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Rimantas Kmita: Die Chroniken des Südviertels

Die Chroniken des Südviertels Book Cover
Die Chroniken des Südviertels Rimantes Kmita Erschienen am: 01.10.2019 Mitteldeutscher Verlag Taschenbuch Seiten: 414 ISBN: 978-3-96311-180-8

Inhalt:
Siauliai, eine Stadt m Norden Litauens, in den 1990er Jahren. Rimants, alter Ego des Ators, wächst dort heran und spielt mit Leib und Seele Rugbys, sucht einen Platz im Wilden Osten der Nachwendezeit. Coole Trainingsanzüge, Rambo-Poster sind das Nonplusultra und natürlich die Liebe.

Der Jugendliche sucht nicht nur in der alternativen Musikszene nach sich selbst, begegnet der ersten Liebe und bald auch der zweiten. Schließlich führen ihn Freundin und Lehrerin in die Literatur hinein. Rimants beginnt zu schreiben und seinen Weg zu gehen. (eigene Inhaltsangabe).

Rezension:
Ich meine, einmal in einem Interview gelesen zu haben, man solle über das schreiben, was man kennt, dann gelingt einem auch ein Roman und so liegt in einer ersten Übersetzung nun ein litauischer Bestseller vor.

In “Die Chroniken des Südviertels” erinnert sich Rimabntas Kmita an seine Jugend und am Aufwachsen in der Ungewissheit der Nachwendezeit ebenso, wie an Orientierungslosigkeit, Mode und Musik, Selbsfindung und der Entdeckung mehrerer Lieben.

Diese Mischung durchzieht den Roman, in dem die Leser den jungen Hauptprotagonisten begleiten, der aus der Enge seines Plattenbauviertels, wie es sie wohl in jeder osteuropäischen Großsstadt (und sicher auch in jeder westlichen) gibt, einen Ausweg und sich selbst sucht, verbunden mit all den Irrungen und Wirrungen, die die Pubertät bereit hält.

Rimants ist dieser alte Ego, der zwischen Trainingsanzügen und Schwarzmärkten den Sinn des Lebens sucht, bei Eltern und anderen Autoritäten aneckt und erst durch eine Freundin ruhigere fahrwasser entdeckt, ohne selbst ruhig zu bleiebn. Zu viele Möglichkeiten hält das Leben bereit, wenn auch der Sport zunächst an erster Stelle steht.

Die Bündelung der Handlungsstränge, die nach und nach unterschiedlich gewichtet werden, beherrscht der Autor, an dessen erzählerischen Rhythmus man sich erst gewöhnen muss. Schön, das ab und zu mal ein Vers die Geschichte auflockert, jedoch geschriebene Umgangssprache liest sich in manchen Teilen etwas merkwürdig.

Das Einfinden in Text und Sprache nimmt ein wenig Zeit in Anspruch. Zunächst ist langsames Lesen angesagt, Längen müssen überwunden werden. Ist jedoch auch in der Pubertät, im übertragenen Sinne, ja auch nicht anders. Nach dem Einfinden jedoch, ist man im Lesefluss und kann den Erlebnissen von Rimntas und seinen Freunden folgen. Doch, wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr. Der Spruch gilt, irgendwie, auch hier.

Das Empfinden einer Generation, die Orientierungslosigkeit und Suche des Protagonisten nach Sinn haben mir zugesagt. Längen, die diese Erzählung jedoch hat, stellen einen Anspruch an das Durchhaltevermögen eines Lesers, den man sich erst einmal aussetzen muss. Das funktioniert nicht immer, zumal wenn die Vergleichsfolie fehlt.

Meine Jugend fand eine Generation später statt, unter anderen Bedingungen. So fehlt in manchen Punkten die Nachvollziehbarkeit, die es vielleicht gebraucht hätte. Für die unmittelbare Wendegeneration jedoch, kann ich mir gut vorstellen, dass der Roman sehr gut funktioniert und Rimants und seine Freunde einem ans Herz wachsen.

Wenn das Rimantas Kmita schafft, ist doch das Ziel erreicht.

Autor:
Rimantas Kmita wurde 1977 geboren und ist ein litauischer Schriftsteller, Lyriker und Literaturkritiker. Aufgewachsen in Siauliali studierte er in Kaipedia, Vilnius und in Greifswald, bevor er mehrere Gedichtsbände veröffentlichte.

Er leitet eine eigene Literatursendung im litauischen Nationalradio LRT. Sein Roman “Die Chroniken des Südviertels” erschien in seiner Heimat 2016 und avancierte dort zu einem der größten Bestseller moderner litauischer Literatur.

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Mikey Walsh: Jungen weinen nicht

Jungen weinen nicht - Meine Kindheit bei den Roma Book Cover
Jungen weinen nicht – Meine Kindheit bei den Roma Autor: Mikey Walsh Bastei Lübbe Erschienen am: 30.09.2019 Seiten: 317 ISBN: 978-3-404-61149-2 Übersetzerin: Katja Bendels

Inhalt:
“Bist du bereit, Mikey?”, fragt ihn sein Vater, bevor er ihn mit erbarmungslosen Schlägen traktiert.

Der Box-Champion einer archaischen Roma-Community will, dass sein Sohn ein genauso harter und gnadenloser Mann wird wie er. Doch der sensible, nachdenkliche Junge entspricht so gar nicht seinen Erwartungen.

Jahrelang wird mikey von seinem Vater deswegen gequält und gedemütigt, sein Onkel tut ihm Unaussprechliches an, und in der verschworenen Roma-Gemeinschaft findet er niemanden, dem er sich anvertrauen kann.

Als er sich schließlich in einen Mann verliebt, wird ihm klar, dass sein Leben in Gefahr ist, denn eine schwule Liebe würde sein Vater niemals akzeptieren… (Klappentext)

Rezension:
Wie bewertet man den Bericht über eine Kindheit? Wie bewertet man eine Biografie? Ist es mit der Sternenvergabe nicht so, als würde man das Urteil über ein Leben fällen? Den “Daumen hoch” für “gut gemacht”, den “Daumen runter” für einen verpfuschten Lebenslauf.

Wie anmaßend ist dass denn? Was bei der Auswahl zwischen Bewerbern um eine Stelle noch mit den Blick auf Eignung und Fähigkeiten für einen bestimmten Berufsweg gehen mag, finde ich hier kritisch und so bin ich bei Autobiografien eher geneigt, eine höhrer Wertung zu geben, da das Schema sie nun einmal verlangt. Wie auch hier.

