Kriminalroman

Cecilia Sjögren: Die letzte Welle

Inhalt:

Im Altenheim “Ömheten” geschehen seltsame Dinge: Ein mysteriöser Einbruch, gefolgt von einem Todesfall wecken den Verdacht des pensionierten Polizisten Tore Lindahl: Ist sein Heimnachbar Viking wirklich auf natürliche Weise gestorben? Wer ist der Fremde, der vor dem Heim herumschleicht? Und warum will das Pflegepersonal all das geheim halten?

Bei der örtlichen Zeitung hofft Veronika Wiklund auf die große Story. Wenn sie nicht bald einen aufsehenerregenden Artikel abliefert, verliert sie den Job. Als sie von Tores Verdacht hört, sieht die Journalistin ihre Chance gekommen.

Gemeinsam beginnen die beiden zu ermitteln. Ihre Recherche deckt ein weit verzweigtes kriminelles Netzwerk auf. Musste Viking sterben, weil er davon wusste? Oder liegt die Wahrheit weiter zurück – im Inferno des Zweiten Weltkriegs, dem auch der kleine Fischerort Grisslehamn nicht entgehen konnte? (Klappentext)

Rezension:

Interviews im Umfeld des Altenheims sollen es sein, die die journalistische Praktikantin führen soll, fällt doch die Einrichtung im Zuge einer wirtschaftlichen Übernahme vor allem durch Ungereimtheiten in der Verwaltung auf. Routinearbeit, die nicht gerade genügend Stoff bietet, doch ereignet sich zeitgleich ein Todesfall, der den pensionierten Polizisten Tore Lindahl aufhorchen lässt. Der mag nicht so recht an einem natürlichen Ableben seines Zimmernachbarn glauben und begibt sich auf Spurensuche. Auch für Veronika stellen sich bald mehr Fragen als Antworten. Beide ziehen ihre Schlüsse, nicht ahnend, welche Geister der Vergangenheit sie da wecken.

Kriminalromane aus Skandinavien sind eine sichere Bank, zumal wenn sie in modernen Gewand und ohne eine gehörige Portion Melancholie daherkommen, die sämtliche Handlungen zu ersticken vermag. Stattdessen macht die Autorin Celine Sjögren in ihrem Debüt viele Handlungsstränge auf, die hauptsächlich auf zwei zeitliche Ebenen verteilt werden. Diese kann man aufgrund der Struktur des Textes noch gut auseinander halten, doch ist hier mit der Detaillierung eindeutig zu viel gewollt.

Da wäre nicht nur die eigentliche Haupthandlung, sondern auch das Zwischenspiel im Miteinander von Charakteren, die zwar viel Inhalt bringen, bei denen man sich jedoch zu schnell fragen mag, wie am Ende diese zueinander geführt werden, zudem ein Handlungsstrang eher dem Genre Kriegsroman zugeneigt ist. Auch diese Gegensätze werden nach und nach miteinander verbunden.

Cecilia Sjögren kann schreiben und weiß wenige Spannungsmomente gekonnt einzuarbeiten, doch ergeben sich aus zwischenmenschlichen Zusammenspielen zwar die Konturen der mit zunehmender Seitenzahl auch immer zahlreicheren Protagonisten, aber eben auch Längen, die man kaum ignorieren wird können. Landschaftliche und Ortsbeschreibung sind dagegen positiv hervorzuheben. Bilder vor dem inneren Auge sind garantiert. Das zusammen funktioniert am besten, wenn sich die Handlung weg vom Ausgangspunkt bewegt, fast so als würde die Dynamik mit der Ferne zum Altenheim zunehmen. Apropos Altenheim, bis jetzt dort die trostloseste Beschreibung dessen innerhalb eines Buches, welche ich gelesen habe.

Die Figuren sind gekonnt ausgestaltet und bekommen im Verlauf ihre Ecken und Kanten. Manches ist nicht wie es scheint, auch wenn in das Kitsch-Näpfchen das eine oder andere Mal zumindest der Finger hineingetaucht wurde. Momente des Augenrollens hat man da durchaus, im Gegensatz zu einem gewissen Schauer, den man bei Kriminalromanen erwarten dürfte. Der fehlt komplett. Beim Lesen des Textes neigt man dazu, Mord und andere unausweichliche Konfrontationen mit Schulterzucken hinzunehmen, was sicher auch nicht das ursprüngliche Ziel gewesen sein dürfte. Man liest diesen Krimi wie einen normalen Roman, der kein Krimi ist.

Große Überraschungen bleiben aus, zumindest wenn man bereits einiges in diese Richtung gelesen hat, trotzdem erlaubt der Schreibstil ein schnelles Vorankommen, so dass man auch über die eindeutigen Schwächen hinwegkommen und die Lektüre fix beenden wird. Wen das ausreicht, sei “Die letzte Welle” zu empfehlen.

Autorin:
Cecilia Sjögren ist Wirtschaftswissenschaftlerin und Autorin. Zum vierzigsten Geburtstag bekam sie einen Schreibkurs geschenkt, seit dem schreibt sie vor allem Kriminalgeschichten. Ihr Roman “Die letzte Welle” gewann 2022 den Krimiwettbewerb von SAGA Egmont.

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Tove Alsterdal: Blinde Tunnel

Inhalt:

Sonja und Daniel wollen ihre Ehe retten und erfüllen sich einen Traum: Das schwedische Paar kauft ein Weingut in Tschechien. Das Anwesen liegt seit dem Zweiten Weltkrieg brach, verströmt jedoch eine betörende Magie. Bei ihren Aufräumarbeiten entdecken sie ein Kellergewölbe mit Flaschen aus den Kriegsjahren. Und die mumifizierte Leiche eines Jungen mit weißer Armbinde. Die Polizei hat kein Interesse, der Sache nachzugehen, aber mithilfe der Anwältin Anna erfährt Sonja mehr über die bewegte Geschichte des Dorfes, die Annexion der Gebiete durch Hitler, das Leid der Bevölkerung. Doch dann wird Anna ermordet und Daniel als Verdächtiger verhaftet. Sonja begreift, dass der Schlüssel in der Vergangenheit liegen muss. Und dass manche Dinge für immer verborgen bleiben sollten. (Klappentext)

Rezension:

Alleine das Szenario reicht bereits aus, um eine Erzählung vollkommen zu überfrachten. Die Frage jedenfalls, stellt sich relativ schnell. Kann das funktionieren? Ein schwedischer Krimi, der in Tschechien spielt und die konfliktbeladene Geschichte zwischen Tschechen und Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg thematisiert. Zwischen die damaligen Fronten zu geraten und verschüttete Emotionen aufzurütteln, ist jedenfalls das Letzte, was die beiden Hauptprotagonisten wollen, als sie in die tschechische Provinz ziehen.

Das verlassene Haus mit ehemaligen Weingut sah ja auf den Bildern vor dem Kauf so malerisch aus. In Zentraleuropa angekommen wird Sonja und Daniel jedoch schnell klar, dass mit dem Grundstück auch ein Teil der Vergangenheit dieses Landstrichs erworben wurde, der noch immer nicht zu viele Fragen erwünscht. Als dann auch noch die Leiche eines Jungen im ehemals zugemauerten Weinkeller gefunden wird, ist schnell nichts mehr, wie es war. Sonja beginnt die Geschichte des Ortes zu hinterfragen, doch wem kann sie noch trauen?

