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Dem Wort auf’s Maul schauen: Die Wortschau

Mit Sprache, mit Worten spielen, kann zugleich erhellend und herausfordernd sein, zudem wenn die Texte kompakt gehalten sind. Um so kürzer die Aneinanderreihung der Worte, um so weniger Spiel hat man, die Lesenden zu überzeugen, für sich einzunehmen, in ihren Bann zu ziehen. Um so schöner, wenn dies gelingt. Seit 2007 versuchen es die verschiedensten Autorinnen und Autoren im von Johanna Hansen und Wolfgang Allinger herausgegebenen Magazin „Wortschau„, aus dem heraus gerade einmal neun Jahre später der gleichnamige Verlag entstand, der nicht nur dort, sondern auch in seinen verschiedenen Kunstbüchern und Büchern unterschiedlichste Kunstformen miteinander verbindet.

Ausgabe „Selbstgespräche“ des Literatur-Magazins Wortschau (Quelle: Wortschau Verlag)

Jedem Magazin, welches von einem Bildenden Künstler oder einer Bildenden Künstlerin illustriert wird, steht ein Motto voran, welches den verschiedenen Autorinnen und Autoren zur Inspiration diente, ihre Gedanken dazu zu verschriftlichen. Die gewählten Formen dann sind so unterschiedlich, wie die Schreibenden selbst. In den Heften finden sich sowohl Kurzgeschichten als auch Gedichte, Texte, die ihrer Formatierung wegen ins Auge stechen, die sich keiner Form zuordnen lassen wollen. Nicht jeder Beitrag findet Zugang zur lesenden Person, doch ist für alle etwas dabei. „Selbstgespräche“ etwa, so heißt die dem Blog vorliegende Ausgabe, können auf verschiedene Art und Weise interpretiert werden. Katia Tangian erlaubt mit „Datscha-Storys“ einen Blick in die Kindheit. Auf Worte-Suche, Zeichen für Zeichen, geht Ulrike Damm in „Ich will lernen Text zu schreiben“, während Katahrina Kiening in ihrem Gedicht „Momente“ versucht, selbige zu fassen.

Ebenso liegt hier ein Sonderheft. In „Nahaufnahmen„, welches in Zusammenarbeit mit dem Sprengel Museum Hannover entstand, werden die Arbeiten verschiedener Künstlerinnen des 20. und 21. Jahrhunderts herausgestellt, von denen sich zahlreiche Autorinnen zu Texten inspirieren lassen haben. Die Präsenz von Frauen in der zeitgenössischen Kunst, ist stärker denn je, doch existiert immer noch ein Ungleichgewicht. Für die Literatur gilt das nicht minder. Und so verschafft das Heft hier Frauen beider Kunstformen Aufmerksam- und vor allem Sichtbarkeit. Auch hier gilt, zu manchem Text braucht es schon der Formatierung wegen eine Weile, um Zugang zu finden. Nicht immer gelingt dies, aber das ist ja bei Gemälden nicht anders und doch immer wieder interessant, wie unterschiedlich Sichtweisen sein können.

Intensiv mit Lyrik zuletzt zu Schulzeiten in Berührung gekommen und mit Texten, die kleiner sind als das, was man landläufig als Novellenroman ansieht, so seine Schwierigkeiten habend, war dies eine erfrischende, manchmal herausfordernde Leseerfahrung. Es liest sich eben nicht alles so zwischendurch, schon gar nicht hintereinander weg. Okay, manches schon und irgendwie hat es sich mit beiden Heften angefühlt wie ein Besuch in einem noch nicht bekannten Museum. Man hat vielleicht ungefähr so eine Ahnung, was einem erwartet und geht hinterher mit neuen Eindrücken raus. Und das ist doch sehr schön.

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David Böhm: Jetzt.

Inhalt:

Wie sieht die Zeit aus? Warum denken manche, sie haben keine? Wer hat die Uhr erfunden? Wie lange dauert das Jetzt?

