Szenario

Jeannette Gusko: Aufbrechen

Inhalt:
Transformationskompetenz ist die wohl größte ungehobene Ressource für unsere Zukunft. Wandlungserprobte Menschen, wie Wende-, Migrations- oder Arbeiterkinder, haben große Umbrüche erlebt und damit eine Kompetenz erworben, die unsere Gesellschaft für die Zukunft handlungsfähig machen kann. Wenn es uns gelingt, diese bislang unerkannte Superkraft freizusetzen, können wir endlich aufbrechen und die dringend nötigen Transformationen unserer Zeit gemeinsam angehen. (Klappentext)

Rezension:

Krisen sind wie Kreuzungen, heißt es gleich zu Beginn in diesem Buch. Einmal eine Abzweigung genommen, wird es mit zunehmender Wegstrecke schwerer zum Ausgangspunkt zurückzukehren, zumal ohne das Wissen, ob nicht ein anderer weg zu einem noch schlechteren Ergebnis führen würde. Verständlich, dass viele Menschen daher angesichts der derzeitigen Ereignisse und düsteren Zukunftsaussichten resignieren oder gar Angst haben, den Status quo zu verlassen, lieber diesen bewahren möchten, gleichwohl wissend, dass ein “Weiter so” ebenso falsch wie auf lange Sicht unpraktikabel wäre.

Vielfach ist bewusst, dass wir Änderungen, nicht nur in Bezug auf z. B. Klimawandel oder sozialen Fragestellungen vornehmen müssen, alleine die Ungewissheit ob der Auswirkungen lassen uns diese nicht oder gar zu zögerlich angehen.

Dabei könnte es schon helfen, Menschen, die selbst bereits Änderungsprozesse erlebt und bewältigen mussten, in die Lage zu versetzen, ihre Transformationskompetenz zu nutzen. Die Autorin Jeannette Gusko erläutert in ihrer Denkschrift “Aufbrechen”, wie dies funktionieren kann.

Transformationskompetente Menschen können sich jederzeit andere Systeme vorstellen. Sie arbeiten mit hoher Analytik sowie Mustererkennung, einer wichtigen Fähigkeit für Kreativität. Sie finden umfangreiche langfristige Antworten auf Systemstörungen […], weil sie die ihnen zugrundeliegenden Ursachen systematisch zurückführen können.

Jeannette Gusko: Aufbrechen

Über die hervorragende Qualität der Reihe -Zündstoff- aus dem Hause Atrium habe ich an anderer Stelle bereits geschrieben, doch sei hier noch einmal hervorgehoben, dass diese theoretisches Grundlagenwissen vielfältiger Themenbereiche so aufbereitet, dass diese kompakten Schriften geeignet sind, diskutiert zu werden und damit Debatten angestoßen werden können, die längst überfällig sind. Dabei greifen diese auch ineinander über, ein Werk ergänzt das andere und bleiben dabei jeder für sich verständlich für alle Lesenden.

Nach etwa z. B. Rassismus oder Klassismus nimmt sich mit “Aufbrechen” eine weitere Autorin einer weiteren Säule an, derer es dringend an Änderungen schon in unseren Ansichten bedarf und zeigt überlegt argumentierend, was Transformationskompetenz bedeutet und für unsere Gesellschaft bewirken kann.

Transformationskompetenz entwickelt sich dann, wenn man Neuem ausgesetzt ist und sich damit auseinandersetzen muss.

Jeannette Gusko: Aufbrechen

Entlang eines stringenten roten Fadens erläutert Jeannette Gusko zunächst ihren Hintergrund als praktisches Beispiel, bevor sie zu den theoretischen Grundlagen kommt. Was ist Transformation, die sich daraus ableitende Kompetenz, wie entsteht sie und welche Bausteine braucht es dafür, aber auch, was passieren mag, wenn diese vom Rest der Gesellschaft nicht genutzt wird und wie transformationskompetente Menschen mit Veränderungen umgehen, die von der Mehrheit kritisch bis ängstlich betrachtet werden.

Es gibt in allen Bevölkerungsgruppen Menschen, die aufgrund verschiedener Erlebnisse Transformationskompetenz entwickelt haben, und wir alle profitieren davon, wenn sie ihre Kompetenz entdecken und sie in den Diskurs und durch ihr Handeln einbringen.

