Rezension

Asmo Tear/Pjotr X: Tränenhaus

Inhalt:

Für den zwölfjährigen Dominik ist das Leben die Hölle. In der Schule wird er brutal gemobbt und seine Eltern benutzen ihn, um ihre Drogensucht zu finanzieren. Nur sein neuer Freund Piet hält zu ihm und gibt ihm neuen Lebensmut. Schließlich geraten die Dinge immer mehr außer Kontrolle und der Junge landet in einem Heim, wo er vom regen in die Traufe kommt.

Doch Dominik sinnt auf Rache und erhält eines Tages durch ein Geschenk, das nicht aus der realen Welt stammen kann, die Möglichkeit zurückzuschlagen. Menschen in Dominiks Umfeld sterben… (Klappentext)

Rezension:

Die im expliziten Horror mit übernatürlichen Elementen versehene vorliegende Erzählung ist nichts für schwache Nerven. Hart an der Grenze zum Trash sind es hier immer wieder explizite Beschreibungen, die ein Kopfkino in Gang setzen und somit „Tränenhaus“ nicht nur zu einer schweren, gar zu einer beinahe qualvollen Lektüre machen.

Dabei bewegen sich die Autoren, die hier unter Pseudonym veröffentlicht haben, zunächst in einer Genre-Mischung aus Krimi und Thriller, wenn sie uns Lesende die Hauptfigur kennenlernen lassen, die Erschreckendes zu erleiden hat. Die Eltern, mehr als kaputt, benutzen den zwölfjährigen Dominik zur Finanzierung ihrer Drogensucht, auch in der Schule findet der Junge keine Ruhe. Rasant ist das Erzähltempo von Beginn, sowie die Stimmung ernüchternd ist.

Man leidet sofort mit der Hauptfigur, die man eigentlich nur aus dieser doch recht kompakt gehaltenen Erzählung herausziehen und in Sicherheit wiegen möchte. Dabei wird der Gutteil an Unmenschlichen nur durch das Kopfkino im Inneren bestimmt, was aber vollkommen ausreichen kann, um körperliche Reaktionen in Gang zu setzen. Mehr als einmal muss man die innerhalb eines Zeitraums von wenigen Monaten spielende Geschichte beiseite legen, um sie durchzustehen.

Zumindest, wenn man selbst menschliche Seiten hat. Davor warnen auch indirekt die Content-Warnung zu Beginn und das dem Roman angefügte Nachwort, von dem ich mir nicht sicher bin, ob es nicht besser gewesen wäre, es als Vorwort abzudrucken.

Die in der deutschen Hansestadt Hamburg spielende Geschichte bringt wichtige Themen aufs Tableau und besticht durch ihre zwei Hauptprotagonisten, die man nur sympathisch finden kann. Ohne die, die ebenso wie alle anderen Figuren ihre Ecken und Kanten haben, würde man die Erzählung sonst nicht durchstehen, allem voran Dominik, der Unmenschliches erleiden muss, sich aber dank seines Freundes, auch in später seelischer Verbundenheit, lernt gegen seine Widerparts zur Wehr zu setzen.

Diese sind die verschiedenen Facetten des absolut menschlichen Bösen. Die Autoren bedienen hier ein klassisches Schwarz-Weiß-Schema, was aufgrund der Härte der Beschreibungen noch mal um so mehr seine Wirkung entfacht.

Beinahe allein aus Dominiks Perspektive erleben wir die Handlung. Zeitsprünge wie Rückblenden vervollständigen Hintergründe, auch teilweise sehr detaillierte Ortsbeschreibungen lassen Bilder vor dem inneren Auge entstehen, derer man sich nicht entziehen kann, obwohl man genau das die ganze Zeit möchte.

Ins Trashige kippt die Handlung, die ansonsten sehr viel daran setzt, schlimmste Kopfkino-Szenarien in Gang zu setzen, wenn übernatürliche Elemente vor allem gen Ende einen größeren Raum einnehmen. Das hätte es hier nicht gebraucht, außer man gesteht der Hauptfigur das Schlimmste was ihr angetan wurde, zu manifestieren und in kindlicher Phantasie umzukehren, was sprachlich und psychologisch eine tolle Umsetzung durch die Autoren wäre. Im schlechtesten Fall könnte es aber auch der einzige Ausweg aus einer Geschichte gewesen wäre, von der man nicht wusste, wie man sie sonst hätte beenden können.

Das Ende jedenfalls nimmt sehr viel von dem weg, was die Erzählung zu Dreiviertel ausmacht, was schade ist.

Wer die Content-Warnung zu Beginn und das Nachwort gelesen hat, weiß jedenfalls, worauf er sich einlässt, wenn man das ganze multipliziert. Für alle anderen wird die Erzählung kaum lesbar sein.

Autoren:

Asmodina Tear ist das Pseudonym einer Autorin., die 1985 in Helmstedt (Niedersachsen) geboren wurde. Nach einer Ausbildung im Verwaltungsdienst und dem Erlernen von drei asiatischen Sprachen, entschied sie sich endgültig für das Schreiben und verfasst sowohl Gedichte als auch Kurzgeschichten und Romane.

Pjotr X, ebenfalls ein Pseudonym, schreibt u. a. Horror mit Splatter-Elementen. Er wuchs zwischen Ruhrgebiet und Münsterland auf und studierte an der Universität Münster bevor er sich dem Schreiben widmete. Ein erstes Manuskript entstand in den 1990er Jahren, welches später veröffentlicht wurde. Weitere Geschichten folgten.

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Hans-Christian Dany: Schuld war mein Hobby

Inhalt:

Ein Düsseldorfer Galerist macht Hans-Christian Dany das Angebot, gegen einen Pauschalbetrag zwölf Texte zu schreiben, die online veröffentlicht werden sollen. Ohne Vorgabe von Thema oder Umfang. Der Auftrag mutiert zur literarischen Reise in den Zerfall einer Familie, der sich als Symptom für das Leben in einem kranken Land der Nachkriegsgeschichte erweist.

