Gemeinschaft

Jean-Jacques Sempe: Benjamin Kiesel

Inhalt:
Benjamin Kiesel wird ständig rot, einfach nur so (nur dann nicht, wenn er etwas angestellt hat), und alle lachen ihn aus. Er träumt von einer Fee, die ihn heilen kann, und findet stattdessen … einen Freund, der ihn nicht auslacht, sondern versteht. Denn auch Rudi Rettich leidet an einer seltsamen Krankheit: Er muss ständig niesen,, selbst wenn er nicht erkältet ist. Eine melancholische wie lustige Geschichte über zwei tapfere Außenseiter, die ihre Freundschaft sogar ins Erwachsenenalter retten können. (Klappentext)

Rezension:

Die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft begeistert seit 1971 die Lesenden und könnte nicht besser in die heutige Zeit passen. Grund genug für eine revidierte Neuausgabe mit entsprechender Übersetzung, in der der deutsche Titel „Carlin Caramel“ an den Titel der Geschichte des französischen Originals angepasst wurde.

Viel gibt es nicht über die kleine Erzählung, die man rein von den Textzeilen her als kurze Kurzgeschichte betrachten kann, zu sagen. Beschrieben wird eine Kinderfreundschaft, zweier, die eines gemeinsam haben, nämlich etwas, was sie nicht kontrollieren können und sie so zu Außenseiter macht. Doch, zusammen ist man weniger allein und vor allem immer stärker und so verbringt man fortan viel gemeinsame Zeit, kann sich auch für die Hobbys und Talente des jeweils anderen begeistern. Und das klappt auch, nachdem man sich eine Zeit lang aus den Augen verloren und sich erst im Erwachsenenalter wiedergefunden hat.

Eine Erzählung über Unterschied und Zusammenhalt, Freundschaft und das Interesse für einander, wie es uns in unserer hektischen Zeit zu Oft verloren geht, ist alleine schon deshalb erwähnenswert, hinzu kommen aber noch die liebevollen Zeichnungen von Jean-Jacques Sempe, der nicht nur dem kleinen Nick seine Abenteuer verschaffen hat, sondern auch hier seine Begabung für Wimmelbilder zeigt, die mit schnellen Strich Wimmelbilder entstehen haben lassen, in die man sich verlieren darf.

Großflächig zeichnend hat Sempe eine Unmenge Details in seinen Zeichnungen versteckt, wenn man das Gewusel einer Großstadt betrachtet oder die Massen am Ferienstrand und dort die beiden lieben Protagonisten sucht.

Über die Charaktere lässt sich nicht viel mehr sagen, was auch nicht notwendig ist, tzrotzdem kann man sich mit den beiden gut identifizieren. Bei uns allen gibt es schließlich irgendetwas, was uns irgendwo zu Außenseitern macht, auch wenn für uns dieses Merkmal etwas ganz Normales darstellt, was eben zu uns gehört. Toleranz und Akzeptanz so komprimiert darzustellen und so ein Plädoyer zu schaffen, dass es okay ist, einfach nur man selbst zu sein, sich nicht verbiegen zu müssen, wird hier komprimiert gekonnt dargestellt.

Für mich ist dies eine Geschichte, die man in vielerlei Hinsicht einfach nur liebhaben kann. Anderes ist nicht notwendig.

Autor:
Jean-Jacques Sempe wurde 1932 geboren und war ein französischer Zeichner und Karikaturist. Gemeinsam mit Goscinny entwarf er die bekannte Kinderbuchreihe „Der kleine Nick“, nebst veröffentlichte er zahlreiche Bildbände. Nach dem Militärdienst veröffentlichte er regelmäßig Zeichnungen in verschiedenen Printmedien Frankreichs und im Ausland. Er arbeitete mit Künstlern und Autoren wie Goscinny und Patrick Süßkind zusammen. Kennzeichen seiner Bilder waren großformatige Tuschezeichnungen mit schnellem Strich. Er starb 2022.

Der virtuelle Spendenhut

Dir hat der Beitrag gefallen? Dann freue ich mich über eine virtuelle Spende. Vielen lieben Dank.

Jean-Jacques Sempe: Benjamin Kiesel Weiterlesen »

Richard Adams: Unten am Fluss – Graphic Novel

Version:
Rezensiert wird hier die Adaption des Romans als Graphic Novel.

Inhalt:

In einer apokalyptischen Vision sieht Hazels jüngerer Bruder Fiver die Zerstörung ihrer Heimat voraus. Sie wissen: Einzig die Flucht kann ihre Kolonie vor dem Untergang retten. Doch kaum jemand will auf sie hören. Und so macht sich nur eine kleine Schar Kaninchen auf, ein neues Zuhause zu finden. Unterwegs durchleben sie zahllose Abenteuer, Meuterei, Verrat und Heldentum, Schlachten mit hohem Blutzoll, bis sie schließlich ins Land der Freiheit und des Friedens einziehen. (Klappentext)

Rezension:

Wie viele Kinder durften sich eigentlich die Trickfilm-Adaption des Romans „Watership Down“ ansehen, um danach nachhaltig wochenlang unter der Angst vor Alpträumen wach zu liegen? Es dürften so einige gewesen sein, schließlich gab es Zeiten, in der auch Eltern, vor allem hierzulande darauf vertraut haben, einen Zeichentrickfilm Kindern ohne Bedenken zeigen zu können.

Die Hauptfiguren sind schließlich flauschige Kaninchen, was also soll schon passieren? Alles, natürlich. So habe ich mich erst Jahrzehnte später an eine andere Adaption des Romans herangetraut, der hier nun vorliegenden Graphic Novel, während ich den Film mir wohl in meinem Leben kein zweites Mal mir ansehen werde und auch der eigentliche Roman noch eine ganze Weile warten darf.

Das Grundgerüst der 1972 erstmalig erschienen Erzählung ist schnell erklärt. Eine Gruppe von Wildkaninchen macht sich auf die Suche nach einer neuen Heimat, nachdem einem von ihnen einer Version vollkommener Zerstörung und Vernichtung anheimfällt. Diese fast epilepsieartigen Anfälle Fivers leiten die Gruppe, die sich von ihrer ursprünglichen Sippe entfernt und eine neue Heimat sucht. Während der Reise ins Ungewisse begegnet diese Gemeinschaft zahlreichen Gefahren und Herausforderungen, die sie nur gemeinsam meistern können. Von Beginn an klar, nicht alle werden es schaffen.

