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Kocku von Stuckrad: Nach der Ausbeutung

Inhalt:
Es ist heute kein Geheimnis mehr, dass sich die Erde in einem gewaltigen Transformationsprozess befindet. Die globale Klimakatastrophe hat einen Punkt erreicht, an dem die Lebensfähigkeit vieler Ökosysteme und Arten, auch das Überleben des Menschen, auf dem Spiel stehen. Zunehmen setzt sich die Erkenntnis durch, dass es eine radikale Veränderung im Verhältnis zwischen dem Menschen und der nichtmenschlichen Welt geben muss, wenn wir eine lebendige Zukunft des Planeten sicherstellen möchten.

Wie können wir unser Wissen über die Welt erweitern und so gestalten, dass es die Verletzlichkeit des Lebens respektiert und den Menschen als Teil einer planetarischen Lebensgemeinschaft begreift? Welche Konsequenzen hat ein solcher Ansatz für Wissenschaft, Gesellschaft und Politik? Das sind die Fragen, denen Kocku von Stuckrad in seinem neuen Buch nachgeht. (Klappentext)

Rezension:
Wissenschaft neu denken, in Bezug mit Kultur und Natur zu setzen und damit die Trennung von Geist und Materie aufzubrechen. Dies ist der Ansatz, den der Religionswissenschaftler Kocku von Stuckrad verfolgt, um den Menschen in ein komplexes Beziehungsgeflecht mit der nichtmenschlichen Welt in Verbindung zu bringen und so den Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen. Diese Wende,, die er „Mitweltethik“ nennt, soll konkrete Zukunftsperspektiven bieten und die Ausbeutungsregime von Patriarchat, Kapitalismus und Kolonialismus überwinden. Das übergreifende Denkmodell beschreibt er nun in seinem neuen Sachbuch „Nach der Ausbeutung“, welches den Spagat wagt, zwischen Philosophie, Religion und den traditionellen Naturwissenschaften.

Der Ansatz dabei, wie wir Menschen an den Punkt gekommen sind, die Erde kurz vor einem Kollaps und damit selbst einen Fuß bereits im Abgrund stehen zu haben, ist nachvollziehbar. Säulenartig werden die Zustände, die er als Ausbeutungsregime zu benennen weiß, erläutert und zueinander in Bezug gesetzt, bevor der Autor dazu übergeht, zu erklären, wie Wissenschaft abweichend von traditionellen Pfaden bereits in Ansätzen neu gedacht wird, um sie zu überwinden. Die Erkenntnis, interdisziplinär arbeiten zu müssen und dabei auch ungewöhnliche Wege zu verfolgen, ist nicht neu, auch Naturobjekten eine Stimme zu verleihen, mit Hilfe von Kunst und Kultur, ist etwas, was man bereits in einigen Regionen der Welt verfolgt, doch geht von Stuckrad noch viel weiter.

Hier beginnt jedoch eine Problematik, die der Autor sich zwar wünscht aufzubrechen, aber von der alle Lesenden wissen, wie unrealistisch das ist. Wirtschafts- und politische Systeme werden sich nicht so ohne Weiteres umwandeln lassen, auch sind wir Menschen heute um einiges rationaler gestrickt, als es notwendig wäre, um sich auf dieses von ihm verfolgte Denkmodell einzulassen. Eine spannende philosophische Überlegung gleitet damit so weit ins Spiritistische ab, dass es schwer fällt, die ernstzunehmenden Punkte noch von den esoterischen zu trennen. Das tut im Übrigen auch dem Lesefluss nicht gut.

Ein komplexes Modell, welches in Ansätzen sich zwar verfolgen, ganzheitlich aber nicht umsetzen lassen wird, derart zu vertiefen, ist kaum nachzuvollziehen, zudem heute der Komplexität geschuldet, immer mehr fachübergreifende wissenschaftliche Projekte gibt, die im Maße ihrer Möglichkeiten genau das machen, was der Autor sich vorstellt, soweit es nicht ins quasi Religiöse abgleitet. In diesem Sachbuch fehlt mir die rationale Komponente zu sehr, so dass sich einige Fragen und damit Lücken ergeben, die einfach bestehen bleiben. Das mag der Profession von Stuckrads entsprechen, verfehlt aber das Ziel, die Lesenden voll und ganz mitzunehmen.

Autor:
Kocku von Stuckrad wurde 1966 in Kpandu/Ghana geboren und ist ein deutscher Religionswissenschaftler. Er studierte zunächst vergleichende Religionswissenschaft, Philosophie und Judaistik in Bonn und Köln, und promovierte sowie habilitierte anschließend an der Universität Bremen. 2002 folgte eine Gastprofessur an der Universität Bayreuth, anschließend war er in Groningen tätig. Er ist Mitglied der Tierschutzpartei und Beisitzer in derer Berliner Landesverband.

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Emilie Aubry/Frank Tetart: Die Welt der Gegenwart

Inhalt:

Vom Ukrainekrieg über den Nahostkonflikt bis zur Krise in der Sahelzone, von der Grenzfrage und der gesellschaftlichen Spaltung in den USA bis zu Chinas Griff nach der Vorherrschaft im Indopazifik – die Macher der ARTE-Sendung „Mit offenen Karten“ Emilie Aubry und Frank Tetart führen uns in ihrem einzigartigen Atlas überall dorthin, wo im 21. Jahrhundert die entscheidenden Konflikte über Land, Ressourcen und die Zukunft der Demokratie stattfinden. Sie durchstreifen die Kontinente und berichten von den wichtigsten geopolitischen Umwälzungen der Gegenwart. (Klappentext)

Rezension:

Die Konfliktlinien unserer Zeit sind so vielfältig wie herausfordernd und vor allem allgegenwärtig. Überall auf unserem Planeten sehen sich wir Menschen damit konfrontiert, egal ob eine politisch heraufbeschworene Krise, bereits lang anhaltende Auseinadersetzung zwischen Interessensgruppen dem zu Grunde liegt oder der Klimawandel die Existenz ganzer Staaten in Frage stellt.

