Frau

Michel Bergmann: Mameleben oder das gestohlene Glück

Inhalt:

Großartig und nervtötend, liebevoll und erdrückend, aufopfernd, aber auch übergriffig – Michel Bergmann liebt seine Mutter Charlotte und hält sie manchmal nicht aus. Und erzählt in diesem Buch, in dem er nichts und niemanden schont, die Geschichte einer eigenwilligen, starken Frau: ihre Vertreibung aus Deutschland, der Verlust fast der gesamten Familie, das Glück, ihren künftigen Ehemann wiederzufinden, und dennoch ein Schicksal, bei dem sie allzu oft ganz auf sich allein gestellt ist.

Ein bewegendes Buch über eine faszinierende Frau und Mutter. (Klappentext)

Rezension:

“Woody Allen hat gesagt: Das schlechte Gewissen ist eine jüdische Erfindung. Recht hat er.”

Michel Bergmann: Mameleben oder das gestohlene Glück

“Dafür nun habe ich überlebt.”, so oder ähnlich klingen die Vorwürfe, die sich Michel Bergmann Zeit seines Lebens anhören muss, aus dem Munde derjenigen, die ihm am nächsten stehen sollte. Das tut sie auch, doch das Leben spielte der Mutter, wie allzu vieler ihrer Generation übel mit. Geschehnisse, die lange danach noch Wirkung zeigen, in den Familien übergreifend. Der Autor schaut, Jahre nach dem Tod, zurück, sucht die Wegmarker und Wendepunkte und damit, seine Mutter mehr zu verstehen als er es zu ihren Lebzeiten konnte. Entstanden ist eine Mischung aus Romanbiografie, Familienepos, Ode und Psychogram, hart zu der Frau, die er zu seiner Hauptprotagonistin macht, aber auch sich selbst nicht schonend.

Der Filmemacher weiß sich unterschiedlicher Genre zu bedienen und setzt deren Elemente gekonnt um. Der Handlungsverlauf gleicht im Spannungsverlauf eben dem eines guten Films, während dessen er sich an den biografischen und neuralgischen Punkten des Lebens seiner Mutter entlang hangelt. Zuweilen ist das fast wie ein Krimi zu lesen, aber eben in Romanform erzählt Michel Bergmann liebevoll aus dem Leben seiner Mutter. Ihre und seine Perspektive sind die bestimmenden Elemente, die Abwechslung in diese kurzweilige Erzählung bringen. Die Kapitel sind benannt nach den einzelnen Stationen dieser bewegten Biografie, bei der man immer wieder innehalten muss. Um zu schmunzeln, laut loszulachen, auf das einem das Lachen im nächsten Moment im Halse stecken bleibt.

Erzählt wird die Geschichte der Mutter über die gesamte Lebensspanne, konzentriert auf die neuralgischen Punkte. Der Autor könnte noch viel mehr erzählen, doch beherrscht er des Berufs wegen die Kunst des Reduzierens. Auf die Leinwand kann man schließlich auch nicht alles bringen, was man gerne möchte. Überflüssige Zeilen gibt es hier auch zwischen den Buchdeckeln nicht. Dabei lässt Michel Bergmann die unterschiedlichsten Handlungsorte vor dem inneren Auge entstehen. Wir folgen der Protagonistin, deren Ansichten sich über die Jahre verhärten werden, in der Rückschau wird das Schicksal sie verbittern lassen, durch Deutschland in seiner schlimmsten, später auch in seiner besten Zeit, in die Schweiz und nach Frankreich. Wenige Worte genügen hier manchmal, um ganze Welten lebendig erscheinen zu lassen.

Hauptfiguren bilden der Erzähler selbst und seine Protagonistin, die wie zwei gegensätzliche Pole einander abstoßen, aber doch nicht ohne einander können. Diese Konstellation kommt aber auch bei den Nebencharakteren zum Tragen, doch während der Sohn mit dem Abstand der Generation das Konfliktpotenzial sieht und zu bewältigen weiß, kann sich die Mutter nicht davon befreien.

