biografie

Kris/Vincent Bailly: Ein Sack voll Murmeln – Graphic Novel

Inhalt:

Die Memoiren „Ein Sack voll Murmeln“ erschienen 1973, wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt, zweimal verfilmt und sind längst zum literarischen Klassiker geworden. Darin erzählt Josef Joffo (1931-2018) über seine Kindheit in Paris während der deutschen Besatzung, der Flucht seiner jüdischen Familie und seinen unbändigen Willen im Untergrund zu überleben.

Ein Klassiker, adaptiert als packendes und einfühlsames Comic von Kris und Vincent Bailly.

(Klappentext)

Rezension:

Erinnerungen auf eine komplett andere Form zu übertragen, weit weg vom Ursprungsmedium, ist wagemutig. Dennoch gibt es einige positive Beispiele, neben ganz vielen, die unter die Tische fallen dürfen, wo dies gelungen ist. Bei den Kindheitsmemoiren von Josef Joffo ist dies in beiden Richtungen der Fall.

Ist die erste Verfilmung noch beim Autoren durchgefallen, gilt die zweite als gelungen, was nicht zuletzt großartigen Kinder- und Erwachsenendarstellern, einem klugen Drehbuch und einer nicht minder begabten Regie zu verdanken ist. Auch die hier vorliegende, auf die Biografie fußende Graphic Novel darf als positives Beispiel gelten.

Dabei ist es gar nicht so einfach, eine Geschichte in ein anderes Medium zu übersetzen. Was nimmt man auf, verdichtet man, welche Szenen und Dialoge bleiben? Was lässt man, zwangsweise, außer Acht. Platz ist begrenzt, wird in dieser Erzählform durch die Größe der Panels vorbestimmt.

Auch die Wahl der Farbpalette und des Zeichenstils spielen für die Wirkung eine maßgebliche Rolle. Daraus folgt die Frage, ob die Adaption des Erzählstoffes am Ende als gelungen gelten darf. So möchte ich nicht weiter auf die Geschichte selbst eingehen, die bereits rezensiert wurde, sondern auf die Besonderheiten des vorliegenden Werkes.

Paris ist bunt gehalten, wie alle Szenen, die Hoffnung verkörpern. Ein schneller Strich ins Urban Sketching hinein, manches Panel wirkt beinahe wimmelbildhaft. Temporeich gebietet sich die Graphic Novel, die mit hohem Erzähltempo schnell ins Düstere kommt. Erdtöne dominieren da plötzlich. Einige Panels wirken gedrungen, der Hintergund verschwimmt des Öfteren. Das Auge ruht auf den Vordergrund.

Den Betrachtenden stockt der Atem. Gerade zur rechten Zeit kommen die Momente, die einem durchatmen lassen, nur um im nächsten Moment wieder über den Haufen geworfen zu werden.

Dies gelingt in dieser Adaption, die ein Stück Lebensgeschichte einer neuen Zielgruppe zugänglich und begreiflich machen kann, ohne das Original zu verraten. Tatsächlich hat man nicht das Gefühl, dass wichtige Szenen vergessen wurden, gerade wenn man den Ausgangstext kennt. Der Geist des Originals bleibt erhalten und so kann diese Graphic Novel neben Buch und der zweiten Verfilmung bestehen.

Autor/Illustrationen:

Vincent Bailly wurde 1967 in Nancy geboren und ist ein französischer Comic-Zeichner. Er studierte 1986 an der Kunsthochschule Straßburg und arbeitet seit 1991 für verschiedene Verlage als Illustrator und veröffentlicht seine Zeichnung in Zeitungen und Kinderbüchern. Sein Zeichenstil gilt als düster, so dass ihn der Durchbruch erst spät gelang. Er veröffentlichte in Zusammenarbeit mit anderen Autor/innen mehrere Graphic Novels und unterrichtete von 2000 bis 2009 an der Kunsthochschule ENAAI in Bourget-du-Lac.

Kris ist das Pseudonym des französischen Comic-Autoren Christophe Goret, welcher 1972 in Brest geboren wurde. Zunächst studierte er Geschichte und arbeitete als Buchhändler, bevor er ein Atelier gründete. Im Anschluss schrieb er Drehbücher und arbeitete für die Zeitschrift Spirou. Seine Arbeit, die mehrere Alben und Drehbücher umfasst, wurde mehrfach ausgezeichnet.

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Mariam Kühsel-Hussaini: Tucholsky

Inhalt:

Als Rathenau von Attentätern erschossen wird, verliert die Weimarer Republik einen seiner Feinsten. Kurt Tucholsky, die schwungvollste Stimme der Wochenzeitung Weltbühne, will ergründen, wie es jetzt mit Deutschland weitergehen wird. Ein wenig später befindet sich das Land im Ausnahmezustand.

Bis zuletzt kollidiert man mit dem ganzen Sturm der Zeit. Die Presse der NSDAP liefert sich mit der Weltbühne publizistisch eskalierende Mensuren, welche die Menschen im ganzen Land unaufhaltbar aufladen, bis am Ende dieses seine Krisen und seine Menschen mit Notverordnungen regiert. Tucholsky geht. Er geht für immer … (eigene Inhaltsangabe)

Rezension:

Fünf Schuss sind es, die den Wendepunkt bedeuten und die Geschwindigkeit eines nicht mehr aufzuhaltenden Falls noch erhöhen. Die Abwärtsspirale, sie dreht sich immer schneller. Nur wenige Politiker hätten sie vielleicht aufzuhalten vermocht. Rathenau, einer von ihnen? Der Journalist Kurt Tucholsky schreibt mit spitzer Feder und treffenden Worten gegen die Zustände im Land, die alles mit sich reißen werden. Und auch ein ehemaliger Kaiser in seinem Exil denkt nach über eine Zeit, aus der er herausgefallen scheint. Die Schriftstellerin Mariam Kühsel-Hussaini hat drei Biografien und Momente zu dem Portrait einer stürzenden Republik verwoben.

In einer Mischung aus historischen und gesellschaftskritischen Roman, der ins Heute hineingreift, führen uns wirkmächtige Figuren durch die Weimarer Jahre. Die Unsicherheiten, direkt nach dem verlorenen Krieg wechseln einer nervösen Stabilität ohne Selbstbewusstsein, hinein in die Zwanziger, die später einmal als die Goldenen bezeichnet werden.

Tucholsky, hier Hauptfigur beobachtet und ist Teil dieser Welt, zugleich ihr größter Kritiker. So treffsicher seine Worte, so groß die Differenz zu seinem eigenen Leben. Ein Kontrast, den die Autorin ebenso zielgerichtet auszuarbeiten verstand. Der Blick dieses Protagonisten ist es, der hier die Gegensätze aufzeigt. Nahtlos die Übergänge zu anderen Sichtweisen. Da ist der ehemalige Kaiser, im niederländischen Exil, von Reportern belagernd. Hier ist Rathenau, der die neue Zeit verkörpert, aber ihre Menschen nicht erreichen tut.