Im Bericht “Jungen weinen nicht”, lässt nun Mikey Walsh seine Kindheit Revue passieren. Einfühlsam übersetzt von Katja Bendels, liegt dieser nun im Deutschen, erschienen bei Bastei Lübbe vor. Darin geschrieben, ungeheuerliches.

Der Roma erzählt von einer Kindheit, wie man sie keinem Jungen oder Mädchen wünschen mag, einem archaischen und uns so fremden Leben, dass man als Leser kaum das Geschehene erfassen, geschweige denn begreifen mag und davon, wie viel Eltern auch falsch, kaputt machen können, so dass man zwangsläufig ausbrechen und für sich kämpfen muss.

In prägnanten Kapiteln beschreibt der Autor die Situation seiner Familie und eine für den Außenstehenden hoch komplexe, aber undurchschaubare und aus der Zeit gefallenen Gemeinschaft der Roma, die schon seit Jahrzehnten ums Überleben kämpft.

Dies wirkt sich prekär auf die Lebenssituation aus, in der viele gewzungen sind, sich als Tagelöhner durchzuschlagen, kriminellen oder nur ansatzsweise nachvollziehbaren Geschäften nachzugehen, zumal Tradition und Familie wichtiger zu sein scheinen, als den Anschluss an eine sich immer schneller drehende Welt zu finden.

Doch, Mikey Walsh passte von früh an nicht so wirklich dazu. Diese Empfindung traf den Autoren schon in seiner Kindheit, was sich bis hinein ins junge Erwachsenenalter zog. Der sensible und einfühlsame Junge, nicht geschaffen für die archaische Kultur und den immerwährenden Kampf zwischen den Familienclans erlebte Schreckliches und nicht zu Erzählendes.

Als Leser überkommt einem das stille Entsetzen über Eltern, die unfähig sind, ihr Kind so zu akzeptieren, wie es ist, über eine Gemeinschaft, die die Zeichen der Zeit nicht erkennt und über einen Jungen, der im Kampf gegen eine Mauer aus Unverständnis ihn gegenüber beinahe zerbricht, daran zugleich wächst, von dem man aber letztendlich weiß, dass er seinen Weg gehen wird.

Das ist dann vielleicht auch die größte Erkentnis, die man aus der Lektüre ziehen kann, die dann noch wirkt, wenn man schon längst die letzte Seite aufgeschlagen und die letzte Zeile gelesen hat.

Irgendwie geht es weiter, irgendwann kommen gute Zeiten, für die es sich zu kämpfen und zu leben lohnt.

Vielleicht können dies gerade Menschen wie Mikey Walsh, da sie eben auch die Schattenseite, Lieb- und Trostlosigkeit kennengelernt haben und wenn nicht für die daraus folgende einfühlsame und nahegehende Erzählung dessen, wofür dann, sollte es hier die Höchstwertung geben. Womit wir wieder beim bereits geschilderten Problem wären. Nun, denn.

Autor:
Mikey Walsh ist ein britischer Schriftsteller und Schauspiellehrer. Als Sohn einer Roma-Familie, 1980 geboren, verließ er diese Gemeinschaft mit 15 Jahren und lebt in London als Schauspiellehrer, engagiert sich für die Rechte Homosexueller.

Er schreibt Kolumnen für verschiedene Zeitungen, seine Kindheits-Biografie veröffentlichte er im Jahr 2010. Diese wurde bereits verfilmt.

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Rene Marik: Wie einmal ein Bagger auf mich fiel

Wie einmal ein Bagger auf mich fiel - Eine Provinzjugend Book Cover
Wie einmal ein Bagger auf mich fiel – Eine Provinzjugend Autor: Rene Marik Droemer Taschenbuch Seiten: 239 ISBN: 978-3-426-30221-7

Inhalt:
Westerwald, Kasernen, Bratensoßengeruch: Rene Marik verbringt seine Kindheit in einem Bundeswehrlager, dessen kantine von seinen Eltern betrieben wird. Während die “Grünen” draußen im Feld zelten und rumballern üben, versucht er dem seltsamen Verhalten der Erwachsenen einen Sinn abzuringen.

Auf der Suche nach Freiheit vom piefigen Alltag stürzt sich Rene gemeinsam mit der bis zur Besinnungslosigkeit gelangweilten Dorfjugend in immer verwegenere Abenteuer, bis es eines Nachts zur Katatrophe kommt, in der ein Bagger die Hauptrolle spielt… (Klappentext)

Rezension:
Alles Gute kommt von Oben. Ob dies der Fall ist, wenn man den Titel wahr werden lässt, sei dahingestellt, den bekannten Puppenspieler Rene Marik scheint es jedoch nicht geschadet zu haben. Und so nimmt uns der Komödiant mit, in seine doch recht sonderbare Kindheit, die zunächst einmal geprägt ist von Kommandoton und ständigen Geballer, wenn die “Grünen” nmal wieder ihre Feldübungen abhalten.

Die “Grünen” sind in diesem Fall die in einer Kaserne stationierten Soldaten, deren Kantine durch Mariks Eltern betrieben wird und so fühlt sich der Junge, der dem ganzen nichtsw abgewinnen und sich auf die Erwachsenen auch keinen Reim machen kann, oft genug wie ein Außerirrdirscher. Die Schule fällt ohnehin hinten runter.

Rene Marik beschreibt mit seinem eigenwilligen Humor das Aufwachsen zwischen Uniformen, kleineren und oft größeren familiären Katastrophen. Kurzweilig, slapstickhaft sind die Kapitel. Diesen stil muss man mögen, sonst funktioniert diese amüsante Biografie nicht, in der es nie geradlinig zugeht, sondern immer kurvenreiche Wege genommen werden.

Man durchlebt mit dem Autoren Tagträume in langatmigen Schulstunden, derer gibt es viele, oder die Flucht vor dem Schlägertypen im angrenzenden Dorf, der noch ganz andere Seiten hat. Der Ich-Erzähler versetzt sich zurück in seine Kindheit und lässt die Erinnerungen lebendig werden, um dann doch gegen Ende unverhofft ins kalte Wasser geworfen zu werden.