“Und die Ingredienzen dieses neuen Lebens durch Überleben haben nicht nur psychische Schäden verursacht. Sie haben Krankheiten und Todesursachen provoziert und letztlich auch die Gene verändert, die an uns weitergegeben wurden. Bis heute werden die Auswirkungen dieser schweren, lebensbedrohlichen Jahre der Schoah unterschätzt. Wir alle wären andere. Und unserer Kinder ebenfalls. Davon bin ich zutiefst überzeugt.”

Michel Bergmann: Mameleben oder das gestohlene Glück

Brüche in der Erzählung ergeben sich durch die Protagonisten selbst, nicht zuletzt durch den Erzählenden, der zwischen den Zeiten springt, um damit andere Punkte dieser Geschichte unterfüttern. Im Lesefluss selbst ist das keinesfalls störend. Es ergibt sich sogar eine gewisse Dynamik und ein Erzähltempo, welches es verhindert, dass man vollends in nicht enden wollende Melancholie hinabstürzt, aus der man nicht wieder hinausfinden würde. Dem Lesenden wachsen die Figuren mit all ihren Ecken und Kanten ans Herz. Vielleicht sollten wir alle uns die Geschichte unserer Eltern anschauen, mag man hinterher meinen, um sie zu begreifen, um sich selbst besser zu verstehen.

Der Autor weiß die Wirkung von Sätzen und sprachlichen Bildern zu nutzen, setzt sie gekonnt und nicht über die Maßen ein, setzt damit seiner Mutter, die er zur Hauptprotagonistin macht, ein Denkmal, nicht ohne dieses selbst zu hinterfragen. Immer wieder steht die Frage im Raum, was wäre wenn, um im gleichem Atemzuge beantwortet zu werden, mit: “So. Und nicht anders.” Diesem Stil kann man sich nicht entziehen, möchte man auch nach wenigen Seiten schon nicht, trotz einer Figur, die in Teilen unnahbar, manchmal fast unangenehm bleiben wird.

“Ich lehne mich zurück, atme tief durch. Was für eine Geschichte! Meine Mutter ist aber auch schrecklich. Ich muss lachen. Ich liebe sie.”

Michel Bergmann: Mameleben oder das gestohlene Glück

Es ist ein Buch über ein Blick hinter die Fassade eines Menschen und auch die Suche des Autoren nach sich selbst. Am Ende scheint Michel Bergmann auf viele seiner Fragen Antworten gefunden zu haben. Diesen Weg zu verfolgen, durch sprichwörtlich viel zu viele und zu tiefe Täler, immer wieder aber auch Berge des Glücks, okay, das klingt jetzt kitschig, war interessant und lesenswert. Gelernt hat man am Ende auch etwas dabei und sei es nur eine ganze Reihe jüdischer Ausdrücke und Begrifflichkeiten, die Bergmann am Ende des Romans, der eigentlich eine Biografie, eine Suche und auch sonst darstellt, erläutert. Ein Text der so viel schafft, den Autoren sicherlich und nicht zuletzt, die Lesenden selbst herausfordert, den kann man nur empfehlen.

Autor:

Michel Bergmann wurde 1945 in Basel geboren und ist ein schweizerisch-deutscher Filmproduzent, Regisseur und Schriftsteller. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung bei der Frankfurter Rundschau und war anschließend als freier Journalist tätig.

Später wechselte er in die Filmbranche und arbeitet seither als Drehbuchschreiber, Regisseur und Produzent. Sein erster Roman wurde im Jahr 2010 veröffentlicht, weitere folgten, 2021 seine erster Kriminalroman. Er erhielt u. a. den Deutschen Industriefilmpreis und den New York Film Award.