Somit ist der Handlungsrahmen umschrieben, in dem sich die beiden Hauptprotagonisten befinden. Beide geraten schnell in einem Strudel hinein, dessen Wirkung sie schnell nicht mehr kontrollieren können. Jeder im Dorf und alle, auf die vor allem Sonja stößt, um mehr zu erfahren, scheinen eigene Interessen zu verfolgen. Nichts scheint Schwarz oder Weiß, viele Grautöne vermischen sich. Auch die beiden Protagonisten haben ihre Ecken und Kanten. Emotionale Kälte ist zwischen den Zeilen zu lesen, genau so wie der Staub vom lange nicht mehr genutzten Boden aufgewirbelt wird.

Dabei umfasst das Szenario im Hier und Jetzt nur wenige Tage. Rückblicke in die Vergangenheit, die sich Sonja nach und nach öffnen, geben der Geschichte eine Dynamik, die vor allem dann interessant wird, wenn das Erfahrene unmittelbare Auswirkungen bekommt. Zudem gibt es zu wenig Literatur, die diesen Teil der Geschichte so einarbeitet. In sofern funktioniert die Mischung, der dennoch an einigen Stellen etwas mehr Tempo gut getan hätte.

Dieses ist nämlich ansonsten durchaus ordentlich. Erzählerische Längen existieren kaum. Auch Sprünge oder Wendungen sind so eingearbeitet, dass sie nicht fehl am Platze wirken. Vielleicht hätten sogar ein zwei derer Sachen mehr der Geschichte gut getan, doch kann man auch damit zufrieden sein, dass nicht skandinavische Melancholie den O-Ton bestimmt. Der Sprung außerhalb der nordischen Länder funktioniert hier hervorragend. Nur eine Frage bleibt offen, wie würde ein solcher Krimi erzählt werden, wenn dieser aus der Feder tschechischer Schreibender stammte? Vielleicht ist jedoch diese Perspektive dem Ganzen zuträglich.

Die beiden Hauptfiguren sind glaubwürdig ausgearbeitet, wobei der männliche Part durch die weibliche Protagonisten Konturen bekommt. Auch die Geschichte wird ja aus Perspektive Sonjas erzählt, bis auf die Rückblicke, die sich ihr nach und nach erschließen. Facettenreich sind sie und alle Nebenfiguren vor allem dadurch, dass lange nicht klar ist, wer der Gegenpart ist und auch das Ende einem mit gemischten Gefühlen zurücklassen wird, was jedoch hervorragend zur Geschichte passt und kaum anders vorstellbar wäre. Eine Erzählung in der nicht alle Konflikte zur Gänze aufgelöst sind, ist eben eines nicht. Langweilig.

So facettenreich die Geschichte, so spannend erzählt Tove Alsterdal diese, dass man gerne mehr erfahren möchte, immer einen kalten Schauer im Nacken spürend. Effekthaschend blutige Szenarien sucht man hier vergebens. Angenehm hat sich die Autorin hier zurückgehalten, trotzdem kommt keine Langeweile auf. Im Gegensatz zu vielen anderen Krimis wird hier mit etwas längeren Kapiteln gearbeitet, deren Übergänge im Verhältnis fließend sind. Trotz der insgesamt sehr kompakten Erzählung hat man das Gefühl, dass die Autorin sich Zeit für die Ausarbeitung der Szenarien genommen und ebenso ausreichend für deren Grundlagen recherchiert hat.

Das trägt dazu bei, dass man sich die einzelnen Schauplätze und Figuren gut vor dem inneren Auge vorstellen kann, ohne sich darin allzu lang aufhalten zu müssen. Dieser Krimi ist damit nicht nur für alle Fans des Genre, sowie so an skandinavischer Literatur Interessierte gerichtet, eben auch für jene, die einmal ausweichend von Sachbüchern mit zweifelhafter Tendenz sich einer Thematik nähern möchten, die sonst nur wenig besprochen wird.

Am Ende fehlt noch der eine oder andere I-Tüpferl, insgesamt ist es jedoch eine sich lohnende Lektüre. Zumal jeder irgendeine Leiche im Keller hat.

Autorin:

Tove Alsterdal wurde 1960 in Malmö geboren und ist eine schwedische Schriftstellerin, Journalistin und Dramatikerin. Zunächst arbeitete sie als Krankenschwester, bevor sie 1985 eine Ausbildung zur Journalistin begann. Danach arbeitete sie lange Zeit für Radio und Fernsehen, begann 1990 zudem für eine unabhängige Theatergruppe zu schreiben. Ihr Krimidebüt gab sie 2009, dem weitere Romane folgten. 2014 erhielt sie den Preis für den besten Kriminalroman des Jahres der Svenska Deckarakademin. 2020 begann sie an einer Krimiserie zu arbeiten, die 2023 abgeschlossen wurde.

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Alexander Häusser: Karnstedt verschwindet

Inhalt:

Wer in der Schule zu sehr aus der Masse heraussticht, wird schnell zum Außenseiter. Doch für Simon und Karnstedt, die beide gar keine andere Wahl haben, als aufzufallen, bedeutet die Ausgrenzung der Beginn ihrer besonderen Freundschaft. Über zwanzig Jahre später steht Simon vor dem Haus seines Jugendfreundes.

Nach der Schulzeit brach jeglicher Kontakt ab, bis Simon die Nachricht von Karnstedts Verschwinden erreichte. Nun soll sich ausgerechnet Simon um dessen Nachlass kümmern. Als er das Haus betritt, findet er ein heilloses Chaos vor. Und überall dazwischen: Erinnerungen. Von ihm, dem klein gewachsenen Simon, und dem kahlen Karnstedt, der mit seinem Anderssein den Klassenkameraden Tummer und dessen Clique provozierte. Beide teilten damals ein Geheimnis, das der Grund für die rätselhaften Ereignisse zu sein scheint. (Klappentext)

Rezension:

Eine Erzählung, gleichsam wie ein Schrei und doch ganz leise. Das ist “Karnstedt verschwindet” des Schriftstellers Alexander Häusser, dessen Roman sich keinem Genre ausschließlich zuordnen mag. In einer Verbindung einer Coming-of-Age-Geschichte mit einem Kriminalroman und Psychorama erleben wir die Geschichte einer Jungenfreundschaft aus der Sicht dessen, der zurückblicken muss.

Neugierig und ängstlich zu gleich, was er entdecken mag und über diese Verbindung und damit auch über sich selbst herausfinden wird. Der eher kompakt gehaltene Text kommt auf leisen Sohlen daher, wie der Protagonist selbst für sich anhand seiner Umgebung die Vergangenheit aufdröselt, die ihn vielleicht im übertragenen Sinne in den Abgrund führen wird. Genau weiß er das zunächst nicht, auch wir bleiben zu Beginn lesend unwissend.

Drei Handlungsstränge braucht es, die zwischen den Zeitebenen und der Genre wechseln. Nachvollziehbar ist das vor allem anfangs nicht immer, doch nach und nach wird zusammengeführt und es ergibt sich ein klares Bild der überschaubaren Hauptfiguren, die der Autor hier aufeinandertreffen lässt. Welche Figur hat auf wen größeren Einfluss? Wer ist wessen Spielball? Wie die Reaktion? So wird eine Gemenglage aufgebaut, die unweigerlich zum Ausbruch führen muss.

Die Geschichte spielt im Zeitraum von mehreren Jahrzehnten. Rückblenden sind die stärksten Elemente der Erzählung, in denen der Ich-Erzähler immer mehr eigene Konturen gewinnt, sein Konterpart im Wechsel zwischen Faszination und Abstoßen ein sehr differenziertes Bild abgibt. Auch der Antagonist bekommt seine Ecken und Kanten. Ruhige Sätze lullen ein, um mit einem lauten Knall zu überfallen. Einige dieser Momente wirken arg gewollt platziert, doch möchte man unbedingt weiterlesen, erfahren. Ein gewisser Sog ist über Strecken nicht abzusprechen.

