
Inhalt:
Geistergeschichten haben in China eine lange Erzähltradition. Sie berichten von merkwürdigen Ereignissen – v. a. von der Begegnung zwischen Geistern und Menschen. Dabei geht es zwar manchmal gruselig zu, oftmals auch heiter und nicht selten sogar pikant, denn zwischen den beiden Welten können sich hocherotische Beziehungen entwickeln – insbesondere wenn Fuchsgeister im Spiel sind.
Den Hintergrund der Geschichten bilden die alten Vorstellungen vom Schicksal der Seelen Verstorbener, ihrem Aufenthalt in der Unterwelt und ihrer Wiedergeburt. Bei der kurzweiligen Lektüre der Geistergeschichten erfährt man viel über den Volksglauben im alten China, von dem manche Elemente bis heute – etwa in Bestattungsritualen und der Ahnenverehrung – eine Rolle spielen. (Klappentext)
Rezension:
Geistergeschichten sind vorwiegend gruselig und düster, zumindest nach westlicher Erzähltration. In anderen Kulturkreisen sind sie durchaus breiter gefächert. Zwar verschmelzen auch in chinesischen Geschichten Ober- und Unterwelt miteinander, doch eröffnet sich in deren Texten eine ganz andere Bandbreite, von heiter bis hin zu pikant. Die Historiker und Germanisten Min Wang und Franz König haben zusammen mit dem Märchenexperten und Psychologen Felix Winter solche herausgesucht, die zusammen die Fülle chinesischer Erzählkunst aufzeigen und im vorliegenden Werk versammelt.
Immer wieder kehren in den kurzweiligen und kompakten Texten Themen wie das Verschmelzen von Ober- und Unterwelt auf, die Seelenwanderung und Wiedergeburt, an denen sich die Figuren reiben, vor allem wenn sich Geisterwesen und Menschen begegnen. Dann kommen die Geschichten, die allesamt ruhig und behutsam formuliert wirken, ins Rollen. Thematisch gleichen die ersten Texte unseren Fabeln, während im Verlauf diese immer chinesischer wirken. Fußnoten erklären dabei historische Zusammenhänge. Chinesische Kalligraphien runden die Gestaltung der Geschichtensammlung ab. Kulturelle Hintergründe werden am Schluss erläutert, den man vorziehen sollte, so man mit dieser Art von Erzählungen aus dem geografischen Raum noch nicht vertraut ist.
Und dann bleibt nur noch, die Geschichten auf sich wirken zu lassen und in Gedanken zu vergleichen. Wie wirken der Tod und seine Handlanger im Vergleich etwa zu den Äquivalenten der griechischen Mythologie oder in unseren Märchen? Welches Schicksal erwartet die Figuren, wenn sie die roten Linien ihrer Welten übertreten. Wie gehen die großen chinesischen Erzählenden mit Themen wie Tod und Trauer um, mit Liebe oder Sehnsucht?
Vergleichsweise ruhig, kaum einmal rasant erzielen die Texte ihre Wirkung mit nur wenigen Worten. Trotzdem sind sie so ausformuliert, dass man sich das alles vor dem inneren Auge vorstellen kann, wenn Orte sehr plastisch beschrieben werden, aber auch weil die verhandelten Themen universal sind. Alle werden in dieser Sammlung einen oder mehrere Erzählungen finden, zu denen sie Zugang haben werden, die fabelartigen Geschichten gar für jüngere Lesende geeignet, aber eben auch solche entdecken, die in die Erwachsenenwelt hineingreifen. Das macht unglaublich Spaß, vor allem, wenn man mit dieser Art von Erzählungen aus dieser Region noch nicht in Berührung gekommen ist.
Schon alleine, um den Horizont über den Tellerrand hinaus zu erweitern, ist es wert sich die chinesischen Geistergeschichten vorzunehmen, von denen die titelgebende „Die schöne Füchsin“ eine davon ist. Die ruhigen Formulierungen, das mystische wird dabei im Gedächtnis bleiben, gerade im Kontrast zu bereits bekannten. Das gilt ebenso in der Gegenüberstellung der Texte aus diesem Buch zueinander, die man hintereinanderweg lesen oder immer wieder einmal zur Hand nehmen kann. Vielleicht wirken sie dann sogar noch mehr.
Autoren:
Min Wang ist Germanist und emeritierter Professort der Nanking Universität.
Franz König ist Germanist und Historiker.
Felix Winter ist Psychologe, Erziehungswissenschaftler und Märchenexperte.
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