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Isabela Figueiredo: Die Dicke

Inhalt:

Maria Luisa ist jung, intelligent, eigensinnig, eine gute Schülerin, die auch später konsequent ihren eigenen Weg verfolgt. Doch sie ist dick. Hoffnungslos dick. Dieser Umstand überlagert und beschädigt alles: ihre sozialen Kontakte, ihr Gefühlsleben, ihren Wirklichkeitsbezug. Neben ihrer dominanten Freundin Toni – schlank, schön, umschwärmt – ist sie “das Monster”, “der Blauwal”. Im Studium lernt sie David kennen, der ihren Körper begehrt, sich für ihr Aussehen schämt und schließlich die Beziehung beendet. Von den eigenen Eltern fühlt sie sich eingeschränkt, dennoch werden sie ihr nach deren Tod fehlen. Als Erwachsene fasst Maria Luisa den Entschluss, ihren Magen operativ verkleinern zu lassen. (abgeänderter Klappentext)

Rezension:

Melancholie und Wehmut ist den Portugiesen eigen. Diese Gefühle schwingen in sämtlichen Zeilen des Romans “Die Dicke” aus der Feder der Autorin Isabela Figueiredo mit, die in ihren Text so viele erzählerische Spielarten vereint, dass alle etwas daraus ziehen können. Tatsächlich ist dies ein Gesellschaftsroman, ein Text über und gegen Mobbing, gegen Perfektionismus und pro Nonkonformität. Es ist eine Geschichte von Selbstfindung, gegen das Stromlinienförmige, aus der Rolle der Außenseiterin, die sich behaupten und entdecken muss.

Erzählt wird sie aus der Sicht der jungen Maria Luisa, die zielstrebig ihren Weg zu gehen versucht, im Schatten der Eltern, später im Internat, im Berufsleben und Privatem jedoch auch immer den Blicken der anderen ausgesetzt sind. Das einzige Manko, Übergewicht, über das andere nicht hinwegsehen können, dieses kommentieren. Die Protagonistin härtet nach außen ab, um innerlich an den Blicken und Bemerkungen fast zu zerbrechen, um später dann selbst einen Schlusstrich zu setzen. Bis dahin ist der Weg steinig, voller Hindernisse. Eine Achterbahn der Gefühle ohnehin.

Sterben wäre vielleicht gar nicht so schwierig, wenn wir nicht Mitleid hätten mit uns selbst und mit dem, was wir zurücklassen, aber das Sterben zu überleben, dem wir lebend beiwohnen, das auf unseren Schultern lastet, erfordert Kaltblütigkeit und Mut.

Isabela Figueiredo: Die Dicke

Immer ist die Protagonistin zwar umgeben von anderen, doch steht sie im Zentrum der Erzählung, die gleich zu Beginn das Körperliche betont. Andere Figuren werden kaum fassbar, in jedem Falle mit Ecken und Kanten, wenn auch Maria Luisa nicht weniger schwierig wirkt. Es ist kompliziert, so könnte der nicht genannte Untertitel lauten. Wer vermeintliche Makel besitzt, für den stimmt das wahrscheinlich, doch sind diese Charaktere nicht dazu angetan, den Lesenden die Lektüre zu erleichtern. Es ist ein drückender Roman, zu Teilen sehr angestrengt. Wer nicht perfekt ist, leidet. Und wer liest, der leidet mit.

Die Erzählperspektive bleibt die gesamte Länge über unverändert, nur der Standpunkt der Protagonistin ändert sich. Gefühlswelten schwanken wie der Boden unter den Füßen oder die Wirkung der Einrichtungen einzelner Zimmer einer Wohnung. So ist der Roman dann auch unterteilt. Für die Protagonistin ist zunächst vor allem das Essen von zentraler Bedeutung und so stehen die Kapitel “Eßzimmer und Küche” auch im Mittelpunkt der Geschichte, die nach den Räumen einer Wohnung unterteilt ist.

Wer sieht den Schreibfehler? Ja, die Übersetzung orientiert sich nicht an der geübten Rechtschreibung. Jedes “daß” sticht heraus und stößt unangenehm auf. Darüber ärgert man sich mehr als über manche Eigenheit der Protagonistin. Solche Formalitäten lenken ab von der interessanten Gestaltung des inneren Konflikts, den auschweifenden Gedankengängen, die ansonsten so sprachlich schön formuliert sind.