Dieses Stilmittel der Wendung ist hier angebracht, da der Bruch zwischen Kindheit und Jugend mit rosaroter Brille und vollkommenen Erkennen der Realität sehr abrupt erfolgt und zu einem notwendigerweisen nachdenklichen Ende führt, welches sich schon für sich lohnt, gelesen zu werden. Mit einem Appell, worauf wird nicht verraten, endet diese Kindheitsbiografie und man gelangt schon als Leser zu der Erkenntnis, dass humorvolle Menschen im Grunde ernst sind.

Oder umgekehrt? Das bleibt Mariks Geheimnis, der nicht nur mit seinem Puppenspiel die Menschen zum Schmunzeln und Lachen bringt, sondern dies auch in Textform schafft. Einige Längen gibt es im Handlungsverlauf, was den Erinnerungen geschuldet sein mag, dennoch hätte ich mir manche Ereignisse etwas ausführlicher geschildert gewünscht. Das ist dann jedoch Freiheit des Schreibenden, wie viel man von sich preiszugeben bereit ist oder wie viel man seinen Lesern zumuten mag.

Rene Marik hat, zumindest meistens, die richtige Balance gefunden.

Autor:
Rene Marik wurde 1970 in Hildesheim geboren und ist ein deutscher Puppenspieler, Komiker, Gitarrist, Sänger und Schauspieler. Nach einer abgebrochenen Lehre als Kfz-Mechaniker holte er sein Abitur nach und studierte zunächst in Siegen Mathematik, bis er 1995 an die Hochschule für Schauspielkunst “Ernst Busch” in Berlin wechselte und das Fach “Puppenspiel” belegte.

1999 erhielt er sein Diplom und war in den Jahren darauf Mitglied des Ensembles am Theaterhaus Jena. Regelmäßige Auftritte im Quatsch Comedy Club und in “Bar jeder Vernunft” machten ihn bekannt. Seine Auftritte wurden mehrfach ausgezeichnet. Seine bekannteste Figur ist ein sprachbehindeter und blinder Maulwurf. Regelmäßig tourt er durch Deutschland. Marik lebt in Berlin.

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Tanja Langer: Meine kleine Großmutter & Mr. Thursday

Meine kleine Großmutter & Mr. Thursday Book Cover
Meine kleine Großmutter & Mr. Thursday Tanja Langer Mitteldeutscher Verlag Erschienen am: 06.08.2019 Seiten: 416 ISBN: 978-3-96311-181-5

Inhalt:
Linda, Übersetzerin aus dem Persischen, lässt sich gern von ihren träumen lenken, und so findet sie sich eines Tages in Lüneburg wieder: Dort lebte ihre kaum gekannte Großmutter Ida unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, geflohen aus Oberschlesien, verwidmet, mit fünf Kindern.

Knapp eineinhalb Meter groß, “arbeitete sie für den Direktor des englischen Kinos”. Dieser Halbsatz entzündet Lindas Phantasie, und schon ist sie mitten in der Zeit der britischen Besatzung, von 1945 bis 1949. Ida schrubbt Wäsche für die Tommys, Ida begegnet Mr. Thursday, Ida fängt bei im im “Astra Cinema” an, Und das Kino wird zum Gegenbild für die raue Wirklichkeit, durch die Ida und ihre kleine rasselbande sich als “Flüchter” durchboxen… (Klappentext)

Rezension:
Lebensgeschichten stellen an sich gute Grundlagen für ausschweifende Erzählungen dar, in der man als Leser hineingesogen wird und mit den Protagonisten lebt, liebt oder leidet. Das gelingt auch regelmäßig, denn nichts ist ja spannender als das wahre Leben und so kann der Autor oder die Schriftstellerin schon mal mit der Themenwahl nicht viel falsch machen. Tanja Langer hat dies gewagt und ihrerseits die Geschichte ihrer Großmutter genommen und daraus eine an deren Biografie angelehnte Erzählung veröffentlicht, die nun im Mitteldeutschen Verlag erschienen ist.

Zunächst ist es natürlich die Geschichte einer Frau, die sich beginnt zu emanzipieren, weil sie durch die historischen umstände dazu gezwungen wird und am ende auch die Geschichte des Nachkriegdeutschlands, welches hauptsächlich von Frauen aufgebaut wurde. Die Männer waren entweder in den zurückliegenden Kriegsjahren gefallen oder befanden sich in Gefangenschaft, die Frauen befanden sich auf der Flucht und begannen auf den Trümmern der Geschichte sich einzurichten und ums Überleben zu kämpfen, schließlich sich und ihren Kindern eine Zukunft aufzubauen.

Im Roman ist dies dargestellt durch die Hauptprotagonistin Ida, die in den großflächigen Kapiteln eine starke Identifikationsfigur abgibt, neben der alle anderen verblassen. Über weite Strecken funktioniert dies, trotzdem das so manche Länge mit sich bringt. Hier gefällt besonders die Darstellung des Alltags in einer sehr sonderbaren Zeit. Auch die inneren Konflikte hat die Autorin sehr schön ausgestaltet.

In wechselnder Perspektive wird einmal aus der Sicht der Erzählerin die Gegenwart nachempfunden, hier findet sich die Autorin im Ich einer Übersetzerin des Persischen wieder und dann aus Sicht der Großmutter, die ihren Alltag inmitten der Nachkriegszeit bewältigen muss. Beides für sich genommen starke, suchende und kämpferische Sichtweisen, doch ein letzter Funke, das berühmte tüpfelchen auf dem I bleibt aus.

Das ist schade, denn gerade im Hinblick auf die Idee dahinter, hätte die Autorin detaillierter und ausschweifender erzählen können. Ständig Wiederholungen als Stilmittel stören zudem den Lesefluss, als wären Tanja Langer Synonyme ausgegangen. Das wird dann irgendwann schwierig.

Zu guter Letzt ist das Cover nach, und das ist jetzt persönliches Empfinden, keine gute Wahl. Natürlich hat diese Wahl viel mit Vermarktung und Aufmerksamkeitsziehung einer bestimmten Käuferschicht zu tun und mit Sicherheit eine Berechtigung, doch hätte es hier auch ein geschlechtsneutraleres Cover getan. Mit Abstrichen, wer Kino mag und Überlebensgeschichte in sonderbarer Zeit, sowie starke Frauen, wird sicherlich hier fündig.