Viel Dramatik ist in dieser beinahe George Orwell anmutenden Geschichte enthalten, die sich zeichnerisch gut in Szene setzen lässt. Dabei wirken die einzelnen Panels beinahe wie in „Winnie the Pooh“, doch zugleich düster und bedrohlicher gehalten. Das gewählte Format und die Entscheidung, ausführlich zu erzählen, transportieren den Geist der Erzählung, so das trotz notwendiger Verdichtung nicht das Gefühl aufkommt, es würde etwas fehlen.

Der Adaption geschuldet, verschmelzen mehrere Nebenfiguren zu einer einzigen, bekommen andere mehr Raum als dies wahrscheinlich im Romantext der Fall ist, doch folgen auch Zeichner und Texter einem kontinuierlichen Spannungsverlauf, der sich fast bis zum Nervenkitzel steigert.

Auch die Graphic Novel ist nichts für Kinder, was hier jedoch auch nicht behauptet wird. Da ich nun zwei Varianten, diese und die Verfilmung kenne, bezweifle ich dies erst recht für den Roman selbst, gleichwohl der Autor diesen wohl selbst seinen eigenen Kindern vorgelesen haben soll.

Roman und Verfilmung haben jeweils mehrere Ebenen, was sich natürlich in zeichnerischer Form besonders gut umsetzen lässt. Fließende Übergänge sorgen für kurzes Innehalten. Die Figuren sind hier gut ausgearbeitet, eine klare Abgrenzung zwischen Gut und Böse liefert Identifikationspotenzial bzw. die Antagonisten. Und ja, Natur ist auch in dieser Version grausam. Warum auch nicht. Ein Verwischen würde die Graphic Novel zu weit vom Original entfernen.

Perspektivwechsel sind hier mit Vorsicht zu genießen. Man kann bei der Anzahl an Charakteren durchaus das eine oder andere Mal durcheinander geraten. Düstere Momente sind dabei in relativ dunklen Farben gehalten, während Erd- und Grüntöne die hauptsächlichen Panels beherrschen, beinahe pastellartig, was zum Versinken einlädt. Der Verlag präsentiert hier ein manchmal schwer verdauliches, in jedem Fall gewichtiges Coffee Table Book.

Da schon Richard Adams eine reale Landschaft zum Handlungsort gewählt hat, fiel es auch hier leicht, dies grafisch zu übertragen. Die Orte existieren, auch das Leben der Protagonisten ist so eindrücklich dargestellt, dass es glaubwürdig wirkt. Von der Übertragung her und vor allem zeichnerisch ist James Sturm und Joe Sutphin hier mit Richard Adams Geschichte etwas großes gelungen, was mich am Ende doch ein wenig mit meinem Kindheitserlebnis versöhnt.

Für Liebhaber der Erzählung ist es zugleich ein wertiges Sammelobjekt, welches hiermit vorliegt.

Autor:
Richard George Adams wurde 1920 in Newbury geboren und war ein britischer Schriftsteller. Nach seinem Einsatz im Zweiten Weltkrieg schloss er 1948 sein Studium der neueren Geschichte ab und arbeitetebis 1974 als Beamter für den Vorläufer des späteren britischen Umweltministeriums. 1972 veröffentlichte er seinen Roman „Unten am Fluss“ und widmete sich fortan hauptsächlich der Schriftstellerei. Er engagierte sich für den Tierschutz und der Einstellung der Fuchsjagd. Später lebte er auf der Isle of Man und starb 2016 in Oxford.

Der virtuelle Spendenhut

Dir hat der Beitrag gefallen? Dann freue ich mich über eine virtuelle Spende. Vielen lieben Dank.

Richard Adams: Unten am Fluss – Graphic Novel Weiterlesen »

Johannes Plagemann/Henrik Maihack: Wir sind nicht alle

Inhalt:

Der Westen ist nicht mehr der Nabel der Welt. Stattdessen treten die Staaten des Globalen Südens mit neuem Selbstbewusstsein auf. Was sind ihre Interessen, Motive und Sichtweisen? Warum teilen sie die Sichtweise des Westens nicht, zum Beispiel gegenüber Russland? Dieses Buch zeigt die Unterschiede der Wahrnehmung internationaler Politik im Westen und im Globalen Süden auf. Ein besseres Verständnis dieser Unterschiede wird immer drängender, je mehr die USA und Europa an ihrer einstigen Dominanz verlieren. Das Buch diskutiert, warum die Staaten des Globalen Südens so handeln, wie sie es tun, warum deren Skepsis gegenüber dem Westen so tief sitzt – und warum in der neuen Vielfalt auch Chancen liegen. (Klappentext)

Rezension:

Noch immer herrschen im politischen Geschehen der Vereinigten Staaten von Amerika und in Teilen von Europa das Denken in systemisch entgegengesetzt zueinander stehenden Blöcken vor, während das Schließen von Vereinbarungen basierend auf Wertegemeinschaften für selbige immer schwieriger zu werden scheint. Woran liegt das? In Asien treten Staaten wie China oder Indien mit neuem Selbstbewusstsein auf, auch auf den afrikanischen Kontingent verlangt man inzwischen nach Mitspracherechten auf Augenhöhe gegenüber vom Westen dominierten internationalen Institutionen. Diesen Wandel haben die Politikwissenschaftler Johannes Plagemann und Henrik Maihack in ihrem sehr differenzierenden Sachbuch aufgeschlüsselt.

Bevor aber die Frage geklärt wird, wie sich diese Veränderungen im politischen Geschehen darstellen und was sie bedeuten, wird zunächst erläutert, welche Regionen unter den Oberbegriff zu verstehen sind und weshalb ein Blick in die Geschichte Afrikas und Asiens lohnt. Immer anhand von Beispielen von Ereignissen, etwa das Aufeinandertreffen bei Staatsbesuchen oder konkret die Schau auf einzelne Länder werden Hintergründe anschaulich erklärt und so die graue Theorie politischer Analyse durchbrochen, die zuweilen durchschimmert. Hier merkt man einerseits die Expertise der beiden Autoren, andererseits aber auch den direkten Kontakt in einzelne Länder hinein. Beide Autoren haben Einblick in das politische Innenleben verschiedener Länder, die hier thematisiert werden und arbeiteten lange beratend tätig, u. a. für das Auswärtige Amt.