Das geht einfach nicht in einem heute veröffentlichten Roman, zumal wenn selbst ältere Texte für Neuauflagen konsequent der gültigen Rechtschreibung angepasst werden. Es soll ja schließlich lesbar bleiben. Mit ganz viel guten Willen kann man damit der Übersetzerin unterstellen, dass sie genau das Konforme der Protagonistin zeigen wollte. Die sprachlichen Formulierungen wären dazu jedoch vollkommen ausreichend gewesen.

Der Roman hat das Tempo der Melancholie mit der ihr eigenen Längen, die immer in den Formulierungen von Gedankengängen als innere Monologe entstehen. Darin verliert man sich jedoch, so dass diese nicht weiter störend sind. Das sind die Momente, wo die Figur besonders nahbar wirkt, Höhepunkte der Erzählung. Höhepunkte anderer Natur gibt es übrigens schon innerhalb der ersten fünfzig Seiten, ohne dass das viel zur Geschichte beiträgt. Wer es nötig hat.

Trotzdem lässt die Erzählung die Lesenden nicht los, spielt mit den Gefühlen, wie die Autorin mit den Gefühlen der Protagonistin spielt. Wie begegnen wir Menschen, die fortwährend uns an unsere Makel erinnern und aufmerksam machen? Wie viel Beachtung schenken wir Bemerkungen, die uns verletzen? Was macht das mit uns? Und wie schauen wir selbst auf Makel der anderen, zumal in Zeiten, wo alles und jeder perfekt zu sein hat, wie uns die Mehrheit der Gesellschaft weißmachen möchte.Diese Fragestellungen bestimmen seit jeher den Alltag der Menschen. Gehen wir den Weg der Protagonistin oder nehmen wir einen anderen? Nicht nur wer Isabela Figueiredos “Die Dicke” gelesen hat, sollte sich diese Fragen stellen.

Autorin:

Isabela Figueiredo wurde 1963 in Mosambik geboren und ist eine portugiesische Schriftstellerin und Journalistin. Seit ihrem zwölften Lebensjahr lebt sie in Portugal und studierte Portugiesische Sprache und Literatur, bevor sie als Journalistin und Lehrerin tätig wurde. 1983 erschienen erste Texte von ihr, 1988 veröffentlichte sie ihren ersten Roman. In ihren Werken setzt sie sich mit Körper und Rassismus auseinander, zudem hinterfragt sie immer wieder den portugiesischen Kolonialismus.

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Ulrich Woelk: Für ein Leben

Inhalt:

Als die Berliner Ärztin Niki kurz nach dem Mauerfall aufgrund einer Ferhldiagnose einem Patienten beinahe schweren Schaden zufügt, ahnt sie nicht, dass sie ihn einmal heiraten wird. Ebenfalls im krankenhaus lernt Niki, geboren in Afghanistan als Kind deutscher Hippies, die schillernde Lu kennen. Die Begegnung der zwei jungen Frauen hat Folgen, die sie niemals erwartet hätten… (Klappentext)

Rezension:

Ein Roman, eine Erzählung wie die Stadt selbst. Berlin ist ein Moloch, aber auch Sehnsuchtsort vieler, ist in der Stadt an der Spree doch die Welt zu Hause. Dazu kommt eine unglaubliche Wandlungsfähigkeit, die Toleranz der Einheimischen und eine Geschichte, die von Symbolen nicht hätte überladener sein können, als dies bis heute der Fall ist. Was liegt da näher als eine Geschichte, nein, mehrere, zu erzählen, wie man sie nur dort glaubwürdig ansiedeln kann? Ob das Konstrukt dann gelingt, ist eine andere Frage.

Erzählt wird die Geschichte zweier Frauen, deren Leben sich zu Wendezeiten kreuzen, als aus zwei Städten wieder eine werden soll, sowie auch die Protagonistinnen zunächst umeinander kreisen und schließlich zueinander finden. Doch, genau wie der Schauplatz, hält auch das Leben beider Geheimnisse der Vergangenheit und Überraschungen in der Zukunft bereit, was bei beiden schon mit jeweils problembehafteten Familiensituationen beginnt, die Auswirkungen auf das restliche Leben von Niki und Lu haben werden.