Ein Roman ist das, der von einer flirrenden Zeit erzählt, dies mit wenigen Worten vermag, denen man sich nicht recht entziehen kann. Schnell ist man inmitten der Handlung, die die Figuren vor sich hertreibt, die pointiert mit Ecken und Kanten ausgearbeitet sind. Das liegt da auch am Text, der sich zuweilen wie ein Strudel anfühlt, den man nicht entkommen kann. Damit ist aber auch die Schwäche der Erzählung gefunden. Klare Übergänge oder Bruchlinien fehlen oft genug.

Ohne Abgrenzung ist man da mitunter zuerst in der Erzählperspektive Tucholskys gefangen, um im nächsten Satz einen aus der Sicht Rathenaus zu lesen. Manchmal hätte ein Absatz mehr oder eine andere Kapitelunterteilung Not getan, um gewisse Verwirrstellen zu vermeiden.

Der erzählende Zeitraum umfasst die Jahre der Weimarer Republik, in der die Gegensätze mit zunehmender Geschwindigkeit aufeinanderprallen. Gegensätze hat die Autorin sowohl mit den Handlungsorten, die man sich gut vor Augen führen kann, geschaffen, ebenso mit den Figuren, die wie ihre realen Vorbilder, Spiegelbilder ihrer Zeit sind. Getriebene und Treibende. Mit dem Wissen von heute, können wir die Seiten klar zuordnen. Die Figuren jedoch staunen, versuchen sich einzuordnen, versuchen zu verstehen. Dem Hauptprotagonisten gelingt das über lange Strecke, bis schließlich alles aus den Fugen geraten ist.

Das macht nahbar und kann zugleich als Warnung auf unsere Gegenwart verstanden werden, so plastisch vor Augen geführt. Kräfte, die in einer sich immer mehr polarisierenden Welt, sich zunächst misstrauisch, dann feindlich gegenüberstehen. Hier konzentriert auf politische Ansichten und konfrontativen Journalismus, was es sehr greifbar werden lässt.

„Die Menschen nehmen alles hin“, strich es Tucholsky über die Brust, „sie nehmen alles hin.“

Mariam Kühsel-Hussaini: Tucholsky

Allwissend sind hier nur die Lesenden. Dem Hauptprotagonisten beschleicht zumindest eine Ahnung, die er gen Ende umzusetzen weiß. Überraschende Wendungen gibt es solche nicht. Das dargestellte Zeitkolorit, welches ein gewisses Gefühl für die Menschen damals heraufbeschwört, ist es, was diesen Roman lesenswert macht. Figuren, Orte, man kann sich das alles gut vorstellen. Wer Miniserien, wie Babylon Berlin mag, ohne die Krimikomponente, die gesellschaftliche Zustandsbeschreibung ist hier Krimi genug, wird mit der Lektüre gut bedient sein, ebenso, wer jetzt keine klischeehafte Historienschmonzette zur Hand nehmen möchte.

Die Erzählung lädt zudem dazu ein, sich mit den Biografien der wirklichen Figuren zu beschäftigen, ohne den Text danach in die hintersten Winkel des Bücherreagals verbannen zu müssen. Der Gutteil passt. Am Ende fehlen ein paar Absätze und klare Konturen für die B-Note. Ob die zu vernachlässigen sind, muss ein jeder für sich entscheiden.

Autorin:

Mariam Kühsel-Hussaini wurde 1987 in Kabul geboren und ist eine deutsch-afghanische Schriftstellerin. Seit 1990 lebt sie in Deutschland und veröffentlichte 2010 ihren ersten Roman, dem weitere folgten. 2013 bekam sie ein Stipendium aus dem Else-Heiliger-Fonds der Konrad Adenauer Stiftung. Sie lebt in Berlin.

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Matz: Das Verschwinden des Josef Mengele

Inhalt:

1949: Josef Mengele landet in Buenos Aires. Hinter verschiedenen Pseudonymen versteckt, glaubt der ehemalige Folterarzt von Auschwitz, er könne sich ein neues Leben erfinden. Perons Argentinien ist wohlwollend, die ganze Welt will die Nazi-Verbrechen vergessen. Doch die Verfolgung wird wieder aufgenommen und er flieht über Paraquay nach Brasilien. Seine Pdyssee wird nicht mehr unterbrochen … bis zu seinem mysteriösen Tod 1979. Eine herausragende Adaption des Romans von Olivier Guez über die Flucht und die Jagd nach Mengele, dem „Todesengel“ ohne Reue. (Klappentext)

Rezension:

Als 1945 das Deutsche Reich am Boden lag, versuchten viele ihrer Repräsentaten, ehemals hohe Würdenträger, Politiker an den Schalthebeln der Macht und ausführende Beamte ihr Heil in der Flucht. Für nicht wenige führte dieser Weg über die sogenannte „Rattenlinie“ nach Südamerika, Eichmann etwa, der Organisator der Todeslager oder Eduard Roschmann, der „Schlächter von Riga“.

Auch Josef Mengele, der an der Rampe von Auschwitz über Leben und Tod entschied, bestialische Experimente an Zwillingen, unter den Deckmantel der Medizin, durchführte, gelang es so, nicht zuletzt durch die Hilfe einflussreicher Freunde, beinahe spurlos zu verschwinden. Die Geschichte seiner Flucht und des Versteckens hat Olivier Guez zu einem packenden Roman verarbeitet. Fünf Jahre später wurde die Erzählung für die hier nun vorliegende Graphic Novel durch Alexis Nolent (Matz) und Jörg Mailliert adaptiert.

Erdfarben und klare Linien dominieren die einzelnen Panels, die die Geschichte eines Phantoms erzählen, deren unmenschliche Grausamkeiten kaum in Worte zu fassen sind. Das versuchen weder der Autor des Skripts, noch der Illustrator. Die Geschichte setzt nach dem Unfassbaren an, welches in Rückblenden nur gestreift wird. Konzentriert wird sich hier auf die Zeit nach 1945, die sich anhand weniger Puzzlestücke rekonstruieren lässt. Dabei tauchen wir ein in die wirre Gedankenwelt eines Mannes, dessen Handeln nicht mehr nachzuvollziehen ist.

Einige Dokumente und Geld im Gepäck, die Unterstützung von Freunden, nicht zuletzt der Familie, die mit einem gut situierten Betrieb fest im wirtschaftlichen Gefüge des bayerischen Heimatortes der Mengeles, gelingt es dem „Todesengel“ von Auschwitz zu fliehen, wo er sich auf ein funktionierendes Netzwerk verlassen kann. Das Untertauchen gelingt. Man trifft sich untereinander, phantasiert von Rückkehr und „Viertem Reich“, wenn sich die Lage in Europa wieder beruhigt haben sollte. Das tut sie nicht. Mit den Jahren gelingt es Verfolgern in Israel und Deutschland, Spuren aufzunehmen. Die Schlinge zieht sich immer enger zu. Auch in Südamerika selbst wird es einsam um Mengele, der immer mehr seiner Unterstützer verprellt.

