Lyrik

Literaturfestival Potsdam Brandenburg: Serhij Zhadan & Friends

Serhij Zhadan ist es, von dem ich schon längst mehr lesen wollte, seinen Roman “Internat” großartig fand und der nun im Rahmen einer Veranstaltung des Literaturfestivals Potsdam Brandenburg lesen wird. Mit Sasha Marianna Salzmann, seiner Laudator:in bei der verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels wird er dort über die aktuelle Situation in der Ukraine sprechen – und was Kunst im Krieg bewirken kann. Anschließend stellen er, sowie Yuriy Gurzhy und Ulrike Almut Sandig die musikalische Performance FOKSTROTY vor, ursprünglich ein Diskoupdate ukrainischer Dichter:innen der 1920er Jahre, deren meiste Vertreter durch Gewalt zu Tode kamen.

Serhij Zhadan & Friends
Lesung und Gespräch mit Sasha Marianna Salzmann

anschließend:

Fokstroty
Konzert mit Serhij Zhadan, Yuriy Gurzhy, Ulrike Almut Sandig

Wann: Samstag, 1. Juli, 18 Uhr
Wo: Waschhaus, Schiffbauergasse 6, 14467 Potsdam

Tickets 30 / ermäßigt 25 Euro

Für Gäste aus der Ukraine ist der Eintritt frei.

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SAID: Ein vibrierendes Kind

Inhalt:

In seinem nachgelassenen Roman “Ein vibrierendes Kind” erzählt SAID von seiner Kindheit und Jugend im Iran zwischen 1947 und 1965. Die Eltern sind geschieden und das Kind wächst beim Vater auf, der als Offizier viel unterwegs ist, sich aber liebevoll um seinen Sohn kümmert.

In seinem einfach gehaltenen, bildreichen Stil erzählt SAID von einer Welt und Gesellschaft, die so nicht mehr existiert, die ihn prägt und schützt, aber auch seinen Widerstand hervorruft, bis er das Land für immer verlässt – nicht zuletzt ermuntert durch seinen Vater. “Ein vibrierendes Kind” ist ein ans Herz gehendes Buch. (Klappentext)

Rezension:

Das Manuskript schon fertig, suchte der Autor und Poet einen passenden Verlag dafür, fand ihn und starb kurz vor der Veröffentlichung seiner Erinnerungen an eine Kindheit und Jugend in einem längst vergangenen Land. SAID, so sein Künstlername, der sich für politisch Verfolgte einsetzte, sich immer auch über sein eigenes Werk hinaus für die Vermittlung persischer Literatur engagierte, wandelte hier zwischen den Welten.

Und so liegt mit seinem Text “Ein vibrierendes Kind” eine Mischform vor, zwischen Epik und Lyrik, fast einem Langgedicht, dessen Abschnitte sich jedoch auch getrennt voneinander lesen lassen. In diesem Stil muss man erst einmal hineinfinden. Die ungewöhnliche Schreibweise, Großbuchstaben komplett außen vor zu lassen, tut ihr übriges, volle Konzentration denen abzuverlangen, die sich darauf einlassen, um dann in eine wundersame Welt der Erinnerungen einzutauchen.

ein kind für den samowar

jeden morgen wacht das kind mit seinem summen auf.
am abend arbeitet das kind für den samowar.
glühende kohle wird in einen kleinen drahtkorb gelegt, der korb hat
einen langen stiel, das kind greift zu seinem ende und rennt in den patio.
es dreht den kohlenkorb an seiner seite im kreis.
je schneller das kind ist, desto früher glüht die kohle.
dann rennt es ins haus und liefert die kohle für den samowar.’
großmutter mault, die tätigkeit sei zu anstrengend.
doch das kind verteidigt jeden abend sein naturrecht auf das amt.
es ahnt nicht, daß bald die moderne gegen das kind siegt.
bald kommen samoware mit öl.
dann steht das kind da –
ohne auftrag, ohne würde.

SAID: Ein vibrierendes Kind

SAID erzählt vom Aufwachsen zwischen den Frauen seines Vaters, Ausflügen und den feinen Geflogenheiten der Erwachsenen, die das Kind beobachtet, vom Zwischenspiel im Internat und dem Drang zur Kontrolle der Großmutter. Melancholie sticht durch, ebenso der kritische Blick, der schon dem kleinen Jungen und später dem Jugendlichen nicht fehlt, der seinen Weg sucht, finden und vom Vater gefördert wird. Schon aufgrund der Art des Textes, der sich nicht wirklich einer literarischen Gattung zuordnen lässt, der Verlag spricht vom Roman, ist dies etwas besonderes, wie auch der Autor zeit seines Lebens immer umtriebig war.