Die Macher der Informationssendung „Mit offenen Karten„, die regelmäßig auf Arte sich geopolitischen Fragen widmet, haben mit „Die Welt der Gegenwart“ eine Übersicht des Ist-Standes rund um den Globus geschaffen. Zwei Jahre später liegt dieser nun seit 2024 in der deutschen Übersetzung vor.

Gerade, wenn es um sehr dynamische Geschehnisse geht, wie sie gegenwärtige Konflikte nun einmal bieten, ist dies herausfordernd und problematisch zugleich, zudem wenn aus einer so komplex vernetzten Welt wie der unseren Beispiele zunächst herausgefildert werden müssen. Eines ist nämlich gleich zu Beginn der Lektüre klar, eine vollständige Übersicht ist nicht möglich, doch Emilie Aubry und Frank Tetart kommen mit ihrer Zusammenstellung einer nach, die umfangreichen Informations- und Erkenntniswert bietet.

Schon der Blick ins Inhaltsverzeichnis offenbart, dass sich die Autoren den herausfordernsten der Konflikte pro Erdteil vorgenommen haben, diese in sehr kompakter Form darzustellen. Nach Kontinenten gegliedert, wird in kompakter Form etwa auf die poltische Änderung an der brasilianischen Staatsspitze eingegangen, ebenso auf deren Auswirkungen im Zusammenhang mit den Abholzungen des dort befindlichen Regenwaldbestandes, das Machtstreben Chinas vor seiner Haustür, welches insbesondere das vorgelagerte Taiwan bedroht, veranschaulicht, ohne die historischen Hintergründe zu vernachlässigen.

Viele der im Buch beschriebenen Konflikte sind nur kurze Zeit auf den Titelseiten der großen Zeitungen und innerhalb der Hauptsendezeiten der Nachrichten zu finden gewesen, schwelen aber weiter, auch wenn das öffentliche Interesse seither abgenommen hat. Die Autoren rufen mit ihrer strukturierten Publikation eben diese wieder in Erinnerung, da die Gegenwart und unserer Umgang mit ihr erheblichen Einfluss darauf hat, was die Zukunft bringen mag.

Dabei werden Aubry und Tetart nicht, informieren nur mit ihrem sehr gut recherchierten Werk, welches zahlreiche geografische Karten beinhaltet, die die einzelnen Konfliktlinien visualisieren, wenn es etwa um die Verteilung von Bodenschätzen geht, Bevölkerungsmehrheiten oder der Sprengkraft des Arabischen Frühlings.

Jedem Abschnitt vorangestellt ist innerhalb der Kapitel die Erläuterung des Konfliktes meist anhand eines beispielgebenden Ortes. So wird etwa sehr kompakt dem Kapitel der politischen Umwälzungen in den USA, vorangestellt, an den 6. Januar 2021 erinnert, als eine Meute angestachelt durch Donald Trump, in der amerikanischen Hauptstadt Washington D.C. das Kapitol stürmte.

Das ist alles, da ausgiebig recherchiert, sehr informativ und verständlich, doch haben an der einen oder anderen Stelle die Ereignisse die Erscheinung der ersten Ausgabe in Frankreich überrollt, so dass aktualisiert werden musste, um dann gleich wieder ins Hintertreffen zu geraten. Der 7. Oktober 2023, als Kämpfer der Hamas nach Israel eindrangen und zahlreiche Menschenleben forderten, ist Bestandteil der vorliegenden Ausgabe. Donald Trump als wiedergewählter Präsident noch nicht. Je nach dem sollte man also zusehen, möglichst die aktuelle Auflage zu erwischen, vorausgesetzt eine Aktualisierung wird fortgeführt.

„Die Welt der Gegenwart – Ein geopolitischer Atlas“, in der Übersetzung von Anna und Wolf Heinrich Leube ist aber auch so die Sammlung erstklassiker journalistischer Informationsvermittlung, die aus der großen Masse an Sensations- und Katastrophenjournalismusartikeln hervorsticht. Ohne das man den Blick auf alle beteiligten Akteure zu verlieren oder einen derer zu vernachlässigen droht.

Alleine um den Blick zu schärfen, lohnt sich die Lektüre, die einem mehr als nachdenklich zurücklassen wird.

Autoren:

Emilie Aubry wurde 1975 in Paris geboren und ist eine französische Journalistin und Moderatorin. Nach ihrem Studium begann sie 2001 beim Fernsehkanal des französischen Parlaments und präsentierte die Fernsehnachrichten. Danach leitete sie mehrere Debatten im Zusammenhang von Vorwahlen. Im Jahr 2007 interviewte sie die französischen Präsidentschaftskandidaten.

Seit 2009 moderierte sie auf Arte das Magazin Global Mag. Weitere Formate folgten, u. a. auch das Literaturmagazin La Cite du Livre. Seit 2017 ist sie Chefredakteurin des Magazins „Mit offenen Karten“, sowie Moderatorin einer Radiosendung auf France Culturel.

Frank Tetart studierte Internationale Beziehungen und promovierte anschließend in Geopolitik. Er war viele Jahre Berater der Sendung „Mit offenen Karten“ und unterichtet an Sekundarschulen, sowie an der Universität Paris 1. Er ist Autor mehrerer Atlanten.

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Anthony Bale: Reisen im Mittelalter

Inhalt:

Ob Pilgerinnen oder Kaufleute, Ritter, Mönche oder Spione – die Leidenschaft für das Reisen packte die Menschen bereits im Mittelalter. Getrieben von Fernweh und Abenteuerlust die einen, auf der Suche nach religiöser Erleuchtung oder Ruhm auf dem Kreuzzug die anderen. Für alle war der Weg lang und gefährlich, gute Vorbereitung und Reiseführer mit Tipps für Rast und Übernachtung und Hinweisen auf Gefahren waren unerlässlich.