Dany schreibt über sein Erbe im juristischen und im übertragenen Sinne, über buchhalterische wie emotionale Forderungen und Verbindlichkeiten und über den eigenen (fast unglaublichen) Weg vom Künstler und Schriftsteller zum verschuldeten Firmenerben, Arbeitgeber und »Minusmillionär«. Die Reflexionen zwischen Kunst und großem Geld sind nicht nur autobiografische Essays, sondern auch Versuche einer eigenen Standortbestimmung im ausklingenden Neoliberalismus. Doch, was ist, wenn es sich, wie abzeichnet, bewahrheitet, dass der Galerist die versprochenen Honorare nicht zahlt? (Inhalt lt. Verlag)

Rezension:

Am Rande des Abgrundes zwei Schritte voran, sieht sich der Sohn, als er mehr oder wenig gezwungen das beinahe bankrotte Familienunternehmen übernimmt, obwohl er ja eigentlich vom Schreiben leben wollte. Doch nun muss er Schulden jonglieren und Bilanzen lesen, die weit entfernt von rosig sind. Die Glanzzeiten des Aufstiegs sind da schon lange vorbei, hatte der Verfall auch schon zu Zeiten seiner Kindheit begonnen, doch, wer Schulden macht, mutiert zum Liebling der Banken. Die Rolle also, die er künftig spielen wird, ist schnell gefunden. Am Leben gehalten, durch den Künstler, der jetzt schreiben muss, um zu überleben.

Hans-Christian Dany erzählt vom tiefen Fall einer Hamburger Kaufmannsfamilie, den berühmten Beispiel von Thomas Mann in ihrem Eifer gar nicht so unähnlich und doch kompakt in seinem Essay „Schuld war mein Hobby“. Dabei spürt er dem Kippen der wirtschaftlichen Stabilität hinein ins Ungewisse nach, welches wie ein Gleichnis auf die sich nach dem Wirtschaftswunder der jungen Bundesrepublik lang anhaltende Krise wirkt, für die die Familie ein Beispiel von vielen ist.

Immer nah am Abgrund spürt der Autor den einzelnen Familienmitgliedern nach, dem Vater etwa, der den Betrieb schwerkrank übergeben muss, obwohl der jüngere Bruder dessen eigentlich dafür vorgesehen war, der jedoch selbst psychisch krank mit den eigenen inneren Dämonen zu kämpfen hat, der Mutter, nie wirklich in die Geschäfte ihres Mannes eingeweiht und der älteste Sohn darum kämpfend, eine bröckelnde Fassade aufrecht zu erhalten.

Was sind wir unseren Familien, Angehörigen, viel mehr uns selbst schuldig? Wie gehen wir mit vererbten Lasten physischer und psychischer Natur um? Was macht dies mit uns? Fragen, die nur ein jeder für sich selbst beantworten kann, da die Gesellschaft um uns herum, viel zu wenige Antworten dafür bereit hält. Diskussionsmaterial und Denkschrift zugleich, pendelt der Text entlang der Biografie und philosophischer Überlegungen, die durch das Beispiel greifbar werden.

Hoch spannend erzählt der Autor zugleich von einer spannungsgeladenen Beziehung zu Eltern und dem jüngeren Bruder und zeigt, was es mit uns macht, wenn wir die Last der Verantwortung schultern, ohne dem wirklich gewachsen zu sein, aber auch wie viele Berge Kampfes- und Überlebenswille zu versetzen vermag, ohne dass uns am Ende immer klar sein muss, wie wir Hindernisse überwunden haben. Stoff zum Nachdenken immerhin, manchmal etwas schwergängig, jedoch durchweg spannend, wenn man sich auf diese Mischung einlässt.

Autor:

Hans-Christian Dany wurde 1966 geboren und lebt als Künstler in Hamburg. Seine Texte erscheinen u. a. bei Edition Nautilus. Um vom Schreiben leben zu können, geht er wechselnden Tätigkeiten nach. Von einigen ist hier in diesem Essay die Rede.

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Florian L. Arnold: Das flüchtige Licht

Inhalt:

Für den Monsignore, einen großen Filmemacher, ist das ganze Leben ein Schauspiel. Doch für den routinierten Regisseur ändert sich alles, als er das Straßenkind Enzo vor die Kamera holt. „Das flüchtige Licht“ erzählt die Geschichte von vier Menschen, deren leben durch das Kino und die Leidenschaft eines exzentrischen Geschichtensammlers bestimmt wird. (Klappentext)

Rezension:

Es ist eine Illusion, die nach dem Willen eines einzelnen Mannes entsteht, doch sobald die Linse ihren Auftrag erfüllt hat, verschwindet diese von Kameras eingefangene Welt. Der trockene Staub legt sich in den überhitzten Gassen, wenn die Schauspielenden und ihr Filmemacher verschwinden und den schönen Schein in Kisten verpacken. Fortan geht ein jeder wieder seine Wege. Bis zum nächsten Mal. Für Enzo, der einst eher zufällig in die Aufnahmen des Monsignore hineinplatzt, ist diese sehr flüchtige Welt real oder zumindest viel zugetaner als die Wirklichkeit, die es schon in seiner Kindheit nicht gut mit ihm meint.

Ausgeschlossen ist er dort gewesen, immer am Rande einer Gruppe von Jungen, die ihm den Zugang zu der kleinen und verschworenen Gemeinschaft verwehren, bis diese sich auflöst, als sie alle nach und nach aus ihrem Heimatdort ausbrechen. Doch auch danach lässt sie der rothaarige Schatten ihrer Kindheit nicht los. Die Welt der Illusionen hat Enzo da schon verschlungen.

Florian L. Arnolds Roman „Das flüchtige Licht“ ist eine Hommage an eben diese, der Hochzeiten des italienischen Kinos und dem Mann, der sie erheblich mitgeprägt hat. Fellini ist das Vorbild des Monsignore, der Figur, der Enzo Halt zu geben vermag, so lange dieser bereit ist, seine Geschichten zu erzählen, für die er dann ein Leben in der Welt der Cinecitta bekommt, die ihm jedoch immer wieder durch die Hände rinnt.

Langsam und behutsam nähern wir uns den Protagonisten an, deren Verhältnisse zueinander sich im Verlauf der Erzählung umkehren werden und doch nicht aus ihrer Haut heraus können. Dieses Spannungsverhältnis bestimmt den Roman, der selbst wie einer dieser italienischen Streifen wirkt. Man kann sie förmlich vor sich sehen, die Gassen, die Suche von Enzo nach sich selbst, der sich in die Abhängigkeit eines einzelnen Mannes begibt, der doch selbst von ihm, einmal in den Bann gezogen, nicht von ihm los kommt.

Die ruhig gehaltene Erzählung wirkt durch ihre Figuren, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird. Die verschworene Gemeinschaft, die sich einst schwor, immer zusammen zu bleiben, Kontakt zu halten, um sich dann letztendlich doch zu verlieren auf der einen Seite. Enzo auf der anderen, der da nie hinein finden wird und auch in der Welt des Monsignore die Rolle des Außenseiters übernehmen muss, um auf irgendeine Art und Weise doch dazu zugehören. Ist der Film im Kasten endet oft auch das, bis zum nächsten Mal.