Dies die Handlung der verdichteten Graphic Novel, in denen sich großformatige Panels abwechseln, die reine Unbeschwertheit zeigen, abewechselnd mit Details des tiefen Falls einer Figur, die am Ende nur noch der Schatten ihrer Selbst sein wird. Zwei Stränge stehen hier im Fokus, natürlich der Weg Mengeles selbst, zunächst im Versuch sich mit Hilfe alter Seilschaften ein neues Leben aufzubauen, dann zunehmend in Wahn und Verzweiflung verfallend, als alle Unterstützung nach und nach wegbricht.

Zum anderen können wir die Situation in Deutschland verfolgen, der Umgang der Familie, die einerseits ihren wirtschaftlichen Erfolg nutzt, um Mengele in Südamerika zu unterstützen, andererseits aber auch ihren Betrieb aus dem Blickfeld heraushalten möchte, als nach den Anfängen der Bundesrepublik doch noch die Nazi-Gräuel des Familienmitglieds Thema werden, nicht zuletzt auch durch innere Auseinandersetzungen. Auch die Verfolgung der Repräsentanten des NS-Regimes durch Menschen wie Fritz Bauer oder des israelischen Geheimdiensts Mossad schaffen Zeichner und Texter mit einzubringen. So werden die wichtigsten Handlungsstränge und Aspekte des Romans, der als Vorlage diente, eingebunden und auf sehr anschauliche Weise übermittelt.

Der nervöse Strich des Zeichners korrespondiert sich im irren Blick der unmenschlichen Bestie, die sich jämmerlich verkriecht und doch immer wieder Morgenluft wittert, zudem gerade der deutsche Staat in seiner Anfangszeit wenig Interesse verspürt, den Opfern des NS-Regimes Gerechtigkeit zukommen zu lassen. Diese Hoffnungsschimmer zerrinnen der kümmerlichen Figur, zu der Mengele mit den Jahren wird, immer schneller durch die Finger. Am Ende bleibt vom Skorpion, der sich mehrfach gehäutet hat, nichts mehr übrig und verkommt zu einem Phantom.

Eine sehr eindrückliche Graphic Novel, die weder mit visuellen Eindrücken spart, zudem durchaus textlastig daherkommt, jedoch keineswegs überfrachtet wirkt. „Das Verschwinden des Josef Mengele“, kann man als durchaus gelungene Adaption betrachten, deren Bilder nicht so schnell loslassen werden.

Autoren und Illustrationen:

Alexis Nolent ist ein französischer Schriftsteller, vor allem für Drehbücher von Videospielen, zudem veröffentlichte er auch einen Roman und unter dem Pseudonym Matz eine Reihe von Comics. Er wurde in Rouen, Frankreich geboren, wuchs in der Karibik auf, bevor er nach Paris zog. Vor dem Schreiben von Comics studierte er Jura. Für seine Arbeit bekam er u. a. den Priix Saint-Michel, 2004 und 2006.

Jörg Mailliet wurde 1970 im Toulon geboren und ist ein französischer Comic-Zeichner. Er studierte Grafikdesign in Lyon und arbeitet seitdem als freier Grafiker. Er illustriert Kinderbücher und ist Mitgründer eines Kinderbuchverlages. Für die Illustration des Comic Tagebuchs 14/18 wurde er 2015 für den deutschen Jugendliteraturpreis nominiert.

Olivier Guez wurde 1974 in Straßburg geboren und ist ein französischer Journalist und Schriftsteller. Er studierte von 1992 bis 1996 in Straßburg Internationale Beziehungen. Weitere Stationen führten ihn nach London. In einem Fernstudium studierte er Jura, bevor er 1998 eine Masterprüfung in Europäische Politik und Verwaltung abglegete. 1998 war er als Beobachter der Wahlen von der OSZE und dem französischen Außenministerium nach Bosnien-Herzegowina entsandt, danach berichtete er für verschiedene Tageszeitungen aus Lateinamerika, Europa und dem Nahen Osten. Nach verschiedenen Stationen u. a. 2009 einer Beobachtermission in Pakistan und Afghanistan lebt Guez in Paris und ist u. a. Kulturberichterstatter für die FAZ und FASZ.

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Limor Regev: Der Junge von Block 66

Inhalt:

1944 wird der 13-jährige Moshe Kessler mit seiner Familie nach Auschwitz deportiert. An der Rampe in Birkenau von seiner Familie getrennt, ist er von nun an auf sich allein gestellt. Er entgeht den Tod in den Gaskammern, überlebt monatelange Zwangsarbeit und die Todesmärsche im eisigen Winter, bevor er im Konzentrationslager Buchenwald ankommt. Doch auch dort kann er nur dank der Kühnheit und Entschlossenheit der Untergrundorganisation, der es es gelang, vor Eintreffen der US-Truppen mit gestohlenen Waffen die Wachmannschaft des Lagers zu überwältigen und gefangenzunehmen, im Kinderblock 66 den sicheren Tod zu entkommen.

Dr. Limor Regev hat den anschaulichen Bericht Moshe Kesslers festgehalten und so der Nachwelt ein Zeugnis über den Triumph eines ungebrochenen Lebenswillens vermittelt. (Klappentext)

Rezension:

Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt. Fast 14 Jahre alt ist Moshe Kessler als er in Zeiten der Unmenschlichkeit und des Terrors zusammen mit anderen unter Aufsicht von Antonin Kalina kommt, der zusammen mit anderen KZ-Häftlingen mit den Mut zur Verzweiflung unzähligen Kindern und Jugendlichen das Leben rettete, ausgerechnet im Konzentrationslager Buchenwald, einer der letzten Stationen des Leidenwegs. Zuvor hatte der Junge bereits Todesmarsch und Auschwitz überlebt.

Dies ist die Geschichte eines ungarischen Jungen, dessen Erinnerungen im hohen Alter aufflackern, bei der Bar Mizwa seines jüngsten Enkels, der umgeben ist von seiner ihn lebenden Familie. Moshe Kesslers Bar Mizwa fand dagegen zu einem Zeitpunkt statt, als das Donnergrollen kaum noch zu überhören war und längst einige Familienleben gefordert hatte. Nach Jahrzehnten erinnert und beschreibt Kessler die Geschichte seiner Kindheit und Jugend, die man ihn und unzähligen anderen raubte. Dieses Stück biografischer Erinnerung liegt hier mit „Der Junge von Block 66“ übersetzt vor.