Dabei zeichnet der Autor ein sehr vielschichtiges Bild seiner Hauptfiguren und einer Stadt im Wandel, die sie so sonderbar ist, wie die Menschen, die dort leben. Die restlichen Protagonisten bleiben dabei vergleichsweise blass.

“Für ein Leben” ist viel. Viel zu viel, möchte man meinen. Woelk bringt hier nicht nur eine Zeitenwende ins Spiel, auch die Geschichte zweier Frauen und ihrer Familien, Gender und Diversity, das Leben im Westen der Stadt zu Zeiten der Teilung, spirituelle Suchen nach den Sinn des Lebens, gewürzt mit Einblicken ins alternative Szenenleben.

Wer bei so vielen Handlungssträngen noch den Überblick behalten kann, verdient Hochachtung. Der Autor scheint, wie Berlin selbst, nicht wirklich zu wissen, wohin er mit seinen Figuren möchte. allzu oft werden Handlungsstränge nicht genug ausgeführt, viel zu wenig wurde gestrafft und die Zusammenführung der Handlungen wirkt an manchen Stellen zu gewollt. So funktioniert das leider nicht. Der Schreibstil lässt zwar keine größeren Längen zu, wer jedoch z. B. “Der Sommer meiner Mutter” von ihm gelesen hat, sollte nicht mit der gleichen Erwartungshaltung an dieser Erzählung herangehen. Das funktioniert nicht.

Autor:

Ulrich Woelk wurde 1960 in Bonn geboren und ist ein deutscher Schriftsteller. Von 1980-1987 an, studierte er physik und Philosophie an der Universität Tübingen. Er arbeitete bis 1995 an der Technischen Universität Berlin, sowie in Göttingen als Astrophysiker. Seinen ersten Roman veröffentlichte er 1990. 1991 promovierte er über Weiße Zwerge in engen Doppelsternsystemen. Seit 1995 lebt Woelk als freier Schriftsteller in Berlin. Er schreibt Theaterstücke, Romane und Hörspiele. Seine Werke wurden mehrfach ausgezeichnet und in mehrere Sprachen übersetzt.

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Georgiens erste Republik – 1918-1921. Geschichte. Literatur. Kunst.

Vom 24.-27. Juni 2021 findet, veranstaltet vom Writers’ Hous of Georgia, in Kooperation mit dem Lettretage und dem Unesco-Project – Tiblisi World Book Capital 2021, ein Festival für Kunst, Literatur und Kultur statt. Gewidmet ist dies der ersten demokratischen Republik Georgiens von 1918-1921, dem 100. Jahrestag der sowjetischen Besatzung und dem 30. Jahrestag zur Wiederherstellung der Unabhängigkeit Georgiens 1991. Viel zu feiern, also. Auch zahlreiche Autoren nehmen an diesen vier Tagen daran teil.

Neben Musikbeiträgen und Einblicken in die georgische Küche wird es unterschiedliche Beiträge auch von vielen Schriftstellern geben, auf Deutsch und Georgisch, von u.a.
Nino Haratischwili, Aka Morchiladze, Anna Kordsaia-Samadaschwili, Abo Iashagashvili, Tamta Melashvili, Salome Benidze, Merab Ninidze, Kristiane Lichtenfeld, Katja Petrowskaja, Kat Menschik, Stephan Wackwitz, Zaal Andronikashvili, Lasha Bakradze, Cornelia Zetzsche, Doris Akrap und Tilman Spreckelsen.

Sprachen: Deutsch und Georgisch

Was könnt ihr erwarten?:
Beiträge über die Kultur, Geschichte, Politik, Kunst und Literatur aus dem Georgien von 1918-1921, Diskussionen über Wendezeiten, dem Erbe von Stalins Säuberungen und der Sowjetzeit sollen zur Sprache kommen, außerdem die Wahrnehmung und die Rolle der Frau seit der ersten Republik Georgiens.

Wo könnt ihr das Programm einsehen?: Hier klicken.