Autor:

SAID, eigentlich Said Mirhadi, wurde 1947 in Teheran geboren und war ein iranisch-deutscher Schriftsteller. Seit 1965 lebt er in München, ging 1979 für kurze Zeit in den Iran zurück, um dann entgültig nach Deutschland zurückzukehren. 2004 erhielt er die deutsche Staatsbürgerschaft und schrieb Prosa und Lyrik, war zudem an der Produktion von Hörspielen beteiligt. Der Schriftsteller war Mitglied des PEN-Zentrums, 1995-1996 Vizepräsident dessen und von 2000-2002 Präsident des PEN-Zentrums Deutschland. Er wurde mehrfach für sein Werk ausgezeichnet, etwa 2006 mit der Goethe-Medaille und 2014 mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland. Er starb im Jahr 2021.

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Kurzblick: Poetisiert Euch.

Wieder einmal ist es Zeit für einen Beitrag der Kategorie “Kurzblick”. Hier erscheint alles, was sonst nicht recht in irgendeine andere Kategorie passen möchte, was einer anderen Form bedarf oder wozu der Schreibende noch nicht allzu viel Vergleichsmaterial in der Hinterhand hält. Heute soll es dabei um einen kleinen Independent-Verlag gehen, der seit 2005 ganz im Zeichen von Lyrik und Illustration steht.

Wie ist es mit euch? Lyrik, das war der Part im Unterricht, mit den man sich eine gute Note zu Schulzeiten holen konnte, wer keine Probleme hatte, Texte auswendig zu lernen, aber auch dieser, der manchen von uns zu Fall brachte, wenn es um die ausführliche Interpretation ging. Wehe dem, man folgte der Meinung einschlägiger Lehrbücher oder -personen nicht und hatte irgendetwas in der Argumentation übersehen.

Lyrik ist jedoch schon immer mehr gewesen, als das starre Entlanghangeln und Festhalten an Formen. Das kann man natürlich tun, doch darf sie natürlich dazu dienen, den Gedanken freien Lauf zu lassen, zum Nachdenken anzuregen, Perspektiven zu gewinnen und einfach einmal zu zeigen, was mit Sprache möglich wird, wenn man sie nutzt. Der Text ist das eine, die haptische Form ist das andere. Die Gründer und Schreibenden des Verlagshaus Berlin bringen beides überein.
Dabei entstehen Werke, in denen man sich verlieren kann, wenn man es zulässt.

Lea Schneider, z. B., lebte einige Zeit in China und wirkt als freie Übersetzerin, Autorin und Lyrikerin, bringt ihre Gedanken zum Reich der Mitte in ihrem Lyrik-Band “made in china” zum Ausdruck. Durchstreift werden sechs Orte, die alle pulsieren, voller Leben sind, von der Vergangenheit zehren, sie nicht loslassen können und doch unaufhaltsam voranschreiten, der Zukunft entgegen. Der Spagat, den die Bewohner von Beijing, Shanghai oder Hong Kong machen, täglich, zwischen alter Tradition und Geschichte und chinesischer Interpretation eines modernen Staats kommt dabei zum Tragen. Wie viel wissen oder was glauben wir zu wissen, über China, deren Städte sich zu gleichen scheinen, und doch ganz verschieden sind?

“made in china”, Gedichte von Lea Schneider, Illustrationen von Yimeng Wu
Edition Belletristik im Verlagshaus Berlin
Seiten: 108, ISBN: 978-3-945832-38-7

Odile Kennel begibt sich dagegen auf die Suche nach einem Gefühl. Was ist Lust? Worin besteht die überhaupt? Worauf kann man Lust haben, was bewirkt sie, wo durch wird sie ausgelöst? Können Texte, kann Sprache Lust bereiten? Sind Wörter körperlich? Mit der Sprache nach ihrem Lusthorizont suchend, im Rahmen der im Verlag herausgegegebenen Edition Poeticon sucht die Autorin, findet nicht, findet doch. Auch hier, man muss sich darauf einlassen, man muss sich den Text erschließen, auf sich wirken lassen.

“Lust” von Odile Kennel
Edition Poeticon im Verlagshaus Berlin
Seiten: 48, ISBN: 978-3-945832-47-9

Inzwischen gibt es mehrere dieser Reihen, die auf Entdeckung durch uns Lesende warten. Wem dies nicht genügt, kann vom Verlagshaus Berlin auch die Lyrik abonnieren. Kurzum: Poetisiert Euch.