Anthony Bale nimmt uns mit auf eine Reise nach Nürnberg und Aachen, nach Paris und Rom, in das von Touristen bevölkerte Venedig und nach Rhodos. Wir erkunden Konstantinopel und Jerusalem und gelangen bis in die sagenhaften Länder der Amazonen, Riesen und Fabelwesen, nach China, Äthiopien und Indien. Ein farbiges Panorama der mittelalterlichen Welt, gesehen durch die Augen derer, die sie bereisten. (Klappentext)

Rezension:

Als Martin Behaim, Kaufmann und Seefahrer, einen der ersten europäischen Versuche präsentierte, die ganze Welt auf einem physischen Globus darzustellen, war dieser bereits überholt, doch konnte sich damit Nürnberg als prosperierender Handelsplatz präsentieren. Heute noch erhalten und im Germanischen Nationalmuseum von Nürnberg zu besichtigen, zeigt der Globus uns die mittelalterliche Welt als Produkt dieser besonderen Konstellation von Zeit und Ort. Ein Blick darauf offenbart die Sicht auf die Welt, in der die Menschen schon damals im regen Austausch zueinander standen. Der Historiker Anthony Bale folgt ihren Spuren und nimmt uns mit auf eine ebenso spannende, wie abenteuerliche Zeitreise.

Entlang historischer Reiseberichte entfaltet der Autor eine Welt, in der Reisen noch mit Abenteuer verbunden, dennoch nicht weniger durchorganisiert war, als heute. Auf unterschiedlichen Pfaden und Handelsrouten begegnen wir dabei Menschen, die Handel trieben und zu einer der ersten Vernetzungen der Welt beitrugen, Pilger, Missionare, Ritter und Kämpfer für ihren Glauben und entdecken die ersten Touristen, die nur für sich selbst unterwegs waren und dabei auf allerhand Erstaunliches stießen.

Damals, so erfahren wir, in den nach Routen und Zielen unterteilten Kapiteln, war Reisen mit zahlreichen Schwierig- und Unwägbarkeiten verbunden. So konnte eine Flaute auf See die Menschen zum Innehalten zwingen, Brief und Siegel eines Königs jedoch dabei helfen, Grenzen zu überwinden. Der Historiker zeigt anhand zahlreicher Beispiele die sich verändernden Sichtweisen Fremder auf Gegenden und Orte, die sie bereisten, aber auch, dass Reiseberichte von damals immer eine Mischung aus Wahrheit und Fiktion, sowie politischer und religiöser Standpunkte waren.

Anhand gleichsam philosophischer Überlegungen erläutert Bale Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Reiseetappen damals und heute. Warum reisen wir? Was macht dies mit uns? Welche Ziele haben wir? Was bleibt nach der Reise selbst? Die Gedanken dazu bilden das tragende Konstrukt nebst zahlreicher historischer Überlieferungen für dieses spannende Sachbuch, welches zudem nicht nur die Sichtweise damaliger Reisenden erläutert, sondern auch jener, die sie besuchten. Dabei bleibt Bale nicht eurozentrisch verhaftet, erläutert auch das Unterwegssein aus anderen Teilen der Welt heraus.

Spannend vermischen sich historische Reiseberichte, philosophische Überlegungen, die ergänzt werden mit einer ausführlichen Quellenangabe und Personenregister zu einem bunten Portrait des Unterwegssein in damaliger Zeit. Auf den Spuren von venezianischen Kaufleuten wie Marco Polo, ehrwürdigen Mönchen und doch zahlreichen Frauen wie Margery Kempe, für die das Reisen noch ganz andere Herausforderungen bereithielt, bewegt sich dieses kurzweilige Sachbuch, welches sprachlich schön, sowohl von an der Historie als auch am philosophischen Aspekt des Reisens Interessierten gelesen werden kann.

Autor:

Anthony Bale wurde 1975 geboren und ist ein britischer Historiker. Er lehrt Mittelalterstudien am Birkbeck College der University of London und erhielt 2011 den Philip Leverhulme Prize für herausragende junge Wissenschaftler. 2019 war er Fellow der Harvard University. Für sein Buch ist er den Routen mittelalterlicher Globetrotter gefolgt.

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Bill McGuire: Treibhaus Erde

Inhalt:

Die Erde schwebt in akuter Gefahr. Unser einst lebensfreundlicher Planet ist auf dem besten Weg, zu einem sich selbst erhitzenden Treibhaus zu werden. Dieses Buch bietet eine fundierte Perspektive auf den Klimanotstand und zeigt, dass es praktisch unmöglich ist, die kritische 1,5°C-Marke noch zu halten.

Das Resultat: Der Kollaps unserer Ökosysteme lässt sich nicht mehr abwenden. Er wird unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft in den kommenden Jahrzehnten komplett auf den Kopf stellen. Bill McGuire, Professor für Geophysik und Klimafolgen, erklärt die wissenschaftlichen Hintergründe der Klimakrise und zeichnet ein unverblümtes, aber realistisches Bild der Welt, in der unsere Kinder alt werden.

Überschwemmungen, Dürren, Konflikte – so düster das Szenario auch sein mag, wir müssen uns damit auseinandersetzen. Damit aus einer besorgniserregenden Zukunft keine katastrophale wird. (Klappentext)

Rezension:

Verdrängung und falscher Optimismus sind es, die den wissenschaftlichen Konsens seit Jahrzehnten nicht an die Oberfläche drängen lassen und die Luft zum Atmen nehmen. Dabei begegnen wir überall auf unserem Planeten immer sichtbareren Folgen der Klimakrise, welche sich in häufiger und ausufernden Extrem-Wetterereignissen äußert, die längst in verschiedenen Teilen der Welt dazu führt, dass unser Planet in einen Zustand gerät, in dem der Mensch keinen Platz finden wird.

Doch wie sehen sie aus, die Klimaänderung, mit denen wir in Zukunft zu rechnen haben und wie müssen wir ihr begegnen. Der britische Klimato- und Vulkanologie Bill McGuire beschreibt in seinem Werk ein ungeschöntes wissenschaftlich abgesichertes Szenario, welches zeigt, dass es längst nicht mehr darum gehen muss, dessen Folgen abzuwenden, sondern ihnen zu begegnen.

