Hidschab – und zahllosen unvergesslichen Begegnungen. (Klappentext)

Rezension:

Heutzutage kann man die großen Abenteuer immer dann erleben, wenn unterschiedliche Kulturen aufeinander treffen. Oft passiert genau dann unerwartetes. Fur Lois Pryce beginnt dies mit einem Zettel, den ein Wildfremder an ihr Motorrad heftete. Mitten in der Londoner Innenstadt.

Es ist die Zeit des Tiefpunkts diplomatischer Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und dem Iran, und doch bekommt Pryce eine Einladung, sich dieses Land anzuschauen.

Nun ist die Abenteuerin weit gereist und in Groß-Britannien keine Unbekannte, doch die Ungewissheit ist da. Was würde sie, abseits der Bilder, die in den Medien kursierten, erwarten? Ein, besonders in bezug auf Frauen, rückständiges Land oder etwas völlig anderes?

Lois Pryce macht sich auf den Weg. Mit Hidschab und Motorrad, es herauszufinden. Das größte Abenteuer ihres Lebens beginnt.

Es ist ein beeindruckender Reisebericht, den Lois Pryce hier vorlegt. Genau wie sie ins kalte Wasser geworfen wurde, nimmt sie den Leser mit auf eine Reise zwischen den Kulturen und erlebt was passiert, wenn man hinter den Vorhang der internationalen Presse blickt.

Sie entdeckt den Iran abseits der Politik, der zwischen Tradition und Moderne schwankt. Dessen Waage zu Gunsten der letzteren zu kippen beginnt. Pryce entdeckt die wörtlich zu nehmende persische Gastfreundschaft, persisches Essen, eine große Vergangenheit und Fallstricke in den Beziehungen beider Länder, aber auch, was passiert, wenn man auf die Menschen zugeht, sie anhört.

Was übrig bleibt vom Bild der Medien ist nicht viel, ein völlig anderer Eindruck entsteht. Einfühlsam beschreibt die Autorin ihren kritischen Blick auf das Land und die Begeisterung für die Herzlichkeit der Menschen, die dort leben. Das Bild wandelt sich von Seite zu Seite, natürlich nicht kritiklos, doch ist die Autorin ganz Abenteuerin erst einmal ins Gelingen verliebt. Und dies geschieht auch.

Eine Annäherung zweier so gegensätzlicher Welten ist möglich, von den Iranern gewollt, von dessen Mächtigen gefürchtet, von der westlichen Welt kritisch beäugt. Der autoritäre Staat ist im Privatleben der iraner beriets durchlässig, rissig. Immer mehr Iraner streben nach westlichen Werten und trotzden den autoritären Mullahs.

Die Reise einer Frau in ein Land, dessen Zukunft gerade erst begonnen hat, gespalten zwischen den Welten religiöser Vorgaben und westlichen Sehnsüchten.

Spannend und nahbar erzählt, ein erstaunlicher Roadtrip durch eine wahrhaft faszinierende Landschaft und interessanten Begegnungen. Von heiklen Grenzübertritten in das Verkehrschaos Teherans bis hinein in die Stadt der Poesie. Und der Blick auf das Land der „Achse des Bösen“ wird ein völlig anderer sein.

Autorin:

Lois Pryce wurde 1973 in Aberdeen geboren, wuchs in Bristol auf und ist eine britische Autorin und Journalistin. Sie ist Gründerin und Kuratorin des Adventure Travel Film Festivals:und verfasste mehrere Bücher über ihre Abenteuerreisen mit Motorrad.

Sie schreibt freiberuflich für mehrere Zeitungen und Zeitschriften, nachdem Sie ihre sichere Stelle bei der BBC aufgab, um in der Welt Abenteuer zu erleben. Die britische Zeitung „The Telegraph“ zeichnete sie als eine der „zehn größten Abenteuerinnen unserer Zeit“ aus.

Seit 2002 lebt sie in London.

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Edward Brooke-Hitching: Atlas der erfundenen Orte

Atlas der erfundenen Orte Book Cover
Atlas der erfundenen Orte Edward Brooke-Hitching dtv Verlag Erschienen am: 13.10.2017 Seiten: 256 ISBN: 978-3-423-28141-6

Inhalt:

Kalifornien als Insel, versunkene Königreiche und das irdische Paradies – diese und andere gefühlten Fakten haben Kartografen quer durch die Jahrhunderte fein säuberlich in ihren Atlanten festgehalten.

Dabei hatten manche dieser Phantome ein erstaunlich langes Leben.

Nach einer im 17. Jahrhundert der Phantasie entsprungenen Insel im Golf von Mexiko etwa hat man bis 2009 gesucht. Dann gab man sich geschlagen. Wo nahm der Irrglaube seinen Anfang?

Warum wurden geografische Orte aufgezeichnet, die es gar nicht gab? Und was faszinierte die Menschen an all den bizarren Geschichten und Gestalten? Die hier vorgestellten historischen Karten präsentieren neben mancher tatsächlichen Entdeckung von Reisenden und Forschern vor allem Erfindungen und Irrtümer.