Ein Buch über die Zeit, darüber, wie sich ihre Wahrnehmung verändert, darüber, was lange und was kurz dauert, was wir schaffen wollen und was wir die meiste Zeit unseres Lebens tun. Was Zeit für einen Hai, eine Eintagsfliege oder die Erdkugel bedeutet. Ein Buch über Bewusstsein, das immer genau jetzt geschieht, und darüber wie man das Universum nicht verschwendet.

Rezension:

Wer hat die Zeit erfunden und warum eigentlich? Wer festgelegt, wie lange eine Minute dauert und in welcher Zeitzone wir leben? Was machen wir eigentlich die ganze Zeit? Wann ist das Jetzt und wie lange dauert das? Wie viele Tage unseres Lebens versuchen wir einzuschlafen, schlafen tatsächlich oder verbringen wir auf Toilette?

Und wer hat die meiste Zeit, wer davon nur wenig? Der Autor David Böhm hat sich die Zeit genommen und ein Buch über die wahrscheinlich erste messbare Einheit geschrieben, die wir Menschen geschaffen haben, kuriose Fakten zusammengetragen und erklärt, warum für Erwachsene die Jahre immer schneller vergehen, für Kinder sich die Zeit bis zum nächsten Weihnachtsfest aber noch ewig zieht?

Wie lange dauert der Sommer auf dem Uranus, wie lange der Tag auf der Venus? Der Autor gibt uns ein Gefühl für etwas, was manche von uns gerne loslassen, andere ebenso festhalten möchten. Gelingt das? Unbedingt, David Böhm zumindest. Herausgekommen ist eine Mischung aus Kinder und Coffee Table Buch, Sachbuch und Kuriositätensammlung. Sinnvoller als mit diesem Buch kann man Zeit, wie viel davon, hängt von dir ab, kaum verbringen. Liebevoll gestaltet sind die Seiten.

Mal findet man eine Zeitleiste, dann wirft man einen Blick ins Universum und damit in die Vergangenheit oder treibt mit einem Eishai, der schon zu Shakespeares Zeitlegen durch die Tiefen des Ozeans. Nicht unbedingt Zeit für Konzentration, aber Zeit um zu versinken, braucht man für die Lektüre, die sowohl ins Kinderbuchregal hinein passt als auch die eigenen Sachbücher ergänzt. Eine Reise durch die Welt im Takt, schlagende Stunden und immer die Frage nach dem, was sein wird? Oder wäre, wären wir unsterblich?

Böhm nimmt uns mit, kurze kompakte Texte, eingebettet in wunderschöne Grafiken, und Fotos, die den Rahmen vorgeben, den Takt der Lektüre. Daran muss man sich natürlich nicht halten. Nacheinander lesen, okay. Aufblättern und spontan umgeschlagene Seite lesen, auch okay. Hier kann, sollte man sich die Zeit nehmen und wenn diese nur einen kurzen Moment lang ist. Ups, schon vorbei. Oder bist du noch mittendrin? Welche Zeit läuft in dir drin? Und draußen, in der Welt? Zeit für Fragen also, eine Frage der Zeit.

Zeit für dieses Buch. Nimm sie dir.

Autor:

David Böhm ist Absolvent der Akademie für Bildende Künste in Prag. Sein umfangreiches künstlerisches Werk wurde bereits in Galerien in New York, Berlin und Kiew ausgestellt.

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Osama Okamura: Die Stadt für alle

Inhalt:

Warum leben immer mehr Menschen auf der Welt in Städten? Und warum gibt es gleichzeitig Städte, die schrumpfen? Und was sagen abgesenkte Bordsteine über das Verhältnis von Autos und Fußgängern? Fragen, die uns alle etwas angehen. In diesem Handbuch für angehende Stadtplanerinnen und Stadtplaner erfahren wir, wie Städte funktionieren, was gutes Leben in ihnen ausmacht und welche Probleme dem entgegenstehen. Die Stadt ist ein globales Phänomen. Sie ist Begegnungsort und hat seit jeher für Innovationen und Veränderung gesorgt, Menschen zusammengebracht und Potenziale freigesetzt.