Der Erzähler nimmt diese Perspektive dauerhaft ein und setzt in seine Erinnerungslücken einzelne Puzzleteile gleichsam den Überbleibseln seines verschwundenen Gegenübers ein, um sein eigenes Bild zu vervollständigen. Immer wieder gibt es zwischen den Zeilen verschiedene Ebene als verbindende Elemente zwischen den Handlungssträngen. Entstehende Längen durchbrechen dann zuweilen den Lesefluss, dem an einigen Stellen mancher Sprung nicht hilft. Mit dem nächsten Satz hat der Autor jedoch wieder packen können.

Eine unterschwellige Spannung ist die ganze Zeit über zu spüren, wenn auch die Wendungen nicht immer überraschen können. Gerade zum Ende hin, funktioniert dies jedoch gut, was daran liegen mag, dass man sich spätestens ab Mitte des Romans in den Erzählstil eingefunden hat. Der in der Vergangenheit liegende Handlungsstrang wird dabei zu Ende am stärksten in Erinnerung bleiben. Punktuell hätte der Geschichte etwas mehr Detailliertheit gut getan, zudem Häusser passagenweise durchaus filmisch zu beschreiben weiß.

Die Perspektive und Position des Erzählenden wird, außerhalb der Zeitebene, von Beginn an sich nicht ändern. Das Gefühlschaos des Protagonisten tut es dagegen stetig. Simon wächst einem ans Herz, ist nachvollziehbar. Karnstedt als zweite Hauptfigur bleibt wie vom Nebelschleier umhüllt. Glaubt man ihm fassen zu können, endgleitet er einem schon wieder.

Egal, welches Buch man lesen möchte, den nicht ganz einfachen Coming-of-Age-Roman, das Psychogram oder den Kriminalroman, mit “Karnstedt verschwindet”, wird man all das bekommen. Ist nur die Frage, was davon am besten funktioniert. Für mich hat sich das entschieden.

Autor:

Alexander Häusser wurde 1960 in Reutlingen geboren und studierte zunächst Germanistik, Philosophie und Geschichte. Für sein Werk, welches mehrere Romane umfasst, erhielt er Auszeichnungen, wie den Literaturförderpreis der Stadt Hamburg. Häusser wirkt zudem im Rundfunk mit. Sein Roman “Zeppelin!” wurde für das Kino verfilmt.

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Lucy Clarke: One of the Girls

Inhalt:

Es sollte der perfekte Kurzurlaub werden: Lexi reist mit fünf Freundinnen auf eine griechische Insel, um ihren Junggesellinnenabschied zu feiern. Von der abgelegenen Villa mit Meerblick bis hin zu den malerischen Tavernen und weiß getünchten Straßen scheint der Urlaub zu schön, um wahr zu sein. Und tatsächlich bekommt die Idylle bald Risse, denn abgesehen von ihrer Freundschaft mit Lexi haben die Frauen nur eines gemeinsam: Sie alle haben etwas zu verbergen. Nach und nach kommen versteckte Absichten ans Licht, Geheimnisse werden enthüllt und die Masken fallen – bis eine Leiche auf den Klippen unterhalb der Villa liegt… (Klappentext)

Rezension:

Ein paar Tage noch wollen sie zusammen verbringen, sechs Freundinnen, um den Beginn eines neuen Lebensabschnitts einer von ihnen zu feiern. Einen unvergesslichen Jungesellinnenabschied, eine besondere Hen-Party, plant da Bella für ihre beste Freundin Lexi, und der soll im Paradies einer griechischen Mittelmeerinsel stattfinden.

Schon bei Ankunft der Frauen zeigt die Idylle erste Risse. Nicht alle von ihnen haben das gleiche Ziel. Stunde um Stunde nähern sich die Protagonistinnen dem Abgrund.

Auch der neue Roman der englischen Autorin Lucy Clarke führt uns Lesende in ein Urlaubsparadies Marke Postkartenmotiv, um nach und nach derer Schattenseiten die Oberhand gewinnen zu lassen. Nicht gerade durchgehend ist es ein düsterer Reisekrimi, immer wieder kommt eine gewisse Leichtigkeit zum Tragen, die jedoch im darauffolgenden Moment gekonnt durchbrochen wird.

Dabei ist zunächst nicht klar, was genau passieren wird. Andeutungen werden durch die namenlose Erzählerin zwischen den Kapiteln nach und nach konkreter. Erst später ergibt sich aus verschiedenen Puzzelteilen ein Gesamtbild. Die Erzählung, beschrieben aus der wechselnden Sicht der einzelnen Figuren, wird zunächst bestimmt durch das Beziehungsgeflecht untereinander. Grundverschiedene Charaktere, die bis auf ein zwei Merkmale nicht gerade vielseitig ausgestaltet sind, treiben die Handlung voran, die einen Zeitraum von wenigen Tagen umfasst.

Je nach erzählender Protagonistin wird mehr oder weniger ausschweifend erzählt. Auffällig ist, dass vor allem zu Beginn mehr an der Oberfläche gekratzt wird, um Spannung aufzubauen, die alleine durch die Wirkung der Figuren aufeinander hochgehalten wird. Die ruhige Tonalität, mit der Lucy Clarke die Atmosphäre setzt, tut ihr Übriges, zudem der fiktionale Ort, der ihr völlige Handlungsfreiheit gab, die Erzählung auszugestalten.

Das tut sie mit der Dynamik der zwar im Einzelnen sehr einseitigen, teilweise sehr enervierenden Charkere, die jedoch genug Ankerpunkte bieten, um die Geschichte weiter verfolgen zu wollen, wobei jede Protagonistin ihre eigenen Hintergründe im Beziehungsgeflecht aufweist. Leider reicht dies oft nicht aus, um mitzufühlen, und wenn hat man das Gefühl gerade dem Auseinanderfallen einer durch ihr Zusammensein besonders toxischer Gruppe von Frauen beizuwohnen. Es lädt förmlich dazu ein, mehr als einmal die Augen zu rollen.

Aus diesen Perspektiven eheraus erzählt, wirkt die daneben und doch über allen stehende Erzählerin, man ahnt bis zum Schluss nur, welche Charaktere dies ist, zwar wie ein Handlungstreibender, jedoch manchmal überflüssiger Fremdkörper. Als würde die Autorin ihrer eigenen Erzählkunst nicht trauen. Dabei kann sie das gut. Die Geschichte ist in sich schlüssig aufgebaut.

Es gibt kaum Logik-, hoffentlich in der Verkaufsversion nicht ganz so viele Schreibfehler und einige vertauschte Namen, wie in der des unkorrigierten Leseexemplars, welches dem Rezensenten (mir!) zur Verfügung stand. Ich möchte gerne daran glauben, dass die Verlagsverantwortlichen da nochmals drüber geschaut haben. Großflächig Überraschungsmomente sucht man vergebens. Die hat sich Lucy Clarke vor allem für das Ende, welches sehr rasant erzählt wird, aufgespart. Konzentration hat die Autorin vor allem in die Ausgestaltung der Gefühlswelten ihrer Protagonistinnen gesteckt, gerade wenn es um Gedankenbeschreibungen und Rückblenden geht.