Solche Stücke Erinnerung bilden einen wichtigen Zweig innerhalb der Bücher gegen das Vergessen, als Mahnmal vor allem, wenn sie ohne erhobenen Zeigefinger, sondern nur durch ihre Schilderungen wirken. Diese sind eindrücklich. In klarer, eindeutigiger Sprache schildert die Autorin die Erlebnisse des Kindes, welcher ihr diese Geschichte sehr viel später anvertrauen wird. Dabei wird deutlich, wie sehr Sekunden der Entscheidung über Leben und Tod bestimmen konnten und dass es selbst in unmenschlichen Orten gerade so viel Menschlichkeit gegeben hat, die einigen wenigen geholfen hat, Schreckliches zu überstehen.

In kompakten Kapiteln fügen sich die einzelnen Stationen des Leidensweges zu einem Band zusammen, welches bis ins Mark erschüttert, ergänzt durch ein anschauliches Personenregister, ein Begriffsglossar, welches vor allem dann hilfreich ist, wenn man lesend nicht mit Begrifflich- und Gegebenheiten des jüdischen Glaubens im Einzelnen vertraut ist, sowie einen Fototeil. So eignet sich die Lektüre für Geschichtsinteressierte, aber auch für Jugendliche, zumindest wenn man einige Fußnoten überliest.

Diese wurden zum besseren Verständnis durch die Herausgeberin angefügt, wirken an manchen Stellen wertend und relativierend. Hannah Arendt wird da z. B. als „allgemein etwas überschätzt“ bezeichnet. Solche und andere Meinungen kann man ja durchaus haben, doch gehören sie nicht in den biografischen Bericht eines anderen hinein. Ob der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung über 90-jährige Moshe Kessler um diese Kommentare weiß, sie teilt, die von der Herausgeberin und Übersetzerin stammen, bleibt zwangsweise offen.

Wenn gleich andere Informationen, die in den Fußnoten erscheinen, akribisch recherchiert und behutsam ergänzt worden sind, und es erst einmal überhaupt bemerkenswert ist, einen solchen Bericht für die Nachwelt erhalten zu dürfen, können einen solche Schnitzer eines eigentlich lesenswerten Berichts verhageln. Es bleibt hier also die Empfehlung, den Bericht zu lesen und die Fußnoten einer Überprüfung zu unterziehen. Alles was Augenzeuge und Autorin jedoch zusammengetragen haben, ist es aber wert, gesehen zu werden.

Autorin:

Limor Regev wirkt an der Hebrew University of Jerusalem im Institut für Internationale Beziehungen und hat zuvor über die Auswirkungen des territorialen Rückzugs in Israel geforscht. Ihre weiteren Forschungsarbeiten befassen sich mit territorialen Austritten, Konfliktlösung, internationaler Mediation und israelischer Bedrohungswahrnehmung.

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Peter Arndt: Die Wetterseite der Bäume

Inhalt:

Kolja ist elf Jahre alt und wächst in der Vielvölkerwelt eines abgelegenen Landstrichs in der Ukraine auf. Als der Krieg ausbricht, geht es für ihn und seine Familie in einen überfüllten Umsiedler-Waggon in ein neues Leben, im Reichsgau Wartheland/Polen, was die Versprechungen der NS-Propaganda einzulösen scheint.

Wie ein Schlafwandler taumelt Kolja durch Jugendorganisation des NS-Regimes bis er sich als Kindersoldat in Berlin wiederfindet, währenddessen seine Familie im eisigen Winter 1945 versucht, vor der anrückenden Sowjetarmee zu fliehen. Gewissheiten brechen. Für alle zählt nur: am Leben bleiben. (gekürzter Klappentext)

Rezension:

Nicht zuletzt aufgrund der derzeitigen Geschehnisse in Europa erfährt der biografische Roman „Die Wetterseite der Bäume“ von Peter Arndt eine besondere Brisanz. Der Autor, der seiner Familiengeschichte, vor allem die seines Vaters, gekonnt erzählerisch nachspürt, hat damit ein eindrückliches Stück Erinnerungsliteratur innerhalb der Bücher gegen das Vergessen geschaffen, welche heute wichtiger denn je ist, zudem in einer sich immer mehr polarisierenden Welt.

Worum geht es? Wir folgen den Spuren Koljas und seiner Familie, die in einem kleinen Ort Wolhyniens zu Hause ist und dort innerhalb einer Vielvölker- und Sprachgemeinschaft eine kleine Mühle betreibt. Man hat nicht viel, aber mehr als man zum Leben braucht, kommt mit den Nachbarn gut aus, auch wenn sich im Miteinander die Zeichen des Krieges 1940 mehr und mehr bemerkbar machen. Da kommen die Umsiedlungspläne der Nationalsozialisten, die Polen zusammen mit der Sowjetunion besetzt und unter sich aufgeteilt haben, gerade recht. Eine Chance, die Koljas Vater nutzt. Nicht ahnend, welche Odyssee ihnen alle noch bevorstehen wird.

Auf Grundlage von Interviews, welches der Autor mit seinem Vater noch bis vor dessem Tod führen konnte, einigen Reisen und Archivmaterial entstand der beeindruckende Roman, der sehr kompakt gehalten mit hohem Erzähltempo die Wege verfolgt, die die Familie auf sich nehmen musste, zunächst um ein neues Leben zu beginnen, anschließend selbiges zu retten.

Dabei verfolgen wir zwei perspektivisch unterschiedliche Erzählstränge. Den Weg von Koljas Familie, zuletzt inmitten der großen Flüchtlingstrecks gen Westen, unter anderen Vorzeichen, denen heutiger Flüchtlinge psychologisch gar nicht mal so unähnlich, zum anderen Kolja, der vom nationalsozialistischen System nach und nach vereinnahmt wird und schließlich als Kindersoldat ums Überleben kämpfen muss.

Einige Jahre, zusammen mit Rückblenden, umfasst die Erzählspanne und wechselt, ohne dass man dabei den Überblick verlieren würde. Dies verleiht der Geschichte eine eindrückliche Dynamik, derer man sich nicht entziehen kann, zudem hilft auch eine stilisierte Landkarte am Anfang des Romans, die Übersicht zu behalten. Kurzweilig ohne Längen und, was noch viel wichtiger ist, ohne Verklärungen, weiß Peter Arndt von Hoffnung und Enttäuschung, Bangen und Grauen, aber auch den Momenten zu erzählen, die vielleicht mehr als einem Schutzengel zuzuschreiben sind.

In klarer Sprache wird eine Zeit wieder lebendig, die in abgewandelter Form auch heute noch für zu viele Menschen bittere Realität ist, zudem wieder Landstriche der Ukraine, zudem auch dieser heute gehört, umkämpft sind.

Hauptfigur dieses biografischen Romans ist Kolja, zu Beginn der Erzählung elf Jahre alt, weshalb „Die Wetterseite der Bäume“ sowohl als Jugendbuch funktionieren kann als auch, mit der Geschichte an sich als biografischer Roman, den man unabhängig davon lesen kann.