Auch jetzt verändert sich unsere Stadt rasant, und wir stehen vor Herausforderungen, von denen viele nicht einmal etwas mitbekommen haben. Höchste Zeit, sich mit der Stadt zu beschäftigen! (Klappentext)

Rezension:

Noch gar nicht lange ist es her, da kippte die Waage endgültig zu Gunsten der Städte. Immer mehr Menschen leben in diesen Orten, deren Wesen darin besteht, auf Vernetzung ausgelegt zu sein, bestimmt vom steten Austausch von Waren oder Dienstleistungen, ein Wechsel, der die Innovationskraft fördert und zugleich Segen und Fluch bedeutet.

Diese Strahlkraft ist kein modernes Phänomen, wie ein Blick in die Geschichte der Urbanisierung, Verstädterungsprozesse, zeigt und hat jene, die mit ihr leben, seit jeher vor Herausforderungen gestellt, derer sich Städte ständig stellen müssen.

So vielseitig wie die Stadt selbst, so vorausschauend muss gerade heute Stadtplanung sein. Der Architekt Osamu Okamura erklärt in seinem hier vorliegenden Sachbuch niederschwellig, wie dies funktionieren kann und mit welchen Herausforderungen verbunden ist.

In Zusammenarbeit mit den Künstlern David Böhm und Jiri Franta ist dabei ein großformatiges Coffee Table Book entstanden, welches wie eine Stadt selbst auf den ersten Blick chaotisch wirkt, jedoch die Lesenden in seinem Bann zieht. Fotos von in Pappe auferstandenen städtischen Szenarien veranschaulichen die einzelnen Themen, auch ein Spiel von Schrift und Karikatur zieht sich wie ein roter Faden durch die einzelnen Themen, die gleichsam einzelner Gebäude zusammen ein großes Ganzes, eben die Stadt ergeben.

So wird mit viel Liebe für Details nahegebracht, was anderenfalls nur graue Theorie, schwer verdaulich bleiben würde, ohne den Ernst der Thematik zur Karikatur verkommen oder wichtige Punkte außen vor zu lassen. Durchaus für alle Altersgruppen geeignet, werden hier Denkanstöße geliefert. Welche Aspekte machen eine Stadt lebenswert? Wie nutzen wir künftig historische Bausubstanz? Wie priorisieren wir Verkehr? Wie machen wir den Lebensraum Stadt für alle zugängig und durchlässig?

Dies sind nur einige Fragen, die der Autor beinahe in Was-ist-was-Manier klärt und zueinander in Zusammenhang stellt, dazu einlädt, sich einzubringen und einen anderen Blickwinkel auf die eigene Stadt einzunehmen? Hinterher ist aber auch das Verstehen möglich, warum Städte vor gewissen Herausforderungen stehen, auf die es keine einfachen oder eindeutigen Antworten gibt, auch dies ist eine Stärke des vorliegenden sehr besonderen Sachbuchs.

Kritik nur, dass eine durchaus sehr westliche Perspektive eingenommen wird, andere außenvor bleiben. Die aufbereitete Theorie im Großen und Ganzen ist allgemeingültig. Trotzdem, gerade in diesem Themenbereich hat man diese Art von aufbereiteten Sachbuch eher selten, welches wie ein gewachsener Organismus wirkt, so wie es die Stadt auch ist. Nicht nur deshalb wünscht man diesem Werk viele Lesenden. Auch weil es eben grafisch sich von anderen abhebt.

Auch das ist ja durchaus, im übertragenen Sinne, eine Gemeinsamkeit mit so einigen Städten.

Autor:

Osama Okamura wurde 1973 geboren und ist Architekt und Dekan an der Fakultät für Kunst und Architektur der Universität Libreck. Von 2015 an arbeitete er im Ausschuss für die Entwicklung von Urbanismus, Architektur und öffentlichen Räumen der Stadt Prag, bevor er Kurator des Projekts „Shared Cities: Creative Momentum“ wurde, welches sich mit dem Teilen innerhalb der Städte beschäftigte.

Danach arbeitete er als Programmdirektor eines Festivals über lebenswertere Städte und war zudem Chefredakteur einer Architekturzeitschrift. Für seine Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Selbst ist er Nominator für den Mies van der Rohe Award, dem Preis der Europäischen Union für zeitgenössische Architektur.