Dabei werfen beide nicht nur einen Blick in die Geschichte, zeigen die Fehler heutiger westlicher Politik, jedoch auch, was sich bereits verändert und im Zusammenspiel von West und Süd sich bereits ändert und dann doch funktioniert. Das Aufbrechen der Pole in Interessensgemeinschaften als Chance, ein Bild, an das man sich lesend und nach hiesig vorherrschenden Politvorstellungen auch erst einmal gewöhnen muss. Die Lesbarkeit leidet da jedoch zuweilen unter der recht kompakten Darstellung.

Das wirkt manchmal sehr trocken, ist jedoch eine wichtige Lektüre, um gewisse Dynamiken zu verstehen, die uns immer öfter künftig begleiten werden. Gleichwohl werden nur jene dies mit Gewinn lesen können, die sich wirklich dafür interessieren, auch eine politische Färbung kann man hier wohl nicht ganz absprechen. Die kommt dann doch durch. Der Blick in die Geschichte und was daraus folgt, war jedoch erhellend.

Autoren:

Johannes Plagemann ist Politikwissenschaftler am German Institute for Global and Area Studies (GIGA) in Hamburg. 2015-2016 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Auswärtigen Amt tätig. In den Medien tritt er als Experte für den Globalen Süden auf.

Henrik Maihack ist Politikwissenschaftler und leitet seit 2021 das Referat Afrika der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Berlin. Ab 20111 vertrat er die FES im Globalen Süden, zunächst in Indien, danach in Bangladesch, Südsudan, Ruanda und Kenia. Er analysiert regelmäßig die deutsche Afrikapolitik und politische Transformationsprozesse in den Ländern des Globalen Südens.

Der virtuelle Spendenhut

Dir hat der Beitrag gefallen? Dann freue ich mich über eine virtuelle Spende. Vielen lieben Dank.

Johannes Plagemann/Henrik Maihack: Wir sind nicht alle Weiterlesen »

Katja Brandis: Woodwalkers & Friends 3 – Wilder Kater, weite Welt

Inhalt:

Ein Leben als verhätschelte Hauskatze führen? Dem jungen Woodwalker Dorian ist das zu langweilig. Er will die Welt entdecken. Kurzerhand sagt er seiner Familie Lebewohl und begibt sich auf eine spannende Reise. Dabei bekommt er es mit kratzbürstigen Artgenossen zu tun, muss akzeptieren, dass man in der Schule nicht schlafen darf, und lernt das beste Katzenfutter der Welt kennen – Kaviar! Als er von einer Gestaltwandlerschule in den Rocky Mountains erfährt, steht für ihn fest: Dort muss er hin. Gemeinsam mit seinen neuen Freunden, der Rothörnchen-Wandlerin Holly und dem Wolfsjungen Bo, reist Dorian quer durch Nordamerika. Doch hier fängt das Abenteuer erst richtig an! (Klappentext)

Einordnung in der Reihe:

Katja Brandis: Woodwalkers & Friends 1 – Katzige Gefährten

Katja Brandis: Woodwalkers & Friends 2 – Zwölf Geheimnisse

Katja Brandis: Woodwalkers & Friends 3 – Wilder Kater, weite Welt

[Einklappen]

Rezension:

Mit ihrer geschaffenen Welt von Gestaltwandlern ist die deutsche Antwort auf Erin Hunter, die Kinder- und Jugendbuchautorin Katja Brandis inzwischen so erfolgreich, dass zurzeit nicht nur über ein Film nachgedacht wird, sondern auch die Welt der Wood- und Seawalkers immer detaillierter ausgestaltet wird. Das Konglomerat an dazugehörigen Bänden umfasst mehrere Reihen und Zwischenbände, die hintereinander weg, innerhalb ihrer Reihen einzeln gelesen werden können. Dazwischen erscheinen immer wieder Bände gleichsam Kurzgeschichten, um die Wartezeit auf den nächsten größeren Band zu versüßen. Hier nehmen dann Nebenfiguren eine größere Rolle ein, deren Geschichten ebenso spannend erzählt werden.

Gestaltwandler sind sie, diese hier geschaffene Gruppe von Kindern und Jugendlichen, die zwischen ihrem menschlichen Körper und einer angeborenen Tiergestalt hin- und herwechseln können. Dorian zum Beispiel ist ein Kater, ein Russisch-Blau, der im Menschenalter von zehn Jahren seine Familie verlässt, um die Welt zu erkunden. Die ist voller Abenteuer und Gefahren, nicht zuletzt zahlreicher Leben, wie sie ein Junge, eine Katze führen kann. So beginnt dieser Romanband und zeigt einmal mehr, die Zugewandtheit der Autorin, nicht nur zu ihrem jungen lesenden Publikum, natürlich auch zur Tierwelt.

Der kurzweilige Band, der auch separat gelesen werden kann, ist rasant erzählt und wartet mit zahlreichen turbulenten Momenten auf, die schmunzeln, herzhaft lachen lassen, aber auch einen notwendigen altersgerechten Spannungsbogen enthält, den man auch älter nachvollziehen kann. Figuren werden behutsam eingeführt. Vor allem der Hauptcharakter, Nebenfigur der eigentlichen Woodwalkers, dient hier als Identifikationspunkt, der doch erstaunlich charakterliche Tiefe besitzt. Selbstredend, dass es auch hier Katja Brandis gelingt, keine Zeigefinger-Lektüre zu schreiben.

Wir verfolgen Dorians Weg, treffenderweise unterteilt kapitelweise in Katzenleben. Amerikanische haben im Gegensatz zu deutschen ganze neun, über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Der junge Kater lebt, mal in der ihm eigenen Tiergestalt, mal als Menschenkind das Leben als Hauskatze oder Waisenkind, neugierig nicht nur den Kühlschrankinhalt seiner neuen vermeintlichen Besitzer betrachtend.

Das führt zu allerlei Komplikationen und Wirrungen, in deren Verlauf die Autorin zudem auch Teile der Geschichte anderer in dieser Welt vorkommender Nebencharaktere einführt. Wohltuend, der Hauptprotagonist bekommt es zwar mit einigen Widersachern zu tun, einen richtigen Antagonisten gibt es jedoch nicht, so dass sich dieser Band vor allem für jüngere Lesende als Einführung in diese wundersame Welt eignet.

Die in Nordamerika spielende Geschichte knüpft am Ende nahtlos am ersten Band der Reihe „Woodwalkers“ an, die zuerst erschienen ist. Katja Brandis ist mit „Wilder Kater, weite Welt“ nicht in die Falle getappt, über ihr eigenes Universum den Überblick verloren zu haben, was achtbar ist wegen der Vielzahl von Büchern und Ideen, die sicher noch zukünftig diese Welt ergänzen werden.