Um so ernüchtender ist es, wenn nach außen hin, dann die schon geschilderte Eindimensionalität überwiegt. Landschaftsbeschreibungen sind ihr dagegen glaubwürdig gelungen. An manchen Stellen fühlt man sich beinahe in den Handlungsraum hinein versetzt. Man kann sich die Orte zumeist sehr gut vor Augen führen, was auch dazu beiträgt, die Erzählung weiterverfolgen zu wollen.

Es ist ein Reisekrimi, nicht besonders anspruchsvoll, aber auch nicht so leicht, dass man das Gefühl hat, nur Kitsch zu lesen, jedenfalls keine verlorene Zeit diese zu nutzen. Wer Wert legt auf vollends ausgestaltete Charaktere, wird hier enttäuscht werden. Wer über einzelne Schwachpunkte hinwegsehen kann, wird durchaus unterhalten werden, auch wenn man einige Male das Gefühl hat, einer ZDF-Vorabendserie beizuwohnen.

Sich berieseln lassen am Ende des Tages ist durchaus nicht verkehrt. Verlorene Zeit ist etwas anderes. Vor allem jene, die Spannung ohne allzu viel Gewalt haben wollen, können sich diese Lektüre vornehmen. Vielleicht am Strand oder in einem auf einer griechischen Insel liegenden Haus. So beschrieben, könnte das tatsächlich existieren, genau so wie der eigentliche Wohnort der Protagonistinnen nicht zufällig selbiger ist, wie der der Autorin im realen.

Wer einmal eine Reise tut, der kann etwas erleben. Nur bitte aufpassen, mit wem genau.

Autorin:

Lucy Clarke ist eine englische Schriftstellerin. Zunächst studierte sie Englische Literatur an der Universität von Cardiff, bevor sie ihren ersten Roman veröffentlichte. In über zwanzig Sprachen übersetzt werden diese für die Leinwände adaptiert und finden sich regelmäßig auf den Bestsellerlisten wieder. Mit ihrer Familie lebt sie in einem Ort an der englischen Südküste.

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Stefan von der Lahr: Bariello & Montebello 3 – Dämonen im Vatikan

Inhalt:

Mitunter ist man im Vatikan der himmlischen Ruhe näher, als einem lieb ist. Diese Erfahrung macht auch das Ermittlerduo Commissario Bariello und Weihbischof Montebello in seinem dritten Fall: Als die Archäologie geheiligte Glaubensgrundsätze zu erschüttern droht, ruft sie Verteidiger auf den Plan, die vor nichts zurückschrecken. In einem Nebel aus Lügen, Intrigen und rätselhaften Todesfällen scheint ein unseliges Machtkartell auf dem Weg zum ewigen Heil sehr irdische Interessen zu verfolgen. Hinter den Mauern des Vatikans ist bald schon niemand mehr sicher. (Klappentext)

Einordnung in der Reihe:

Stefan von der Lahr: Bariello & Montebello 1 – Das Grab der Jungfrau
Stefan von der Lahr: Bariello & Montebello 2 – Hochamt in Neapel
Stefan von der Lahr: Bariello & Montebello 3 – Dämonen im Vatikan

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Rezension:

Selbst Rom kann sehr kalt sein. Dennoch ist Commissario Bariello überrascht, als er zu einem Toten gerufen wird, der offenbar erfroren ist. Wie das im Hochsommer möglich ist, ist zunächst völlig unklar, ebenso, was es mit den Dämonen auf sich hat, die das Opfer, ein Priester und Redakteur des Osservatore Romano zuvor zu sehen geglaubt hatte.

Vor einem ganz anderen Rätsel steht indes Montebello, der Weihbischof von Neapel, der in einer einzigartigen Ausgabe der Legenda Aurea, einst das meistgelesene Buch des Mittelalters, Zeichnungen entdeckt, die die Grundfeste der katholischen Kirche erschüttern könnten. Beide Nachforschungen stören schnell offenbar gleichermaßen die Interessen von Wirtschaftspotentaten und Kirchenfürsten. Sehr schnell häufen sich die Todesfälle. Innerhalb der Mauern des Vatikans ist bald niemand mehr sicher.

Dass das Machtzentrum der katholischen Welt sich für packende Geschichten förmlich anbietet, dürfte spätestens mit den Veröffentlichungen von dan Brown oder etwa Robert Harris jedem bewusst sein. Auch im Verlag C. H. Beck, der jetzt nicht gerade für packende Krimis bekannt ist, die gehören normalerweise nicht zum Verlagsprogramm, ist eine derart und doch sehr besonders angelegte Reihe zu finden, die es in sich hat. Vorausgeschickt, die vorangestellten Bände sind mir noch unbekannt, und so habe ich den dritten sozusagen als Stand Alone ohne Vorwissen mir zu Gemüte geführt. Das funktioniert mit Kriminalromane recht gut und auch hier wurde ich nicht enttäuscht, konnte ohne Probleme in die Geschichte eintauchen.

Stefan von der Lahr hat hier nur wenige Seiten benötigt, um die Vorgeschichte aufzubauen, die für einen Kriminalroman zunächst relativ unscheinbar beginnt, gleichwohl man ahnt, dass mit wenigen Sätzen eine Dynamik angelegt wird, derer man sich lesend kaum entziehen wird können. Schnell gewinnt die Geschichte an Tempo. Vielleicht muss man, wer jetzt nicht häufig mit südländischen Namen in Berührung und von kirchlichen Hierarchien keine Ahnung hat, das eine oder andere Mal innehalten, aber das gibt sich schnell. Genau so wie die Perspektivwechsel der sehr kompakt angelegten Kapitel, die ihren Anteil zur Dynamik beitragen.

Interessant ist, das wird mit den vorangegangenen Bänden nicht anders sein, die Figurenkonstellation, durch die zunächst getrennte Ansätze in der Ermittlung durchgeführt, jedoch sehr schnell zusammengeführt werden müssen. Diese unterschiedlichen Sichtweisen des Ermittler-Duos, diese Perspektiven werden spannend dargestellt, was jedoch dem Autoren nicht genügt. So hat von der Lahr auch die Sichtweisen der Gegenspieler eingewoben, ohne sich in der Vielzahl der Handlungsstränge zu verlieren. Der Autor behält den Überblick bis zuletzt, den sich die Lesenden zusammen mit den beiden sympathischen Protagonisten Bariello und Montebello erst schaffen müssen.

Beide Charaktere sind gut ausgestaltet, wozu man jetzt keine Vorkenntnisse aus den vorherigen Bänden haben muss, wenn auch Anspielungen natürlich vorhanden sind. Die sind dann durch Fußnoten gekennzeichnet. Nicht nur daran erkennt man übrigens, die Nähe des Autoren zum Verlagshaus. Das dem Roman zugrunde liegende Recherchematerial, welches zur Konstruktion des Szenarios verwendet wurde, wird ebenso aufgelistet, wie verschiedene Begriffe innerhalb eines Glossars und richtig gut, ein Personenverzeichnis. Könnte dies bitte jeder Roman oder Krimi bekommen? Es erleichtert wirklich das Behalten des Überblicks ungemein.

Mit diesen Aspekten versehen liegt hier eine sehr spannende und schlüssige Erzählung vor, in der penibel darauf geachtet wurde, keine sichtbaren Logikfehler aufkommen zu lassen. Um dies so auszugestalten braucht es die für das Genre doch im Vergleich zu anderen Werken relativ hohe Seitenzahl. Keine Zeile ist überflüssig, jedes Wort ist notwendig und keines zu viel. Auch das trägt zur Spannung bei, wie auch zahlreiche Wendungen, die vor allem in der Zahl der den Handlungssträngen zu Opfer fallenden begründet liegen. Gefühlt zumindest stirbt ständig jemand. Ob das wirklich so ist, ist es wert, das selbst herauszufinden.