Der Protagonist ist dabei nicht unfehlbar, zeigt sich doch an ihm, wie leicht und systemisch die Vereinnahmung Jugendlicher damals vonstatten ging, auch dies hat sich unter umgekehrten Vorzeichen bis heute nicht geändert. Mit ihm und seiner Familie fühlt man jedoch gerne mit, kommt nicht umher die beschriebenen Personen um ihren Mut und Überlebenswillen zu bewundern.

Peter Arndts erzählerische Stärke liegt dabei nicht nur darin, den Figuren ihre Ecken und Kanten anzugedeihen. Auch Orts- und Situationsbeschreibungen verfehlen ihre Wirkung nicht. Fast ist es so, als stünde man neben den Jungen, der bald seinen geliebten Hund zurücklassen muss oder im Flüchtlingstreck mit knurrendem Magen, in klirrender Kälte. Immer wieder werden Atempausen zwischen den Extremen beschrieben, nur um dann im nächsten Moment ad absurdum geführt zu werden. Nichts ist normal in dieser Zeit.

Ohne die Aufnahmen zu kennen, Grundlage der Erzählungen sind Interviews, die der Autor mit seinem Vater geführt hat, könnte der Roman so in dieser Form auch als Hörbuch funktionieren. Die Tonalität ist vorhanden. Auch die Art des Erzählens macht es leicht, sich in die Protagonisten hinein zu versetzen. Auch dies macht „Die Wetterseite der Bäume“ zu einem wichtigen Buch im Rahmen derer gegen das Vergessenn. Was anders in Gefahr laufen würde, nur trocken daher zu kommen, wird hier in Romanform lebendig greifbar.

Von der Ausgestaltung der Protagonisten, sowie dem engen Entlanghangeln anhand der Familienbiografie ohne ins zu Trockene zu geraten, ist dieser biografische Roman sehr empfehlenswert.

Autor:

Peter Arndt wurde 1957 in Wiesentheid geboren und ist ein deutscher Soziologe, Organisationsprogrammierer und IT-Berater. Der Erlebnisfundus seiner väterlichen Vorfahren ist sein Lebensthema. 2024 veröffentlichte er seinen Roman „Die Wetterseite der Bäume“, die fiktionalisiert angelehnt die Geschichte seines Vaters verfolgt.

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Hans-Christian Dany: Schuld war mein Hobby

Inhalt:

Ein Düsseldorfer Galerist macht Hans-Christian Dany das Angebot, gegen einen Pauschalbetrag zwölf Texte zu schreiben, die online veröffentlicht werden sollen. Ohne Vorgabe von Thema oder Umfang. Der Auftrag mutiert zur literarischen Reise in den Zerfall einer Familie, der sich als Symptom für das Leben in einem kranken Land der Nachkriegsgeschichte erweist.

Dany schreibt über sein Erbe im juristischen und im übertragenen Sinne, über buchhalterische wie emotionale Forderungen und Verbindlichkeiten und über den eigenen (fast unglaublichen) Weg vom Künstler und Schriftsteller zum verschuldeten Firmenerben, Arbeitgeber und »Minusmillionär«. Die Reflexionen zwischen Kunst und großem Geld sind nicht nur autobiografische Essays, sondern auch Versuche einer eigenen Standortbestimmung im ausklingenden Neoliberalismus. Doch, was ist, wenn es sich, wie abzeichnet, bewahrheitet, dass der Galerist die versprochenen Honorare nicht zahlt? (Inhalt lt. Verlag)

Rezension:

Am Rande des Abgrundes zwei Schritte voran, sieht sich der Sohn, als er mehr oder wenig gezwungen das beinahe bankrotte Familienunternehmen übernimmt, obwohl er ja eigentlich vom Schreiben leben wollte. Doch nun muss er Schulden jonglieren und Bilanzen lesen, die weit entfernt von rosig sind. Die Glanzzeiten des Aufstiegs sind da schon lange vorbei, hatte der Verfall auch schon zu Zeiten seiner Kindheit begonnen, doch, wer Schulden macht, mutiert zum Liebling der Banken. Die Rolle also, die er künftig spielen wird, ist schnell gefunden. Am Leben gehalten, durch den Künstler, der jetzt schreiben muss, um zu überleben.

Hans-Christian Dany erzählt vom tiefen Fall einer Hamburger Kaufmannsfamilie, den berühmten Beispiel von Thomas Mann in ihrem Eifer gar nicht so unähnlich und doch kompakt in seinem Essay „Schuld war mein Hobby“. Dabei spürt er dem Kippen der wirtschaftlichen Stabilität hinein ins Ungewisse nach, welches wie ein Gleichnis auf die sich nach dem Wirtschaftswunder der jungen Bundesrepublik lang anhaltende Krise wirkt, für die die Familie ein Beispiel von vielen ist.

Immer nah am Abgrund spürt der Autor den einzelnen Familienmitgliedern nach, dem Vater etwa, der den Betrieb schwerkrank übergeben muss, obwohl der jüngere Bruder dessen eigentlich dafür vorgesehen war, der jedoch selbst psychisch krank mit den eigenen inneren Dämonen zu kämpfen hat, der Mutter, nie wirklich in die Geschäfte ihres Mannes eingeweiht und der älteste Sohn darum kämpfend, eine bröckelnde Fassade aufrecht zu erhalten.

Was sind wir unseren Familien, Angehörigen, viel mehr uns selbst schuldig? Wie gehen wir mit vererbten Lasten physischer und psychischer Natur um? Was macht dies mit uns? Fragen, die nur ein jeder für sich selbst beantworten kann, da die Gesellschaft um uns herum, viel zu wenige Antworten dafür bereit hält. Diskussionsmaterial und Denkschrift zugleich, pendelt der Text entlang der Biografie und philosophischer Überlegungen, die durch das Beispiel greifbar werden.

Hoch spannend erzählt der Autor zugleich von einer spannungsgeladenen Beziehung zu Eltern und dem jüngeren Bruder und zeigt, was es mit uns macht, wenn wir die Last der Verantwortung schultern, ohne dem wirklich gewachsen zu sein, aber auch wie viele Berge Kampfes- und Überlebenswille zu versetzen vermag, ohne dass uns am Ende immer klar sein muss, wie wir Hindernisse überwunden haben. Stoff zum Nachdenken immerhin, manchmal etwas schwergängig, jedoch durchweg spannend, wenn man sich auf diese Mischung einlässt.

Autor:

Hans-Christian Dany wurde 1966 geboren und lebt als Künstler in Hamburg. Seine Texte erscheinen u. a. bei Edition Nautilus. Um vom Schreiben leben zu können, geht er wechselnden Tätigkeiten nach. Von einigen ist hier in diesem Essay die Rede.