Gletscher verschwinden und Eisschilde sind instabil, der steigende Meeresspiegel bedroht schon jetzt verschiedene Inselstaaten, Permafrostböden tauen auf und geben Methan frei, während Dürren und Überschwemmungen zu Ernteausfällen, damit zu politischen Unruhen führen. Dies ist erst der Anfang, einer sich immer schneller drehenden Abwärtsspirale, in der wir uns gerade befinden. In diesem sehr kompakt gehaltenen Sachbuch werden wissenschaftliche Fakten für Laien verständlich aufgeschlüsselt, was vor allem heißt, genau erklärt, wie sich Veränderungen etwa das Überschreiten bestimmter Klima-Kipppunkte konkret auswirken.

Zunächst beschreibt der Autor den Istzustand, bevor er auf die Geschichte klimatischer Veränderungen zu sprechen kommt und zeigt, wie schon jetzt und auch in Zukunft wir zum Spielball derer Geister werden, die wir einst gerufen haben. Eindrücklich warnt McGuire dabei vor Schwachstellen unserer menschlichen Zivilisation und schildert wie Klimakriege unser Zusammenleben, Gesundheit und Lebensqualität auf einem überhitzten Planeten sein werden, den wir unseren Kindern und Kindeskindern überlassen, aber auch selbst in naher Zukunft gegenüber stehen.

Einen Blick fürs Zuversicht verbietet sich da. Man möchte diese Denkschrift allen Klimaleugnern um die Ohren hauen, die politischen Eliten als verdammten Arbeitsauftrag zur klimagerechten Politik verpflichten, wie sie große Teile der Gesellschaft inzwischen fordern. Dieser Warnschuss ist nicht mehr der vor dem Bug. Längst sind zu viele Baustellen entstanden, die nicht mehr behoben werden können, doch zeigt McGuire, wie wir damit umgehen müssen. Die Zeit für Alternativen sind längst vorbei.

Dieses kompakt gehaltene, gut erklärende Sachbuch, mehr braucht man nicht, um zu verstehen, in welcher Welt wir uns befinden und schon bald befinden werden.

Autor:
Bill (William J.) McGuire wurde 1954 geboren und ist ein britischer Vulkanologe und emeritierter Professor für Geophysik und Klimagefahren am University College London. Er studierte zunächst Geologie, welche er später lehrte und beschäftigte sich in verschiedenen Forschungsgruppen mit Naturgewalten und Extremwetterereignissen. Zu seinen Forschungsgebieten gehört die Instabilität von Vulkanen, sowie die Art und Auswirkung geophysikalischer Ereignisse, sowie der Klimawandel und dessen Auswirkungen auf geologische Gefahren.

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Gina Louise Hunter: Essbare Insekten

Inhalt:
Von Anbeginn unserer prähistorischen Vergangenheit bis hin zu modernen Ernährungstrends spielen Insekten eine bedeutende Rolle. Heute ernähren sich schätzungsweise zwei Milliarden Menschen von ihnen, doch im Westen werden sie nur selten gegessen. Woran liegt es, wo doch unsere Vorfahren ebenso Insekten gegessen haben? Was können wir von ihnen und den Menschen, die diese heute noch auf den Speiseplan haben, lernen? Weshalb sind Insekten die Lebensmittel der Zukunft und welche Fragestellungen bringt dies mit sich? Die Anthropologin Gina Louise Hunter nimmt uns mit auf eine besondere kulinarische Reise.

Rezension:

Hierzulande eher auf Street Food Märkten oder in Szenerestaurants effektvoll serviert, spielen Käfer, Larven oder Heuschrecken eine eher untergeordnete Rolle, doch auch hier wächst die Anzahl der Interessenten, ein Markt, der andernorts auf der Welt riesig ist. Über 20.000 Familien in Thailand etwa betreiben Grillenfarmen. Längst sind auch große amerikanische Food-Konzerne auf das Potenzial der Krabbeltiere aufmerksam geworden. Warum, liegt auf der Hand. Schon in prähistorischen Zeiten haben wir Menschen uns von Insekten ernährt, die stets einfacher zu fangen waren als größere Säugetiere und die stetig wachsende Weltbevölkerung ist hungrig.

Doch in der westlichen Welt überwiegt der Ekel, dem sich eine noch kleine Anzahl von Pionieren zur Aufgabe gemacht hat, ihn zu überwinden. Die Anthropologin Gina Louise Hunter ist eine davon. In ihrem neuen Buch beschäftigt sie sich mit diesem Teil globaler Ernährungsgeschichte, wirft zunächst einen Blick in unsere Vergangenheit und schaut anschließend, wie mit der Thematik in anderen Teilen des Erdballs umgegangen wird, sowie was wir daraus lernen können.

Aufgelockert mit Fotos zeigt der sehr emphatisch gehaltene Bericht, worauf geachtet werden muss, wenn wir Insekten als eine Art globales Superfood begreifen und unserer Küche zugänglich machen, Vorteile und Nachteile dieser Art von Lebensmittel, z. B. auch als potenzielle Einnahmequelle von Menschen derzeit armer Regionen, bei richtiger Handhabung. Gut recherchiert schwankt dieses Sachbuch zwischen gesellschaftlichen Zustandsbericht und historischen Abriss, endet dann in eine Art historischen Kochbuch, in dem etwa österreichische Kipferl eine ganz neue Grundzutat aufweisen.

Jetzt immer noch skeptisch? Bitte zu diesem Werk greifen und zumindest mal auf dem nächsten Streetfood-Markt probieren, wenn etwa gebratene Mehlwürmer oder Heuschrecken angeboten werden. Oder gar Lebensmittel auf Mehlwurmmehlbasis, in denen man das verarbeitete Insekt nicht sieht. Wenn der Hunger auf der Welt nicht weiter wachsen soll, muss auch hierzulande über eine Erweiterung des Speiseplans nachgedacht werden. Gina Louise Hunters Buch ist ein Anfang.

Autorin:

Gina Louise Hunter ist Professorin für Anthropologie an der Illinois State University.

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Lisa Kaltenegger: Sind wir allein im Universum?