Stefan von der Lahr schafft es damit, die Lesenden in diese sehr eigentümliche Welt, in der nicht nur religiöse Interessen verfolgt werden, hinein zu ziehen. Fast meint man, die Abläufe hinter den Mauern des Vatikans sich genau so vorstellen zu können. Das ist dann auch irgendwie bezeichnend für die reale Instution. Den Weg der Auflösung des Falls und die Zusammenhänge zu ergründen, ist ungeheuer spannend, nicht nur für Fans der an solch besonderen Orten spielenden Geschichten, die natürlich für eine sehr eigene Atmosphäre sorgen.

Auch Lesende klassischer Krimis mit einem einnehmenden Ermittler-Duo im Vordergrund kommen auf ihre Kosten. Wer dazu noch schon Gelegenheit hatte, einmal die italienische Hauptstadt und den Vatikan selbst zu besuchen, für dem ist das entstehende Kopfkino perfekt. Ob man wohl mit diesem Krimi in der Tasche eingelassen werden würde?

Nochmal zu den Vorkenntnissen, weder religiöse noch zu den vorangegangenen Bänden muss man welche haben. Unklarheiten werden durch die Figuren selbst beseitigt. Die Lust, Buch 1 und 2 zu lesen, ergibt sich ohnehin durch die Lektüre. Und das muss ein dritter Band auch erst mal schaffen. Es lohnt sich sicherlich und es bleibt zu hoffen, dass mögliche Nachfolge-Bände genau so packend sein werden. Der Spurensuche Bariellos und Montebellos folgt man nämlich gern.

Autor:

Stefan von der Lahr ist promovierter Altertumswissenschaftler und arbeitet seit dreißig Jahren bei C. H. Beck.

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Tim Herden: Insel-Krimi 7 – Schabernack

Bücher der Reihe:

Tim Herden: Insel-Krimi 1 – Gellengold
Tim Herden: Insel-Krimi 2 – Toter Kerl
Tim Herden: Insel-Krimi 3 – Norderende

Tim Herden: Insel-Krimi 4 – Harter Ort

Tim Herden: Insel-Krimi 5 – Schwarzer Peter
Tim Herden: Insel-Krimi 6 – Süderende

Tim Herden: Insel-Krimi 7 – Schabernack

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Inhalt:

Sommerstimmung auf Hiddensee. Der Polizist Ole Damp kehrt nach drei Jahren auf die Insel zurück. Gleich an seinem ersten Arbeitstag als Revierleiter kommt es zu einer Kollision zwischen einem Fahrgastschiff und einem Kutter im Schaproder Bodden. Bei der Untersuchung des Bootes entdecken Damp und Hauptkommissar Stefan Rieder die Leiche des Fischers Peter Kaut. Schnell geraten Umweltschützer in Verdacht, Kaut aus Rache getötet zu haben…

Wieder vereint, ermitteln die Kommissare Rieder und Damp, dieses Mal im Streit zwischen Fischern und Umweltschützern, der nicht nur ein Opfer fordert. Spannend und mit viel Liebe zu “seinem” Hiddensee erzählt Tim Herden auch den siebten Fall der Inselkrimis in typischer Ostseemanier. (Klappentext)

Rezension:

Jedes Kaff muss hierzulande ein eigenes Ermittler-Team im Tatort-Universum haben, so wollen es ein deutsches Fernsehgesetz und das Gehabe der Landesfürsten hiesiger öffentlich-rechtlicher Fernsehanstalten. Nicht ganz zu Unrecht allerdings, garantieren diese Sendungen im Zeitalter der Streamingdienste verhältnismäßig stabile Quoten, zumindest bei der Zielgruppe, die wahrscheinlich zeitgleich zu diesen Dinosauriern einmal aussterben wird.

In der Landschaft der gedruckten Worte sieht es kaum besser aus. Auch hier kann man, zumindest gefühlt, für jeden Quadratmeter Landschaft, zumal wenn die an touristisch annehmbaren Orten zu finden sind, Ermittelnde auftun, die gegen den Sumpf des Verbrechens in ihrer unmittelbaren Umgebung ankämpfen. Dies geht dann zu Lasten der Qualität, wenn der eigentliche Kriminalfall wieder einmal hinter den ausufernd detaillierten Beschreibungen von Lokalkolorit zurückstecken muss.

Umso erfreulicher, wenn man einmal diesen Rant vergessen kann. Im vorliegenden Kriminalroman entführt uns der Schriftsteller Tim Herden auf die Ostseeinsel Hiddensee und nutzt deren Landschaft für einen packenden Krimi, deren Verästelungen und aufgebende Rätsel im Vordergrund stehen, sowie die Verbindungen und Brüche einer in sich verästelten Gemeinschaft. Lokalkolorit erfüllt hier seinen Zweck als schmückendes Beiwerk, tatsächlich aber ist das Psychogram der einzelnen Figuren viel interessanter.

Den siebten Fall der Insel-Krimireihe, den man für sich losgelöst von den vorangegangenen Bänden zu Gemüte führen kann, führt uns in eine Gemengelage der Veränderungen, denen sich die ansässigen Fischer ausgesetzt sehen und dabei schon des Längeren im Konflikt mit Umweltschützern stehen. In ihrer Existenz bedroht, kommt es dabei seit einiger Zeit immer wieder zu Konfrontationen, die nun Schlag auf Schlag zu eskalieren scheinen. Das ermittelnde Duo Damp und Rieder muss plötzlich nicht nur das Rätsel um nur einen Mord lösen, der schnell ganz neue Dimensionen annimmt.

Schnell steigt man in die Handlung ein, das notwendige Wissen aus vorangegangenen Bänden erschließt sich während des Lesens auch jenen, die erst mit diesem Band in die Reihe einsteigen, ansonsten ist man direkt mittendrin in eine spannende Krimi-Handlung, die dem Schema klassischer Krimis folgt. Puzzleteile werden uns Lesenden an die Hand gegeben, wie auch die Ermittler erst nach und nach zu einem immer klarer werdenden Bild kommen. Was zunächst wirkt, wie ein kleiner für sich stehender Fall, weißt mehrere überraschende Wendungen auf und hebt sich auch damit ab vom klassischen, allein für touristische Zwecke geschriebenen Krimi, der nur örtlicher Vermarktungszwecke zu dienen scheint.

Die Handlung vorantreibend, begleiten wir die zwei ermittelnden Hauptprotagonisten, die vom Autoren fein säuberlich ausgearbeitet wurden, wie auch die Verästelungen einer verschworenen, aber auseinanderbrechenden Gemeinschaft aufgezeigt werden. Auf wenige Perspektiven wird sich hier beschränkt, Fronten werden schnell geklärt, doch das klassische Schema von Gut und Böse wird durch sparsam aber effektvoll eingesetzte Wendungen durchbrochen, die diesen Band noch einmal vom ermüdenden Schema F abheben, ohne unglaubwürdig zu werden. Auch weiß der Autor mit Worten seine Leserschaft gekonnt auf die falsche Fährte zu bringen und den Spannungsbogen zu halten.