Autorin:
Tanja Langer wurde 1962 geboren und ist eine deutsche Regisseurin und Schriftstellerin. Nach ihrem Abitur, 1982, studierte sie Vergleichende Literaturwissenschaft, Kunstgeschichte, philosophie und Politikwissehnschaften in Paris, München und Berlin.

Sie gründete eine Theatergruppe, schrieb und inszenierte eigene Stücke, verlegte sich jedoch ab 1993 auf das Schreiben von Büchern und Beiträgen für Tageszeitungen. 1999 veröffentlichte sie ihren ersten Roman und gründete 2016 ihren eigenen Verlag, den Bülbül Verlag, in Berlin, wo sie mit ihrer Familie lebt.

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Sy Montgomery: Einfach Mensch sein

Einfach Mensch sein  Book Cover
Einfach Mensch sein Sy Montgomery Erschienen am: 20.03.2019 Diogenes Seiten: 207 ISBN: 978-3-257-07064-4 Übersetzerin: Heide Sommer

Inhalt:

Machen uns Tiere zu besseren Menschen? Vertrauen, Instinkt und Gespür: Im Einssein mit der Natur finden wir unsere Lebendigkeit wieder. Im Beisein der Tiere wachsen wir manchmal über uns selbst hinaus. Ein Weisheitsbuch für unsere Zeit mit vielen Illustrationen und einem Nachwort von Donna Leon. (Klappentext)

Rezension:

In wie weit verändern uns zufällige Begegnungen mit Tieren? Welchen Einfluss nehmen Haus- und Nutztiere auf unser Leben? Viel ist schon darüber geschrieben worden. Ganze Aufsätze gibt es etwa über die Domestikation des Wolfes, woraus die verschiedenen Haushunde entstanden, die Unabhängigkeit der Katze, die den Mensch als “Dosenöffner” duldet oder etwa in der Landwirtschaft der Nutzen von Schweinen und Kühen, der sich für viele in die Anzahl von Litern Milch bzw. Kilogramm Schwein fassen lässt.

Doch, was machen Tier mit unserer Psyche? Welchen Einfluss nehmen sie auf unser Wohlbefinden und was können wir von ihnen lernen? Die Autorin und Naturforscherin Sy Montgomery nimmt uns mit, auf eine erstaunliche Reise.

Nach dem durchschlagenden Erfolg ihres Bestsellers “Rendezvouz mit einem Oktopus” erweitert die Schriftstellerin das Spektrum und wirft einen Blick auf verschiedene Tierarten. zwar ist ein achtarmiges Exemplar auch wieder dabei, doch geht es diesmal auch um schräge Vögel, einem Schwein und eigensinnigen Hunden. Montgomery schaut zurück auf diese Begegnungen und erklärt an der Wirkung auf sie selbst den Einfluss unserer tierischen Begleiter.

Kapitelweise widmet sie sich einer Bekanntschaft nmit einem Tier, nicht selten auch ein Wegbegleiter und zeigt nebenbei, wie man auch Lebensabschnitte in solche Portionen einteilen. Nach dem Haustier in der Kindheit etwa oder der schönsten Spinne Clarabelle.

Kurzweilig und melancholisch schildert sie ihr Leben mit und neben Tieren, zeigt, dass wir an ihnen wachsen, ebenso unserem eigenen Leben einen Sinn geben können. Ein jeder Haustierbesitzer kann das bestätigen. Fast literarisch mutet ihr Sachbuch an, schöne Umschreibungen, wie man sie selten in solchen Werken findet. Hier ist die Autorin unglaublich stark.

Genau da jedoch beginnt auch ihre große Schwäche, die sich schon in “Rendezvouz mit einem Oktopus” allzu deutlich gezeigt hat. Natürlich sind manche Begegnungen mit Tieren sehr emotional, können uns aus der Bahn werfen und ausbremsen, doch Verklärungen, wie es einer Naturkennerin wie Montgomery nicht passieren darf; gut, lassen wir mal haustiere außen vor, aber selbst dann; hier jedoch zu oft geschehen, sind fehl am Platz. Ein Tier ist schließlich immer noch ein Tier.

Das ist Kritik auf hohem Niveau, zumal sich die Autorin immer wieder fängt und nochmals die Kurve bekommt. Dieses Werk, am ehesten ein literarisches Sachbuch, macht neugierig sowohl in die eine, als auch in die andere Richtung. Wie würde wohl ein Roman der Schriftstellerin Montgomery über ihre Tierbegegnungen sich lesen oder ein reines Sachbuch der Wissenschaftlerin?

Der Perspektivwechsel würde sich interessant machen. Bis dahin bleibt nur, entweder das Buch zu lesen oder das eigene Haustier (und andere Tiere) mit anderen Augen zu betrachten. Und vielleicht lernen wir dabei noch etwas anderes? Zum Beispiel, einfach Mensch zu sein.

Autorin:

Sy Montgomery wurde 1958 in Frankfurt/Main geboren und ist eine Naturforscherin, Schriftstellerin und Drehbuchautorin. 1979 schloss sie ihr Studium an der Syracuse University in den Fächern Journalismus, Französisch und Literatur ab, sowie in Psychologie. Ihr wurden zwei Ehrendoktortitel verlieren.

Ihre Bücher, sowohl für Kinder als auch für Erwachsene, wurden für verschiedene Preise nominiert, u,.a. den National Book Award im Bereich Sachbuch. Sie schreibt Drehbücher u.a. für National Geographic TV und beteiligt sich an wissenschaftlichen Studien und Expeditionen im Bereich der Naturforschung.

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Marcus & Martinus Gunnarsen: Unsere Geschichte

Unsere Geschichte Book Cover
Unsere Geschichte Marcus/Martinus Gunnarsen (u.a.) Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag Erschienen am: 01.11.2018 Seiten: 208 ISBN: 978-3-86265-750-6

Inhalt:

Hei, wir sind Marcus und Martinus Gunnarsen. Wir kommen aus Trofors, Norwegen, und haben eine Mama, einen Papa und zwei Schwestern. Wir gehen zur Schule, spielen Fußball, hören gern Musik, hängen mit Freunden ab und müssen iin der Woche um zehn im Bett sein. Wir sind zwei ganz gewöhnliche Jungs. Aber es gibt bei uns auch einige Dinge, die nicht ganz normal sind. Hier ist unsere bisherige Geschichte. (Klappentext)

Rezension:

In der Jugendecke finden sich in den Buchhandlungen immer öfter Bücher von Youtubern und Möchtegern-Stars, denen ihre Zielgruppe nacheifert und jede Bewegung auf den verschiedenen Social Media Kanälen verfolgt. Gemeinsam steht und fällt man, feiert Erfolge und baut eine Karriere auf, die manchmal aus nur wenig mehr als gutem Aussehen und einem richtigen Riecher für den Erfolg besteht, worin der auch immer liegen mag. Etwas anders gelagert ist die Geschichte dieses Buches.