Jeannette Gusko: Aufbrechen

Anhand von drei Gruppen von Menschen, Überschneidungen gibt es und sicherlich auch weitere, die diese Fähigkeit haben, erläutert sie Gemeinsamkeiten in Denk- und Herangehensweisen und was eine Gesellschaft für Voraussetzungen schaffen muss, damit diese zum Wohle aller ausgespielt werden können. Das auf so wenigen Seiten so präzise zu formulieren ist eine Stärke Jeannette Guskos, die damit einen Aspekt eröffnet, den wir noch viel zu selten sehen. Gleichzeitig gelingt anhand der im Werk erörterten Beispiele ein positiver Ausblick, was bereits heute durch Transformationskomponente Menschen möglich ist, die Entwicklung eines weltweit eingesetzten Impfstoffes in sehr kurzer Zeit etwa, um nur ein Beispiel zu nennen.

Die Erkenntnisse der Autorin, über sich selbst und durch ihre Arbeit in verschiedenen daran ausgerichteten Netzwerken und Organisationen, fließen hier ein, ebenso die Erfahrungen anderer, die diese Eigenschaft besitzen, und für sich und andere zu nutzen wissen. Das strukturierte Werk vermittelt dadurch dieses Denkmodell so nahbar, zugleich übrigens mit einer positiven Tonalität, dass wir gar nicht anders können als die dazu befähigten Menschen sich dergestalt einbringen zu lassen. Es wäre für uns alle ein Gewinn.

Autorin:

Jeannette Gusko wurde 1984 in Berlin geboren und studierte Wirtschaftskommunikation und Internationale Beziehungen, sowie Kommunikationsmanagement. Sie ist Sprecherin des Netzwerks 3te Generation Ost und hat verschiedene Plattformen für gesellschaftlichen Wandel mit aufgebaut. Sie ist Geschäftsführerin der Recherche-Organisation Correctiv und wurde für ihre Arbeit mehrfach ausgezeichnet.

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Laurent Binet: Eroberung

Inhalt:

Eine freimütige Wikingerin führt ihre Männer bis nach Südamerika. Mit ihnen gelangt ein Virus dorthin, dass die indigene Bevölkerung dezimiert. Die Wikinger müssen fliehen. Viel später ist Kolumbus nach Amerika unterwegs. Keiner seiner Männer kehrt nach Europa zurück. So kommt es, dass die Inka im 16. Jahrhundert in Portugal landen und Europa erobern. Sie besiegen in Frankreich Karl V. und in Spanien die Anhänger der Inquisition. In Deutschland machen sie Geschäfte mit den Fuggern und nach Luthers Tod werden die “95 Thesen der Sonne” in Wittenberg angeschlagen. In Mitten der Pestwirren treffen sich der Maler El Greco, der Schriftsteller Cervantes und der Philosoph Montaigne. (Inhaltsangabe nach Verlag)

Rezension:

Die Was-wäre-wenn-Frage gehört zu einer der schwierigsten unter den Historikern, da diese nicht falsch beantwortet werden kann und zu viele Faktoren berücksichtigt werden müssen, dennoch ist sie eine der spannendsten, so man sich mit geschichtlichen Themen beschäftigt. Wir wissen um den Ausgang historischer Ereignisse, um so interessanter sind diese Gedankenspiele. Aus Geschichte muss man ja im besten Falle etwas lernen und mitnehmen können.

Eine dieser Fragen ist diese, was wäre, wenn nicht Kolumbus auf den amerikanischen Kontinent gestoßen wäre, sondern umgekehrt die Urvölker Amerikas Europa angelandet hätten? Hätten sie die Oberhand im gesellschaftlichen Gefüge der damaligen Zeit gewinnen können? Wenn ja, wie lange hätten sie sich halten können und wie sähe unsere Welt heute aus?

Wir wissen, dass es anders kam, doch der Historiker Laurent Binet hat dieses Planspiel zu einem erstaunlichen Roman gewoben, der jedoch viel weiter ausholt. Wissenschaftler sind sich heute einig, dass der Erfolg der Europäer in Amerika u.a. damit zusammenhängt, dass sie Tiere wie Pferde nutzten, das Rad um Dinge über weite Strecken zu transportieren und schon Feuerwaffen kannten. Hier gibt der Autor den indigenen Völkern Amerikas diese Errungenschaften an die Hand, und beginnt so zumindest in seinem Roman einmal die Erfolgsgeschichte umzudrehen.