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Charlie Mackesy: Der Junge, der Maulwurf, der Fuchs und das Meer

Der Junge, der Maulwurf, der Fuchs und das Meer Book Cover
Der Junge, der Maulwurf, der Fuchs und das Meer Charlie Mackesy Ullstein/List Erschienen am: 28.02.2020 Seiten: 128 ISBN: 978-3-4713-60217 Übersetzerin: Susanne Goga-Klinkenberg

Inhalt:

Ein Junge und ein Maulwurf begegnen einander, ein Fuchs und ein Pferd schließen sich den beiden an. Gemeinsam gehen sie gegen die Einsamkeit an, gegen die Traurigkeit und die Angst. Aus den ungleichen Gestalten werden Freunde, die einander bestärken und füreinander da sind. (eigene Inhaltsangabe)

Rezension:

Was soll man schon sagen, über diese Art Coffee Table Bücher, die selbst nicht viele Worte beinhalten, in denen man dennoch versinkt? Antoine de Saint-Exupery hat es vorgemacht, sein Werk, seine Zeichnungen vom kleinen Prinzen ist inzwischen zu einem Klassiker avanciert. Der Ausspruch: „Man sieht nur mit dem Herzen gut.“, ist als gefügeltes Wort in aller Munde.

https://www.instagram.com/p/CDEtHV6K60U/?igshid=1ub78v1assvjb
Ein paar Eindrücke aus dem Werk.

Dergleichen könnte auch mit diesem vorliegenden Werk von Charlie Mackesy passieren. Ja, es ist ihm sogar zu wünschen. Die Zeichnungen mit dem auf das Wesentliche reduzierenden Pinselstrich tragen das Werk, sowohl im Bildmaterial, Farbgebung als auch in der Schrift. Der Text ist limitiert. Die Wirkung ist ungleich größer.

„Manchmal fürchte ich, ihr merkt, dass ich gewöhnlich bin“, sagte der Junge. „Um geliebt zu werden, musst du nicht außergewöhnlich sein“, sagte der Maulwurf.

Charlie Mackesy: „Der Junge, der Maulwurf, der Fuchs und das Pferd“

Die Geschichte ist schnell erzählt. Vier ungleiche Protagonisten mit all ihren Ängsten und Schwächen, Unzulänglichkeiten, begegnen einander. Die verschiedenen Charaktere schließen Freundschaft und gehen einen Weg gemeinsam. Wohin, ist nicht wichtig. Der Weg, die Freundschaft, der Zusammenhalt ist das Ziel. Gemeinsam ist man stärker, doch auch aus Schwächen kann Stärke erwachsen.

„Eine unserer größten Freiheiten liegt darin, wie wir auf Dinge reagieren.“

Charlie Mackesy: „Der Junge, der Maulwurf, der Fuchs und das Pferd“

Mackesy lässt sich schnell lesen, doch die Zeichnungen laden ein, der Autor im Vorwort ausdrücklich dazu, zu verweilen, zwischen den Seiten zu springen und sich darin zu verlieren. Dem kommt man gerne nach. Zu schnell lieb gewinnt man den Jungen und seine ungleichen Begleiter. Mit diesen lacht man, seufzt, wird nachdenklich, melancholisch oder glücklich.

Eindrücke sagen hier mehr als Worte. Das Werk muss man in den Händen halten, sich anschauen, um die Wirkung zu verstehen und die Faszination des Rezensenten. Ein Kleinod, was im Bücherregal verbleiben wird, immer wieder zum Hervorholen, um das Positive aus den Zeichnungen, dem Text hervorzuholen und den Tag in einem anderen Licht zu sehen. Und das ist doch auch mal schön, oder?

Autor und Zeichner:

Charlie Mackesy ist Künstler und Illustrator, lebte in Südafrika und Amerika, derzeit in Brixton und zeichnete Cartons für diverse Zeitungen und Zeitschriften, gestaltete Bücher für den Verlag Oxford University Press. In Galerien stellt er seine Werke aus. Die aktuelle Arbeit von Mackesy ist hier zu sehen: https://www.charliemackesy.com/

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