Was mit dem Puma-Wandler Carag in den „Woodwalkers“ gelingt, funktioniert hier auf engeren Raum eines Kurzromans mit der Hauptfigur Dorian, in dessen Gefühlswelt man sich gut hineindenken kann und so füllt die Autorin auch hiermit eine Lücke, die zwischen Büchern für Kleinst- und Kleinkindern und Young Adult inzwischen eklatant geworden ist. Reine Lektüre für Kinder, die nicht mehr ganz Kinder sind, aber auch vielleicht noch nicht zu Jugendbüchern oder gar Young Adult greifen, sind hier gut aufgehoben. Alle anderen kommen aber ebenso auf ihre Kosten.

Die Erzählung, die in größere abschnitte, Leben, unterteilt ist, ist in sich verständlich und schlüssig. Sprünge und Spannungsmomente sind logisch aufgebaut und weisen keine störenden Differenzen auf. Der Handlungsstrang wird konsequent verfolgt. Wendungen sind vielleicht nicht komplett überraschend, dürften aber vor allem bei der Zielgruppe ihre Wirkung nicht verfehlen. Katja Brandis strapaziert dabei nicht zu sehr die Aufmerksamkeitsspanne, in dem sie sich mit allzu vielen Details aufhält. Stattdessen ist der Weg das Ziel. Ein junger Roadtrip auf zumeist vier Beinen.

Man fühlt mit der Hauptfigur mit und kann sich die Schauplätze bildlich vorstellen, auch die Charaktere selbst. Erwähnt sollen hier ausdrücklich die Zeichnungen von Claudia Carls sein, die nicht nur Dorian lebendig werden lässt. Wer Kinder hat, die Lektüre empfiehlt sich für das erste Lesen von Büchern größeren Umfangs, ebenso für das gemeinsame Lesen. Wiederholt, Vorkenntnisse aus den anderen bereits erschienen Bänden sind nicht unbedingt notwendig.

Die unaufgeregte Art des Erzählens und das feinfühlige Schreiben haben hier wieder einmal zu einer modernen Lektüre für Kinder geführt, die viel von dem verbindet, was die Zielgruppe interessiert. Natur und Tierwelt funktionieren natürlich immer, wie das große Abenteuer, Freundschaft, Mut und Zusammenhalt, etwas zu wagen, sich etwas zu trauen. Kann man kaum besser verpacken.

Nur eine Frage bleibt: Was ist eigentlich deine zweite Gestalt?

Autorin:

Katja Brandis wurde 1970 geboren und ist eine deutsche Journalistin und Autorin. Unter diesem Pseudonym veröffentlichte Sylvia Englert unzählige Kinder- und Jugendbücher, aber auch Sachbücher und Romane für Erwachsene. Zunächst studierte sie Amerikanistik, Germanistik und Anglistik, trat währenddessen dem Frankfurter Schriftstellerkreis bei. In der Zeit entstand ihr erster Roman, weitere Werke folgten, die mehrere Nominierungen u. a. für den Deutschen Jugendliteraturpreis folgten. Ihre Bücher werden in mehrere Sprachen übersetzt. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in der Nähe von München.

Katja Brandis: Woodwalkers & Friends 3 – Wilder Kater, weite Welt Weiterlesen »

Tana French: Der Sucher

Inhalt:

Ein Fremder, ein Dorf, ein Kind. Und eine Suche, die Niemanden verschont.

Cal Hooper, ehemaliger Cop aus Chicago, hat sich in den Westen Irlands geflüchtet. Die Natur scheint friedlich, im Dorf nimmt man ihn freundlich auf. Da springt sein innerer Alarm an: Er wird beobachtet. Immer wieder taucht ein Kind bei ihm auf. Auf den umliegenden Farmen kommen auf seltsame Weise Tiere zu Tode. Stück für Stück gerät Cal in eine suche, die ihn tief in die Dunkelheit führt. (Klappentext)

Rezension:

Selten geben Inhaltsangaben eines Verlags und der eigentliche Text eine solche Differenz her, wie im Falle von Tana French, die mich mit ihrer neuen Geschichte, diesmal um den ehemaligen Detective Cal Hooper, mehr als überraschen konnte. Der Inhalt ist klar skizziert, liegt hier doch ein klassischer Kriminalroman vor, vermischt mit reichlich Lokalkolorit.

Der Handlungsort Irland bietet sich einfach dafür an, auch die Hauptfigur ist für Frenchs Leserschaft schnell fassbar und zudem ein Sympathieträger, den man gerne folgt.

Überraschend vor allem, ist die Wirkung des Textes. Im Gegensatz zu den Angaben auf den Umschlag steigt man zunächst vergleichsweise ruhig und gemächlich in die Geschichte ein. Die Autorin macht mit Handlungsort und Figuren vertraut. Die Degeto-Idylle liegt zum Greifen nah. Das ändert sich lange nicht. Der bedächtige Schreibstil tut sein Übriges, ohne ins allzu Gefühlige abzurutschen, wenn auch hin und wieder eine Zehe über gewisse grenzen gesetzt wird. Lange passiert nichts und dann doch alles.

So eingelullt entfalten sich nach und nach, wir nehmen die Position der Hauptfigur mitsamt dessen Kenntnisstands ein, die Geheimnisse der Dorfgemeinschaft, die abgründiger nicht sein könnten, dennoch im Bereich des real Möglichen liegen. Zudem schafft es French lange, die Antagonisten ziemlich konturlos erscheinen zu lassen, ohne dass das Gefühl des Fehlens entstehen würde oder die Autorin selbst den roten Faden zu verlieren drohte.

Bevorzugt lese ich eher den rasanten, wendungsreichen, brutalen und ja, auch oft genug blutigen Thriller. In „Der Sucher“ ist praktisch nichts von diesen Zutaten vorhanden, die ich als für mich „sichere Bank“ bezeichnen würde, zudem konnte ich die Position jeder Figur nachvollziehen. Gegen Ende habe ich den Ausgang zwar leise geahnt, gestört hat das nicht.

Mit stoischer Gelassenheit und Ruhe wird hier Seite für Seite eine Geschichte aufgebaut, in der man eingesogen wird. Die Wirkung von Perspektive und Art des Erzählens vermögen in den Bann zu ziehen. Bei mir hat’s funktioniert. Wer sinst wendungsreiche und mitunter auch brutale Thriller liest, könnte selbigen Effekt unterzogen werden. Ich empfehle es allen, das zu versuchen. Da natürlich immer Luft nach Oben offen ist und ein Szenenwechsel doch nicht so ganz flüssig war, wie der Rest des Romans zu lesen, Punktabzug.