Der Roman alleine ist am stärksten im Hauptteil dieser aus vier Abschnitten bestehenden Geschichte. Sehr schwach ist der letzte Teil. Durch die beiden zu Beginn stehenden Teile muss man sich einfach durchkämpfen, dann jedoch eröffnet sich ein historisches Szenario, in dem der Autor mit seinem Wissen glänzt, welches er zu Gunsten der Geschichte dem Volk der Inka in die Hände gibt. Die Protagonisten sind zumindest hier feinfühlig ausgebaut, während in den anderen Abschnitten der Entwicklung der Figuren nicht genug Raum gegeben wird. Zu blass bleiben da einige Charaktere, woanders ist das Szenario sehr lückenhaft beschrieben.

Im Hauptteil jedoch entdeckt die Leserschaft Atahualpa und seine Mitstreiter als feinfühlige Entdecker deren vergleichsweise sanfte Eroberung sehr konträr zu den tatsächlichen Geschehnissen in Europa steht und damit zeigt, wie die Geschichte hätte verlaufen können, wenn sie auf Seiten der indigenen Bevölkerung Südamerikas gewesen wäre. Hier versinkt man völlig, was einem in den Seiten zuvor und auch im danach folgenden fast eintönig wirkenden Abschnitt um Cervantes nicht gelingen mag.

Den letzten Abschnitt vollkommen gestrichen, den ersten Abschnitte noch ein wenig mehr Tiefe gegeben und der Hauptgeschichte noch mehr Detailliertheit, wäre dies ein Roman, der im oberen Wertungsbereich anzusiedeln ist. So jedoch ist trotz des sehr interessanten Szenarios nicht viel aus der Geschichte herauszuholen.

Autor:

Laurent Binet wurde 1972 in Paris geboren und ist ein französischer Schriftsteller. Zunächst arbeitete er als Französischlehrer, publizierte im Jahr 2000 sein erstes Buch. Vier Jahre erschien sein zweites, in dem er von seinen Erfahrungen an Pariser Schulen berichtet. Oftmals spielen in seinen Werken historische Szenarien eine Rolle. Für sein Werk über die Eroberung Europas durch das Volk der Inka wurde er 2019 mit dem Grand Prix du Roman der Academie francaise ausgezeichnet.

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Michel Houellebecq: Unterwerfung

Unterwerfung Book Cover
Unterwerfung Michel Houllebecq Dumont Seiten: 272 Taschenbuch Seiten: 978-3-8321-6359-4

Handlung:

Unterwerfung beschwört ein Frankreich herauf, in dem eine autoritäre muslimische Partei schleichend die Macht übernimmt – auf demokratischen Weg und mit Hilfe der intellektuellen Elite.

Schonungslos und mit großer erzählerischer Kraft zeigt Michel Houellebecq in seinem bislang wohl kontroversesten Roman, wie sich die Menschen freiwillig in ein System fügen, das alle Grundwerte der westlichen Welt verneint. (Klappentext)

Rezension:

Schreckensszenario, Schwarz-Weiß-Denken, populistische Denke, Provokation. Als Michel Houellebecqs Roman zunächst in Frankreich erschien, überschlugen sich die Kommentatoren der Feuilletons im Kulturbetrieb.

Beschrieben wird eine nicht allzu ferne Zukunft, in der ein Muslim Präsident eines laizistischen Frankreichs wird und innerhalb von Monaten das Land nach seinen Glaubensvorstellungen ausrichtet.

Plötzlich sieht man in der Stadt der Liebe Frauen nur noch verhüllt, Schulen und Universitäten ohne islamischer Ausrichtung werden zu Einrichtungen zweiter Klasse, in den Zügen gibt es ein muslimisches Menü und mehrmals täglich ruft, nicht mehr vereinzelt, der Muezin zum Gebet.