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Dirk Wulff: Hannah Arendt – Erforscherin des Bösen

Reihe:

Das Werk gehört zur verlagsinternen Reihe „Philosophie für unterwegs“, in Zusammenarbeit mit verschiedenen Autoren und Autorinnen. Da jedes Buch aus der Reihe aus einer anderen Feder stammt und unabhängig voneinander gelesen werden kann, haben wir hier keine Band-Reihenfolge aufgelistet, da sonst das Rezensionsverzeichnis durcheinander käme.

Inhalt:

Hannah Arendt (geb. 1906 in Hannover, gest. 1975 in New York), durchlebte einen großen Zeitraum des „weltverändernden“ 20. Jahrhunderts. Bildung, Denkfähigkeit, Freiheitswille sowie persönliche Erlebnisse befähigten sie – die 1933 vor der Judenverfolgung aus Deutschland emigrierte -, scharfe Beobachterin und Analystin dieser Epoche zu werden.

Das „tätige Leben“ der Menschen, die Entwicklung totalitärer Regime, Freiheitsentzug, Flucht und die Vernichtung Andersdenkender sind „politische Themen“, mit denen sie sich beschäftigte und die sie „weltloser, akademischer“ Philosophie vorzog. Ihre Forschungsergebnisse zur Entstehung totalitärer Herrschaft sowie die Reportage zu „Eichmann in Jerusalem“ mit der intensiv geführten Debatte über die „Banalität des Bösen“ sind von bleibender Aktualität. (Klappentext)

Rezension:

Der immer höhere Grad an Automatisierung bringt es mit sich, dass die Auswirkungen unserer Taten wir immer indirekter zu spüren bekommen, ja damit gar nicht mehr in Berührung kommen. Der wissenschaftliche und technische Fortschritt hat den Schreibtischtäter möglich gemacht, ohne den keine Mechanik in Gang gesetzt werden kann, der jedoch nicht wahrzunehmen braucht, welche Folgen sein Handeln, sein Entscheiden hat. Adolf Eichmann konnte so den Massenmord des NS-Regimes organisieren, mit der gleichen Leidenschaftslosigkeit, mit der er auch hätte Aktenordner sortieren können.

Das was er tat war in Zahlen messbar, Tot und Massenmord als Zahlenfolge, die emotionalen Folgen erreichten den Bürokraten aufgrund der physischen Entfernung zu den zentralen Handlungsorten nicht. Das Böse ist banal, schlussfolgerte die Publizistin und politische Theoretikerin Hannah Arendt, deren eigene Themen des Lebens zugleich die eines Großteils des 20. Jahrhunderts waren. Der Wissenschaftler Dirk Wulff nimmt sich ihrer an und gibt mit seinem Exzerpt einen kompakten Überblick über das Leben dieser beeindruckenden Frau, sowie über derer wichtigsten Werke.

In wie weit aber lässt sich die Arbeit eines Menschen so dermaßen kompakt herunterbrechen, wie es innerhalb dieser Buchreihe geschieht, in derer sich verschiedene Autoren und Autorinnen den großen Denkenden der Geschichte annehmen? Dirk Wulff zumindest gelingt es, hauptsächliche Punkte herauszuarbeiten und damit auch ihrer Urheberin Gestalt zu geben. Es ist anzunehmen, dass dies im Rahmen der Reihe mit einer gewissen Kontinuität geschieht, so dass es sich wohl lohnt, die „Philosophie für unterwegs“ im Blick zu behalten. Der Verlag hat diese ausgebaut und so finden sich von Camus über Sokratis, von Karl Marx bis hin zu Simone Weil schon sehr viele, mit deren Gedankengängen es sich zu beschäftigen lohnt.

Zumindest für einen Anknüpfungspunkt, um einen Zugang zu finden. Dafür ist die Reihe in jedem Fall geeignet und das gelingt Dirk Wulff mit „Hannah Arendt – Erforscherin des Bösen“ sehr gut. Ein ausführliches Quellen- und Literaturverzeichnis gibt im Anschluss weitere Anregungen für eine ausführlichere Beschäftigung, doch für das Grundsätzliche genügen diese wenigen Seiten, auf denen beschrieben werden, wie die Publizistin Flüchtlinge sah, zu denen sie selbst gezwungenermaßen gehören musste und aus welchen Elementen und Ursprüngen heraus totalitäre Gesellschaften ihres Erachtens folgen können.

Abgerundet wird die Denkschrift zusätzlich mit Überlegungen, was sich Hannah Arendts Betrachtungen im Heute schlussfolgern lässt. Sprachlich ohne Schnörkel stellt Dirk Wulff dies dar, jedoch ohne trocken oder gar überheblich daherzukommen. Vielleicht liegt dies am Format, welches keine größeren Abstrahierungen erlaubt, ist damit jedoch um so zugänglicher für Laien, so dass man Werk wie Reihe unbedingt weiter verfolgen sollte.

Autor:

Dirk Wulff wurde 1941 in Wittenberg geboren und arbeitete bis 2004 als promovierter Chemiker an Forschungsprojekten in der chemischen Industrie. Er war an unzähligen Patenten, wissenschaftlichen Publikationen sowie am Wissensspeicher CHEMICA beteiligt. Seit 2004 widmet er sich philosophischen und soziologischen Themen. Wulff ist Mitglied der Nietzsche-Gesellschaft e. V. und veröffentlichte im Jahr 2009 „Kapitalismus und weiter?“.

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Manfred Kühn: Kant – Eine Biographie

Inhalt:
Heinrich Heine hat gespottet, von Immanuel Kant könne niemand eine Lebensgeschichte schreiben, denn Kant habe weder ein Leben noch eine Geschichte gehabt. In seiner mittlerweile zum Klassiker avancierten Biographie des größten deutschen Philosophen räumt Manfred Kühn mit der Legende von Kants ereignislosem Professorenleben gründlich auf. Er zeichnet das Bild eines eleganten und geistreichen Gentlemans, der eine wichtige Rolle im gesellschaftlichen Leben seiner Heimatstadt Königsberg spielte. (Klappentext)

Rezension:
Im Wesentlichen auf drei Biografien, geschrieben von drei Herren, die Kant zu unterschiedlichen Zeitpunkten seines Lebens gekannt haben, stützt sich unser Wissen um den vielschichtigen Philosophen aus Königsberg, geschrieben, auf eine bestimmte Deutung aufgelegt, sind sie jede für sich nur Puzzleteile, die sich vor allem auf die Person und Ansichten in ihren letzten Lebensjahren bezieht, doch wie haben sich Kants Sichtweisen auf die Rolle des Menschen, seinen Wirkungsgrad im Spannungsfeld zwischen Philosophie und Religion entwickelt?

Der amerikanische Philosoph Manfred Kühn wirft, um diese Fragen zu beantworten, mit dieser Biografie einen neuen Blick auf das Werden Kants, dessen jungen Jahre, um die Entwicklung der Kantschen Philosophie nachzuverfolgen und schafft so ein differenziertes Bild dessen Lebens, seinem Denken und seiner Zeit.