Inhalt:

Haben Sie gewusst, dass es in unserer Galaxie Milliarden potenziell lebensfreundliche Planeten gibt? Die Wissenschaft ist näher dran als je zuvor, das Rätsel um Leben im All zu lösen. Lisa Kaltenegger, die international gefragte Astrophysikerin und Astronomin aus Österreich, begibt sich in diesem Buch auf Spurensuche nach Super-Erden, Felsplaneten und Habitablen Zonen. Sie präsentiert Ergebnisse aktueller Forschung auf unterhaltsame Weise und erklärt, unter welchen Umständen außerirdisches Leben möglich ist. (Klappentext)

Rezension:

Unendliche Weiten, faszinierende Tiefen. Der Blick ins All vermag zu faszinieren. Mit immer größeren Teleskopen gelingen immer detailreichere Einblicke und atemraubende Entdeckungen. Viele Geheimnisse des Weltraums beginnen wir gerade erst zu entschlüsseln. Die Antwort auf die spannendste Frage jedoch, die zum ersten Mal vor mehr als eintausend Jahren dokumentiert wurde, steht noch aus. Sind wir allein im Universum? Gibt es Leben außerhalb der Erde? Der beste Beweis für Leben im All sind schließlich wir. Grund genug für die österreichische Astrophysikerin Lisa Kaltenegger, sich auf Spurensuche zu begeben. Von dieser erzählt sie in ihrem nun aktualisiert vorliegenden und vielschichtigen Sachbuch.

Und sie beginnt vor unserer eigenen Haustür, mit der Entstehung unseres Sonnensystems und der Erde, die als Vergleichsmaterial für ernsthafte Forschungen dienen, fernab aller Verschwörungstheorien. Dabei kommt unser Platz im Weltall zur Sprache, ebenso die Rolle von Licht und die Kategorisierung von Planeten, welche zusammen die Faktoren festlegen, nachdem eine Suche nach wie auch immer gearteten Leben überhaupt beginnen kann.

Hoch komplexe Themen erläutert die Autorin sehr anschaulich, so dass dies auch ohne Vorwissen zu begreifen ist, immer wieder aufgelockert durch beinahe comichafte, jedoch dadurch leichtgängige, die Sachverhalte verdeutlichende Zeichnungen. Vom Kleinen angefangen wagt sich die Autorin dabei mit uns Lesenden immer weiter in das Weltall hervor und zeigt, wie dieses Wissen den Wissenschaftler:innen heute hilft, Suchmethoden nach Planeten zu entwickeln und anzuwenden, auf denen Leben möglich sein könnte.

Wie diese funktionieren wird danach ebenfalls erläutert, bevor danach der Themenkomplex eröffnet wird, wie Leben überhaupt beginnen kann und welche Welten die Forschung bisher ins Auge hat fassen können. Entgegen der hoch komplexen Inhalte, sind die Kapitel sehr kurzweilig und kompakt aufgemacht, ohne wichtige Faktoren dieser hochspannenden Suche zu unterschlagen. Lisa Kaltenegger ist es gelungen, nicht allzu viel Fachsprache zu verwenden, ihre Leserschaft dennoch ernst zunehmen.

So wird der neueste Stand der Forschung auch Laien verständlich gemacht, im inneren des Buchrückens findet sich zudem eine der Thematik zu Grunde liegenden Sternenkarte und illustriert die bisherigen Forschungsergebnisse. Rundum ein gelungenes Sachbuch, welches allen Sternen-Fans zu empfehlen ist, die eine Aneinanderreihung von Fakten zugänglich aufbereitet vorfinden werden, ohne ins allzu Trockene abzurutschen oder schlimmer, von einem Schwarzen Loch verschlungen zu werden. Abzüge in der B-Note bringt allerhöchstens das Lektorat, welches den einen oder anderen Tippfehler übersehen hat. Eventuell werden diese jedoch bis zur nächsten Auflage entdeckt, genau so wie Lisa Kaltenegger und ihrem Team noch die Entdeckung vieler möglicher Erden zu wünschen ist.

Autorin:

Lisa Kaltenegger wurde 1977 in Kuchl bei Salzburg geboren und ist eine österreichische Astronomin und Astrophysikerin. Ihr Forschungsgebiet ist die Entdeckung von Exoplaneten, Exomonden und Supererden. Zunächst studierte sie u. a. Technische Physik, Astronomie und Japanisch, arbeitete als Übersetzung, bevor sie das Studium der Astronomie mit Diplom abschloss. 2002 schloss sie ebenfalls das Studium der Technischen Physik mit Spezialisierung auf Biophysik und Biomedizin ab, bevor sie 2004 in Graz promovierte.

Kaltenegger arbeitete zunächst für die Europäische Weltraumorganisation ESA, bevor sie an die Harvard University wechselte und war zudem an verschiedenen Instituten als wissenschaftliche Mitarbeiterin oder Leiterin tätig. Seit 2009 arbeitet sie für die NASA und ist außerdem außerordentliche Professorin an der Cornell University. Sie ist Mitgründerin des dortigen Carl Sagan Institute. Lisa Kaltenegger beschäftigt sich mit der Modellierung und Charakterisierung von Atmosphären um erdähnliche Planeten und deren Wechselwirkungen mit der Planetenoberfläche und war an der Entdeckung mehrerer Planeten beteiligt, die sich in der habitablen Zone befinden.

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Insa Thiele-Eich: Wirklich wichtiges Wissen von heiter bis wolkig

Inhalt:
In diesem Buch erfahren wir nicht nur, wie lange wir unser Frühstücksei auf der Zugspitze kochen müssen oder warum das Regenprasseln auf dem Zeltdach so entspannend ist, sondern auch, wo das Wasser auf unserem Planeten herkommt und wie lang der wirklich längste Dauerregen der Erdgeschichte gedauert hat – ganze 2 Millionen Jahre!