Dennoch, Tana French, gerne wieder.

Autorin:

Tana Elzabeth French wurde 1973 in Burlington, Vermont, geboren und ist eine irische Schriftstellerin. Nach Stationen, rund um den Globus, studierte sie Schauspiel am Trinity College in Dublin und arbeitete anschließend für Film und Fernsehen. 2007 erschien ihr erster Roman, weitere folgten und wurden teilweise verfilmt, sowie in zahlreiche Sprachen übersetzt. Mit ihrer Familie lebt sie in Dublin.

Tana French: Der Sucher Weiterlesen »

Barbara Demick: Buddhas vergessene Kinder

Inhalt:

Ngaba, Osttibet: Als sich ein junger Mönch mitten auf der Hauptstraße mit Kerosin übergießt und anzündet, deutet noch nichts darauf hin, dass dies eine ganze Bewegung auslösen wird. Bald darauf wird die kleine tibetische Stadt in der chinesischen Provinz Sichuan zur Welthauptstadt der Selbstverbrennungen – aus Protest gegen die Unterdrückung durch die chinesische Regierung. (Klappentext)

Rezension:

In der westlichen Welt beinahe unbeobachtet, wird dieser Konflikt an die Oberfläche gespült, wenn das geistliche Oberhaupt der Tibeter, der Dalai Lama, zu sehen ist, zumal, wenn dieser von Staatsoberhäuptern hofiert und bei hoch offiziellen Anlässen gezeigt wird. Dann bleiben sich empörende, protestierende Kommentare der chinesischen Staatsführung nicht aus und der Staatengemeinschaft wird eine Auseinandersetzung in Erinnerung gerufen, die Ende der 1950er Jahre ihren Anfang nahm.

Die renommierte amerikanische Journalistin Barbara Demick und ehemalige Asienkorrespondentin der Los Angeles Times seziert dieses tragische Stück Geschichte eines Volkes, welche zuletzt eine erschreckende Form des Protests annahm und legt nach intensiver und nicht ganz ungefährlicher Recherche, dieses Portrait der jüngeren Geschichte Tibets vor.

Im Zentrum steht die Geschichte verschiedener Personen, die die Autorin anhand von Archivmaterial und Interviews, ob heimlich in Tibet selbst, bishin nach Indien oder Amerika, über Jahrzehnte verfolgt. Überschneidungen inklusive. Der Fokus wird dabei auf bestimmte Schlüsselmomente gelegt, Auslöser für Handlungen der Menschen dieses Ortes, der zum Dreh- und Angelpunkt eines leidvollen Protests wurde.

Nach allem, was Tapey geschehen war – der Mönch, der seine Selbstverbrennung zwei Jahre zuvor überlebt hatte und nun als verstümmelter Invalide in einem chinesischen Gefängniskrankenhaus dahinvegitierte und gelegentlich zu Propagandazwecken im chinesischen Staatsfernsehen vorgezeigt wurde -, hatte er eine solche Tat nicht mehr erwartet. Wer war so dumm, es noch einmal zu versuchen? Oder – wer hatte solchen Mut?

Barbara Demick „Buddhas vergessene Kinder“, 383 Seiten, ISBN: 978-3-426-28186-4, erschienen bei Droemer.

Mit Sympathie erzählt sie vom Leben der Menschen, ihren Beweggründen, Träumen und Zielen, kleinen Siegen, größeren Niederlagen, ihren Hoffnungen, aber auch von der Macht des chinesischen Staates, politischer Diskriminierung und Unterdrückung, füllt Lücken mit intensiver Eigenrecherche und zeigt anhand eines reichen Quellenverzeichnisses, wie Journalismus zu dieser Thematik auch in China selbst funktioniert, ohne zu einseitig zu berichten.

Die wechselnde Perspektive von Menschen unterschiedlicher Schichten vervollständigt dieses Werk, wobei rote Fäden immer wieder aufgegriffen werden. Das kann verwirrend sein, doch hilft es, eine klare Sicht der Ereignisse zu bewaren und Beweggründe der Menschen, sowohl der Tibeter als auch die politischen Zusammenhänge zu verstehen, die sich teilweise sehr gut von der chinesischen Staatsführung, vor der Weltöffentlichkeit, verstecken lassen.

Barabara Demick wertet nicht selbst, lässt die Personen sprechen, deren Geschichte sie erzählt und hält sich damit wohltuend zurück. Einmal etwas anderes, als man es sonst von jenseits des großen Teiches gewohnt ist und eine gute Ergänzung für all jene, die sich mit der jüngeren Geschichte Tibets beschäftigen möchte.

Dabei sollte man sich jedoch voll und ganz auf die Lektüre konzentrieren und auch kleinere Längen verschmerzen. Die Vielzahl der Lebenswege, denen die Autorin nachspürt, und nicht zuletzt die für westliche Ohren ungewohnt klingenden Namen, erfordern die gesamte Aufmerksamkeit der Leserschaft.

Autorin:

Barbara Demick ist eine amerikanische Journalistin, die zunächst 1993-1997 für den Philadelphia Inquirer arbeitete. Für ihre Reportage über einen Straßenzug in Sarajevo gewann sie mehrere Preise und war im Finale für den Pulitzer. 1996 erschien ihr erstes Buch „Die Rosen von Sarajevo. 2001 wechselte sie zur Los Angeles Times, war dort 2007-2016 Leiterin des pekinger Büros und veröffentlichte 2010 ein Werk über Nordkorea. Mit dem Human Rights Book Award wurde sie für ihre engagierten Bücher ausgezeichnet.

Barbara Demick: Buddhas vergessene Kinder Weiterlesen »

Joe Biden: Versprich es mir

Inhalt:

Im November 2014 versammelten sich die Bidens in Nantucket, um gemeinsam Thanksgiving zu feiern – eine Familientradition seit vierzig Jahren. Aber diesmal fühlte sich alles ganz anders an. Bei Beau, dem ältesten Sohn von Joe Biden, war zuvor ein bösartiger Hirntumor diagnostiziert worden, und sein Überleben war ungewiss. «Versprich es mir», bat der kranke Sohn seinen Vater. «Versprich mir, dass du klarkommst, ganz egal, was passiert.» Joe Biden gab ihm sein Wort. Das darauffolgende Jahr stellte ihn auf eine schwere Probe. (Inhaltsangabe des Verlags)

Rezension:

Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten sind die Gräben tief und die Aufgaben, denen sich ein Präsident Biden gegenüber sieht, könnten schwieriger kaum sein. Klimaschutz, Rassismus, die Spaltung zwischen Bevölkerungsgruppen, marode Infrakstruktur, geerbte Konflikte auf unserem Planeten.