Figuren entstehen zu lassen, die nicht mit-, aber eben auch nicht ohne einander können, schafft Arnold mit prägnanten Sätzen, auf den Punkt ausformuliert, ohne dass ein Wort zu viel wäre. Nur manchmal scheint diese beschriebene flüchtige Welt beim Lesen durch die Finger zu rinnen, wie es eben dem Medium eigen ist, welches Hauptgegenstand der Erzählung ist. Viel näher würde man gerne an den einzelnen Protagonisten dran sein. Es hätte nicht geschadet, hier und dort etwas länger zu verweilen.

Orte, die zu einander gegensätzlich sind, sind es auch, die diesen Roman ausfüllen. Der Kinosaal etwa, in dem man sich der Illusion für ein paar Stunden hingeben kann, im Kontrast zu den Gassen, die nach dem Dreh wieder einsam und verlassen sind. Auch das verschafft der Erzählung starke Momente.

Dieses Zusammenspiel verschafft mitsamt der Perspektivwechsel innerhalb der Kapitel einen Lesefluss, innerhalb dessen man die eine oder andere Figur für einen Moment verliert, um im nächsten einen einzelnen Satz zu lesen, der präzise formuliert die Geschichte vorantreibt. Wenn die Protagonisten dann zurückblicken, holt sie die Wirklichkeit mit ihrer ganzen Wucht schnell wieder ein, insbesondere Enzo, dessen Leben gleichsam der Filme, derer Bestandteil er ist, plötzlich leer scheint, als die letzte Szene gedreht, die letzte Geschichte erzählt ist.

Der Roman, der selbst wie ein Film wirkt, schafft es trotz seiner ruhigen Art und Weise, einem in den Bann zu ziehen. Auf jeder Seite ist das Herzblut des Autoren zu spüren, der an der Erzählung jahrelang gearbeitet hat, verpackt in wunderschöner Sprache, die ihr Ziel erreicht. Einzelne Momente hätte ich mir noch etwas mehr ausformuliert gewünscht, auch, dass einige der Charaktere einem nicht so schnell durch die Finger rinnen. Auch eine Bitte hätte ich, könnte sich jemand um die filmische Umsetzung kümmern?

Es wäre genial.

Autor:

Florian L. Arnold wurde 1977 in Ulm geboren und ist ein deutscher Schriftsteller und Illustrator. Er studierte in Augsburg Kunstwissenschaftler und war danach freiberuflich als Grafiker und Schriftsteller tätig und gab u. a. das Kunst- und Kulturmagazin ES heraus. Arnold ist Initiator und Programmleiter des Literaturfestivals Literaturwoche Donau in Ulm/Neu-Ulm und stellt dort seit 2013 die Arbeit unabhängiger Verlage vor. Auchin Neu-Ulm initiierte er das Begegnungsformat Literatur unter Bäumen, zudem kuratiert und moderiert er zahlreiche Veranstaltungen der Aegis-Buchhandlung in Ulm. Er veröffentlichte mehrere Romane, Erzählungen und ein satirisches Wörterbuch.

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Simone Trojahn: Kellerspiele

Inhalt:

Karl ist schockiert, als Toni eine junge Frau entführt, um sie im Keller des gemeinsamen Hauses gefangen zu halten. Sein Bruder ist ein Sadist. War er schon immer. Und Karl? Er ist hin- und hergerissen zwischen Mitleid, der emotionalen Abhängigkeit von seinem Bruder und dem Bedürfnis, die eigenen Triebe an der hübschen Laura zu befriedigen, die in ihm die einzige Hoffnung auf Rettung sieht.


Wird Karl am Ende das Richtige tun und dem Mädchen zur Flucht verhelfen oder gewinnt der dunkle Teil in ihm die Überhand? (Klappentext)

Rezension:

Worte sind mächtig und können eine heftige Wirkung entfalten. Bei mir, so habe ich nach dem Lesen weniger Seiten gelernt, das Mittagessen vorsichtshalber ausfallen zu lassen, da ich für dessen Verbleib dank des Nachhalls des Gelesenen hätte nicht garantieren können.

Willkommen in der Welt des Erzähl- und Schreibstils Simone Trojahns, die mich mit ihrem Werk „Kellerspiele“ so sehr herausgefordert hat, dass ich die Waffen strecken musste und dass, wo ich eigentlich dachte, gerade in Textform einiges ertragen zu können. Tatsächlich habe ich dieses Werk nach etwas mehr als achtzig Seiten abbrechen müssen und da sind Vorwort und die viel zu sehr relativierende Danksagung der Autorin mit eingerechnet.

Schon mit den ersten Seiten werden die Lesenden an ihre Grenzen geführt und darüber hinaus. Der freie Fall folgt schnell. Schon da dermaßen viel Fäkalsprache, ekelerregende sehr explizite Beschreibungen, dass es einem nur schüttelt und hoffen lässt, den Inhalt bis zur nächsten eigenen Therapiestunde vergessen zu haben, die ich als notwendig ansehe, vor allem, wenn man das Buch tatsächlich bis zur letzten Seite hinaus liest.

Wenigstens eine explizite Warnung ist der Geschichte, die ich einer Mischung aus Splatter-Horror, Gewaltporno und krankhaften Fetisch zuordnen würde. Mir möchte da keine andere Einordnung einfallen, nur die, die Autorin gedanklich in das Fach der nicht noch einmal zu lesenden Menschen einzusortieren.

Ich kann daher, weil ich das Buch so schnell beenden musste, auch nichts zu den Charakteren an sich, dem Verlauf der Geschichte, Entwicklung, Erzählstränge sagen, weil auf das Medium Film übertragen, habe ich wohl allerhöchstens Trailer-Länge durchgehalten.

Warum aber landete das Buch bei mir? Ich kannte den Verlag noch nicht und hatte ein anderes Buch, welches ich mit Abstand zu diesem auch noch probieren werde, auf der Buchmesse in Leipzig entdeckt. Das Werk von Simone Trojahn gab man mir als Kaufexemplar mit, weil man eine filmische Umsetzung damit fördern wollte. Projekte von Verlagen unterstütze ich ja gerne und so landete „Kellerspiele“ auf meinem Bücherstapel.

Von dem verschwindet das Buch nun. Ich werde mir, der seelischen Gesundheit wegen, weder dieses noch andere Lektüre von Simone Trojahn antun, von der ich mich frage, wie eine Frau in der Lage sein kann, so dermaßen abstoßend zu schreiben.

Da ich das Buch nach so wenigen Seiten abbrechen musste, bleibt dieses ohne Wertung.