Zudem ist es auch in Frankreich nun erlaubt, mehrere Ehefrauen zu haben. Während dieser Umwälzungen begleiten wir den Literaturprofessor Francois, der nicht konvertieren will und daher seine universitäre Laufbahn beenden muss, durch die sich wandelnde Welt, die anhand der Gegensätze zu zerbrechen droht. Auch ihm stellt sich bald die Frage, ob es nicht besser ist, den islamischen Glauben anzunehmen. Wie wird er sich entscheiden?

Die Geschichte kommt nur langsam ins Rollen und tritt dann auf der Stelle. Ein Vorankommen ist nicht erkennbar, wenn auch einige Abschnitte durchaus an erzählerischen Tempo zulegen. Houellebecq hält dies aber nicht durch, zum Leidwesen des Lesers.

Dabei bürgen Handlung und darin befindliche Protagonisten durchaus Potential. Wie gerne hätte man noch mehr über die gesellschaftlichen Umwälzungen erfahren?

Wie viel Spannung hätte die Reduzierung der privaten Befindlichkeiten, insbesondere der Hauptfigur, gebracht? So aber bekommt der Leser eine noch nicht ganz reife Geschichte, die zwar viel über literarische Klassiker der Franzosen philosophieren, dem gemeinen Leser aber unbefriedigt zurücklässt.

Das Szenario wiederum ist strittig und unrealistisch, könnte jedoch von den Populisten der Welt missbraucht werden.

In einer Zeit wohlgemerkt, in der der Front National in die französische Nationalversammlung eingezogen und Le Pen dem höchsten Staatsamt so nahe wie noch nie ist, überall in Europa Rechtsverdreher (Sic!) in die Parlamente finden oder teilweise Regierungsbeteiligung erlangen.

Fünfzig Seiten mehr Beschreibungen des gesellschaftlichen Wandels hätten gereicht, um die Mängel dieses Romans auszugleichen. So aber bleibt „Unterwerfung“ nicht nur ein mittelmäßig interessantes Gedankenspiel, sondern auch der Eindruck einer nicht vollständigen und zu Ende erzählten Geschichte.

Autor:

Michel Houellebecq wurde 1958 geboren. Nach der Schule arbeitete er u.a. als Informatiker bei einem Beratungsunternehmen, wechselte später ins Landwirtschaftsministerium und schrieb zu dieser zeit schon an seinem ersten Roman, diverse Gedichte und Kurzgeschichten.

2015 erschien sein Roman “Unterwerfung” an dem Tag, an dem ein terroristischer Anschlag auf das satiremagazin “Charlie Hebdo” stattfand, unter dessen Zeichnern er einen Freund hatte, der dabei ums Leben kam.

Darauf hin brach Houllebecq die Bewerbung seines Romans ab und zog sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück. Einige Monate später nahm er jedoch wieder einige Auftritte wahr.

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Eric-Emmanuel Schmitt: Adolf H. – Zwei Leben

Adolf H. - Zwei Leben Book Cover
Adolf H. – Zwei Leben Eric-Emmanuel Schmitt S. Fischer Erschienen am: 01.04.2010 Seiten: 511 ISBN: 978-3-596-18457-6

Inhalt:

“Was wäre geschehen, wenn die Kunstakademie Adolf Hitler aufgenommen hätte?” 8. Oktober 1908: “Adolf Hitler ist durchgefallen.” Ein einzelner Satz steht am Anfang der Katastrophe, die ein Jahrhundert erschüttert hat.

Was aber, wenn der Zwanzigjährige tatsächlich Maler geworden wäre? Ohne Scheuklappen wirft Eric-Emmanuel Schmitt die verstörende Frage nach den Bedingungen auf, die einen Menschen zu dem machen, was er ist. Parallel zu der Geschichte des Diktators Adolf Hitler erzählt er eine Lebensgeschichte im Konjunktiv: die Biographie des Kunstmalers Adolf H. (Klappentext)

Rezension:

Ein Gedankenspiel mit Tücken, was rein von der Thematik, rein von der Person, um die es sich dreht zur Stolperfalle für jeden Autor werden kann, hat Eric-Emmanuel Schmitt hier mit Bravour geleistet.

Parallel zueinander werden zwei Geschichten erzählt, die sich am Anfang gleichen und mit den Jahren immer mehr von einander entfernen. Die eine ist bekannt.