Es gibt viele Baustellen für einen Präsidenten Biden, doch der langjährige Politiker sah sich 2014 vor der bis dato wohl größten Herausforderung in seinem Leben, und die stellte sowohl seines als auch das der Familie auf dem Kopf.

Bei uns anlässlich der Wahl des Demokraten Joe Bidens zum US-Präsidenten übersetzt, erschien dieser sehr persönliche Blick in den Vereinigten Staaten bereits 2017. Die Ära Obama, an der der Politiker einen nicht ganz unerheblichen Anteil hatte, gerade vorbei, die Auswirkungen der Regierungszeit dessen Nachfolgers nicht absehbar, gibt diese Rückschau einen Einblick in das politische Denken, aber vor allem auch in den Menschen Joe Biden.

Vorliegend ist dies keine Biografie, aber eine Rückschau, fokussiert auf bestimmte Ereignisse, die das Wirken Bidens als Senator und Vize-Präsidenten prägten, als auch dessen Verständnis von Familie, zumal der Autor schon 2016 die Chance hätte ergreifen können, sich als Kandidat für die US-Präsidentschaft aufstellen zu lassen.

Detailliert erläutert Biden in dieser, nennen wir es Denkschrift, wie der Schicksalsschlag seines Sohnes ihn einerseits vorantrieb, andererseits determinierte, zumal den Trauerprozess nach dem Verlust eines geliebten Menschens. Inszenierung von Politik, wie sie im amerikanischen Raum üblich ist, hin oder her, hier erläutert der Mensch Biden seine Beweggründe und dies in einer sehr nachvollziehbaren Art und Weise.

Große Politik spielt natürlich eine Rolle, so gibt Biden Einblick in die Ausgestaltung der Rolle eines Vize-Präsidenten. Dies jetzt zu lesen, lässt ahnen, was ein Präsident Biden anders machen würde als sein Vorgänger. Das ist jedoch nicht das, was hängen bleibt. Nachhaltig ist die Beschreibung seiner Selbst als Familienmensch, der trotz vollen Terminkalenders, immer auch den Biden-Clan im Blick behält, zumal in schweren Zeiten.

Natürlich weiß der Autor um die Wirkung seiner Worte, weiß bestimmte Formulierungen einzusetzen und das ist gewollt. Wie denn auch nicht, bei einem Politiker.

Die Schrift richtete sich hier an ein amerikanisches Lesepublikum, nach Obama und hat sicher für dieses einige offene Fragen geklärt, denn weder die Krebserkrankung seines Sohnes waren vor dessen Tod groß in der Öffentlichkeit bekannt, zurecht, noch die darauf fußende Entscheidung, nicht zu diesem Zeitpunkt nach dem Präsidentenamt zu streben, wo doch viele ihn neben Hillary Clinton für einen aussichtsreichen Kandidaten, schon 2016, gehalten haben.

So ist „Versprich es mir“, ein behutsames Puzzleteil, Denkschrift, Erklräungsversuch und Ausblick zugleich, und für einige Amerikaner, ja, vielleicht auch ein Stück Hoffnung.

Autor:

Joeseph „Joe“ Robinette Biden Jr. wurde 1942 in Scranton, Pennsylvania geboren und ist ein US-amerikanischer Politiker, Mitglied der Demokratischen Partei. Von 1973 an gehörte er bis 2009 dem Senat an und war 2009-2017 Vize-Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. 2021 wurde er zum 46. Präsidenten der USA gewählt.

Das Buch wurde im Rahmen des Sachbuchmonats Januar 2021 gelesen. #SachJan21 #sachjan2021

Joe Biden: Versprich es mir Weiterlesen »

Susanne Foitzik: Weltmacht auf sechs Beinen

Weltmacht auf sechs Beinen Book Cover
Weltmacht auf sechs Beinen Susanne Foitzik/Olaf Fritsche Rowohlt Erschienen am: 15.10.2019 Seiten: 319 ISBN: 978-3-498-02140-5

Inhalt:
Klein, aber oho! Sie sind faszinierend – und sie sind überall: AMEISEN. Die Alleskönner unter den Insekten haben eigene Formen der Arbeitsteilung, Kommunikation und Selbstorganisation entwickelt – und sind uns Menschen damit gar nicht so unähnlich.

Sie legen Gärten an und züchten Pilze, halten sich Blattläuse als Nutzvieh und verteidigen es gegen Räuber. Sie entwickeln Abwherstoffe gegen Krankheitserreger und nutzen sogar Antibiotika. Weitgehend unbemerkt hat die Weltmacht auf sechs Beinen ein Imperium errichtet, das sich rund um den Globus spannt. Eines ist sicher: Nach der Lektüre dieses Buches werden Sie Ameisen mit anderen Augen sehen. (Klappentext)

Rezension:
Auf dem ersten Blick klingt es nach einem Special-Interest-Titel, aber gerade dies ist das vorliegende, im Rowohlt Verlag erschiene Werk nun gerade nicht.

Tatsächlich gibt die Wissenschaftlerin Susanne Foitzik uns Lesern einen interessanten und spannenden Exkurs über das Leben der zunächst unscheinbar wirkenden kleinen Krabbeltiere, deren emsiges Treiben wir zuweilen in Wäldern, im Garten oder auch mal in der heimischen Küche beobachten dürfen, wenn es irgendwo eine undichte Stelle gibt und Nahrung für die Ameise nicht weit ist.

Doch, Ameisen sind so viel mehr als wir sie zu sehen bekommen. Tatsächlich reicht die Biomasse aller Tiere an die aller Menschen heran. Noch mehr spannende Fakten werden mit Augenzwinkern und viel Humor aneinander gereiht.

Die Biologin berichtet in kurzweiligen Kapiteln von ihrer Arbeit und darüber, welche Erkenntnisse wir bisher über das Leben und Sozialverhalten von Ameisen gewinnen konnten und wohin sich die Wissenschaft dahingehend gerade bewegt.

Im Fokus stehen dabei nicht nur unsere einheimischen Tiere, wir sprechen hier von um die hundert Arten, sondern auch die kuriosen Spielarten der Natur. Da gibt es spartanisch organisierte invasive Armeen, Ackerbauer und Viehzüchter sowie Sklavenhalter.