Bevor der Lebensweg Kants verfolgt und detailliert geschildert wird, ist eine Personenübersicht dem sehr ausführlich gehaltenen Text vorangestellt, in dem die einzelnen Protagonisten, die einst die Wege des Königsberger Philosophen kreuzten, vorgestellt und in ihrer Beziehung zu diesem eingeordnet werden. Erst danach erfolgt eine Erklärung Manfred Kühns zu dessen Herangehensweise in seiner Betrachtung, die philosophische Theorien und Werke in Bezug setzt zu Kants Lebensabschnitten, in denen sie entstanden und schließlich veröffentlicht wurden.

Die philosophischen Überlegungen sind dabei stilistisch hervorgehoben, werden überdies auch ausführlich erklärt, ebenso wie Meinungsstreite und Auseinandersetzungen der damaligen Zeit. Diese Vorgehensweise führt zu einer sehr komplexen Art von Biografie, die zwar erhellend, dennoch nicht immer leichtgängig zu lesen ist. Das war zwar eines der Ziele Kühns, wobei dieses schnell an seine Grenzen gerät, wie selbst der Autor in seinem vorangestellten Prolog zugeben muss. Konzentration und vielleicht der eine oder andere Notizzettel sind also erforderlich, um Immanuel Kants Überlegungen Folge leisten zu können und Längen in der Lektüre zu überstehen.

Außerhalb der durchaus nüchternen Theorie hat es Kühn geschaffen, einen großen Denker aufleben zu lassen. Das historische Königsberg, seine gesellschaftlichen Strukturen und sein Gefüge innerhalb Preußens werden sehr anschaulich dargestellt, sowie die Auseinandersetzungen mit Kants Werken zu dessen Lebzeiten, schon für die Zeitgenossen von nicht ganz einfacher Natur. Hier ist dem Autoren eine sehr facettenreiche Schilderung gelungen, die viele Darstellungen Kants und die seiner Gegenüber zu einander neu in Beziehung setzt und einordnet.

Gänzlich unvertraut mit Kant sollte man nicht an die Lektüre dieser Biografie herangehen. Vorwissen ist zwar nicht unbedingt notwendig, aber vom Vorteil, um besonders komplexe, daher verschachtelte Textstrecken verfolgen zu können, derer man sonst geneigt ist, diese zu überfliegen. Das Werk Kühns soll zwar populärwissenschaftlich sein, geht jedoch einen Schritt weiter und ist eher geeignet, von Fachkundigen gelesen zu werden. Zuletzt rundet ein Zeitstrahl, ein ausführliches bibliografisches und Anmerkungsverzeichnis diese Biografie ab.

Autor:
Manfred Kühn ist em. Professor für Philosophie an der Boston University. Zuvor lehrte er an der Purdue University, USA, sowie in Marburg. Neben vielen Arbeiten über Kant, beschäftigte er sich mit Hume und Payne, die Aufklärung in Schottland, Frankreich und Deutschland, u. a. mit Johann Gottlieb Fichte.

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Kurt Tallert: Spur und Abweg

Inhalt:
Schon als Schüler muss Kurt Tallert erfahren: Was für weite Teile seiner Generation Schulbuchvergangenheit ist, ist für ihn lebendig, die Geschichte seines Vaters. Eines Vaters, der als „Halbjude“ von den Nazis verfolgt wird, der nach der Befreiung in Deutschland bleibt, Journalist wird und Mitglied des Bundestags. Und der doch ein Leben lang seinen Platz sucht. In „Spur und Abweg“ trifft Vergangenheit auf Gegenwart, Überliefertes auf Verdrängtes, Erlebtes auf Erinnertes, erzählt Kurt Tallert die Geschichte seines Vaters – und seine eigene. Ein Stück Gegenwartsliteratur, in dem die Scherben eines Lebens zu einem Spiegel der Gesellschaft zusammengelegt werden. (Klappentext)

Rezension:

Wie das Unfassbare begreifen? Diese Frage stellt sich Kurt Tallert und versucht die Geschichte seiner Familie, vor allem die seines Vaters, der viel zu früh verstarb, zu durchdringen und diese in Beziehung zu seinem eigenen Leben zu stellen, dessen Wahrnehmung schon in der Kindheit so ganz anders ist als die Gleichaltriger. An den brutalen Folgen der Nazi-Herrschaft leidend, vergeblich um Wiedergutmachung, Entschädigung kämpfend, geht die Vaterfigur zu Grunde als der Autor noch in der letzten Phase seiner Kindheit steckt, schon da hat die Spurensuche Tallerts nach dem Warum begonnen. Der Autor erzählt von ihr, tief in die Familiengeschichte eintauchend, um mehr über sie, nicht zuletzt auch über sich selbst zu erfahren. Kann dies gelingen?

Es ist eine besondere Art von Familien- oder Personenbiografie, die mit „Spur und Abweg“ hier vorliegt, die zugleich beinahe philosophisch die Frage nach der Verarbeitung vererbter Traumata aufgreift. Wissenschaftlich nachgewiesen, dass diese über mehrere Generationen hinweg unser Handeln und Leben beeinflussen können, weiß auch der Schreibende um diesen Fakt, möchte tiefgehender Ursachenforschung betreiben und begibt sich anhand von Dokumenten und Ortsbegehungen über die Jahre hinweg immer wieder in Konfrontation, nicht zuletzt zu sich selbst. Das Bild des Vaters, den er als Kind beinahe nur gebrochen kannte, bekommt dabei immer neue Facetten, Konturen, die eigentlich Klarheit bringen müssten, stattdessen immer mehr Fragen aufwerfen.

Das Puzzle, dessen Teile aus Briefen, Tagebuchaufzeichnungen oder Buchenwald-Besuchen bestehen entfaltet seine Wirkung, auf den Autoren selbst, der seine Erfahrungen in Bezug zu den Beobachtungen setzt, die er macht, wenn er seine Mitmenschen betrachtet. warum reagiert der Klassenkamerad während des Besuchs der Gedenkstätte anders als er, warum schießen Touristen später Selfies am Deportationsgleis, wo einst Familienmitglieder in ein ungewisses Schicksal blickten? Teile werden zusammengesetzt, allmählich wird die Familiengeschichte greifbar, der Autor gewinnt Sicherheit und wird zugleich unsicherer.

„Spur und Abweg“ ist die Art von Verarbeitungsliteratur, der Versuch zu verstehen, die man mit einer gewissen Konzentration konsumieren muss, nichts für schwache Nerven oder jene, die sich nicht auf philosophische Betrachtungen einlassen wollen. Dem Autor verschaffen sie einen Abstand, der die Betrachtung erst möglich macht, lesend begibt man sich auf Spuren eines Prozesses, der mehrere Leben reichen wird. Was machen die Erfahrungen vorangegangener Generationen mit uns, zudem wenn deren Leid von Gesellschaft und Politik nie wirklich anerkannt waren, wenn Protagonisten zwischen den Stühlen stehen und das Zugehörigkeitsgefühl zwangsläufig diffus bleiben muss?