Hitler, der im Ersten Weltkrieg seine Initiation erfährt und die Welt in die größte Katastrophe der Menschheitsgeschichte stürzt, die andere genial: Hitler, der erfolgreiche und mit sich ins Reine kommende Kunstmaler. Tolerant, einsichtig und sympathisch.

Doch, darf man so über Hitler schreiben, dieses Gedankenspiel machen? Ist es zulässig?

Ganz klar, ja. Zumindest, wenn der Autor, wie Schmitt es in gewohnter Weise tut, bewusst die Fettnäpfchen-Themen sucht, sie gekonnt für sich nutzt und damit am Ende nicht Schiffbruch erleidet. Hätte hier durchaus anders ausgehen können.

Doch, Schmitt hat mit der parallelen Erzählung ein Schema gefunden, der Thematik gerecht zu werden ohne die Opfer des “echten” Hitler gerecht zu werden und dennoch den fiktiven Menschen Adolf H. sympathisch erscheinen zu lassen.

Eine Meisterleistung, die nur ganz wenigen Autoren gelungen wäre. Tatsächlich hat mir diese Umsetzung besser gefallen als Timur Vermes’ Szenario, welches auch erst heute im Hinblick des Erstarkens der AfD interessant geworden ist.

Eine prophetische Gabe, von der ich nicht wollte, dass sie sich im übertragenen Sinne bewahrheitet. Nun aber “Adolf H. – Zwei Leben”. Zwei Leben, die unterschiedlich gegensätzlicher nicht sein könnten. Kurze Abschnitte, Szenen, die sich direkt hinteinander abwechseln.

Am Anfang fällt es schwer, zwischen den einzelnen Protagonisten, ja, es ist ein und die selbe Person, dann wieder auch nicht, hin und her zu schalten. Gegen Mitte des Romans, wenn die Unterschiede größer werden, fällt es leichter. Der Lesefluss ist trotzdem ein langsamer.

Hoch konzentriert sollte man sich dieses Gedankenspiel zu Gemüte führen. Ein Schmankerl, der Kunstmaler H. trifft auf den jüdischen Psychotherapeuten Sigmund Freud und legt sich auf die Couch. Der Leser gleichsam mit ihm. Eric-Emmanuel Schmitt spielt mit dem Leser und es gelingt.

Der Schreibstil, der Ernsthaftigkeit der Thematik angemessen. Tatsächlich würde man vielleicht sogar gern ein Bild des friedlichen Kunstmalers in seiner Wohnung hängen lassen oder in einer Galerie bewundern. Der wahre Hitler indes ist nur zu verdammen.

Im Anhang dieser Ausgabe, nicht minder interessant, berichtet der Autor über den Entstehungsprozess des Werkes, welches in einer Reihe zu stellen ist, mit “Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran” oder “Das Kind von Noah”.

Man wünscht sich, so etwas im Anschluss von viel mehr Romanen zu lesen. Auch auf die Gefahr hin, dass dies viel interessante ist als die Geschichte an sich. Doch hier tut die Ergänzung sogar Not, ist wichtig, ergänzend.

Insgesamt also eine runde Sache, die sich zu lesen empfiehlt. Wenn auch sich der Roman etwas sperrig und nur langsam lesen lässt. Begibt man sich jedoch einmal auf diese Reise, entdeckt man etwas Großartiges.

Autor:

Eric-Emmanuel Schmitt wurde in Frankreich 1960 geboren und ist ein französisch-belgischer Schriftsteller, Dramatiker und Filmregisseur. Nach dem Abitur studierte er in Paris und promovierte in Philosophie, unterrichtete mehre Jahre lang in Cherbourg und an der Universität in Chambery.

Zunächst arbeitete er als Autor für Theaterstücke und wurde 1993 mit dem Theaterpreis Moliere ausgezeichnet. Seine darauf folgenden Theaterstücke wurden in über 35 Ländern aufgeführt und in mehreren Sprachen übersetzt. Einzelne Romane wurden verfilmt.

2009 führte er selbst bei “Oskar und die Dame in Rosa” Regie. Schmitt lebt in Brüssel und besitzt neben der französischen auch die belgische Staatsbürgerschaft.