Die Handlung, die für sich genommen, in einem überschaubaren Zeitrahmen spielt, könnte so auch in vielen anderen sich wandelnden Fischerorten spielen, ist in sich schlüssig und ohne diverse Logikfehler moderner Krimis. Ruhig wird sie erzählt, jedoch ohne der Melancholie skandinavischer Krimis sich annähern zu wollen. Dänemark liegt in Reichweite. Auslassungen und Vorwegnahmen lassen mal uns Lesende, manchmal das ermittelnde Duo einen kleineren Wissensvorsprung. Auch dadurch entsteht eine Dynamik, der man sich nicht entziehen mag.

In dieses Gefüge kann man sich gut hinein versetzen, kennen doch alle diese verschworenen örtlichen Gemeinschaften, die nur auf der Oberfläche glänzen, die darunter diverse Abgründe verbirgt. Dies darzustellen, ohne ins Absurde zu geraten oder durch das Lokalkolorit die Krimihandlung zu übertünchen, nein, hier unterstützt Eines das Andere, ist sehr gut gelungen. so, dass man gerne mehr Fälle dieses ermittelnden Duos lesen möchte. Einmal ein positiver Tatort-Effekt. Natürlich auch, um dann die Entwicklung der handelnden Hauptfiguren zu erfassen. Wenn diese genauso feinfühlig und gekonnt beschrieben ist, ist die Reihe, nicht nur dieser band, eine wohltuende und spannende Abwechslung in unserer Krimi-Landschaft.

Autor:

Tim Herden wurde 1965 in Halle/Saale geboren und ist ein deutscher Journalist und Schriftsteller. Nach einem Studium der Journalistik in Leipzig arbeitete er zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter, danach als Redakteur beim Deutschen fernsehfunk, bevor 1991 er als Redakteur und Reporter beim Mitteldeutschen Rundfunk begann. Seit 1999 ist er Korrespondent und Kommentator im ARD-Hauptstadtstudio, von 2003-2008 leitete er zudem das MDR-Studium Berlin. Im Jahr 2010 wurde sein erster Insel-Krimi veröffentlicht, dem weitere folgten.

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Dorothy B. Hughes: Ein einsamer Ort

Inhalt:

Einsam und frustriert lebt der ehemalige Jagdflieger Dix Steele im Los Angeles der späten 1940er Jahre. Nachts streift er durch die Stadt und stellt Frauen nach. Als er einen alten freund wieder trifft, ist er fasziniert von dessen Arbeit als Detective. Unmittelbar kann Dix mitverfolgen, wie Brub die Morde an einer Reihe junger Frauen untersucht – und es beginnt ein nervenaufreibendes Spiel, bei dem immer unklarer wird, wer eigentlich auf der Jagd nach wem ist.

Dorothy B. Hughes, die lange vergessene Pionierin der Kriminalliteratur, blickt unerschrocken und hellsichtig in die Abgründe von Frauenfeindlichkeit und Gewalt.
(Klappentext)

Rezension:

Nicht wenige der modernen Thriller dieser Tage setzen auf den Effekt und rasanten Wendungen, gleichsam eines rasanten Films, in dessen Handlungssträngen Details versteckt werden, die man normal zuschauend, gar nicht so schnell wahrnehmen kann. Der klassische Kriminalroman früherer Jahre kommt leiser daher, setzt auf die charakterliche Ausarbeitung der Figuren, der psychologische Effekt steht im Vordergrund oder das Ermitteln selbst. Der Weg ist das Ziel, welcher zu einer überraschenden Wendung und schließlich zur Auflösung führt.

Mit “Ein einsamer Ort” ist ein solches Erzählstück wieder neu aufgelegt worden, der mit Erscheinen Weichen stellte. Die amerikanische Autorin Dorothy B. Hughes durchbrach, nicht nur hier, bis dahin geltende klassische Erzählkonventionen (was hier nicht näher erläutert werden kann, sonst würde man einen Teil der Auflösung verraten) und schuf eine Geschichte, in die sich auch heute noch gut eintauchen lässt.

Das beginnt schon mit der Konzentration auf nur eine Perspektive, aus deren Sicht erzählt wird. Verdächtig ruhig ist es im Los Angeles der 1940er Jahre, fast zu ruhig, doch im Inneren des städtischen Ballungsraumes rumort es. Eine Mordserie an Frauen erschüttert die Metropole. Die ermittelnde Polizei tappt im Dunkeln. Lange ist nicht klar, wird auch den Lesenden nicht klar sein, wer hier Täter ist, auch wenn sich ein Verdacht aufgrund der Art des Erzählens schnell ergibt. Fast zu schnell. Doch Beweise fehlen lange.

Fast nüchtern wird aus der Sicht des ehemaligen Jagdfliegers erzählt, dessen Charakter zunächst schwer zu fassen, dann greifbar ist. Er ist es auch, aus dessen Perspektive die anderen Figuren beleuchtet, gewertet werden. Dorothy B. Hughes hat es verstanden, ihren Figuren klare Konturen zu geben, die Lesenden förmlich in eine trügerische Stille einzulullen, um dann nur eine einzige überraschende Wendung einzuführen, die zum Ziel gereicht. Die Rollenzuteilung bei der Auflösung war schon für damalige Zeiten überraschend und wirkt auch aus heutiger Sicht sehr modern.

Der Zeitraum der Handlung umfasst wenige Wochen und die Anzahl der Charaktere, die alle ein entgegengesetztes Gegenüber besitzen, ist überschaubar, was das Einfinden in die Erzählung erleichtert. Der nüchterne Ton wirkt zuweilen kalt und unnahbar. Wer nur moderne Thriller gewohnt ist, wird zunächst irritiert sein. Es finden sich kaum Darstellungen von Gewalt, ausführliche Beschreibungen. Die Bedrohung bleibt für lange Zeit sehr diffus. Unterschwellig ist sie jedoch immer vorhanden.

Durch die Konzentration aufs Wesentliche hat sich Dorothy B. Hughes nicht verzettelt, sondern ihre Handlungsstränge konzentriert zu Ende geführt. Logikfehler sind keine zu entdecken oder zumindest zu vernachlässigen. Klassische Rollenmuster werden durchbrochen, einzelne kleine Blickpunkte auf das amerikanische Alltagsleben und schon damals vorhandene gesellschaftliche Gegensätze gegeben, ohne dass die Handlung verloren wird. Interessant aus heutiger Sicht die Beschreibung derer, die aus den Schrecken des Krieges aus Europa zurückgekehrt sind und wieder in einen Alltag sich einfinden müssen, der nicht mehr der ihre ist. Der Kriminalroman wurde zwei Jahre nach Kriegsende, 1947, veröffentlicht.

Wer liest findet sich ein, überrascht vielleicht am Ende von der Perspektive, die man die gesamte Zeit über eingenommen hat. Dorothy B. Hughes ist nichts für den Fan rasanter Kriminalliteratur oder blutrünstiger Thriller. Wer psychologische Aspekte mag, eingebettet in einer ruhigen Erzählung und dennoch überraschender Wendungen, die hier sehr sparsam gesetzt sind, wird mit “Ein einsamer Ort” jedoch spannende Stunden erleben.

Autorin:

Dorothy Belle Hughes wurde 1904 in Kansas City, Missouri geboren und ist eine US-amerikanische Kriminalschriftstellerin und Literaturkritikerin gewesen. Zunächst studierte sie Journalismus und arbeitete für verschiedene Zeitungen, belegte an mehreren Universitäten Kurse. 1931 gewann sie mit ihrem Schreibdebüt, einem Gedichtband einen wichtigen Literaturwettbewerb, bevor sie 1940 ihren ersten Kriminalroman veröffentlichte.