Natürlich ist klar, dass hier die Hilfe eines Ghostwriters in Anspruch genommen wurde, deren Name man auch mit ein wenig Suche herausbekommt, doch erzählt wird hier die Geschichte zweier Teenager, die als Zwillingsbrüder einmal bei der skandinavischen Variante des Junior Eurovision Song Contests teilnahmen, den Mega Grand Prix jr., und diesen gewannen.

Dank Unterstützung der Eltern, einer gewaltigen Portion Glück und den Kontakten zu den richtigen Leuten stürmten sie bald darauf die norwegischen Charts, erreichten Gold und Platin, füllten mehrmals das Oslo Spektrum (ausverkauft) und eroberten nicht nur ihre Heimat, sondern bald darauf den rest Skandinaviens. Derzeit werden Länder, wie Deutschland und Frankreich, ins Auge gefasst. Zu dieser Strategie passt wunderbar das Buch.

Wir begleiten die Jungs hier auf ihren Weg zur Musik und durch die Stationen ihres bisherigen Weges. Der ist reich bebildert, gefühlt relativ wenig Text, aber das macht nichts. Die Fans freut es sicher. Aus Sicht der Zwillinge, die einfach nur ihren traum verfolgen, dabei unbändiges Glück haben, diesen auch verwirklichen zu können, staunen sie über Meilensteine, reflektieren jedoch auch, wie sehr sich ihr Leben inzwischen von dem ihrer Altersgenossen unterscheidet und wem sie das alles zu verdanken haben. Vor- und Nachteile, nicht vergessen.

Und mehr kann man oder braucht man auch nicht darüber zu sagen. Für Fans ist es ein Nice-to-have neben der Musik und den Konzertauftritten, von denen es inzwischen auch welche in Deutschland gab. Man macht’s einfach den Beispielen aus Amerika nach, ich werde hier Justin Bieber nicht erwähnen (ups), in manchen Teilen sogar noch besser. Bisher hat das funktioniert und so funktioniert auch dieses Buch. Wer nicht Fan ist, wird dieses ohnehin nicht lesen.

Verlinkungen:

Gewinnersong 2012 MGPjr “To draper vann” (Zwei Wassertropfen)

Hei“, Song des allerersten Albums.

Girls“, erster englischsprachiger Song.

Auftritt bei der Nobelpreisverleihung, 2016

Autoren:

Mit Ghostwriter-Hilfe Marcus und Martinus Gunnarsen, die 2002 geboren wurden und zu den Youngstars der skandinavischen Musikszene gehören. Nach der Teilnahme am Mega Grand Prix Junior, den sie 2012 gewannen, schafften sie den Sprung zu Teenie-Stars, stürmten mehrfach die norwegischen, schwedischen und dänischen Charts. Ihre Platten räumten Gold und Silberstatus ab, bekamen Platin.

Sie wurden mit den Spellemann-Preis nominiert, den wichtigsten Preis der norwegischen Musikszene. Inzwischen gehören sie zu den etablierten Künstlern Norwegens, durften bei einer Verleihung des Friedensnobelpreises auftreten und planen als nächstes, in Europa Fuß zu fassen. In Norwegen erschien neben den Buch bereits ein Kinofilm, eine Miniserie. Regelmäßig sind sie zudem Gäste in skandinavischen Fernsehshows und auch als Synchronsprecher waren sie bereits unterwegs.

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Riad Sattouf: Der Araber von morgen – 4

Der Araber von morgen - 4 Book Cover
Der Araber von morgen – 4 Serie: Der Araber von morgen Graphic Novel Penguin Verlag Seiten: 280 ISBN: 978-3-60102-9

Inhalt:

Der Zeichner Riad Sattouf erzählt in dieser als Graphic Novel gehaltenen biografischen Reihe “Der Araber von morgen” vom Aufwachsen zwischen der europäischen und der arabischen Welt. Der Leser begleitet Riad von Kindheit an durch die Heimat seiner Mutter, Frankreich, und des Landes seines Vaters, Syrien. In Band 4 erzählt Riad Sattouf von seinem leben als Teenager.

Seine Eltern leben sich immer mehr auseinander und streiten nur noch. Die Differenzen zwischen den Kulturen lassen die Risse zwischen ihnen immer größer werden. Riads Vater, einst arabisch modern, wird immer konservativer und entwickelt einen radikalen Plan. Währenddessen hat Riad mit den typischen Problemen eines Teenagers zu kämpfen. Schließlich kommt es zum großen Knall. (eigene Inhaltsangabe)

Bücher der Reihe:

Rezension:

Die Abstände zwischen dem Erscheinen der einzelnen Bände wurden mit Fortschreiten der Geschichte größer. Alleine, es hat sich gelohnt. Nun liegt ein neues Puzzleteil der hochinteressanten und künstlerisch brisanten Biografie von Riad Sattouf vor, der zuvor schon mit drei Bänden seine Leser begeistern konnte. Der Autor und Zeichner erzählt hierbei, wie gewohnt, aus seinen Erinnerungen heraus, episodenhaft vom Aufwachsen zwischen den Welten.

Zur Erinnerung, Sattouf stammt aus der Beziehung einer Französin und eines Syrers und lebte entsprechend zwischen den Kulturkreisen, kennt den Nahen Osten seiner Kindheit, sowie die Widersprüche, die sich daraus aus Begegnungen und Erlebnissen in Frankreich für ihn bildeten. Im Zentrum, immer dabei, Riads Familie.

Im vorliegenden Band, den man erst nach den anderen gelesen haben sollte, erzählt Sattouf von seinen Teenager-Jahren, die er vorwiegend in Frankreich verbrhhcte. Der einst so aufgeklärte Vater wendet sich immer mehr der Religion zu und verliert sich im Glauben an autoritäre Regime des Nahen Ostens, allen voran Saudi Arabiens und des Iraks unter Sadam Hussein, entfernt sich dabei immer mehr von seiner Frau, die zusehen muss, wie ihr das Familienleben entgleitet.