Was macht es mit uns, wenn Identität verloren geht? Am Beispiel seines Vaters und nicht zuletzt sich selbst, erzählt Kurt Tallert davon. Gerade in heutiger Zeit wichtige Lektüre.

Autor:

Kurt Tallert wurde 1986 in Bad Honnef geboren und studierte Germanistik und Hispanistik in Aachen und Santiago de Chile. Unter den Künstlernamen „Retrogott“ prägt er als DJ, Rapper und Produzent, die deutsche Hip-Hop-Szene und veröffentlichte zahlreiche Alben. Dies ist sein schriftstellerisches Debüt.

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Hubert C. Kueter: Mein verdorbenes Blut

Inhalt:
Als Horst im Jahr 1936 sechs Jahre alt ist, verstirbt sein deutscher Vater, und er bleibt mit seiner jüdischen Mutter in Breslau. Dort überleben sie die Kriegsjahre. Nach dem Krieg fliehen sie wie viele Deutsche nach Westen. Im Nachkriegsdeutschland erleben sie wieder Antisemitismus. Horst entwickelt einen starken Überlebensinstinkt, der ihm in vielen Situationen hilft, seine Familie und Freunde vor Hunger und Not zu bewahren. Sein Leben wird von seiner angeborenen Faszination für Kochkunst, Musik und Sport geprägt.

Der Roman ist mit Witz und Eleganz geschrieben, macht aber auch die tief sitzende Traurigkeit spürbar, die mit der Geschichte der deutschen Juden verbunden ist. (Klappentext)

Rezension:

Ihre „Fahrkarte nach Amerika“ im Gepäck, begeben sich Mutter und Sohn nach Kriegsende, zusammen mit einem russischen Offizier auf die Flucht gen Westen, möchten sie dort ein neues Leben, unbehelligt von Anfeindungen und Ausgrenzung beginnen. Krieg und Holocaust haben sie mehr schlecht als recht überstanden, nicht zuletzt auch durch Horsts Einfallsreichtum und Wagemut. Den werden sie auch im Westen Europas benötigen. Vor allem Horst aber ahnt nicht, wie weit der Schatten der Vergangenheit reichen wird.

Doch selbst bis dahin gibt es viel zu erzählen. Der Autor Hubert C. Kueter taucht tief ein in seine Familiengeschichte und hat damit eine Erzählung geschaffen, die zwischen Biografie, Historienschau und Kriegsroman pendelt, zudem für Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen lesenswert ist. Dabei ist dies ein sich sehr rasant lesender Text, in dem der Schreibende viele Ereignisse in enger Taktung aufeinander folgen lässt. Krieg verzeiht nichts, sondern wirbelt die Menschen umher. Das begreift man sehr schnell. Immer wieder jedoch gibt es ruhige Momente, die einem durchatmen und hungrig werden lassen.

Ja, auch das ist „Mein verdorbenes Blut“, welches nicht nur vom Leben in der Schwebe erzählt, sondern auch ein großer kulinarischer Roman, den man nicht mit leeren Magen lesen sollte. Der Autor schon als Kind Liebhaber guten Essens lässt hier die ganze Fülle der schlesischen Küche aufleben. Nebst der im Roman ausgestalteten Protagonisten sind zahlreiche Speisen hier die Hauptfigur, worauf dann auch der Untertitel verweist.

Das macht großen Spaß, wie auch dem Kind und Jugendlichen Horst auf seinen Hamstertouren zu folgen und Zeile für Zeile ihn und anderen Figuren Konturen angedeihen zu lassen. Durchbrochen werden die Erzählungen durch Tagebucheinträge der Mutter, die auf ihre Art versucht, sich und ihren Sohn das Überleben zu ermöglichen, in einer von Wirren und zahlreichen Unsicherheiten geprägten Zeit. Auch ihre Person nimmt sehr schnell Gestalt an, während andere Protagonisten über die Länge des Textes Nebenfiguren bleiben müssen, gleichwohl der Autor um deren Rolle weiß. Die Konzentration indes auf das Wesentliche tut dem Lesen der Erinnerungen gut.

Wichtig sind solche Zeitzeugenberichte gerade heute und lange war es nicht möglich, diesen Text in deutscher Sprache zu lesen. Der Autor Hubert C. Kueter hat seine Lebensgeschichte, die da zwischen den Genres schwankt, bereits 2008 im Englischen veröffentlicht. Erst durch eine Crowdfunding-Kampagne konnten Übersetzung und Druck im Yalden-Verlag realisiert werden. Nicht nur deshalb wünscht man diesem Werk möglichst viele Lesende.

Kueter beschreibt sehr eindrücklich Geschehnisse und kann Orte vor dem inneren Auge entstehen, nicht zuletzt einem das Wasser im Munde laufen lassen, wenn es um Rezepte und der Formulierung von schlesischen und anderen Gerichten geht. Man müsste das Werk geradezu zusammen mit einem Stück Streuselkuchen erwerben können. Das wäre toll. Die Erzählung umfasst die Kindheits- und Jugendjahre des Autoren, wirkt dabei recht kurzweilig, auch da ständig etwas passiert. Ereignislos war die damalige Zeit ja nicht.

Traurigkeit über Verlorenes wechselt mit kindlicher Neugier und jugendlichen (Über-)Mut, der einem den Atem anhalten und im nächsten Moment herzhaft lachen lässt. Der Autor schaut zurück, doch wirkt es insgesamt als stünde man direkt neben ihn in seinen jungen Jahren und erlebe all jene Geschehnisse mit. Nicht nur ausführliche und detaillierte Beschreibungen derer tun ihr übriges dazu. Man kann sich das alles bildlich vorstellen. Gleichzeitig ahnt man nur, wie viel auch Düsteres die Mutter von ihrem Sohn fernhalten konnte. Auch diesen Anstrengungen setzt Kueter hier ein Denkmal, welches berührt.

Dieses Werk ist zum einem Lebensgeschichte und Autobiografie, Erinnerung und Kriegsroman, sowie ein Buch, welches von Jugendlichen wie von Erwachsenen gleichermaßen gelesen werden kann. Bedauerlich ist einzig, dass nicht weiter erzählt wird, wie es dem Autor danach ergangen ist.

Zudem habe ich gerade keinen Streuselkuchen. 

Autor:
Hubert C. Kueter wurde 1930 in Breslau geboren und wanderte nach dem Zweiten Weltkrieg nach Amerika aus. Dort studierte er Germanistik und war von 1965 an bis 1997 als Professor am Colby College in Waterville, Maine, tätig, wo er Deutsch und Literatur unterrichtete. Zudem betrieb er zwischen 1975 bis 2003 ein Restaurant. Nach dem Ruhestand verfasste er seinen Memoiren-Roman, den er 2007 veröffentlichte.

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