Autorin:

Simone Trojahn wurde im August 1980 im Umfeld München geboren und lebt dort bis heute mit ihrer Tochter. Bereits im Grundschulalter denkt sie sich ihre ersten Geschichten aus und las schon im Alter von 11 Jahren Bücher vom Bestseller Autor „Stephen King“. Seit 2014 veröffentlicht Simone Trojahn Romane im Genre des Horrors und Thrillers. Ihr Debüt gab sie dabei mit dem Psychothriller „Mörderherz“. Inzwischen werden Ihre Bücher im Redrum Books Verlag publiziert, wobei sie regelmäßig in den Top 10 Amazon Charts vertreten ist.

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Werner Sonne: Israel und wir

Inhalt:

Werner Sonne war am 7. Oktober 2023 in Israel. Schon 50 Jahre zuvor hatte er als junger Reporter über den Jom-Kippur-Krieg berichtet – und nun wiederholte sich die Geschichte. In diesem Buch blickt der bekannte ARD-Journalist auf die hitzigen deutschen Debatten mit Israel. Zugleich erzählt er die Geschichte der deutsch-israelischen Beziehungen – von den schwierigen Anfängen unter Adenauer und Ben-Gurion bis zum Kauf des israelischen Raketenabwehrsystems Arrow 3 und der Frage, was die Formel von der Sicherheit Israels als „Staatsräson“ Deutschlands konkret bedeutet. So bietet dieses anschaulich geschriebene Buch Hintergründe, macht Argumente verständlich und liefert „food for thought“ für eine der drängendsten und umstrittensten Debatten der Gegenwart. (Klappentext)

Rezension:

Nicht erst seit dem terroristischen Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 und den sich daran anschließenden neuen Gaza-Krieg wird in Deutschland intensiv über das Verhältnis zu Israel diskutiert. Während sich antisemitische Verfälle häufen, der Ton sich nicht nur in den sozialen Netzwerken verschärft, stellt sich die Politik dagegen mehrheitlich klar an die Seite Israels. Die Sicherheit des Landes sei Staatsräson, heißt es immer wieder, doch was bedeutet dies überhaupt? Wie weit geht Solidarität?

Sollte sie bedingungslos sein und kann sie das überhaupt, angesichts einer Regierung, der rechtsextreme Minister angehören, überdies in Anbetracht eines Konflikts der auch in Zukunft kaum aufzulösen sein wird? Der Journalist Werner Sonne, der bereits als junger Reporter aus Israel berichtete, untersucht unser Verhältnis zu Israel und stellt die Frage, was ist legitime Kritik und wo beginnt als Israelkritik verbrämter Antisemitismus.

Soweit das Grundgerüst dieses kompakt gehaltenen Sachbuchs, welches vom Ausgangspunkt der neuesten Entwicklungen einen Blick in die Geschichte wirft. Hier beginnend, nach dem Zweiten Weltkrieg, zeigt Werner Sonne, wie bereits die Gründer der Staaten, im Hintergrund an einer Zusammenarbeit werkelten, die bis in unsere heutige Zeit hinein wirkt.

Zunächst im Hintergrund geheim gehalten, ist die Kooperation beider Länder auf geheimdienstlichen und militärischen Gebiet heute sehr dicht und intensiv. Widerstände dagegen gab es anfangs auf beiden Seiten. In Israel protestierten zu Beginn nicht wenige auf politischer Seite und in der Bevölkerung gegen eine Zusammenarbeit mit den Deutschen, die unmenschliches Leid über fast alle Familien gebracht hatten. Wie konnte man da etwa verlangen, Uniformen für die im Aufbau befindliche neue deutsche Armee zu nähen, wo doch manche in den KZs einige Jahre zuvor gezwungen waren, für die SS dergleichen zu tun? Verbat es sich anderseits, im Anbetracht beider Geschichte, Rüstungsgüter wie U-Boote von den Deutschen zu beziehen?

Der Autor schaut nicht nur auf die militärische wie geheimdienstliche Zusammenarbeit. Werner Sonne zeigt, was die Sicherheitskooperation Israels mit Deutschland und umgekehrt in den ersten Jahren ausmachte und worin sie heute besteht, beleuchtet ein Verhältnis, welches von Beginn an besonderer Natur gewesen ist und weshalb dies wichtig ist, zu durchdenken, wenn wir über die heutige politische Lage zwischen beiden Ländern und in der Region selbst diskutieren. Hält so der Ausspruch von der Staatsräson Deutschlands gegenüber Israel noch stand?

Mit diesem sehr sachlich gehaltenen Werk zeigt Werner Sonne die historische Entwicklung einer besonderen Beziehung auf und gibt Denkanstöße und Material für Diskussionen. Er stellt sich dabei nicht auf eine Seite oder präsentiert vermeintliche Lösungen. Beim Lesen wird man nicht umhin kommen, an der einen oder anderen Stelle vielleicht einen anderen Standpunkt einzunehmen, doch wird man vielleicht einzelne Entscheidungen der Politik besser nachvollziehen können, warum sie so gefallen sind.

Wenn das erreicht ist und gewisse Denkanstöße damit gegeben sind, ist mit diesem Werk schon viel gewonnen und das ist mehr als man von einem historischen Beziehungsabriss als Diskussionsbeitrag erwarten darf.

Autor:

Werner Sonne wurde 1947 geboren und ist ein deutscher Journalist und Schriftsteller. Seine journalistische Ausbildung begann er beim Kölner Stadt-Anzeiger, wo er sein Volontariat abschloss, anschließend arbeitete er bei der Nachrichtenagentur UPI und wechselte dann zum Hörfunk des Westdeutschen Rundfunks. Dort berichtete er als Korrespondent aus Bonn und Washington, bevor er 1981 zum Fernsehen wechselte. Nach verschiedenen Stationen arbeitete er als Auslandskorrespondent und Studioleiter, u. a. in Bonn, Washington und Warschau. 2004 wurde er Korrespondent beim ARD-Morgenmagazin. 2012 verabschiedete sich Sonne in den Ruhestand.

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Isabel Bogdan: Wohnverwandtschaften

Inhalt:

Constanze zieht nach der Trennung von ihrem Lebensgefährten in die Wohngemeinschaft von Jörg, Anke und Murat. Was zunächst als Übergangslösung gedacht war, entpuppt sich als zunehmend stabil. Da ist Jörg, dem die Wohnung gehört und der eine große Reise plant; Anke, die als mittelalte Schauspielerin kaum noch gebucht wird und plötzlich nicht mehr die einzige Frau in der WG ist; und Murat, der sich einfach keine Sorgen machen will und dessen Lebenslust auf die anderen mitreißend und manchmal auch enervierend wirkt.