Selbst über Länderdistanzen streiten sich die Eltern zunehmend, wobei sein Vater einen immer größeren Spagat zwischen seinen Vorstellungen eines Familienlebens wahrnimmt, aber nicht wahrhaben will, Riads Mutter zwischendurch gegen eine schwere Krebserkrankung zu kämpfen hat. Als wäre das nicht genug, kommen für Riad die üblichen Probleme eines Heranwachsenden hinzu.

In diesem Band zeigt der Zeichner, wie er langsam die kindliche sicht auf die Geschehnisse ablegte und durch den Blick eines hinterfragenden Jugendlichen ersetzte. Distanzen und Differenzen werden sichtbarer, die Signalfarben, in denen die einzelnen Szenen gefärbt sind, gewinnen hier nochmals an Bedeutung.

Ein bestimmender Federstrich gibt den Stil vor und lässt die Protagonisten, Riad und dessen Familie, lebendig werden. Blau steht dabei für das Leben in Frankreich, helles Rosa und kontrastreiches Grün für Syrien, Rot für den eskalierenden Konflikt.

Von letzterem gibt es viele in diesem Band, in kürzeren Abständen als in den vorherigen. Harmonie, auch Melancholie, fast nur in den Szenen, in denen sich der Vater abwesend zeigt. Riad Sattoufs Erinnerungen führen den Leser derweil durch den Ersten Golfkrieg und der Ausweglosigkeit des Teenagers, der erkennen muss, dass die Beziehung seiner Eltern auf verlorenen Posten steht, ophne selbst sich in den Gruppen der Jugendlichen einordnen zu können. Egal, welcher Kulturkreis.

Es ist eine besondere Graphic Novel, die hier biografisch erzählerisch wirken kann und auf einen großen Knall am Ende zusteuert, der zudem kein größerer Cliffhanger hätte werden können. Dass funktioniert erstaunlich gut, wobei durch die ausufernde Seitenanzahl hier erstmals auch wirklich störende Längen entstanden sind, von denen man hofft, im nachfolgenden Band bitte verschont zu bleiben.

Wer jedoch die vorangegangenen Schriften und Zeichnungen mochte, wird dies auch mit Band 4 der Reihe tun, die zumindest einen größeren Spannungsbogen aufweisen kann, wie es nur eine Graphioc Novel in diesem Falle vermag, zumal viele Kinder zwischen den Kulturkreisen diese inneren Konflike in ähnlichen Varianten kennen dürften. Riad Sattouf versucht dies in seinen Zeichnungen zu verarbeiten. Mit “Der Araber von morgen – 4” ist es ihm ein weiteres Mal gelungen.

Autor:

Riad Sattouf wurde 1978 in Paris geboren und ist ein französischer Comicautor, Zeichner und Filmregisseur. Bekannt wurde er durch seine Reihe “Der Araber von morgen”, in der über seine Kindheit in Libyen und Syrien berichtet, sowie durch mehrere Filme. Seine Kindheit verbrachte er zwischen den Ländern des Nahen Ostens, bevor er als Jugendlicher nach Frankreich zurückkehrte.

Nach seinem Abitur besuchte er die Schule für angewandte Künste in Nantes, studierte später Animation an der Ecole des Gobelins in Paris. Von 2004-2014 zeichnete er für das Satiremagazin Charlie Hebdo, von 2014 an arbeitete er an eine Comicserie, die als Fortsetzungsgeschichte in einer französischen Zeitschrift, später als Buch erschien. Er erhielt den Rudolph-Dirks-Award 2017 und den Max-und-Moritz-Preis, ein Jahr darauf. Sattouf lebt und arbeitet in Paris.

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Reinhard Kuhnert: In fremder Nähe

In fremder Nähe Book Cover
In fremder Nähe Reinhard Kuhnert Mirabilis Verlag Erschienen am: 22.02.2019 Seiten: 272 ISBN: 978-3-9818484-9-6

Inhalt:

Elias Effert ist Theatermann. Stückeschreiber, Regisseur und Liedermacher und feiert in der DDR große Erfolge, bis er zu sehr mit seinen Texten aneckt. Der Geschasste verlässt die DDR, nur einer holt ihn in Westberlin ab. Joachim, Chef eines Westberliner Theaters, will helfen.

Doch, Elias ist skeptisch, nach und nach stellen sich jedoch erste Erfolge ein. Effert erlebt aber auch die Zweifel und Schwierigkeiten, ein Westler zu werden. Eine Welt wurde ihm fremd, die andere wird nie ganz nah. Nach Jahren öffnet sich für Elias ein völlig unerwarteter Weg. (eigene Inhaltsangabe).

Rezension:

Wenn man den Umschlagstext und die Inhaltsangabe eines großen Verkaufsportals auf diese art und Weise zusammenfasst, könnte man fast den Eindruck bekommen, man hätte es hier mit einer spannenden und wendungsreichen Thematik zu tun, wird aber gleichsam auf den ersten Seiten enttäuscht werden. Und die gehören schon zu den spannendsten, welche der Künstlerroman zu bieten hat.

Geschrieben hat ihn Reinhart Kuhnert, der hier als Theatermensch seine eigene Biografie verarbeitet hat und von den Schwierigkeiten erzählt, zwischen Tür und Angel, in diesem Fall zwischen Ost und West zu leben und nirgendwo so richtig anzukommen.

Und genau das passiert zunächst auch mit den Leser. Vielleicht liegt es daran, dass mir das bewusste Erleben der DDR- und Wendezeit fehlt, jedenfalls ist das anfangs noch verständliche Verhalten und Denken des Hauptprotagonisten, welches ihn zu einer durchaus wandelbaren und interessanten Figur hätte machen können, mir sehr schnell gehörig auf die Nerven gegangen. Diese ständigen Selbstzweifel, das Jammern wird mit der Zeit so unerträglich, dass es auch nicht hilft, dass man aufgrund des Erzählstils geradezu durch die Seiten fliegt.

Zu nennen sind die beiden Hauptfiguren, Effert zum einen und zum anderen Kramert, die gleichsam gegensätzliche Pole ihrer Orientierung bilden, denen man jedoch beide gegen eine Ziegelmauer stoßen möchte. Fast möchte man beiden Protagonisten zu schreien, man kann sich aber auch anstellen.