Sie gilt als eine der wichtigsten Vertreterinnen der amerikanischen Hardboiled Literature. 1963 erschien ihr letzter Roman. Ihre Werke wurden teilweise verfilmt, zudem betätigte sie sich als Literaturkritikerin. Dafür gewann sie mehrere Male den Edgar Allan Poe Award. Hughes starb 1993.

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Herbert Heinrich Beckmann: Es sind Kinder

Inhalt:

Tine und Stefan sind ein Paar am Abgrund. Der dünne faden, der ihre Beziehung noch zusammenhält, ist ihr kleiner Sohn Leon. Doch als dieser beim gemeinsamen Urlaub auf einer Insel mitten in der Baltischen See plötzlich verschwindet, stehen die beiden vor einer ganz besonderen Belastungsprobe.

Mit psychologischen Feingefühl zeichnet Herbert Heinrich Beckmann das Psychogramm einer unglücklichen Beziehung in einer Atmosphäre unerklärlicher subtiler Bedrohung. Sprachlich genau erzählt er mit stetig steigender Spannung. Das Kind geht unterdessen seine eigenen Wege. (Klappentext)

Rezension:

Mit den ersten Zeilen werden Fronten geschaffen zwischen den beiden Hauptprotagonisten, was uns Lesende vor die Herausforderung stellt, mit unseren Sympathien, mal für die eine, dann für die andere Figur, umhergeworfen zu werden. Dennoch beginnt die Mischung aus Beziehungs- und Kriminalroman relativ harmlos, doch die Grundstimmung lässt gleich anfangs das Unheil erahnen. Doch schnell findet man hinein in Herbert Heinrich Beckmanns Strudel “Es sind Kinder”. Herauszufinden, ob des Gefühlschaos’, dem man ausgesetzt wird hingegen schwer.

Im Zentrum der Geschichte steht zunächst die in Trümmern liegende Beziehung der beiden Figuren, die nur noch durch den kleinsten gemeinsamen Nenner zusammengehalten, jedoch nach und nach durch die Dringlichkeit der Suche überdeckt wird, die Verzweiflung förmlich zum Greifen nah. In kurzen Sätzen wird aus wechselnder Perspektive heraus erzählt, wie ein auf wackligen Füßen gebauter Urlaub sich zum elterlichen Horrortrip wandelt, der an den Grundfesten rüttelt.

Kompakt geschrieben ist diese Erzählung. Wenn man so möchte, liest man mit diesem Roman eine Art geografisches, sehr ernstes, Kammerspiel mit begrenzten Figurenensemble. Qualitativ tut dies der Geschichte gut, verliert der Autor so doch nie die Fäden und kann schön mit der Psyche seiner Protagonisten spielen, nicht zuletzt auch mit jenen, die die Erzählung lesen.

Dabei werden die Sympathien klar verteilt, was sich jedoch mit zunehmender Seitenzahl, wenn nicht wandelt, so dann zumindest ausgleicht. Jede Figur hat indes ihre Ecken und Kanten. Der Autor versteht es, damit zu spielen, nicht zletzt so ohne großen Aufwand oder Effekthascherei Wendungen zu schaffen. Der Erzählstil ist ruhig gehalten.

Der Text enthält kein Wort zu viel, beschränkt sich auf das Notwendige, doch hat Beckmann einen Detailgrad, wenn es um die Beschreibungen von Gefühlswelten geht, der die Figuren fassbar macht. Sehr schnell möchte man erfahren, wie es ausgeht, sollte dabei im Verlauf aufmerksam sein. Das Gefühl, etwas Wichtiges überlesen zu haben, könnte sonst gegen Ende eintreten.

Die Überschrift ist mehrdeutig, wie auch einige Begriffe verwendet und im Kontext, im Nachwort vom Autoren selbst notwendigerweise eingeordnet werden. Diese Abrundung ist hier notwendig, da sonst Beckmann leicht missverstanden werden würde, hier jedoch vorhanden.

Wenn man der Geschichte etwas vorhalten möchte, ist es, dass sie in Teilen zu ruhig erzählt wird.l großflächig funktioniert das, jedoch an einzelnen Punkten ist dies für das Aufrechthalten des Spannungsmoments gefährlich, wobei sich dies mit der Perspektive des oder der Lesenden relativeren könnte. Zudem, wer mit bestimmten Inhalten, siehe Klappentext, Schwierigkeiten hat, sollte vorsichtig an die Erzählung herangehen. Allen anderen sei dieser Beziehungs- mit leichtem Hang zum Kriminalroman durchaus empfohlen.

Autor:
Herbert Heinrich Beckmann wurde 1960 geboren und ist ein deutscher Schriftsteller und Psychologe. Er studierte in Berlin Psychologie und promovierte dort 1997, , bevor er sich zunehmend dem Schreiben widmete. Neben Fach- und Sachbüchern schrieb er Hörspiele, für den Rundfunk, sowie verschiedene Romane. Sein erstes Kinderbuch veröffentlichte er 1997, die erste Erzählung für Erwachsene im Jahr 2000. Zudem schreibt er unter verschiedenen Pseudonymen. 2010 stand er auf der Shortlist des Sir-Walter-Scott-Preises. zwei Jahre später auf der Top 5 Liste des Deutschen Kinderhörspielpreises mit seinem Hörspiel “Der Jesus von Kreuzberg”. Beckmann ist Mitglied im Verband deutscher Schriftsteller.

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Riku Onda: Die Aosawa-Morde

Inhalt:

An einem stürmischen Sommertag veranstaltet die Familie Aosawa ein rauschendes Fest. Doch die Feier verwandelt sich in eine Tragödie, als siebzehn Menschen durch Zyanid in ihren Getränken sterben. Die einzige Unversehrte ist Hisako, die blinde Tochter des Hauses. Kurz darauf begeht der Mann, der die getränke lieferte, Selbstmord und besiegelt damit scheinbar seine Schuld, während seine Motive im Dunkeln bleiben.

Jahre später versuchen die Autorin eines Buches über das Verbrechen und ein Ermittler, der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Doch die Wahrheit ist nichts anderes als ein Gegenstand, der aus einer bestimmten Perspektive beleuchtet wird… (Klappentext)

Rezension:

Honne und Tatame sind Begriffe für gesellschaftliche Phänomene, wie sie in dieser Form wohl in kaum einem anderen Land so ausgeprägt existieren, wie in Japan. Der eine bezeichnet die wahrer Gefühle einer Person, die entgegengesetzt zu denen stehen können, die von der Gesellschaft erwartet werden. Der andere Begriff steht für die Äußerung und das Verhalten, welches von der Gesellschaft erwartet wird, je nachdem welche Position man inne hat.

Die damit verbundene Komplexität und damit einhergehenden Problematiken werden erst seit kurzem in der japanischen Öffentlichkeit diskutiert, bilden im ersten Kriminalroman der Autorin Riku Onda die Grundlage für zahlreiche spannende Momente.

Der Auftakt entspricht dem, klassischer Kriminalliteratur,. Wir Lesende wohnen einem Fest bei, welches von einer in der örtlichen Gemeinschaft anerkannten Familie ausgerichtet wird, wo es zur Katastrophe kommt. Gift in Getränken ist der Auslöser einer sich über Jahre ziehenden Handlung. Alleine Hintergründe, nicht zuletzt die Identität der mordenden Person, bleiben lange im Dunkeln.

Unnahbar sind von Beginn an alle Charaktere aus deren wechselnder Perspektive erzählt wird, ohne dies immer klar voneinander abzugrenzen. Hier ist Konzentration erforderlich. Der nüchterne und distanzierte Erzählstil ist gewöhnungsbedürftig und macht es anfangs schwer, in die Geschichte hinein zu finden. Doch wirkt dies wie ein Sog.