Denn die Meteorologin Insa Thiele-Eich weiß alles über das Wetter, und noch viel mehr. Klug und unterhaltsam erklärt sie, wie unser Wetter eigentlich entsteht, und zeigt, wie stark es unseren Alltag durchdringt – vor allem da, wo wir nie damit gerechnet hätten. Danach werden Gespräche über das Wetter garantiert nie wieder langweilig. (Klappentext)

Rezension:

Storm Hunter jagen Tornados hinterher und stellen spektakuläre Bilder ins Internet, während der eine oder andere fasziniert beim Anblick eines Regenbogens stehen bleibt oder ungewöhnliche Wolkenformen betrachtet. Unser Wetter sorgt nicht nur für steten Gesprächsstoff, sondern greift alltäglich in unser Leben ein. Kaum etwas anderes vermag so faszinieren.

Dabei ist Wetter nichts anderes als der Zustand der Atmosphäre an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit, beschrieben durch Elemente wie Temperatur, Luftdruck oder Niederschlag, jedenfalls gar nicht immer trocken, wie die Meteorologin Insa Thiele-Eich zu berichten weiß. In ihrem amüsant gehaltenen Sachbuch verdeutlicht sie physikalische Zusammenhänge, ebenso einfach wie verständlich und zeigt, wer Klima und Klimawandel verstehen möchte, für jene lohnt es sich, sich zunächst mit den Wetter zu beschäftigen. Oder auf der Zugspitze ein Ei zu kochen.

In sehr kurzweilig gehaltenen Kapiteln geht es zunächst einmal rein um verschiedene Definitionen und Grundlagen, bevor einzelne Themenkomplexe erörtert werden. Vorwissen wird nicht verlangt, vermittelt die Autorin doch so anschaulich dieses Wissen, dass es Spaß macht, in die Materie einzutauchen.

Wir folgen dem Weg des Wassers, ebenso der Geschichte der Meteorologie, erfahren, welches Tier der bessere Vorhersager ist und welchen Einfluss das Wetter auf unseren Körper hat oder auch der Entwicklung von Sprache. Immer wieder geht die Autorin dabei auf gesellschaftshistorische Entwicklungen, sowie der Geografie des Wetters ein.

Beständig blitzt die Faszination Insa Thiele-Eichs für ihr Steckenpferd durch, aufgelockert werden Definitionen klar abgegrenzt von anschaulichen Erklärungen und Grafiken, was beinahe lehrbuchmäßig wirkt ohne im schlimmsten Sinne lehrbuchhaft zu sein. In diesem Bereich hat das eine hohe Qualität, zumal die ohne erhobenen Zeigefinger daherkommt.

Dazu tragen nicht nur Sachkenntnis und Humor bei, auch ein wahnsinniges lecker erscheinendes Cookie-Rezept hat es ins Buch geschafft. Natürlich mit der idealen dafür geeigneten Temperatur? So, und bei welcher kocht jetzt das Ei auf der Zugspitze? Nun, das müsst ihr selbst herausfinden.

Eine unbedingte Leseempfehlung.

Autorin:
Insa Thiele-Eich wurde 1983 in Heidelberg geboren und ist eine deutsche Meteorologin und Anwärterin zur Astronautin. Zunächst studierte sie Meteorologie in Bonn und war dort als wissenschaftliche Koordinatorin tätig. Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Untersuchung von Austauschprozessen, parallel dazu untersuchte sie für ihre Doktorarbeit die Auswirkungen des Klimawandels in Bangladesch. 2017 wurde sie Teil einer privat finanzierten Initiative, die erstmals eine Deutsche zur Astronautin machen möchte.

Für den Kurzzeitaufenthalt, der durch Spenden finanziert werden soll, überstand sie ein Auswahlprogramm und absolvierte eine theoretische und praktische Raumfahrt-Grundausbildung, sowie Parabelflüge und erwarb einen Flugschein. Politisch engagiert sie sich in der Königswinterer Wählerinitiative, für die 2021 in den Stadtrat nachrückte.

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Christian Linker: Boy from Mars

Inhalt:

Im Jahr 2099 lebt der dreizehnjährige Jonto mit seinem Großvater auf dem Mars. Als Opa Ben stirbt, muss Jonto sich auf den Weg zur Erde machen, zu seiner Mutter, die er seit zwölf Jahren nicht gesehen hat. Im Gepäck hat er das Tagebuch seines Opas voll rätselhafter Andeutungen auf eine spektakuläre Erfindung. Angeblich soll es eine Superwaffe zum Schutz des Klimas sein. Neugierig begeben Jonto und seine neuen Freunde sich auf die Suche danach. Doch sie sind nicht die Einzigen, die Interesse am Supergenerator haben … (Klappentext)

Rezension:

Das vorliegende Jugendbuch von des deutschen Autoren Christian Linker entführt uns in eine nicht allzu ferne Zukunft. Im Jahr 2099 leben Menschen nicht nur auf der Erde, auch der rote Planet ist besiedelt. In Kolonien auf den Mars leben die Pioniere und bauen dort eine neue Gesellschaft auf, nachdem die Zurückgebliebenen dabei sind, die Folgen der gerade erst beendeten Klimakriege zu überwinden. Jonto kennt kein anderes Leben als unter den Kuppeln der Marskolonien. Der Dreizehnjährige liebt seinen Großvater, mit dem er Wanderungen auf den Kratern des Planeten unternimmt und den populären Sport Gravity Dunk.

Doch als sein Opa stirbt, muss er zurück, zu seiner Mutter, die er, wie auch den Planeten Erde, nur von Bildern kennt, ohne zu ahnen, dass das größte Abenteuer ihn noch bevorsteht. Eines, welches das Leben aller verändern könnte.

In einer Mischung aus moderner Zukunftsvision und Abenteuerroman folgen wir den jungen Protagonisten Jonto auf seiner Reise zur Erde, die dort in ein rasantes Abenteuer mündet. Der Dreizehnjährige hadert dabei zunächst mit sich selbst und den Gegebenheiten, denen er zunächst nichts entgegensetzen kann und gibt damit eine perfekte Identifikationsfigur ab, wie auch die Erzählung selbst aus eine Aneinanderreihung vieler Punkte besteht, die Jugendliche beschäftigen. Der Schriftsteller Christian Linker hat damit eine interessante Mischung geschaffen, sowohl die Konfrontation mit der harten Realität der Welt der Erwachsenen darzustellen, als auch die Ängste und Befürchtungen der jungen Generation in Bezug auf Klimaveränderungen und dem Leben in der Zukunft aufzunehmen.