Constanze sorgt als Neuankömmling dafür, dass sich die bisherige Tektonik gehörig verschiebt. Alle vier haben ihre eigenen Träume und Sehnsüchte und müssen sich irgendwann der Frage stellen, ob sie eine reine Zweck-WG sind oder doch die Wahlfamilie. (Klappentext)

Rezension:

Ein Kammerspiel zwischen zwei Buchdeckeln ist der neue Roman „Wohnverwandtschaften“ der Hamburger Autorin und Übersetzerin Isabel Bogdan, die nun einem Ein-Pfauen- und einem Ein-Personen-Stück der Dynamik von Vieren folgt und so eine kurzweilige Erzählung schafft, deren Figuren einem praktisch sofort ans Herz wachsen.

Sie alle haben sich zusammengefunden, grundverschieden, doch zusammen ist man weniger allein, das gilt in verschiedener Art und Weise für die Protagonisten, deren Leben wir über den Zeitraum von zwei Jahren verfolgen, aus derer Sicht abwechselnd erzählt wird. Schnell bekommen Anke, Constanze, Murat und Jörg ihre Konturen innerhalb derer ihnen zugeschriebenen Kapitel, die mal als innerer Monolog als auch Gespräch zwischen mehreren daher kommen, jede Figur dabei in ihrem ganz eigenen Duktus.

ANKE: Ehrlich gesagt: Du bist manchmal ein bisschen unempfindlich für so was. Ist dir schon mal aufgefallen, dass alle anderen die Klotür hinter sich zumachen? Und etwas anhaben, wenn sie nicht allein sind.
MURAT: Ich wohne hier!
ANKE: Aber doch nicht jetzt, um diese Zeit!
BEIDE lachen.

Isabel Bogdan: Wohnverwandtschaften

In diese Art Erzählstruktur muss man erst hineinfinden, doch schnell gewinnt man Übersicht, kann sich diese Wohngemeinschaft vorstellen, in der jeder seine inneren Konflikte und Gedanken einbringt, Haarrisse zeigen sich schnell, doch dunkle aufziehende Wolken fordern erst schleichend, dann immer mehr die Konfrontation.

Doch noch bleiben? Ich will gar nicht so richtig nach Hause, ich will nicht Jörgs Verwirrtheit ertragen, ich will nicht so gereizt reagieren, wenn er zum hundertsten Mal irgendein Quatsch fragt. Hoffentlich geht das wieder weg, es ist jetzt schon ganz schön lange so.

Isabel Bogdan: Wohnverwandtschaften

Einzelne Ereignisse werfen ihre Schatten voraus, mit zunehmender Seitenzahl verschärfen sie sich, was zugleich Auswirkungen auf das Erzähltempo hat. Der Konflikt der Gruppe ist glaubwürdig dargestellt, wird zum Handlungsgegenstand, um den sich alles dreht, könnte sich so reell abspielen. Man darf aber auch feststellen, dass Bogdans Figuren ein Glücksfall für das aufgebaute Szenario sind.

Eingebettet in der quirligen Hafenmetropole braucht es nicht viel, um mit dem Roman warm zu werden. Wer ein wenig sucht, findet jedoch Anspielungen aus Musik und Literatur oder aus dem ersten Buch Isabel Bogdans „Sachen machen“. Eine gewisse Band taucht da wieder auf. Ansonsten ist natürlich der Konflikt einer, wie er in vielen Familien irgendwann auftauchen dürfte. Wie hart aber, wenn es eine Gemeinschaft trifft, die man sich selbst erwählt hat? Es trifft mitten hinein ins Herz.

Aber bei Jörg ist was passiert, bei Jörg ist viel zu viel passiert, nur das Falsche, Jörg hat diesen riesigen Stein im Kopf, den man nicht ausgraben kann, es gibt keinen Spaten für die Versteinerung eines Gehirns, man muss doch irgendwas tun können? Irgendwas?

[…]

Wie soll das weitergehen?

Isabel Bogdan: Wohnverwandtschaften

Das dröselt die Autorin feinfühlig auf, mitsamt einer Bandbreite vorstellbarer Reaktionen, wie sie in einer solch kompakt gehaltenen Erzählung möglich ist. Kein Wort ist dabei zu viel. Jeder Sprung, jede Lücke sind bewusst gesetzt, ergeben mitsamt der unterschiedlichen Figurenstile ein harmonisches stimmiges Bild.

Praktisch unmöglich, so gar keinen Zugang zu bekommen, gerade da es eine Thematik betrifft, die folgerichtig wie eindrücklich dargestellt wird, derer man bei einem selbst nahestehenden Personen (und wohl später auch bei sich selbst) zunächst nicht eingestehen möchte, dass sie problematisch ist.

Sie sind jetzt natürlich alle da, ich kenne die Gesichter, aber ich habe nicht alle Namen parat, […].

Isabel Bogdan: Wohnverwandtschaften

Erkennt man es, ist es beinahe zu spät. Alle Tragik und Traurigkeit hat Isabel Bogdan hier hineingesteckt und doch ist „Wohnverwandtschaften“ ein lebensbejahender Roman und ein Appell, die gemeinsame Zeit, die man mit seinen Liebsten hat, zu genießen. Nicht nur deshalb lesenswert.

Autorin:
Isabel Bogdan wurde 1968 in Köln geboren und studierte nach dem Abitur Anglistik und Japanologie in Heidelberg und Tokyo. Mit ihrer Familie lebt sie in Hamburg und arbeitet als freiberufliche Übersetzerin (u.a. Jonathan Safran Foer, Sophie Kinshalla und Megan Abbott), liest und schreibt selbst, hauptsächlich in Blogform aber auch in der Kolumne „Was machen die da?“, die Menschen beschreibt, die ihren gewöhnlichen und manchmal außergewöhnlichen Beruf leben und lieben. Ihre Romane „Der Pfau“ (2016) und „Laufen“ (2019) wurden verfilmt.

Sie ist Vorsitzende des Vereins zur Rettung des „anderthalb“ und erhielt 2006 den Hamburger Förderpreis für literarische Übersetzung, 2011 den für Literatur.

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Rüdiger D.C. Kinting: Mein Freund Ybor

Inhalt:

Der elfjährige Felix bekommt von seinem Vater einen Roboter geschenkt. Den möchte er für seine Klasse beim Robotik-Wettbewerb antreten lassen – obwohl er von seinem Mitschüler Angus eingeschüchtert und bedroht wird. Doch „Ybor“, wie Felix den echten Roboter vom Planeten Origan nennt, hilft ihm dabei, an sich selbst zu glauben. Und so hält Felix an seinem Plan fest. Als Ybor am Tag vor dem großen Wettbewerb spurlos verschwindet, ist Felix verzweifelt. Ist Ybor weggelaufen? Oder steckt Angus hinter der Entführung?
(Klappentext)

Rezension:

Eine Geschichte über Freundschaft und Mut präsentiert uns Rüdiger D. C. Kinting mit seinem neuen Kinderbuch „Mein Freund Ybor“, in welchem ein kleiner Roboter seinem menschlichen Freund Felix hilft, über sich hinauszuwachsen. Dabei sieht sich der Elfjährige gegenüber der großen Schwester benachteiligt und von seinem Klassenkameraden Angus drangsaliert, wieder einmal im Hintertreffen, als es um die Teilnahme seiner Klasse an einem Robotik-Wettbewerb geht.

