Inhalt:
Shanghai 2021. Der Mord an dem IOC-Funktionär Charles Murandi überschattet den Kongress zur Vergabe der Olympischen Sommerspiele. Schnell ist der mutmaßliche Täter gefasst. Die Aufnahmen einer Sicherheitskamera zeigen den Journalisten Thomas Gärtner beim Verlassen des Tatorts, unter dem Arm unbekannte Dokumente. Allerdings: Er will sich an nichts erinnern können. Ein brisanter Fall für die junge Konsulatsbeamtin Lena Hechfellner, denn sie weiß mehr, als sie preisgeben darf – und gerät mit einem Mal selbst ins Visier der chinesischen Behörden. (Klappentext)
Rezension:
Zwischen den Zeiten springt der Kriminalroman „Die Spiele“ des Schriftstellers Stephan Schmidt und bündelt seine Handlungsstränge in der temporeichen chinesischen Metropole Shanghai, in der selbst nichts ist, wie es scheint, aber dennoch brandgefährlich. Dreh- und Angelpunkt ist ein Mord, der am Rande der Vergabe der künftigen Sommerspiele zum Politikum werden droht. Das IOC-Mitglied Charles Murandi tot in seinem Hotelzimmer. Der Letzte, der ihn lebend gesehen hat, ist mutmaßlich ein Journalist, der das Opfer und dessen Geschichte schon Jahre lang folgt. Doch erinnern kann sich Thomas Gärtner angeblich nicht.
So entspannt sich die Handlung des Textes zunächst in seine Einzelteile, setzt dabei viel früher an, so dass der Autor ein Verwirrspiel entfesselt, welches eine gewisse Sogwirkung hat. Die Zeitebenen muss man so jedoch schon zu beginn konzentriert auseinanderhalten, wenngleich die einzelnen Abschnitte kompakt zueinander erzählt werden.
Dabei wechseln spannende Momente mit ruhigen, doch innerhalb der Jahrzehnte umspannenden Handlung kommt der Autor nicht umhin, mehr als unnötig Momente voller Klischees einzubauen und lässt zwischen den Zeilen durchscheinen, was im Verlauf die einzelnen Figuren in verschiedener Form einander vorwerfen, das Reich der Mitte, sein Denken, sein Handeln nicht zu verstehen.
Dieses Szenario ist es, welches das Motiv der einzelnen Protagonisten darstellt, eben den Moment der geglaubten Erkenntnis für sich zu nutzen, um dann vor Realitäten zu stehen, die sie nicht greifen können. Das trifft mehr oder weniger alle Figuren, die der Autor so kantenreich ausgearbeitet hat, wie es nur aufgrund verschiedener Handlungsstränge und Zeitebenen möglich war. Eine gewisse Dynamik wird zusätzlich eingeführt, da immer auch die Erzählperspektiven wechseln, wobei keine der Figuren durchgehend Sympathie auf sich zieht.
Stephan Schmidt erzählt eine Welt innerhalb einer Welt verschiedener Realitäten, die seine Protagonisten leben. Man kann sich durchaus dieses Spannungsverhältnis vorstellen. Hier merkt man ebenso, dass der Autor von eigener Erfahrung zehrt. Auch in China hat er schon gelebt. Manchmal fühlt es sich so an, als würde man neben den Figuren stehen, die jede auf ihrer Art und Weise befangen wirken. Im nächsten Moment dann jedoch wird dies schriftstellerisch zerstört, mit einzelnen Abschnitten, die einem förmlich die Augen rollen lassen. Sex sells, oder aber es wurde noch ein wenig Material gebraucht, um Seiten zu füllen. Wäre nicht nötig gewesen. Handels- und Denkweise einiger Figuren ist schmierig genug.
Zu Beginn sind auch die Handlungsstränge, die wie Puzzleteile zusammengeführt werden, ein großer Pluspunkt zu Beginn der Erzählung, gegen Ende des Romans merkt man jedoch dass hier der Autor zu viel wollte. Es sei denn, Schmidt wollte sich die Option auf eine Fortsetzung offen halten, nur dann wirkt es stimmig, ansonsten vor allem gegen Ende unförmig, geradezu holprig. Dieser Abzug in der B-Note wird zwar wettgemacht durch eine einzige überraschende Wendung, doch wird man lesend etwas unbefriedigt zurückgelassen. Hier hätte Konzentration gut getan.
Korruption, Lobbyismus, Großmacht- und Hegemonialmachtstreben im Spannungsfeld eines Überwachungsstaates, dem Kontrolle über alles geht. Elemente eines Politthrillers sind hier noch am spannendsten konsequent durchgeführt. Man fühlt das Gehetztsein, die Verunsicherung, den Angstschweiß, das Durchdenken von Szenarien so sehr, andere Elemente der Erzählung kommen da zu kurz, so dass es sie nicht unbedingt gebraucht hätte, trotz plastischer Beschreibungen, die das alles sehr gut vorstellbar macht.
Zu viele Punkte, die weder Fisch noch Fleisch sind ergeben einen durchwachsenen Roman mit guten Elementen in schlechter Ausführung. Wer sich dennoch für ein paar Aspekte des Textes von Stephan Schmidt begeistern kann, für den ist die Erzählung durchaus mit Gewinn zu lesen. Alle anderen sollten sich das überlegen.
Autor:
Stephan Schmidt wurde 1972 in Hessen geboren und ist ein deutscher Schriftsteller. Nach seiner Promotion in Philosophie folgten Aufenthalte als Mitarbeiter verschiedener Forschungseinrichtungen in China, Taiwan und Japan, Länder die er bereits als Student kennenlernte. Er veröffentlichte bereits mehrere Romane, und lebt derzeit in Taipeh.