Ohne unlogische Brüche funktioniert die Erzählung, derer wir in kompakten Kapiteln folgen, die Vision eines Autoren, der ein Szenario erschaffen hat, dem man gerne folgen möchte, zudem immer auch ein Hauch optimistischen Untertons mitschwingt. Dazu tragen die Figuren bei, deren Weg und Handlung nachvollziehbar gestaltet ist, welche schnell Konturen bekommen. Hier ist klar, wer Sympathieträger ist. Positiv ist aber zu erwähnen, dass auch die Gründe für das Handeln der Antagonisten glaubwürdig dargestellt werden. Das erzeugt einen Sog, den man sich nicht entziehen kann. Die Ausgestaltung dieser Welt, sowohl des roten als auch des blauen Planeten, wirkt mit jeder einzelnen Zeile.

Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht des Hauptprotagonisten, der erkennen muss, dass die Zukunft der Menschen in der Vergangenheit zu suchen ist und dabei mehr als einmal vor schwierigen Entscheidungen gestellt wird, die zu groß wirken für einen Dreizehnjährigen, selbst wenn einem eine Digi-Linse zum Durchblick verhilft. Linker hat seine Figur mit Ecken, Kanten, der rastlosigkeit und gelegentlichen Stimmungsschwankungen versehen, auch das macht Jonto zu einem glaubwürdigen Protagonisten.

Der Roman wirkt in sich schlüssig, die Welt greifbar. Linkers Stärken liegen nicht nur in der Ausgestaltung seiner Figuren, auch Landschaftsbeschreibungen erzielen ihre Wirkung. Actionreiche Szenen fühlen sich beim Lesen an, einstweilen wie im Film, trotzdem gibt es in „Boy from Mars“, auch sehr ruhige, einfühlsame Momente, die die Erzählung komplettieren.

Christian Linker hat mit diesen Roman für Jugendliche einen spannenden Einstieg in die Welt der Dystopien geschaffen, zugleich Ankerpunkte zu so vielen anderen Genres und einen sympathischen Protagonisten, dessen Weg mit seinen Freunden in diesem wirklich gut ausgestalteten Stand Alone man gerne verfolgt. Und vielleicht muss sich eines Tages wirklich ein Junge auf den Weg vom Mars zur Erde machen und dabei alles verändern.

Autor:

Christian Linker wurde 1975 in Leverkusen geboren und ist ein deutscher Jugendbuchautor. Zunächst studierte er Theologie in Bonn und arbeitete freiberuflich als PR-Redakteur und als Bildungsreferent in der außerschulischen Jugendbildung. Einige Jahre war er in Köln als hauptamtlicher Diözesanvorsitzender des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend tätig. Sein erstes Buch erschien 1999. Sein Roman „RaumZeit“ wurde 2003 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Die Bücher wurden teilweise für das Theater adaptiert. Es folgte 2018 der Jugendbuchpreis Goldene Leslie.

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Steve Brusatte: Eine neue Geschichte der Säugetiere

Inhalt:

Das Aussterben der Dinosaurier war die große Chance der Säugetiere: Für Jahrmillionen hatten sie ihr Dasein im Schatten der tyrannischen Giganten gefristet, um dann die Gelegenheit zu nutzen, in einem beispiellosen Siegeszug die Vorherrschaft auf der Erde zu erringen. Wissenschaftlich fundiert und höchst unterhaltsam erzählt Steve Brusatte von bekannten evolutionären Ikonen wie Mammuts, Säbelzahntigern und Schnabeltieren sowie von bizarren, faszinierenden Spezies der äußersten Äste des Säugetierstammbaums. Ein wichtiges und erhellendes Buch darüber, wie wir zu dem wurden, was wir sind. (Klappentext)

Rezension:

Der Meteoriteneinschlag, der vor Millionen von Jahren die Vorherrschaft der Dinosaurier auf unseren Planeten beendete, eröffnete zugleich die Chance für eine andere Gruppe von Lebewesen, aus der Deckung hervorzutreten und sich zu entwickeln. Sie taten es und nahmen die Plätze der ehemaligen Giganten ein, wurden größer und besetzten frei gewordene Nischen. Ein Siegeszug rund um den Globus begann, der letztendlich auch zur Entwicklung des Menschen führte. Dazu forscht der Paläontologe Steve Brusatte seit Jahren mit seinem Team und anderen engagierten Wissenschaftlern und nimmt uns mit auf eine Reise durch die Zeit, nicht zuletzt auch zu uns selbst.

Bei manchen Texten mag man den Eindruck haben, erst nach dem Verschwinden der Dinosaurier kam es zur Entwicklung der Säugetiere, doch sind es zwei damals parallel verlaufende Stränge, die betrachtet werden müssen. Mit Hilfe der modernen Wissenschaften und Techniken, wie etwa CT-Scans, ist es uns heute möglich, deren Verlauf zu rekonstruieren. Am Anfang stehen dabei oft Überreste von Zähnen, anhand derer wir die Entstehung des Säugetiergebisses mit den für uns und unsere Verwandten so typischen Merkmalen nachvollziehen können. Über die Jahre schließlich wurden noch mehr Überbleibsel gefunden und so können wir uns heute ein, vielleicht nicht in allen Facetten vollständiges, dennoch übersichtliches Bild von dem machen, wie der Siegeszug der Säugetiere über Millionen von Jahre ausgesehen haben mag.

Steve Brusatte hat hier ein Stück Wissenschaftsgeschichte niedergeschrieben und erläutert sehr detailreich Wendepunkte und Kontraste an Beispielen von ihn und anderen erforschten Fundstätten, sowie vieler Spezies, die es heute nicht mehr gibt. Auch die Entwicklung der Säugetiere war mitunter verlustreich, trotzdem insgesamt von Erfolg gekrönt. Immer wieder gelangt man beim Lesen zu dieser Feststellung. Der Weg dorthin ist sehr verschachtelt, was sich auch bei der Lektüre bemerkbar macht.