Schließlich würden sie ohnehin den Roboter von Angus nehmen, der sich mit dem Geld seines Vaters stets das Beste und Neueste leisten kann. Als sein Vater jedoch einen Blechroboter von der Arbeit mit nach Hause bringt und dieser schließlich von den Klassenkameraden zur Teilnahme ausgewählt wird, ändert sich alles. Bis Ybor plötzlich verschwindet. Schon da muss Felix über sich hinauswachsen. Ohne zu ahnen, dass seine größte Herausforderung noch bevorsteht.

Dieses feine Kinderbuch kommt zunächst in ruhigen Tönen daher und schafft gleich zu Beginn einen sympathischen Zugang zu den beiden Hauptprotagonisten, die einander kennenlernen und dem menschlichen Part nach und nach aufzeigen, dass nichts in Stein gemeißelt ist, auch und schon gar keine Rangordnung in Klassenzimmer, dass es sich lohnen kann, mutig zu sein. Ohne erhobenen Zeigefinger, in klarer Sprache, baut der Autor dabei nach und nach seine Figuren auf und versieht sie mit Ecken und Kanten. Die junge Leserschaft darf hinter die Kulissen schauen. Auch scheinbare Antagonisten haben nachvollziehbare Gründe für ihr Handeln. Auch innerhalb dieser überschaubaren Seitenzahl der leicht zugänglichen Kapitel handelt niemand einfach so.

Der Autor nimmt seine junge Leserschaft, von der man sich nur wünschen kann, dass sie zahlreich werden möge, ernst und erzählt eine Geschichte von wenigen Tagen, in denen sein Protagonist nicht nur Ängste überwinden muss. Dabei wechseln stets ruhige mit spannungsreichen Momenten ohne unlogische Brüche oder Längen entstehen zu lassen. Das führt wiederum dazu, dass man auch als Erwachsener nicht gelangweilt wird. Ein kleiner Kinderroman, der sich gut zum Vorlesen eignet, ist „Mein Freund Ybor“ auch.

Der psychische Wandlungsprozess der Hauptfigur ist schön gestaltet, ebenso wie die Zeichnungen, die die Erzählung illustrieren und ebenso Kintings Feder zuzuschreiben sind. Für Kinder nachvollziehbar ist die Geschichte durch die aufgebauten Szenarien. Viele werden wohl den Klassenbully kennen, schulische Wettbewerbssituationen oder, wenn sonst nichts schief geht, große nervige Geschwister. Mehr braucht es nicht für ein Abenteuer, oft genügen diese Faktoren jedoch für Herausforderungen, die für Erwachsene vielleicht nicht gerade groß, für Kinder manchmal um so mehr unüberwindbar scheinen.

Dies in kindgerechter Sprache zu verpacken, ohne moralische oder andere Holzhammer auszupacken, ist in „Mein Freund Ybor“ gelungen. Manche Elemente mögen bekannt vorkommen, aber das macht nichts, wenn das Gesamtpaket stimmt. Wen das nicht reicht, der kann sich dann selbst einen kleinen Roboter basteln. Die Anleitung für Ybor wäre auf der Autoren-Seite zu finden.

„Mein Freund Ybor“ ist ein liebevolles Kinderbuch, welches nicht nur seinen Protagonisten über sich hinauswachsen lässt. Nebst Sterne auch ein großes Herz dafür.

Autor:
Rüdiger wurde in Offenburg geboren und studierte Deutsche Philologie, Musik- und Erziehungswissenschaften in Heidelberg. Schon seit seiner Schulzeit schreibt und komponiert er und war zweifacher Preisträger des »Landeswettbewerbes Deutsche Sprache und Literatur Baden-Württemberg«. Seit 2015 veröffentlicht er Kurzgeschichten, Märchen und Bücher im Selfpublishing (http://www.ruedigerkinting.de). Seine Geschichten enthalten meist phantastische Elemente. Hauptberuflich arbeitet Rüdiger in einer Digitalagentur in Mannheim.

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Scott Alexander Howard: Das andere Tal

Inhalt:
Dieses Tal ist ein besonderer Ort. Geht man nach Osten oder Westen, stößt man auf die gleichen Häuser, Hügel, Straßen – doch alles ist zwanzig Jahre zeitversetzt. Nur in Trauerfällen dürfen die Grenzen passiert werden. Als die junge Odile in Besuchern aus der Zukunft die Eltern ihres Freundes Edme erkennt, weiß sie, dass er bald sterben wird. Was wäre, wenn Odile das ihr auferlegte Schweigen bricht? Ein bewegendes und außergewöhnliches Debüt über Freiheit und die Macht des Schicksals. (Klappentext)

Rezension:
Ein Schlag in die Magengrube, der einem zum Nachdenken bringen wird, ist das schriftstellerische Debüt Scott Alexander Howards, der mit „Das andere Tal“ ein philosophisches Gedankenexperiment in einer kühlen dystopischen Welt wagt, welches in eine Coming of Age Geschichte eingebettet ist.

Anfangs ist nicht klar, wohin die Reise geht, genau so wie der Mantel der Erzählung sich erst nach und nach erschließt, wagt auch die Hauptprotagonistin zunächst den Blick über die Grenzen ihrer Welt hinaus. Das Leben beschränkt sich auf das von ihren Mitmenschen und ihr bewohnte Tal, dessen Grenzen man nur unter strengen Voraussetzungen überschreiten darf.

Je nach welche Richtung man einschlägt, reist man damit entweder zwanzig Jahre in die Vergangenheit zurück oder in die Zukunft, doch wer dies tut, könnte unachtsam das Leben aller im Hier und Jetzt und allen Zeiten für immer verändern. Das mächtige Conceil und die Gendarmerie wachen seit jeher über dieses gesellschaftliche Konstrukt, doch was gilt das noch, wenn es einen engen Freund betrifft?

Kühl ist die Atmosphäre in diesem Roman, dessen Figuren über lange Strecken genau so kühl bleiben, auch die Hauptprotagonistin selbst, wie auch die Enge des Tals es ist, deren Beschreibung einem förmlich die Luft zum Atmen nimmt. Der Autor hat sich dabei Zeit für den Aufbau der Geschichte genommen, die zunächst langsam voranschreitet, um dann unweigerlich scheint, auf die Katastrophe hin zu steuern.