Man folgt den beiden Hauptprotagonisten auf der Suche nach Spuren, die einander kreuzen, parallel zueinader verlaufen, um dann doch wieder eine völlig andere Richtung zu nehmen. So ruhig, wie der erzählstil der Autorin wirktz, so unscheinbar sich die Übergänge lesen, so viele Verdächtige tun sich auf, was fast bis zum letzten Kapitel durchgehalten wird.

Subgenres der Kriminalliteratur werden hier gekonnt vermischt und ein einzigartiger Blick in die japanische Kultur der Verschlossenheit gewährt, sowie die Perspektiven einer Familie, die von außen kaum zu durchdringen sind. Eingebettet ist das in einem ruhigen, fast stoischen Schreibstil, den man als lesende Person anfangs ebenso stoisch aufzunehmen hat.

Zu gefühlige Menschen werden mit Riku Ondas Art des Erzählens wohl an ihre Grenzen stoßen, auch ist Durchhaltevermögen über weite Strecken nicht von Nachteil. Die Auflösung indes ist stimmig und folgerichtig. Hier gibt es keine wirren Wendungen, auch ist man selbst bis zur letzten Zeile gefordert. Kriminalliteratur nach durchschnittlich europäischen Maßstäben ist das nicht. Zudem sollte man auch nicht davor zurückschrecken, dass bewusst Fragen offen gehalten werden.

Wer damit zurechtkommt, den seien “Die Aosawa-Morde” empfohlen. Nur zu tief ins Glas schauen, sollte man dabei vielleicht nicht, viel eher darauf achten, was sich darin befindet.

Autorin:

Riku Onda wurde 1964 geboren und ist eine japanische Schriftstellerin. 1992 veröffentlichte sie ihr literarisches Debüt, dem weitere Werke folgten. Im jahr 2005 gewann sie den Yokoshiwa Eiji Preis. Seit 2002 wurden bereits mehrere ihrer Werke verfilmt. Ihr Spannungsroman “Die Aoasawa-Morde” gewann den Mystery of Writers of Japan Award.

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Kerstin Apel: Der Kreuzworträtselmord

Inhalt:

Die Berliner Journalistin Shiva ist alles andere als begeistert, als ihr Chef sie aus dem lang ersehnten Urlaub in Oberhof reißt, um einen uralten, längst gelösten Kriminalfall neu zu recherchieren. Und damit will der die miese Auflage steigern?

1981 hatte der Kreuzworträtselmord die ganze Republik wochenlang in Atem gehalten und eine der größten Fahndungsaktionen der DDR ausgelöst. Aber der Täter wurde gefasst und hat seine Strafe abgesessen. Lustlos beginnt Shiva, Zeugen zu befragen und die Fakten zu rekonstruieren. An eine Story glaubt sie nicht so recht.

Nur, warum gibt sich die Polizei so zugeknöpft und wer versucht, den Täter zu verstecken? Als Shiva eine Zeugin ausfindig macht, wird sie angegriffen. Was ist damals wirklich geschehen? (Klappentext)

Rezension:

In der Kriminalgeschichte Ostdeutschlands gehören die Ermittlungen im Fall des Verschwindens und der Ermordung des siebenjährigen Lars Bense zu den bekannteren unter den Fällen der ehemaligen DDR. Als ein Langstreckenläufer entlang der Bahngleise den Koffer mit der Kinderleiche findet, tappen die Ermittler der Volkspolizei zunächst im Dunkeln.

Erst später führt eine beispiellose Sammlung von Schriftproben zur Ergreifung und schließlich zur Verurteilung des Täters, wie sie so unter dem rechtstaatlichen System der Bundesrepublik nicht möglich gewesen wäre.

So viel zur Geschichte selbst, die bereits in mehreren Fernsehserien zur Grundlage genommen, sowie in einigen Dokumentationen verarbeitet wurde. Bis zum Erscheinen des True Crime Romans galt der Fall als aufgeklärt, ohne offene Fragen. Die stellten sich jedoch 2013 der Staatsanwaltschaft, als Kerstin Apel im Sutton Verlag die Fiktionalisierung der Geschichte veröffentlichte. Das brisante, die Autorin war als junge Erwachsene 1981 mit dem Täter befreundet.

In “Der Kreuzworträtselmord – Die wahre Geschichte” wird die Geschichte zunächst aus der Sicht der Lokaljournalistin Shiva erzählt, die diesen Fall noch einmal nachrecherchieren soll, um eventuell Details zu finden, die bislang noch unentdeckt geblieben sind, um ihren Beitrag dafür zu leisten, die kränkelnde Auflage ihrer Zeitung zu retten. Nicht ahnend, in welches Wespennest sie stochert, begibt sie sich auf Spurensuche, auf eine Zeitreise in die jüngere Kriminalgeschichte und in menschliche Abgründe hinein.

So viel zur Geschichte, deren Grundgerüst mit dem realen Fall hinlänglich bekannt sein dürfte und abgesehen von der blaß bleibenden Hauptprotagonistin keine neuen Facetten einbringt. Wer diesen Krimi liest, bekommt ein flüssig zu lesenden, aber nach Schema F ausgearbeiteten Roman, den man ebenso wie die Ermittlungsbehörden sich nur zu Gemüte führt, da die Autorinschaft Detailwissen vermuten lässt, welches sonst so nicht möglich ist.

Jedoch wird gleich zu Beginn durch den Verlag klar gestellt, dass hier reales Geschehen hinreichend verfremdet wurde, so dass sich hieraus nicht wirklich Aussagen ziehen lassen. Die Staatsanwaltschaft hatte daraufhin auch ihre Ermittlungen 2014 wieder eingestellt.

Die Handlung, wenn auch absolut vorhersehbar, kommt dennoch schnell voran. Schreiben kann Kerstin Apel, auch ihr alter Ego, die Protagonistin, in der sie sich, wie auch immer, wiederfindet, ist nachvollziehbar dargestellt. Mit ihr kommt im zweiten Teil des Romans auch genug Tempo hinein, wenn auch der Abschluss im Blick auf die Rolle der Shiva nicht ganz rund wirkt. Da kommt das Autorinnendebüt dann doch zu sehr durch und die Schwächen in der nicht sehr tiefgehenden Ausarbeitung der Figuren.

Flüssig erzählt ist das alles, aber eben ohne wirkliche Überraschungen, immerhin ist keine Verklärung der Tat und auch sonst zu finden.

Bleibt die Frage, was wollte die Autorin mit diesen Kriminalroman erreichen? Ist die Fiktionalisierung eines schrecklichen Geschehens ausreichend, um dieses zu verarbeiten, vorausgesetzt, es ginge darum? Hat sie mit diesem zeitlichen Abstand verdeckt Wissen preisgeben wollen, was ihr damals aus verschiedenen Gründen nicht möglich gewesen ist?

Wollte sie einfach einmal sich im Schreiben ausprobieren und hat dafür Ereignisse verwendet, zu denen sie Berührungspunkte hat? Gehen wir davon aus, ist es ihr gelungen, wenn auch der ganz große Wurf ausgeblieben ist.

Autorin:

Kerstin Apel wurde 1963 geboren und lernte als Schülerin in Halle-Neustadt den Täter kennen, dessen Verbrechen in die deutsche Kriminalgeschichte eingehen sollte. Dies ist ihr erster Roman, mit dem sie das Erlebte 30 Jahre später zu verarbeiten suchte.

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