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Reinhard Kuhnert: In fremder Nähe

In fremder Nähe Book Cover
In fremder Nähe Reinhard Kuhnert Mirabilis Verlag Erschienen am: 22.02.2019 Seiten: 272 ISBN: 978-3-9818484-9-6

Inhalt:

Elias Effert ist Theatermann. Stückeschreiber, Regisseur und Liedermacher und feiert in der DDR große Erfolge, bis er zu sehr mit seinen Texten aneckt. Der Geschasste verlässt die DDR, nur einer holt ihn in Westberlin ab. Joachim, Chef eines Westberliner Theaters, will helfen.

Doch, Elias ist skeptisch, nach und nach stellen sich jedoch erste Erfolge ein. Effert erlebt aber auch die Zweifel und Schwierigkeiten, ein Westler zu werden. Eine Welt wurde ihm fremd, die andere wird nie ganz nah. Nach Jahren öffnet sich für Elias ein völlig unerwarteter Weg. (eigene Inhaltsangabe).

Rezension:

Wenn man den Umschlagstext und die Inhaltsangabe eines großen Verkaufsportals auf diese art und Weise zusammenfasst, könnte man fast den Eindruck bekommen, man hätte es hier mit einer spannenden und wendungsreichen Thematik zu tun, wird aber gleichsam auf den ersten Seiten enttäuscht werden. Und die gehören schon zu den spannendsten, welche der Künstlerroman zu bieten hat.

Geschrieben hat ihn Reinhart Kuhnert, der hier als Theatermensch seine eigene Biografie verarbeitet hat und von den Schwierigkeiten erzählt, zwischen Tür und Angel, in diesem Fall zwischen Ost und West zu leben und nirgendwo so richtig anzukommen.

Und genau das passiert zunächst auch mit den Leser. Vielleicht liegt es daran, dass mir das bewusste Erleben der DDR- und Wendezeit fehlt, jedenfalls ist das anfangs noch verständliche Verhalten und Denken des Hauptprotagonisten, welches ihn zu einer durchaus wandelbaren und interessanten Figur hätte machen können, mir sehr schnell gehörig auf die Nerven gegangen. Diese ständigen Selbstzweifel, das Jammern wird mit der Zeit so unerträglich, dass es auch nicht hilft, dass man aufgrund des Erzählstils geradezu durch die Seiten fliegt.

Zu nennen sind die beiden Hauptfiguren, Effert zum einen und zum anderen Kramert, die gleichsam gegensätzliche Pole ihrer Orientierung bilden, denen man jedoch beide gegen eine Ziegelmauer stoßen möchte. Fast möchte man beiden Protagonisten zu schreien, man kann sich aber auch anstellen.

Ansonsten bewegt sich außer der dahinplätschernden Handlung nicht viel. Sinnsuche, vielleicht nicht ohne Sinn aber ohne Ergebnis und irgendwie habe ich das von diesen Roman erwartet. War dann vielleicht auch ein Fehler von mir.

Interessant ist die Verschmelzung der Geschichte des Autors mit der seines Protagonisten. Hier erweißt sich das Reale wieder einmal spannender als die gesponnene Geschichte. Kuhnert hat selbst eine Dissidentenbiografie vorzuweisen und ging in den 1980er jahren in den Westen, musste als Künstler praktisch von Null auf starten, verarbeitete mit diesem Roman wahrscheinlich all die Gedanken, die ihn seither begleiteten.

Er verwendete dafür reale Texte, die er selbst für verschiedene Theaterbühnen schrieb und legte sie seinen Protagonisten in den Mund oder in der Füllertinte. Solch einen Kniff zu verwenden ist stark. Um so bedauerlicher, dass Kuhnert nicht mehr daraus gemacht hat als diesen Roman, der mich fragend zurücklässt und farblos erscheint.

Vielleicht wirkt die Geschichte anders, wenn man selbst eine ähnliche Biografie aufweisen kann oder zumindest der Generation des Autoren angehört oder dessen Berufsgruppe? Mir fehlte leider der Zugang.

Autor:

Reinhard Kuhnert ist Schauspieler, Regieassistent und Regisseur und arbeitete an verschiedenen Theatern in der DDR, später in Westberlin und im Ausland.. Bis 1983 wirkte er als erfolgreicher Dramatiker in Ostberlin, bevor er nach zunehmenden Konflikten mit der Zensur und den folgenden Rauswurf aus den Schriftstellerverband der DDR nach Westberlin übersieltelte.

Er schreibt Stücke für Theater, Funk und Fernsehen aber auch Romane und Gedichte.Von 1994 bis 2007 lebte er in Galway/Irland und war dort Gastdozent der dortigen Universität, sowie 2006 an der Universität und dem Victorian College of Arts Melbourne. Er erhielt 1999 den Brüder-Grimm-Preis des Landes Berlins und 2017 die Goldene Schallplatte.

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