Wie könnt ihr die Diskussionsbeiträge verfolgen? Wo findet ihr den Stream?:
Alle Gespräche werden auf der Facebook-Seite des Literaturhauses Lettrétage live gestreamt. Hier klicken.

Der virtuelle Spendenhut

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Jasmin Schreiber: Marianengraben

Marianengraben Book Cover
Marianengraben Jasmin Schreiber eichborn Verlag Erschienen am: 28.02.2020 Seiten: 254 ISBN: 978-3-8479-0042-9

Inhalt:
Paula braucht nicht viel zum Leben: ihre Wohnung, ein bisschen Geld für Essen und ihren kleinen Bruder Tim, den sie mehr liebt als alles andere auf der Welt. Doch dann geschieht ein schrecklicher Unfall, der sie in eine tiefe Depression stürzt.

Erst die merkwürdige Begegnung mit Helmut, einem schrulligen alten Herrn, erweckt wieder einen Funken Lebenswillen in ihr. Und schließlich begibt Paula sich zusammen mit Helmut auf eine abenteuerliche Reise, die sie Beide zu sich selbst zurückbringt – auf die eine oder andere Weise. (Klappentext)

Rezension:
Es passiert eigentlich nicht viel im neuesten Roman von Jasmin Schreiber und doch eine ganze Menge, lesen so einen wunderbar schmerzhaften, bedrückenden und dennoch lebensbejahenden Roman. Wie das zusammenpasst? Zu Beginn steht die Trauer der Hauptprotagonistin, der ein Leser sofort in sein Herz schließen wird.

Die Studentin Paula hat vor ein paar Jahren ihren kleinen Bruder durch das Meer verloren und ist seit dem tief gefallen. Im übertragenen Sinne bis an den Grund des Marianengrabens, des tiefsten Punkt der Ozeane. Nur ist es hier Lethargie und Depression, unverarbeiteter Schmerz, der die Oberhand hat.

Aus ihrer Perspektive erlebt man nun einen Roadtrip und damit auch ein Auftauchen, beschwerliches Ankämpfen gegen die Schuldgefühle. Gegenpol bildet der zweite Hauptprotagonist. Helmut, ein älterer Herr, der ebenso eine Geschichte zu erzählen hat. Auf diese zwei Figuren ist die Geschichte reduziert. Völlig ausreichend ist das.

Feinfühlig beschreibt die Autorin diesen schmerzhaften Verarbeitungs-prozess. Gebannt wird man in die Geschichte eingesogen. Manch kalter Schauer wird einem bei diesen Zeilen über den Rücken laufen, nur um dann wieder grinsen, manchmal laut auflachen zu müssen.

Diese Kontraste zu schaffen, ist Jasmin Schreiber hervorragend gelungen. Dies lässt in der Geschichte die Protagonisten durchhalten, ebenso fordert dies die Leser dieses gelungen Werks.

Auf Trauer folgt Verarbeitung. Diesen Prozess begleiten die Leser, die nach und nach die Puzzleteile der Geschichten beider Protagonisten erfahren, wenn Paula und Helmut so langsam aus dem sprichwörtlichen Meer auftauchen. Interessant dazu auch die Titelüberschriften.

Jasmin Schreiber hat nicht nur ihr Biologie-Studium der Protagonistin „umgehängt“. Viel steckt von der Autorin in Paula. Jede Zeile so gemeint. Jede Zeile ehrlich.

Dies alles ist die große Stärke von „Marianengraben“. Definitiv ein Highlight für alle, die ihn lesen werden und eine Mahnung, Menschen mit Depression die Hand zu reichen, niemals allein zu lassen, im übertragenen und wörtlichen Sinne, schwimmen zu lernen.

Autorin:

Jasmin Schreiber wurde 1988 geboren und ist studierte Biologin, arbeitet als Kommunikationsexepertin und Autorin. 2018 wurde sie als Bloggerin des Jahres ausgezeichnet. Sie arbeitet ehrenamtlich als Sterbebegleiterin und Sternenkinder-Fotografin. Die Autorin lebt in Frankfurt/Main.

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