Susanne Foitzik nimmt uns mit in den Armeisenbau, der erstaunliche Ausmaße annehmen kann, mitunter jedoch auch in eine Eichel hineinpasst.

In kurzen und handlichen Kapiteln berichten die Autoren vom Leben im Ameisenstaate und versammeln dabei Fakten, die zum Staunen einladen und den Blick auf die kleinen Krabbeltiere verändern werden.

Ohne Ameisen, so viel steht nach wenigen Sätzen bereits fest, würde das ökologische Gleichgewicht unseres Planeten durcheinander geraten, gleichwohl sie es im Kleinen selbstständig ins Wanken bringen können. Auch Ameisen schaffen und bewirtschaften Monokulturen und übernehmen im Handstreich ganze Regionen, verdrängen dabei andere Tier- und natürlich Ameisenarten.

Der heimischen Waldameise geht es gut, aber wer wusste vorher schon, dass manch andere Arten sich im letzten Ausweg selbst in die Luft sprengen können, als Floße fungieren oder mit Antibiotika Krankheiten bekämpfen können, dass der Einzelne dem Untergang geweit und nur in der Masse das Überleben garantiert ist?

Wenn nicht ein anderes Ameisenvolk einen Blick auf Bau und Nahrungskonkurrenz wirft. Welcbe Erkenntnisse haben wir über das Leben dieser nur scheinbar unscheinbaren Tiere bereits gewonnen und welchen Weg geht die Wissenschaft mit den Ameisen derzeit?

Verhaltensbiologie ist seit Darwin kaum spannender gewesen. Abschließend bleibt nur die Erkenntnis, das nichts so ist, wie es scheint und auch kleine Tiere eine große Wirkung haben können.

Eben klein, aber oho!

Autoren:
Prof. Dr. Susanne Foitzik ist eine international renommierte Evolutionsbiologin und studierte zunächst Biologie und Zoologie in Würzburg und Regensburg.

Nach einem Aufenthalt in den USA arbeitete sie u.a. in München und hält aktuell einen Lehrstuhl am Institut für Molekularbiologie der Universität Mainz inne. Dort erforscht sie das Sozialverhalten von Ameisen und publizierte ihre Ergebnisse in über 100 Veröffentlichungen.

Dr. Olaf Fritsche ist Biophysiker und promovietrer Biologe. Als Redakteur für „Spektrum der Wissenschaften“, sowie als Autor oder freuer Journalist berichtet er über die neuesten Erkenntnisse aus Natur und Technik.

Susanne Foitzik: Weltmacht auf sechs Beinen Weiterlesen »

Stefanie de Velasco: Kein Teil der Welt

Titel: Kein Teil der Welt Book Cover
Titel: Kein Teil der Welt Stefanie de Velasco Kiepenheuer & Witsch Erschienen am: 10.10.2019 Seiten: 432 ISBN: 978-3-462-05043-1

Inhalt:
Vom Aufwachsen in der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas.

Mit unwiderstehlicher Kraft führt uns Stefanie de Velascos aufrüttelnder Roman in eine Welt, die mitten in der unsrigen existiert und dennoch kein Teil von ihr ist. Klug, rasant und herzzerreißend erzählt er vom Emanzipationsprozess einer jungen Frau, der sämtliche Fundamente zum Einstürzen bringt. (Klappentext)

Rezension:
Unser Grundgesetz legt fest, dass ein Jeder glauben darf, woran er oder sie möchte, so lange man seinem Gegenüber nicht schadet. Dies ist ein Privileg, zumal es noch genug Orte auf der Welt gibt oder es in der Geschichte gab, an denen die jenigen verfolgt wurden, die von den Meinungen der Mehrheitsgesellschaft abweichen oder ganz und gar ihre eigenen Wege gehen.

Doch, was ist, wenn sich die Mitglieder einer Glaubensgemeinschaft zu sehr abschotten und sich selbst schaden? Stefanie de Velasco erzählt die fiktive Geschichte zweier Mädchen innerhalb der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas.

Die Autorin, die selbst lange Zeit Mitglied der Zeugen Jehovas gewesen ist, erzählt nicht ihre oder eine andere klassische Aussteigergeschichte, sondern stellt dem Leser zwei klassische identifikationsfiguren an die Seite, deren Schicksal man von Zeile zu Zeile atemlos verfolgt.

Zum einen ist da das Mädchen, welches den Glauben mit einer Ernsthaftigkeit praktiziert, dass man als Leser nur den Kopf schütteln kann, dioe jedoch später nach ersten Zweifeln beginnt, zu hinterfragen. Die Erzählerin indes ist die andere Protagonistin, die einfach ihre Ruhe haben, keinen Wandel möchte, doch vom Zweifel ihrer Freundin mitgerissen wird.

Im Wechsel der Zeitebenen wird die Geschichte erzählt. Rückblenden und Gegenwartseindrücke gehen nahtlos ineinander über.

Das ist die Stärke des Romans und zugleich seine Schwäche. Zu Beginn weiß man nicht, wo diese Geschichte einem hinführen wird, welches Ziel die Protagonisten verfolgen. Auch das Lesetempo, welches die Autorin einfordert ist nicht gerade einladend.

Am Anfang fließt der Erzählstrom langsam, doch schon nach dem ersten Drittel wird klar, dass die Figuren sich in immer rasanteren Tempo dem Abgrund nähern. Dies widerum tut der Handlung gut, wenn auch im Mittelteil die Wendung zu abrupt kommt. Hier hätten fünfzig Seiten mehr der Geschichte gut getan.

Stefanie de Velasco erzählt eine nur in Ansätzen autobiografische Geschichte und doch eine, wie sie passieren könnte. Sie zeigt, wie wichtig es ist, auch auf die jenigen zu achten, die außerhalb unserer Gemeinschaft stehen, ohne erhobenen Zeigefinger natürlich, aber dennoch Hilfe anzubieten, wenn stille Zeichen dazu Anlass geben.

Die Autorin erzählt, dass es wichtig ist, auf diese Menschen einzugehen, gleich dem wie fremd die einstige Denkweise sein mag, aber auch wie wichtig es ist, größere Katastrophen zu verhindern, sind doch die Einschnitte ohnehin brutal genug.

Mit der Kraft des Erzählens zeigt „Kein Teil der Welt“ jedoch auch, wie nah Freud und Leid beieinander liegen und das Freundschaft auch dann noch eine Wirkung hat, wenn diese längst vergangen ist. Und da sind dann die Protagonisten dann doch nicht so anders als die Welt um sie herum.