Dabei steht zum Einem die Frage im Raum, wie viel sind wir bereit als Einzelne an Verantwortung zu tragen oder wie weit einem gesellschaftlichen Konstrukt, welchem uns die Kehle zu schnürt, uns einengt? Wie weit aber würden wir selbst gehen, im Wissen, das ein kleinster Fehltritt alles Passierte vielleicht noch verschlimmern könnte. Fragen, die wie ein Damokles-Schwert ständig über die Hauptfigur schweben. Irgendwann, so ahnt man bereits zu Beginn, wird Odile für sich selbst Antworten darauf finden müssen.

Als beinahe einzige Figur mit Ecken und Kanten versehen, verblassen neben ihr beinahe alle anderen Figuren. Aus der Realität genommene Elemente werden dagegen in den Vordergrund gestellt. Zu weilen wirken damit gesellschaftliche und weltenbildende Elemente plastischer als das Figurenensemble selbst.

Die Grenze zwischen den Tälern mit einer Art Niemandsland erinnert zu sehr an den Eisernen Vorhang oder die innerdeutsche Grenze, die Frage nach der Erlaubnis um Betreten oder Ausreise zu grausam an nicht zu ferne Fragen, die heute den gesellschaftlichen Diskurs bestimmen. Der Autor zeigt mit dieser Art von Verarbeitung und Übertragung, welche inneren Konflikte damit einhergehen können, so dass man am Ende doch wieder mit der Hauptfigur Odile mitfühlen wird, die es förmlich im Inneren zerreißt.

Nur aus ihrer Perspektive wird die Geschichte erzählt, die wir sie von früher Kindheit an bis hinein ins Erwachsenenalter begleiten. Fragen, die erklärungswürdig wären, wie etwa der Erhalt einer Gesellschaft, wenn im Grunde nichts von außen dringt, werden bewusst ausgeklammert, um sich alleine auf den Konflikt Odiles zu konzentrieren, was zwangsläufig zu Lücken führt, über die man beim Lesen stolpern wird.

Solcherlei Auslassungen führen dazu, kurz innehalten zu müssen. Nein, man hat nichts überlesen. Diese Information bekommt man nicht. Man muss mit der Lücke leben, die nicht wenig zu einem beklemmenden Gefühl beitragen wird.

Im letzten Drittel steigern sich sowohl Beklemmung als auch Erzähltempo. Man fiebert mit und bleibt doch bis zum Ende seltsam distanziert. Eine fiktionale Dystopie, die weder zeitlich noch örtlich irgendwo einzusortieren ist, wirkt wie die der Erzählung zugrundeliegenden Überlegung. Man liest sich eben durch eine Modelbetrachtung in Romanform.

Dieser Stil ist nicht für jedem etwas, wenn auch die behandelten Fragen interessant und sehr diskutabel sind. Ob das jedoch ausreicht, um sich dieser Lektüre hinzugeben, muss sich jeder selbst beantworten.

Autor:

Scott Alexander Howard lebt in Vancouver, British Columbia. Er wurde an der Universität von Toronto in Philosophie promoviert und war Postdoktorand in Harvard, wo er sich mit der Beziehung zwischen Erinnerung, Emotionen und Literatur beschäftigte. Das andere Tal ist sein erster Roman.

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Henning Kreitel: August Barthel 1 – Der Mord an der Mühle

Inhalt:

August Barthel ist Bürgerpolizist in der Sächsischen Schweiz. Nach einer Wanderung hört er Hilferufe aus einer nahe gelegenen Schlucht. Er vermutet, dass sie von Friedrich Hauer stammen, dem Zimmermann. Hinweise auf ein Verbrechen findet er dort aber nicht, nur dessen Handy. Vom Zuhälter Carlo Wolff erfährt Barthel von Hauers Plänen, die ehemalige Lochmühle bei Pirna in einen Edelpuff umzuwandeln. Auf Hauers Handy entdeckt er aufreizende Fotos der Wildhüterin Ronja Gräfe. Als er sie zur Rede stellen will, flieht sie. Hauer bleibt derweil verschwunden. Ein Mord wird immer wahrscheinlicher … (Klappentext)

Einordnung in der Reihe:

Rezension:

Von der quirligen Metropole Berlin verschlägt es den Polizisten August Barthel inmitten der Sächsischen Schweiz, als er das Haus seines verstorbenen Vaters erbt. Fortan nimmt er dort für zwei Gemeinden die Stelle des Bürgerpolizisten wahr, ein stiller Posten, den ihn mancher Kollege neidet. Mit der Ruhe indes ist es bald vorbei, als der umtriebige Zimmermann des Ortes verschwindet. Barthel beginnt sofort mit seinen Ermittlungen, nicht ahnend, in welches Wespennest er sticht.

Wenig temporeich beginnt vergleichsweise unscheinbar der erste Band der vorliegenden Krimi-Reihe aus der Feder Henning Kreitels, der uns Lesende in die idyllische Sächsische Schweiz entführt und nach und nach immer rätselhafter anmutet. Beinahe novellenhaft liest sich der leichtgängige Roman, mit dessen Figuren man sich leicht identifizieren kann. Dem Autoren ist hier die Ausarbeitung nicht nur seines Hauptprotagonisten gelungen. Klar, jedoch mit Ecken und Kanten hat Kreitel die Dorffiguren versehen und füllt damit einen Regionalkrimi von der besseren Seite und spielt mit Klischees wie Charakterzügen.

Der Kriminalfall wird ruhig erzählt, ohne haarsträubende Wendungen aufzunehmen, denen man schnell nicht mehr folgen könnte. Man folgt der Ermittlerfigur, wie sie nach und nach Puzzleteile auffindet, wieder verwirft oder neu zusammensetzt. Der Autor beweist hier, dass auch ohne hohem Erzähltempo ein spannendes Rätsel aufgebaut werden kann, wenn auch, gerade wer mehr den modernen Thriller oder Krimi gewohnt ist, sich in diese Art Erzählung wieder einfinden muss.

Ohne zu viele Worte zu verlieren, auf kompakten Raum, wird hier ein Zeitraum von wenigen Tagen erzählt, und ein Geflecht aufgebaut, welches August Barthel zu entwirren und überblicken versucht, der nicht nur gegen den Argwohn seiner Kollegen ankämpfen, sondern auch als praktisch wieder Zugezogener sich in die Empfindlichkeiten seines Ortes neu eindenken muss. Nicht klar zunächst, wer die Gegenspieler sind, vermeintliche sind beim Lesen schnell ausgemacht. Der Autor weiß jedoch mit Grautönen ebenso zu spielen, wie er auch Landschaftsbilder vor dem inneren Auge entstehen lassen kann.