Ansonsten bewegt sich außer der dahinplätschernden Handlung nicht viel. Sinnsuche, vielleicht nicht ohne Sinn aber ohne Ergebnis und irgendwie habe ich das von diesen Roman erwartet. War dann vielleicht auch ein Fehler von mir.

Interessant ist die Verschmelzung der Geschichte des Autors mit der seines Protagonisten. Hier erweißt sich das Reale wieder einmal spannender als die gesponnene Geschichte. Kuhnert hat selbst eine Dissidentenbiografie vorzuweisen und ging in den 1980er jahren in den Westen, musste als Künstler praktisch von Null auf starten, verarbeitete mit diesem Roman wahrscheinlich all die Gedanken, die ihn seither begleiteten.

Er verwendete dafür reale Texte, die er selbst für verschiedene Theaterbühnen schrieb und legte sie seinen Protagonisten in den Mund oder in der Füllertinte. Solch einen Kniff zu verwenden ist stark. Um so bedauerlicher, dass Kuhnert nicht mehr daraus gemacht hat als diesen Roman, der mich fragend zurücklässt und farblos erscheint.

Vielleicht wirkt die Geschichte anders, wenn man selbst eine ähnliche Biografie aufweisen kann oder zumindest der Generation des Autoren angehört oder dessen Berufsgruppe? Mir fehlte leider der Zugang.

Autor:

Reinhard Kuhnert ist Schauspieler, Regieassistent und Regisseur und arbeitete an verschiedenen Theatern in der DDR, später in Westberlin und im Ausland.. Bis 1983 wirkte er als erfolgreicher Dramatiker in Ostberlin, bevor er nach zunehmenden Konflikten mit der Zensur und den folgenden Rauswurf aus den Schriftstellerverband der DDR nach Westberlin übersieltelte.

Er schreibt Stücke für Theater, Funk und Fernsehen aber auch Romane und Gedichte.Von 1994 bis 2007 lebte er in Galway/Irland und war dort Gastdozent der dortigen Universität, sowie 2006 an der Universität und dem Victorian College of Arts Melbourne. Er erhielt 1999 den Brüder-Grimm-Preis des Landes Berlins und 2017 die Goldene Schallplatte.

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Maxim Leo: Wo wir zu Hause sind

Wo wir zu Hause sind Book Cover
Wo wir zu Hause sind Maxim Leo Kiepenheuer & Witsch Erschienen am: 14.02.2019 Seiten: 368 ISBN: 978-3-462-05081-3

Inhalt:

Wenn vier Menschen um einen Tisch sitzen, dann ist Maxim leos Berliner Familie schon fast vollständig versammelt. Die vielen anderen Leos, die in den 30er-Jahren vor den Nazis flohen, waren immer fern, über den ganzen Erdball verstreut. Zu ihnen macht er sich auf, nach England, Israel und Frnkreich, und erzählt ihre unglaublichen Geschichten.

Die von Hilde, der Schauspielerin, die in London zur Millionärin wurde. Die von Irmgard, der Jura-Studentin, die einen Kibbuz in den Golanhöhen gründete. Die von Ilse, der Gymnasiastin, die im französischen Untergrund überlebte. Und die ihrer Kinder und Enkelkinder, die jetzt nach Berlin zurückkehren, in die verlorene Heimat ihrer Vorfahren. (Klappentext)

Rezension:

In Interviews mit Schriftstellern fällt öfter der satz, am besten schreibe man über das, was man kennt. Doch, schon bei der eigenen Familiengeschichte wird es schwierig, ist sie doch etwas, was meist episodenhaft in den Köpfen einzelner Familienmitgleider herumgeistert und zumeist nicht tiefgehender erläutert wird. Wer wagt es schon, alte Wunden aufzureißen, genauer nachzufragen?

Wie wirken sich Entscheidungen, die einzelne Familienmitglieder Generationen zuvor getroffen haben, auf ihre Nachfahren aus und gibt es so etwas, wie ein kollektives Familiengedächtnis? Maxim Leo meint ja, und begibt sich auf Spurensuche quer über den Erdball zu den Wurzeln seiner Familie.

Die Geschichte seiner Familie ist vor allem in der beginnenden Verzweigung der 30er-Jahre die Geschichte von Frauen, denen besonderes abverlangt wurde in besonderen Zeiten. Der Autor führte Interviews mit den Nachfahren, Kindern und Enkeln und findet sich plötzlich wieder im Strudel der Geschehnisse, die die Familie quer über den Erdball verteilten und nur ein paar Leos in Berlin zurückließen. Die Stadt, in der alles ihren Anfang nahm.

Einfühlsam und emotional müssen die langen Gespräche gewesen sein, die Maxim Leo mit unzähligen Mitgliedern geführt haben muss und so spürt er minutiös seiner eigenen Vergangenheit nach oder dem, was heute noch nachwirkt. Das ist beeindruckend und macht nachdenklich, aber auch Lust, die eigene Familiengeschichte mal etwas näher zu betrachten, mal etwas tiefgehender zu hinterfragen.

Ungemein spannend beschreibt er die Besonderheit der Zeit, der seine Vorfahren ausgesetzt waren, aber auch, dass die drei Frauen, deren Kinder, Enkel und Urenkel, heute in Wien, Haifa, London und im ländlichen Frankreich zu Hause sind, nicht zum Opfer werden wollten, sondern für sich und ihre Nachkommen ums Überleben gekämpft haben.

Er vollzieht die Geschichte nach und die Erkenntnis, dass wir vielleicht weniger selbst entscheiden als in unserem kollektiven Gedächtnis festgelegt ist, folgt auf den Fuße. Bleibt die Frage, warum man jemand anderes Familiensagen sich zu Gemüte führen sollte? Ganz einfach, weil Familie eben das ist, was man sich nicht aussuchen kann, was bleibt und was wir zu dieser machen. Zudem ist es interessant zu erfahren, wie ähnlich und doch verschieden sich manche Biografien verhalten und dass eben nicht alles so “warm und selbstverständlich” ist, wie es zunächst scheint.

Autor:

Maxim Leo wurde 1970 in Ost-Berlin geboren und ist ein deutscher Journalisst, Drehbuchautor und Schriftsteller. Nach einer Ausbildung zum Chemielaboranten holte er 1990 das Abitur nach und studierte zunächst Politikwissenschaften an der Freien Universität Berlin, sowie in Paris. Er war Nachrichtenredakteur bei RTL und seit 1997 ist er zudem Redakteur bei der Berliner Zeitung.