An vielen Stellen kommt der Wissenschaftler durch, wenn sich etwa lateinische Namen oder Tierarten, Merkmalsbeschreibungen aneinanderreihen und man lesend versuchen muss, den Überblick zu behalten. Das ist nicht immer leicht und erfordert Konzentration. Dennoch hat es der Autor geschafft, an der einen oder anderen Stelle Auflockerung in seinen Text zu bringen, sei es durch informatives Bildmaterial oder einer Prise Humor, wenn z. B. kuriose Personen mit ihren Eigenarten beschrieben werden, die sich um die Erforschung prähistorischer Säugetiere verdient gemacht haben. So interessant wie die Erforschung der „Schreckensechsen“ ist das, was danach folgte und wohl noch folgen wird. Steve Brusatte zeigt ebenso auf, wo aktuell noch weitergeforscht wird und Lücken gefüllt werden müssen. So wie die Entwicklung der Säugetiere ist auch die Erkundung ihrer Geschichte nicht statisch.

Anhand eines Zeitstrahl in Form der Kapitel des Werks verfolgen wir die Geschichte der Säugetiere bis zum Aussterben der Dinosaurier als Parallelerzählung und danach, wie diese mehrere Katastrophen, nicht nur die, die die Dinosaurier in die Knie zwang, überstanden und sich mehrere Male neu erfinden mussten. Anhand ihrer Merkmale beschreibt Brusatte die Entwicklung moderner Säugetiere, ihren Umgang mit dem Klimawandel etwa und wie auch Homo Sapiens letztlich daraus folgte.

Auch ein Ausblick in die Zukunft wird gewagt. Was werden künftige Paläontologen vorfinden und vielleicht auch über uns erfahren? Hier wird der Erzählstrang wieder zu der ursprünglichen Parallelgeschichte, nur als Zukunftsvision. Wir nehmen heute mehr als alles andere Einfluss, nicht nur auf die Säugetiere der Welt, im negativen Sinne. Und sind zugleich eine ihrer Chancen. Die Geschichte der Säugetiere, so das Fazit, sie geht weiter.

Autor:

Steve Brusatte wurde 1984 geboren und ist ein US-amerikanischer Paläontologe und Evolutionsbiologie. Er studierte zunächst an der University of Chicago und schloss sein Studium an der Columbia University ab. Derzeit lehrt und forscht er an der University of Edinburgh. Neben seinen wissenschaftlichen Arbeiten verfasste er mehrere populärwissenschaftliche Sachbücher und wirkte zudem als Berater für Dokumentarfilme und 2020 für einen der Jurassic World Teile. Sein Team entdeckte mehrere neue Fossilien, er selbst wandte sich immer mehr der Erforschung prähistorischer Säugetiere zu.

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Seit jeher sind wir Menschen fasziniert von den Meeren, deren Kräfte wir fürchten und im Laufe der Geschichte gelernt haben, für uns zu nutzen. Ob als Rohstoff- oder Nahrungslieferant, zur Energieerzeugung, die Ozeane als Bestandteil des Wasserkreislaufs sind die Grundlage allen Lebens. Hier entstand es, bevor es den Sprung an Land wagen konnte. Ein Blick unter die Oberfläche offenbart dabei noch immer erstaunliches. Der Großteil der Ozeane ist weitgehend unerforscht, doch lasst uns faszinierende Lebewesen am Rande brodelnder Unterwasservulkane entdecken, Räuber, die in den dunklen Weiten der Tiefsee mit Leuchten Partner sowie Beute anlocken, Haie, die des Nachts durch Riffe streifen. Unsere Ozeane sind voll mit Superlativen, hier lebt das älteste Tier der Welt, hier das größte Säugetier unseres Planeten.

Von der faszinierenden Welt der Korallenriffe bis zum Leben an den Polarmeeren. Steckbriefe erklären sowohl biologische als auch geografische Gegebenheiten.
(Quelle: Dorling Kindersley)

Für diese vorliegenden Enzyklopädie wurden nun die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse bildgewaltig aufbereitet. Niemand geringeres als Fabien Cousteau, der Enkel des berühmten Tiefseeforschers führt uns in die Welt des Wassers ein, deren Grundlagen und Zusammenhänge verständlich und anschaulich erklärt werden. Aktuelles Wissen gepaart mit historischen Fakten, zahlreichen Grafiken und über 2000 Fotografien und ein umfangreicher Kartenteil eröffnen uns Einblicke in diesen faszinierenden Naturraum, machen uns dessen Kräfte und Gegebenheiten verständig. Seite für Seite lernen wir zudem ihre faszinierenden Bewohner kennen, deren Vielfalt und Schönheit, jedoch auch wie fragil deren Welt inzwischen geworden ist, durch unseren Rohstoff- und Energiehunger, unseren Müll und der durch unserer Lebensweise beeinflussten Änderung des Klimas.

Großformatig und qualitativ hochwertig ist dies ein umfangreiches Nachschlagewerk, welches Groß und Klein zum Stöbern und darin versinken einlädt. Umfassende Informationsbreite und tiefe Sachkenntnis werden anschaulich vermittelt. Hier werden alle, je nach Interesse, neues Wissen daraus ziehen und anderes vertiefen können. Nicht nur das rechtfertigt den Preis, haben die Autor:innen und beteiligten Wissenschaftler:innen verschiedenster Fachgebiete dazu beigetragen, dass von der Qualität und Wirkung mehr ist als eine bloße BBC-Dokumentation in Papierform vorliegt, sondern ein Grundlagenwerk, welches seines Gleichen sucht. In sofern möchte ich hier nicht werten, fünf Sterne sind hier zu wenig, was ja ohnehin für die meisten Werke dieser Art gilt, sondern nur empfehlen. Ein Blick hinein genügt, um zu wissen, warum.

Pflanzen und Tiere in und am Rande der Ozeane, ausführliche Erklärungen und umfangreiches Kartenmaterial zum Überblick. (Quelle: Dorling Kindersley)

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