Hier liegen die Stärken Henning Kreitels, der atmosphärisch seinen Reihenauftakt gestaltet, ohne erzählerische Lücken oder unbedachte Sprünge zu machen. An mancher Stelle wirkt diese Komposition fast zu ruhig, doch fängt sich der Roman sehr schnell, so dass man kaum von größeren Längen sprechen kann. Den Fokus hat Kreitel auf seinem Hauptprotagonisten und die Verstrickungen der handelnden Figuren untereinander gelegt, die ebenso gut vorzustellen sind wie die Gegend, in der die Handlung spielt. Damit ist die Art von Kriminalroman geschaffen, deren Ermittelnden man gerne auf den Pfaden weiterer Fälle folgen wird und so darf man gespannt sein, auch um die Entwicklung der Protagonisten willen, was uns mit August Barthel noch alles erwartet.

Ein viel versprechender Reihenauftakt, der an manchen Stellen fast vorabendserientauglich (Schreibt man das so?) daherkommt, mit zu vernachlässigenden Abzügen in der B-Note. Ein Kammerspiel auf Ortsgröße gebracht. Das ist doch etwas.

Autor:

Henning Kreitel wurde 1982 in Weimar geboren und ist ein deutscher Schriftsteller und Fotograf. Er absolvierte eine Ausbildung zum Bankkaufmann und studierte anschließend Kommunikationsdesign mit Schwerpunkt Fotografie in Stuttgart. Seit 2012 entstanden erste literarische Texte. Während eines Austauschsemesters in Island wurde eine seiner fotografischen Serien ausgestellt. 2014 schloss er sein Studium ab und ist seitdem als freiberuflicher Schriftsteller und Fotograf tätig. Seine Bilder wurden mehrfach ausgestellt, zudem ist er in der Deutschen Gesellschaft für Fotografie und im Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller tätig, Vorsitzender deren Berliner Landesverbands. Kreitel, der in Berlin lebt, wurde 2022 in das PEN-Zentrum Deutschlands aufgenommen.

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Johannes Balve: Kirschblüte in Fukushima

Inhalt:

Fremdwerden im fremden und im eigenen Land. Als es zu einem Atomunfall im japanischen Fukushima kommt, beginnen all jene Geschichten mitreißende, beängstigende und tragische Momente anzunehmen. Einige Protagonisten bringen sich in Gefahr, andere versuchen dem Unheil zu entfliehen, ringen um die Suche nach sich selbst und neuer Lebensentwürfe. Ihre Wege kreuzen einander, in einer Zeit, in der Glaube an die Absolutheit der Technik obsolet geworden ist. (eigene Inhaltsangabe)

Rezension:

Eigentlich soll die französische Journalistin Jeanne für ihre Zeitung nur über ein Städtebauprojekt recherchieren, doch als plötzlich die Erde zu beben beginnt und ein Tsunami sicher geglaubte Grundsätze der japanischen Gesellschaft ins Wanken bringt, versuchen vor allem die Expats einen Ausweg. Möglichst weit weg vom Ort der Katastrophe möchten alle, während vor allem die Journalisten die Neugier packt und sich in der Unterwelt des Inselstaats weiteres Unheil zusammenbraut. Dieses Gerüst trägt den aus der Feder Johannes Balve stammenden vielschichtigen Gesellschaftsroman „Kirschblüte in Fukushima“.

Zunächst beginnt dieser in vergleichsweise gemächlichen Erzähltempo ein Figurentableau aufzufächern, deren handlungsstränge sich im Verlauf der Geschichte immer wieder kreuzen werden, wirft doch die Katastrophe alle lang geglaubte Sicherheiten über Bord. Der Botschaftsangehörige, der sein Team zusammenhalten versucht, das Mitglied eines Handelsvereins, welches die Familie möglichst schnell außer Landes bringen möchte, der Wissenschaftler, der auf taube Ohren stoßen wird. Als gesellschaftskritische Erzählung beginnt der Roman sich pro Handlungsstrang in einen Wissenschaftskrimi, Agententhriller und Familienroman aufzufächern.

Anfangs wirkt das irritierend, wie das sehr umfangreiche Figurenensemble, welchem der Autor schafft, allen ihre Ecken und Kanten zu verleihen. Jeder Protagonist ist so vielschichtig, wie auch handlungstreibend, doch gerade die ersten Seiten muss man noch sehr konzentriert lesen, um kein wichtiges Detail zu übersehen. Schnell aber zeigt sich, dass Johannes Balve es schafft, weder Handlungen noch Figuren aus den Blick zu verlieren. Dabei hat er Maß gehalten. Keine Seite wirkt überzählig, auch wird man nicht das Gefühl haben, es würde etwas fehlen. Für westliche Lesende eher ein Moment, stutzig zu werden, ist die beschriebene Obrighörigkeit innerhalb der japanischen Gesellschaft. Das mag so sein, bildet aber zu Bekannten durchaus einen gewissen Kontrast.

Wer die Stellen der Antagonisten ausfüllt, ist nicht immer ganz klar. Das wechselt auch zwischendurch, schafft aber ebenso eine Dynamik herbeizuführen, deren Sogwirkung man sich nicht entziehen kann. Das wirkt, ohne zu starke Brüche alles durchaus schlüssig, auch wenn die Agentengeschichte mit einigen Punkten durchaus over the top ist. Ob das nun gut oder schlecht ist, entscheidet sich wohl mit den Genrevorlieben. Aus der Perspektive heraus, dass Lesende ja um die Katastrophe wissen, wirken manche Stellen wie ein vor den inneren Auge ablaufender Film, in dem sich spannende mit sehr ruhigen Momenten abwechseln, den einen oder anderen Zeitsprung mit einbezogen.

Johannes Balve schafft es vieler Arten von Romanvorlieben mit „Kirschblüte in Fukushima“ gerecht zu werden, ohne sich zu verheddern. Nicht alle Auflösungen von Handlungssträngen sind dabei gleichermaßen gelungen, trotzdem können wohl alle etwas für sich hier finden. Wann hat man das schon mal? Zudem bei einem Autoren, der es schafft, sehr detailreich zu beschreiben, andererseits durch Auslassungen Bilder zu erzeugen. Empfehlenswert.

Autor:

Johannes Balve ist ein promovierter Literatur- und Bildungswissenschaftler und Schriftsteller. Seit 1990 forscht und lehrt er an deutschen und ausländischen Universitäten. In Japan hat er in Kanazawa den Lehrstuhl für Germanistik und Europäische Kulturwissenschaft inne. Er berät zudem andere japanische Universitäten und ist als wissenschaftlicher Gutachter tätig. Für deutsche Zeitungen und Magazine verfasste er zahlreiche Reportagen über Japan und veröffentlicht in deutschen und internationalen Fachzeitschriften.

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