2002 bekam er für seine Arbeit den Deutsch-Französischen Journalistenpreis, 2006 den Theodor-Wolff-Preis verliehen. Er ist Autor mehrerer Spaß-Bücher, sowie 2011 eines biografischen Werkes, wofür er 2011 den Europäischen Buchpreis erhielt. 2018 erschien mit “Wo wir zu Hause sind” ein weiteres biografisches Buch. Leo schreibt Drehbücher für die Serie “Tatort” und lebt mit seiner Familie in Berlin.

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Christian Hardinghaus: Ferdinand Sauerbruch und die Charite

Ferdinand Sauerbruch und die Charite Book Cover
Ferdinand Sauerbruch und die Charite Christian Hardinghaus Europaverlag Erschienen am: 08.02.2019 Seiten: 234 ISBN: 978-3-95890-236-7

Inhalt:

Ungeachtet seiner medizinischen Verdienste zählt Ferdinand Sauerbruch zu den umstrittensten Ärzten des letzten Jahrhunderts. In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg dominierte ein fast heroisches Bild des Menschen und Mediziners, der ab 1928 als Professor für Chirugie an der Berliner Charite arbeitete. Dafür gesorgt hat er teilwesie selbst, doch seit Beginn unseres Jahrhunderts wird der Blick zunehmend kritischer.

Sympathie, ja sogar Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten, wirft man dem Chirugen vor. Christian Hardinghaus begab sich auf Spurensuche und recherchierte. Herausgekommen dabei ist die erste umfassende Biografie dieses Arztes. Quellen belegen seinen Einsatz für Juden und andere politisch Verfolgte und Sauerbruchs Unterstützung des Widerstands gegen Hitler. Der Mediziner Ferdinand Sauerbruch muss neu bewertet werden. (eigene Inhaltsangabe)

Rezension:

Das berühmteste und bekannteste Krankenhaus Deutschlands, die Charite, hat eine lange und wechselhafte Geschichte vorzuweisen, die immer wieder auch medizinische Standards setzte und bedeutende Ärzte und Forscher hervorbrachte. Zu den Bekannteren unter ihnen gehört nicht zuletzt Ferdinand Sauerbruch, der in den 1930er Jahren dort als Chirug arbeitete und dessen Ruf ihn vorauseilte.

Doch, war er wirklich der “Halbgott in Weiß”, als der er in einer mit Hilfe eines Ghostwriters geschriebenen Biografie dargestellt wurde oder eher ein Kollaborateur der Nazis, wie ihn spätere Berichte nannten? Der Journalist und Autor Christian Sauerbruch begab sich auf Spurensuche. Herausgekommen dabei ist eine umfassende, alle Aspekte beleuchtende, Biografie.

Der Autor beginnt bewusst nicht mit der Geschichte Sauerbruchs selbst, sondern stellt zunächst in Kurzform die des Krankenhauses vor, was erklärt, warum die Charite später die Bedeutung erlangen konnte, die sie noch heute inne hat. Erst dann widmet sich Hardinghaus den Privat- und Berufsmenschen Sauerbruch und beschreibt, gestützt auf Tagebücher, niedergeschriebene Augenzeugenberichte und Archivmaterial, minutiös den Aufstieg und Werdegang eines Schülers zum Studenten, bis hin zum später bedeutenden Arzt.

Seine Genialität, die ihm half, medizinische Unterdruckkammern zu entwickeln, mit denen erstmals Operationen am offenen Brustkorb möglich wurden, wird ebenso beleuchtet, wie die eigene Entwicklung von protesen für Geschädigte des Ersten Weltkrieges, aber auch außergewöhnliche medizinische maßnahmen, die landesweit Aufsehen erregten.

Der Autor geht dabei sehr tief ins Detail und beleuchtet diese, wie auch die persönliche, etwas schwierigere Seite eines Mannes, den später vor allem in drei Punkten seines Lebens Anschuldigungen treffen sollten, die den Ruf des Mediziners auseinander nahmen.

Doch, was ist an den Kritikpunkten dran, auch dies verliert der Autor nicht aus den Blick. Jeder einzelne wird beleuchtet, Hintergründe erklärt und im Spiegel des Zeitgeschehens und dem, was wir heute wissen, beleuchtet.

Herausgekommen ist eine lesenswerte und vor allem kurzweilige Biografie, die ein differenziertes Bild auf einen Mediziner ermöglicht, dessen Wirken auch in Kriegszeiten weit über die Grenzen Deutschlands Beachtung fand, ihn und die direkt mit ihn in Kontakt Gestandenen schützten und vor allem ein Stück Berliner Personengeschichte, die nicht vergessen werden sollte.

Anhand von Augenzeugenberichten, Tagebucheinträgen und Archivmaterial, aufgelockert durch Fotografien und Skizzen, etwa medizinischer Apparaturen, ist ein bedeutendes Stück Medizingeschichte zu lesen. Selbst für medizinische Laien.

Der Schreibstil von Hardinghaus packt wie in einem Roman, nur dass mit “Ferdinand Sauerbruch und die Charite” fast ein literarisches Sachbuch vorliegt. Wobei das Sachbuch eindeutig überwiegt. Die Recherchearbeit merkt man dabei auf jeder einzelnen Seite, das wirkliche Interesse, die Person zu ergründen, ebenso.

Der Autor zeigt einen Mann zwischen Berufsethos, Anpassung und Widerstandsgeist, Genie und Wahnsinn und einen besonderen Menschen in besonderer Zeit, der sich für nicht besonders hielt, seiner Wirkung aber bewusst war. Skalpell bitte.

Autor:

Christian Hardinghaus wurde 1978 in Osnabrück geboren und ist ein deutscher Historiker, Schriftsteller und Fachjournalist. Nach seinem Studium der Geschichte, Literatur- und Medienwissenschaft (Film und TV) promovierte er an der Universität Osnabrück im Bereich Propaganda- und Antisemitismusforschung.

Im gleichen Jahr absolvierte er den Lehrgang Fachjournalismus an der Freien Journalismusschule. 2016 erwarb er zudem den Abschluss für das gymnasiale Lehramt in den Fächern Deutsch und Geschichte. Er ist Autor zahlreicher Sachbücher und Romane. Hardinghaus lebt in Osnabrück.

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