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Matt Ruff: Mirage

Mirage Book Cover
Mirage Matt Ruf dtv Erschienen am: 19.06.2015 Seiten: 492 ISBN: 978-3-423-21594-7 (eigentl. 2 1/2 Sterne)

Inhalt:

Das Attentat erschütztert die Vereinigten Arabischen Staaten (VAS) bis ins Mark: am 9.11.2001 fliegen zwei Flugzeuge in die Türme des Welthandelszentrums von Bagdad, ein drittes ins arabische Verteidigungsministerium in Riad, ein viertes stürzt in der Wüste ab.

Die wirtschaftliche Supermacht sagt dem Terror den Kampf an und besetzt die Ostküste von Amerika – ein unbedeutendes Entwicklungsland und vermutlich die Heimat der Terroristen.

Acht Jahre später, die Gefahr ist noch immer nicht gebannt, gelingt es Mustafa al-Bagdadi, Bundesagent für Innere Sicherheit, einen mutmaßlichen Selbstmordattentäter zu verhaften. Von ihm erfährt er Unglaubliches: In Wahrheit seien nicht die VAS die Großmacht, sondern Amerika!

Den ersten Beweis liefert die “New York Times” vom 12.9.2001, die man in der Wohnung des Terroristen findet: “Angriff auf die USA- Entführte Jets zerstören die Twin Towers und treffen das Pentagon”. Je weiter sich Mustafa und sein Team in Terror- und Spionagekreise vorwagen, desto mehr Fragen bleiben ohne verstandesmäßig erfassbare Antwort… (Klappentext)

Rezension:

Es ist ein interessantes Szenario, das Weltgeschehen einfach mal umzudrehen und diese Idee weiter zu spinnen. Was wäre wenn? Was wäre, wenn die arabische Welt Supermacht wäre und nicht die USA? Was wäre, wenn christliche Fundamentalisten dort einen Anschlag verübt und tausende Menschen getötet hätten?

Und was wäre, wenn sich die arabische Welt in ihrem Feldzug gegen den stattgefundenen Terror verheddert hätte? Was wäre, wenn Sadam Hussein ein zwielichtiger Geschöftsmann mit Verbindungen zur Politik und Osama Bin Laden Senator wäre und arabische Behörden im Streit der Zuständigkeiten um Meinungs- und Ermittlungshoheit kämpfen würden?

So liest sich der Roman von Matt Ruff in einer Mischung aus gesellschaftlichen Spiegel, Fiction und andersartiger Betrachtugn durchaus spannend, zumindest am Anfang. Dann jedoch, so schnell wie die Geschichte an Fahrt aufnimmt, tatsächlich nimmt der Anschlag selbst nur wenige Seiten ein, verliert das Szenario an Geschwindigkeit.

Wie in der realen Welt die Amerikaner, bleibt auch Matt Ruffs Roman buchstäblich im Wüstensand stecken und zeichnet sich vor allem durch Längen aus, die es zu überwinden gilt. Ob das nur ein interessanter Scachzug eben gleich der tatsächlichen Ereignisse ist oder ungewollt, bleibt jedem selbst überlassen.

Jedenfalls wird aus einem spannenden Fiction-Roman hier ganz schnell eine mäßig interessante Geschichte und das liegt nicht an den Beschreibungen skuriler Figuren. Sadam Hussein als gerissener Geschöftsmann hat schon was oder Bin Laden als sich einsetzender exentrischer Politiker.

“Mirage” ist ein Roman mit einer guten Idee, der sich beruhigt lesen lässt ohne die Terroranschläge an sich ins Lächerliche zu ziehen, doch hätte man aus der Geschichte mehr machen können.

Immerhin hat Jonathan Safran-Foer mit “Extrem laut und unglaublich nah” gezeigt, wie es sehr viel besser gelingt. So bleibt Ruffs Roman einer, den man gelesen haben kann aber nicht unbedingt muss. Leider.

Autor:

MattRuff wurde 1965 in Queeens/New York geboren und studierte nach der Schule Englische Literatur und Kreatives Schreiben. Er soll bereits mit fünf Jahren beschlossen haben zu schreiben. Seine Magisterarbeit im Studium war gleichzeitig seine erster Roman.

Inzwischen sind von ihm fünf Romane veröffentlicht wurden. 2012 die Parallelgeschichte zu den Terroranschlägen am 11. September. Für seine Romane erhielt Ruff einige Auszeichnungen, wie den Wahington State Book Award for Fiction.

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