Zusammen mit spannenden Begleittexten ergeben sie ein amüsantes Buch zum Blättern, Staunen und Wundern. (Verlagstext)

Rezension:
Die Zeiten großer Entdeckungen sind vorbei. Die Suche nach einem Seeweg für den Handel mit Indien brachte Erkenntnisse über einen neuen Kontinent, mehrere Polarexpeditionen suchten freie Routen und kartografierten das ewige Eis.

Der Kontinent Australien gehörte zu den letzten großen Landmassen, die erforscht wurden. Küstenwinkel und Flussläufe wurden spätestens auf den Karten mit Hilfe von Satelliten korrigiert. Was also bleibt? Gibt es noch weiße Flecken in unseren Atlanten?

Oder gar Fehler, die die großen Entdecker und Forscher der Menschheit auf Papier zeichneten, veröffentlichten und die uns heute immer noch durch unser Leben begleiten, wo uns nahezu jeder Winkel der Welt offensteht?

Edward Brooke-Hitching begab sich auf die Suche. Herausgekommen ist eine spannende Reise durch Karten, Globen und Atlanten zu den phantastischen Auswüchsen der Geografie. Orte, die es gar nicht gibt. Es sind Legenden und Erzählungen, auf die kartografische Einträge beruhen, die sich oft erst Jahrhunderte später als Irrtümer erwiesen.

Es ist die Geschichte von mordenden Polarforschern, Hochstaplern und Schwindlern, aber auch von Forschern und Expeditionen, die Ruhm und Ehre für ihre Geldgeber einheimsen wollten und einfach Naturphänomenen aufgesessen sind.

Herausgekommen dabei sind unzählige Inseln, ganze Länder und Meere, die es nie gegeben hat, aber von den Menschen lange Zeit als real existent angesehen wurden. Die Geschichte einer Bergkette, die den gesamten afrikanischen Kontinent durchzieht ist ebenso spannend, wie die Vorstellungen von einem Meer inmitten der Trockenheit Australiens oder Kalifornien als Insel, vom restlichen Amerika getrennt.

Der Autor hat ausführlich recherchiert und sich auf die Suche begeben, nach diesen Geschichten, die die Geografie besonders spannend bereithält und Kartenmaterial zu etwas erstaunlich Lebendigen machen.

Ganze Inseln „wanderten“ über die Jahrhunderte durch die Welt. Je größer der Wissensstand wurde, um so vielfältiger und genauer geografische Bestimmungen. Um so schwieriger wurde es jedoch auch, zwischen Lüge und Phantom, Wahrheit und Realität zu unterscheiden.

Sandy Island beispielsweise wurde erst 2012 vond en Landkarten getilgt, während die Royal Navy schon mal in den vergangenen Jahrhunderten 123 Inseln von ihren Seekarten strich, darunter auch noch drei existierende. Die dichte und ausführliche Recherche-Arbeit, das Interesse und die Faszination der Thematik merkt man dem Autor mit jeder Zeile an.

Reich bebildert, in hochwertiger Aufmachung, ist es Brooke-Hitching gelungen, ein staubtrockenens Thema auch Lesern näher zu bringen, die sich mit Geografie höchstens in der Form beschäftigen, wenn sie die Route zum Urlaubsort planen.

Doch, unsere Welt verbirgt spannende Geheimnisse, die es zu entdecken und Entdeckungen, die es zu hinterfragen gilt. Wir glauben, alles zu wissen oder zumindest wissen zu können, wissen dennoch so wenig. Wir vertrauen unseren Navis so viel mehr als unseren eigenen gesunden Menschenverstand, doch sind wir erschüttert, wenn sich geglaubte tatsachen als Täuschungen erweisen.

Der „Atlas der erfunden Orte“, hat einige davon versammelt. Brooke-Hitchings Werk sollte man auf jeden Fall in der Nähe seiner Atlanten griffbereit halten. Es lohnt sich auf den Globus zu schauen. Manchmal spielt das Auge uns, wie auch den vermeintlichen Entdeckern, einen Streich, manchmal sitzen wir Betrügern auf. Der „Atlas der erfunden Orte“, ermahnt uns, genauer hinzuschauen.

Noch sind nicht alle Entdeckungen gemacht und andere hinterfragt. Dazu ist die Welt eifnach zu groß und zu faszinierend.

Ansichten:

https://www.instagram.com/p/Ba4mfJKFSFX/?taken-by=findosbuecher

Autor:
Edward Brooke-Hitching ist Sohn eines Antiquars und arbeitete bei mehreren Zeitungen und am Theater, bevor er einen Abschluss in Filmwissenschaft an der University of Exeter machte. Als Dokumentarfilmer gewann er mehrere Preise.

Im Jahr 2016 wurde seine „Enzyklopädie der vergessenen Sportarten“ veröffentlicht. Ausgangspunkt zu seiner Recherche geografischer phänomene war eine alte Landkarte im Familienbesitz. Brooke-Hitching sammelt Werke über englische Forscher und Entdecker und lebt in London.

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