Einige Längen und ein allzu abrupter Wechsel im handlungsverlauf zum Trotz, zieht einem der Roman in seinem Bann, lässt einige Fragen offen und im Leser arbeiten. Das halboffene Ende passt dazu, insgesamt hätten der Erzählung ein paar Seiten mehr Ausführungen gut getan. Im Großen und Ganzen jedoch, lesenswert.

Autorin:
Stefanie de Velasco wurde 1978 geboren und ist eine deutsche Schriftstellerin. Aufgewachsen bei den Zeugen jehovas verließ sie die Religionsgemeinschaft im Alter von 15 Jahren. Nach der Schule studierte sie Europäische Ethnologie und Politikwissenschaft in Bonn, Berlin und Warschau.

Für das Berliner Stadtmagazin Zitty, die FAS und Zeit Online schreibt sie regelmäßig Beiträge. Im Jahr 2013 erschien ihr Debütroman „Tigermilch“, der verfilmt und zahlreich übersetzt wurde. Ein Jahr später wurde sie dafür für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. „Kein Teil der Welt“, ist ihr zweiter Roman.

Stefanie de Velasco: Kein Teil der Welt Weiterlesen »

Mikey Walsh: Jungen weinen nicht

Jungen weinen nicht - Meine Kindheit bei den Roma Book Cover
Jungen weinen nicht – Meine Kindheit bei den Roma Autor: Mikey Walsh Bastei Lübbe Erschienen am: 30.09.2019 Seiten: 317 ISBN: 978-3-404-61149-2 Übersetzerin: Katja Bendels

Inhalt:
„Bist du bereit, Mikey?“, fragt ihn sein Vater, bevor er ihn mit erbarmungslosen Schlägen traktiert.

Der Box-Champion einer archaischen Roma-Community will, dass sein Sohn ein genauso harter und gnadenloser Mann wird wie er. Doch der sensible, nachdenkliche Junge entspricht so gar nicht seinen Erwartungen.

Jahrelang wird mikey von seinem Vater deswegen gequält und gedemütigt, sein Onkel tut ihm Unaussprechliches an, und in der verschworenen Roma-Gemeinschaft findet er niemanden, dem er sich anvertrauen kann.

Als er sich schließlich in einen Mann verliebt, wird ihm klar, dass sein Leben in Gefahr ist, denn eine schwule Liebe würde sein Vater niemals akzeptieren… (Klappentext)

Rezension:
Wie bewertet man den Bericht über eine Kindheit? Wie bewertet man eine Biografie? Ist es mit der Sternenvergabe nicht so, als würde man das Urteil über ein Leben fällen? Den „Daumen hoch“ für „gut gemacht“, den „Daumen runter“ für einen verpfuschten Lebenslauf.

Wie anmaßend ist dass denn? Was bei der Auswahl zwischen Bewerbern um eine Stelle noch mit den Blick auf Eignung und Fähigkeiten für einen bestimmten Berufsweg gehen mag, finde ich hier kritisch und so bin ich bei Autobiografien eher geneigt, eine höhrer Wertung zu geben, da das Schema sie nun einmal verlangt. Wie auch hier.

Im Bericht „Jungen weinen nicht“, lässt nun Mikey Walsh seine Kindheit Revue passieren. Einfühlsam übersetzt von Katja Bendels, liegt dieser nun im Deutschen, erschienen bei Bastei Lübbe vor. Darin geschrieben, ungeheuerliches.

Der Roma erzählt von einer Kindheit, wie man sie keinem Jungen oder Mädchen wünschen mag, einem archaischen und uns so fremden Leben, dass man als Leser kaum das Geschehene erfassen, geschweige denn begreifen mag und davon, wie viel Eltern auch falsch, kaputt machen können, so dass man zwangsläufig ausbrechen und für sich kämpfen muss.

In prägnanten Kapiteln beschreibt der Autor die Situation seiner Familie und eine für den Außenstehenden hoch komplexe, aber undurchschaubare und aus der Zeit gefallenen Gemeinschaft der Roma, die schon seit Jahrzehnten ums Überleben kämpft.

Dies wirkt sich prekär auf die Lebenssituation aus, in der viele gewzungen sind, sich als Tagelöhner durchzuschlagen, kriminellen oder nur ansatzsweise nachvollziehbaren Geschäften nachzugehen, zumal Tradition und Familie wichtiger zu sein scheinen, als den Anschluss an eine sich immer schneller drehende Welt zu finden.

Doch, Mikey Walsh passte von früh an nicht so wirklich dazu. Diese Empfindung traf den Autoren schon in seiner Kindheit, was sich bis hinein ins junge Erwachsenenalter zog. Der sensible und einfühlsame Junge, nicht geschaffen für die archaische Kultur und den immerwährenden Kampf zwischen den Familienclans erlebte Schreckliches und nicht zu Erzählendes.

Als Leser überkommt einem das stille Entsetzen über Eltern, die unfähig sind, ihr Kind so zu akzeptieren, wie es ist, über eine Gemeinschaft, die die Zeichen der Zeit nicht erkennt und über einen Jungen, der im Kampf gegen eine Mauer aus Unverständnis ihn gegenüber beinahe zerbricht, daran zugleich wächst, von dem man aber letztendlich weiß, dass er seinen Weg gehen wird.

Das ist dann vielleicht auch die größte Erkentnis, die man aus der Lektüre ziehen kann, die dann noch wirkt, wenn man schon längst die letzte Seite aufgeschlagen und die letzte Zeile gelesen hat.

Irgendwie geht es weiter, irgendwann kommen gute Zeiten, für die es sich zu kämpfen und zu leben lohnt.

Vielleicht können dies gerade Menschen wie Mikey Walsh, da sie eben auch die Schattenseite, Lieb- und Trostlosigkeit kennengelernt haben und wenn nicht für die daraus folgende einfühlsame und nahegehende Erzählung dessen, wofür dann, sollte es hier die Höchstwertung geben. Womit wir wieder beim bereits geschilderten Problem wären. Nun, denn.

Autor:
Mikey Walsh ist ein britischer Schriftsteller und Schauspiellehrer. Als Sohn einer Roma-Familie, 1980 geboren, verließ er diese Gemeinschaft mit 15 Jahren und lebt in London als Schauspiellehrer, engagiert sich für die Rechte Homosexueller.

Er schreibt Kolumnen für verschiedene Zeitungen, seine Kindheits-Biografie veröffentlichte er im Jahr 2010. Diese wurde bereits verfilmt.

Mikey Walsh: Jungen weinen nicht Weiterlesen »